TE Vwgh Erkenntnis 2003/9/16 2000/14/0179

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Veröffentlicht am 16.09.2003
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

ABGB §1392;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des W E in B, vertreten durch Dr. Josef Lechner und Dr. Ewald Wirleitner, Rechtsanwälte in 4400 Steyr, Grünmarkt 8, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 6. September 2000, GZ. RV1115/1-10/2000, betreffend Haftung für Abgabenschulden, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug gemäß § 9 Abs. 1 in Verbindung mit § 80 BAO zur Haftung für diverse Abgabenschulden der V-GmbH im Ausmaß von 1,628.461,92 S (Umsatzsteuer 1996 - Oktober 1998, Körperschaftsteuer 2. - 4. Quartal 1998, Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag März 1998 - Oktober 1998, Säumniszuschläge 1997 und 1998, Pfändungsgebühren und Barauslagenersätze 1998, Stundungszinsen 1998) herangezogen. Der Beschwerdeführer sei von der Gründung der Gesellschaft bis zur Eröffnung des Konkurses über ihr Vermögen am 14. Jänner 1999 Geschäftsführer der V-GmbH gewesen. Da das Konkursverfahren bereits abgeschlossen und die Konkursquote überwiesen sei, stehe die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen (im Einzelnen angeführten) Abgaben bei der Primärschuldnerin fest.

Die Haftung für die Lohnsteuer der Arbeitnehmer sei insofern verschuldensunabhängig, als die Nichtabfuhr aus näher angeführten Gründen nicht mit fehlenden Mitteln zu rechtfertigen sei. Was die Nichtentrichtung der übrigen Abgaben anlange, sei der Beschwerdeführer bereits im erstinstanzlichen Haftungsbescheid auf die ihn treffende Beweislast hingewiesen worden. Da in der Regel nur der Geschäftsführer Einblick in die Gebarung der Gesellschaft habe, welcher es ihm ermögliche, entsprechende Behauptungen aufzustellen und Beweise anzubieten, habe nicht die Abgabenbehörde, sondern der Geschäftsführer das allfällige Fehlen ausreichender Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen. Dennoch habe der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet, dass er alle Gläubiger gleichmäßig befriedigt habe. Auch sei nicht dargelegt worden, wie die vorhandenen Mittel verwendet worden seien. In der Berufungsvorentscheidung vom 12. Juli 2000 habe das Finanzamt dem Beschwerdeführer vorgehalten, dass am Bankkonto der Primärschuldnerin noch Gutschriften erfolgt seien, als an das Finanzamt keine Zahlungen mehr geleistet worden seien. Dieser Vorwurf könne nicht mit der Behauptung entkräftet werden, dem Finanzamt seien (vor allem in der ersten Hälfte des Jahres 1998) Akontozahlungen geleistet worden.

Hinsichtlich des in der Berufung angeführten Globalzessionsvertrages zu Gunsten der Bank sei dem Beschwerdeführer anzulasten, dass er es bei Abschluss des Vertrages zugelassen habe, in seinen Entscheidungen derart von der Bank eingeschränkt zu werden, dass ihm die künftige Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich werden könnte.

Im Rahmen der Ermessensübung könne dem Beschwerdeführer allenfalls zu Gute gehalten werden, dass er um den Weiterbestand des Unternehmens bemüht gewesen sei. Vorzuwerfen sei ihm allerdings, dabei abgabenrechtliche Pflichten verletzt zu haben. Im Hinblick auf das Alter des Beschwerdeführer sei damit zu rechnen, dass die gegenständlichen Abgaben bei ihm noch eingebracht werden könnten. Da der Abgabenausfall auf ein Verschulden des Beschwerdeführers zurückzuführen sei, räume die belangte Behörde dem öffentlichen Interesse an der Abgabenerhebung den Vorrang gegenüber den berechtigten Interessen des Beschwerdeführers, nicht zur Haftung herangezogen zu werden, ein.

Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat. Es hat nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Reichen die liquiden Mittel zur Begleichung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht aus, so hat der Vertreter nachzuweisen, dass die vorhandenen Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden. Unterbleibt der Nachweis, kann die Behörde von einer schuldhaften Pflichtverletzung ausgehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2002, 99/14/0233).

Der Beschwerdeführer räumt ein, seine "bisherige Rechtsvertretung" habe "nicht so agiert wie es unter Umständen wünschenswert gewesen wäre" und meint weiter, "wenn so wie hier offenkundig und möglicherweise aus einer Fehleinschätzung heraus wesentliche Umstände nicht vorgetragen werden, hätte die Behörde von sich aus den Sachverhalt einer Aufklärung zuführen müssen".

Zu diesem Vorbringen ist zunächst zu sagen, dass es - wie oben ausgeführt - Sache des Vertreters ist, bereits im Verwaltungsverfahren konkret die Gründe anzuführen, die ihn an der Entrichtung der Abgaben gehindert haben. Im gegenständlichen Fall wird darüber hinaus aber auch in der Beschwerde kein Vorbringen erstattet, dass, wäre es bereits im Verwaltungsverfahren erstattet worden, geeignet gewesen wäre, die Haftungsinanspruchnahme des Beschwerdeführers als rechtswidrig erkennen zu lassen. Wie durch die vom Beschwerdeführer vermisste Einsichtnahme in den Konkursakt der GmbH Feststellungen darüber hätten getroffen werden können, welche Mittel dem Beschwerdeführer zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben zur Verfügung gestanden waren, ist nicht einsichtig und legt auch die Beschwerde nicht dar. Mit den weiteren Ausführungen, durch die Einsichtnahme in den Konkursakt hätte sich ergeben, dass die Löhne und Gehälter in den letzten sechs Monaten vor der Konkurseröffnung "zumindest zum Teil" nicht mehr ausbezahlt worden seien, weshalb ihm insoweit zu Unrecht vorgeworfen werde, die Löhne und Gehälter zur Gänze an die Arbeitnehmer ausbezahlt, die darauf entfallende Lohnsteuer aber nicht an die Abgabenbehörde abgeführt zu haben, wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides gleichfalls nicht aufgezeigt. Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer der schon in der Berufungsvorentscheidung gemachten diesbezüglichen Vorhaltung im Verwaltungsverfahren nicht entgegen getreten ist und das diesbezügliche Beschwerdevorbringen daher gegen das verwaltungsgerichtliche Neuerungsverbot verstößt, muss die Rüge schon deshalb ins Leere gehen, weil der Beschwerdeführer den Nachweis der anteiligen Befriedigung des Abgabengläubigers auch in Ansehung der Lohnsteuerbeträge nicht erbracht hat.

Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit wendet der Beschwerdeführer ein, die belangte Behörde habe sich mit seinem im Verwaltungsverfahren erstatteten Vorbringen, im Jahr 1998 näher angeführte Akontozahlungen auf das Abgabenkonto der Primärschuldnerin veranlasst zu haben, nicht ausreichend auseinander gesetzt. Sie habe nicht darüber abgesprochen, wie und in welcher Form diese Zahlungen "nun anzurechnen sind oder nicht". Mit diesen Ausführungen wird weder aufgezeigt, dass die geleisteten Zahlungen nicht den Regelungen des § 214 BAO entsprechend mit den Abgabenschuldigkeiten der GmbH verrechnet worden wären, noch dargetan, dass der Beschwerdeführer mit diesen Zahlungen seiner Verpflichtung zur gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger der Gesellschaft nachgekommen wäre.

Da der Beschwerdeführer im Haftungsverfahren durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter vertreten war, bestand in dem Verfahren die in § 113 BAO normierte Pflicht zur Rechtsbelehrung nicht. Der in diese Richtung zielende Beschwerdevorwurf, die belangte Behöre habe den Beschwerdeführer nicht ausdrücklich auf die Notwendigkeit weiteren Vorbringens samt Beweisanboten aufmerksam gemacht, ist daher unberechtigt. Überdies wird mit der in der Beschwerde vorgenommenen summenmäßigen Gegenüberstellung der Finanzamtsforderungen und der sonstigen Forderungen einerseits und der tatsächlichen Zahlungen andererseits bezogen auf die Jahre "1987 und 1988" (gemeint wohl 1997 und 1998) auch in der Beschwerde nicht aufgezeigt, welche liquiden Geldmittel dem Beschwerdeführer zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten der strittigen Abgaben zur Verfügung gestanden sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 2002, 98/14/0189).

Aus dem Vorstehenden ergibt sich bereits, dass das Beschwerdevorbringen keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides weckt. Ergänzend sei aber darauf hingewiesen, dass die belangte Behörde zutreffend auch im Abschluss eines allgemeinen Mantelzessionsvertrages eine schuldhafte Pflichtverletzung erblickt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt der Abschluss eines Mantelzessionsvertrages dann eine Pflichtverletzung dar, wenn der Geschäftsführer damit rechnen muss, durch die Zession die liquiden Mittel zur Berichtigung anderer Schulden als der Bankschulden, insbesondere der Abgabenschulden der GmbH, zu entziehen. Der Abschluss eines Zessionsvertrages ist dem Vertreter der Gesellschaft als Pflichtverletzung somit bereits vorzuwerfen, wenn er es unterlassen hat - insbesondere durch entsprechende Vertragsgestaltung - vorzusorgen, dass auch im Falle einer Änderung der Verhältnisse, wenn diese bei Aufwendung entsprechender Sorgfalt nicht als unvorhersehbar zu werten ist, die Bedienung der anderen Schulden, insbesondere der Abgabenschulden, nicht durch diesen Vertrag beeinträchtigt wird (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1999, 99/14/0041). Dass durch die Abtretung der Forderungen tatsächlich keine Beeinträchtigung der Abgabenentrichtung eingetreten wäre, behauptet der Beschwerdeführer nicht. Ob die Bedienung der Bankschulden durch den Eingang abgetretener Forderungen in der schon erwähnten summenmäßigen Auflistung enthalten ist, lässt sich dem Vorbringen nicht entnehmen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 16. September 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000140179.X00

Im RIS seit

20.10.2003

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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