TE Vfgh Erkenntnis 2008/2/25 B906/06

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Veröffentlicht am 25.02.2008
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Tir GVG 1996 §5 Abs1 litd

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch willkürliche Versagung dergrundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Schenkungs- undPflichtteilsverzichtsvertrags; kein Eingehen auf dasParteienvorbringen hinsichtlich der Anwendbarkeit desAusnahmetatbestandes für wirtschaftlich bedeutungslose Flächen

Spruch

Die Beschwerdeführerinnen sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Tirol ist schuldig, den Beschwerdeführerinnen zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.664,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Schenkungs- und Pflichtteilsverzichtsvertrag übergab

R.S., die Erstbeschwerdeführerin, das neu gebildete Gst. 9074/2 in EZ [...] GB Längenfeld im Ausmaß von 505 m² an ihre Tochter A.K., die nunmehrige Zweitbeschwerdeführerin, und das neu gebildete Gst. 9074/3, ebendort, im Ausmaß von 592 m² an ihre Tochter A.W., die nunmehrige Drittbeschwerdeführerin.

Die Bezirks-Grundverkehrskommission als Grundverkehrsbehörde I. Instanz erteilte diesem Rechtserwerb mit Bescheid vom 22. April 2005 die grundverkehrsbehördliche Genehmigung. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass der Rechtserwerb - da dadurch die Geschenknehmerinnen abgefunden und auf weitere Pflichtteile verzichten würden - Voraussetzung für die Erhaltung der Landwirtschaft der Geschenkgeberin und ihres Ehegatten und so Basis für den Hofübernehmer sei, weshalb kein Widerspruch zu den öffentlichen Interessen vorliege.

2. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten gab die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung (im Weiteren: LGVK) mit Bescheid vom 6. April 2006 Folge und versagte dem Rechtserwerb die grundverkehrsbehördliche Genehmigung. Begründend führte die LGVK im Kern aus, dass der Liegenschaftserwerb den öffentlichen Interessen des §6 Abs1 lita Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 (im Weiteren: TGVG 1996) an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes bzw. an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspreche, weil die Erwerberinnen bisher nicht Eigentümer eines Betriebes oder weiterer landwirtschaftlicher Grundflächen seien und die in Rede stehenden Grundstücke aufgrund ihrer Größe für sich alleine nicht geeignet seien, eine ausreichende Betriebsbasis sicherzustellen. Überdies hätte der Rechtserwerb eine agrarstrukturell unerwünschte Besitzzersplitterung zur Folge, zumal der Widerspruch zur Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes mit der Teilung des Gst. 9074 offensichtlich sei. Schließlich würden die Rechtserwerberinnen selbst nicht beabsichtigen, einen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art144 B-VG, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie - unter Berufung auf Art6 EMRK - auf den gesetzlichen Richter behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie dem Beschwerdevorbringen mit näherer Begründung entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

5. Die Beschwerdeführerinnen haben einen "ergänzenden Schriftsatz" eingebracht, in welchem u.a. zum Vorliegen von Inländerdiskriminierung infolge Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Selbstbewirtschaftungspflicht sowie zu den behaupteten Grundrechtsverletzungen ausgeführt wird.

II. Die im vorliegenden Fall maßgebenden Bestimmungen des TGVG 1996, LGBl. 61 idF LGBl. 85/2005, lauten:

"2. Abschnitt

Rechtserwerbe an land- oder
forstwirtschaftlichen Grundstücken

§4

Genehmigungspflicht

(1) Der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfen Rechtsgeschäfte, die den Erwerb eines der folgenden Rechte an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken zum Gegenstand haben:

a) den Erwerb des Eigentums;

[...]

(2) Der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfen weiters:

a) jede Teilung von landwirtschaftlichen Grundstücken, sofern hiefür nicht bereits nach Abs1 die Genehmigung erforderlich ist;

[...]"

"§5

Ausnahmen von der Genehmigungspflicht

(1) In folgenden Fällen bedarf es nicht der Genehmigung nach §4:

[...]

d) beim Rechtserwerb an Grundstücken, die auf Grund ihrer Beschaffenheit, ihrer Lage oder ihrer geringen Größe für die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes wirtschaftlich nicht von Bedeutung sind, sofern die vorgesehene Verwendung nicht im Widerspruch zu den Zielen der örtlichen Raumordnung steht;

[...]"

"§6

Genehmigungsvoraussetzungen

(1) Die Genehmigung nach §4 darf nur erteilt werden, wenn

a) der Rechtserwerb weder dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch dem vffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht,

[...]"

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften werden in der Beschwerde keine Bedenken vorgebracht; solche sind beim Verfassungsgerichtshof aus Anlass des vorliegenden Verfahrens auch nicht entstanden. Die Ausführungen zur behaupteten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit und - infolge Inländerdiskriminierung - Verfassungswidrigkeit des "Zwanges zur Selbstbewirtschaftung" gehen mangels Präjudizialität des damit offenbar als verfassungswidrig gerügten §6 Abs1 litb TGVG 1996 ins Leere.

Es ist daher ausgeschlossen, dass die Beschwerdeführerinnen wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt wurden.

2.1. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnten die Beschwerdeführerinnen im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

2.2. Dies ist der belangten Behörde vorzuwerfen:

Die Beschwerde führt aus, dass die Behörde das Vorbringen, dass eine Ausnahme von der Genehmigungspflicht iSd §5 Abs1 litd TGVG 1996 vorliege, nicht behandelt, sondern sich vielmehr leichtfertig darüber hinweggesetzt habe. Nach Auffassung der Beschwerdeführerinnen wäre die in der genannten Bestimmung normierte "Restflächenregelung" in Anschlag zu bringen gewesen, weshalb der Rechtserwerb nicht der grundverkehrsbehördlichen Genehmigungspflicht unterliege.

Wie den dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten zu entnehmen ist, führten die Beschwerdeführerinnen im Zuge des grundverkehrsbehördlichen Berufungsverfahrens vor der LGVK mehrfach - so in der Stellungnahme zur Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten sowie in einer weiteren schriftlichen Stellungnahme - aus, dass auf den zu beurteilenden Rechtserwerb die "Restflächenregelung" anzuwenden sei, da die Liegenschaft für die landwirtschaftliche Nutzung "bedeutungslos" sei und es sich um eine "landwirtschaftlich wertlose" Fläche handle. Dieses Vorbringen wurde im Zuge der mündlichen Berufungsverhandlung vor der LGVK am 30. März 2006 wiederholt.

Im angefochtenen Bescheid wird das diesbezügliche Parteivorbringen zwar wiedergegeben, hierauf jedoch im Übrigen in keiner Weise Bezug genommen. Insbesondere legte die belangte Behörde nicht dar, welche Gründe für den von ihr augenscheinlich angenommenen Umstand sprechen, dass der Ausnahmetatbestand gemäß §5 Abs1 litd TGVG 1996 gegenständlich nicht erfüllt ist. Die Behörde hätte vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles und des diesbezüglich substantiierten Parteivorbringens jedoch jedenfalls auch darüber zu befinden gehabt, ob die in Rede stehenden Grundflächen aufgrund ihrer Beschaffenheit, ihrer Lage oder Größe für die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes wirtschaftlich von Bedeutung sind, gegebenenfalls ob die vorgesehene Verwendung im Widerspruch zu den Zielen der örtlichen Raumordnung steht.

Auch hat die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides keine nachvollziehbaren Überlegungen darüber angestellt, welche Auswirkungen den landwirtschaftlichen Betrieb der Geschenkgeberin in Ermangelung einer Verzichtserklärung bei einer etwaigen Forderung der Pflichtteile durch die Töchter (und möglicher Zerschlagung des Betriebes) treffen könnten.

2.3. Indem die Behörde das Parteivorbringen in diesem - für die Frage der Genehmigungspflicht des Rechtsgeschäfts maßgeblichen - Punkt gänzlich ignoriert hat, wurden die Beschwerdeführerinnen im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

Der angefochtene Bescheid war schon aus diesem Grund als verfassungswidrig aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

IV. 1. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. In dem

zugesprochenen Betrag sind ein Streitgenossenzuschlag in Höhe von € 270,-, Umsatzsteuer in Höhe von € 414,- sowie der Ersatz der entrichteten Eingabengebühr in Höhe von € 180,- enthalten.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Bescheidbegründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:B906.2006

Zuletzt aktualisiert am

18.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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