TE Vwgh Erkenntnis 2003/9/16 2000/14/0116

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Veröffentlicht am 16.09.2003
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

BAO §250;
BAO §258;
BAO §276 Abs1;
BAO §284 Abs1;
EStG 1972 §23 Z1;
EStG 1988 §23 Z1;
UStG 1972 §1 Abs1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Dr. Höß und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des E H in G, vertreten durch Dr. Michl Münzker, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Landskrongasse 5 (Tuchlauben 20), gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom 16. November 1999, Zl. RV-056.96/1-7/1996, betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1982 bis 1991, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 2. Oktober 1991 fand in dem vom Beschwerdeführer gepachteten Anwesen in G eine Hausdurchsuchung statt. Nach einer weiteren Hausdurchsuchung in den Kanzleiräumlichkeiten der N-Wirtschaftstreuhand GmbH erstellte das Finanzamt durch seine Prüfungsabteilung Strafsachen am 30. März 1992 einen Bericht, in welchem u.a. festgestellt wurde, es bestehe der Verdacht, dass der Beschwerdeführer - dieser habe in der Vergangenheit lediglich nichtselbständige Einkünfte einbekannt - beträchtliche unversteuerte Einnahmen als Zuhälter der "Wiener Gürtelszene" erzielt habe. Eine Vermögensdeckungsrechnung habe große Unterdeckungen ergeben. In einer Besprechung vom 23. März 1993 habe der Beschwerdeführer angegeben, die festgestellten Unterdeckungen entsprächen von ihm erzielten Einnahmen aus "Zuhälterei". Er habe das Angebot gemacht, ein auf dieser Vermögensdeckungsrechnung basierendes steuerliches Mehrergebnis unter Rechtsmittelverzicht anzuerkennen und sowohl Abgabennachforderung als auch Strafe zu entrichten.

Im Bericht vom 22. Dezember 1993 über die gemäß § 99 Abs. 2 FinStrG durchgeführte Prüfung über den Zeitraum 1982 bis 1991 wird u.a. festgehalten:

"Tz. 13: Im Prüfungsverfahren konnten vom Abgabenpflichtigen

... keine Aufzeichnungen über die Einkünfte aus Gewerbebetrieb

vorgelegt werden. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie die steuerpflichtigen Umsätze der Jahre 1982 -1991 waren daher im Wege der Schätzung gemäß § 184 BAO zu ermitteln. Dabei erfolgte die Errechnung der bisher nicht offen gelegten Umsätze bzw. Einkünfte über die Ermittlung der zur Deckung der Lebensführungskosten nötigen Einnahmen des Berufungswerbers. Die Umsätze bzw. Einkünfte

stammen wie bei einer Hausdurchsuchung ... festgestellt wurde, aus

von ihm dominierten Gesellschaften.

...

Tz. 14: Umsatzsteuerbemessungsgrundlage:

Wie aus Tz. 12 ersichtlich ist, wurden vom Steuerpflichtigen keine Aufzeichnungen über die steuerpflichtigen Umsätze geführt. Die Umsatzsteuerbemessungsgrundlagen wurden im Prüfungsverfahren in der Höhe der Differenz zwischen den zur Deckung der Lebenshaltungskosten nötigen Einnahmen und den (vom Berufungswerber) bisher vereinnahmten Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit errechnet. Der ermittelte Differenzbetrag stellte die Bruttoumsatzsumme dar. ...

Die detaillierten Berechnungsgrundlagen wurden mit dem Steuerberater ausführlich besprochen und diesem übergeben.

...

Tz. 25 Einkünfte aus Gewerbebetrieb:

Die in Tz. 14 angeführten Umsätze stellen inklusive Umsatzsteuer

Einkünfte aus Gewerbebetrieb dar."

Das Finanzamt erließ den Feststellungen des Betriebsprüfers folgend Bescheide betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1982 bis 1991.

Im Berufungsverfahren brachte der Beschwerdeführer vor, im Zuge der Hausdurchsuchung seien in seinem Wohnhaus Belege über Aufwendungen der privaten Lebensführung, welche nicht durch versteuerte Einkünfte gedeckt gewesen seien, aufgefunden worden. Für die Jahre 1982 bis 1991 sei ein Betrag von ca. S 4,7 Mio. (als Einkünfte aus Zuhälterei) den erklärten Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zugerechnet worden. Der Beschwerdeführer unterhalte seit 1976 eine ständige Lebensgemeinschaft mit Frau Ingrid T. Ingrid T sei von 1976 bis 1986 als Prostituierte registriert gewesen und habe in jener Zeit erhebliche Beträge verdient, welche auch der Bildung von Ersparnissen gedient hätten. Die als Vermögensunterdeckung dem Beschwerdeführer zugerechneten Beträge stammten ausschließlich aus jenen Einnahmen sowie aus den daraus gebildeten Ersparnissen. Zudem handle es sich bei den von der Prüfungsabteilung Strafsachen festgestellten Lebenshaltungskosten um solche (Mieten, Kfz-Spesen, Wohnungsadaptierungskosten, Kreditrückzahlung für Hauskauf etc.), welche in intakten Lebensgemeinschaften von beiden Partnern nach ihren jeweiligen finanziellen Möglichkeiten gemeinsam getragen würden. Die Bestreitung eines Teiles der gemeinsamen Lebenshaltungskosten durch Ingrid T stelle daher eindeutig eine freiwillige Zuwendung im Sinn des § 29 Z 1 EStG dar. Ingrid T habe dem Finanzamt mittlerweile ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse im Prüfungszeitraum dargelegt. Aus dieser Darlegung könne die Finanzierung der Vermögensunterdeckung des Beschwerdeführers glaubhaft erklärt werden. Mit Schreiben des steuerlichen Vertreters des Beschwerdeführers vom 13. Mai 1994 sei für Ingrid T eine Selbstanzeige gemäß § 29 Finanzstrafgesetz erstattet und dargelegt worden, Ingrid T sei in den Jahren 1976 bis 1986 als Prostituierte registriert gewesen und habe aus dieser Tätigkeit Einkünfte bezogen, die der Bildung erheblicher Ersparnisse gedient hätten. Der Beschwerdeführer habe die Darstellung des Finanzamtes niemals akzeptiert, akzeptiert werde ausschließlich die Tatsache der Vermögensunterdeckung und der Abdeckung derselben aus Prostitutionserlösen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Der Beschwerdeführer habe als laufende Einkünfte lediglich nichtselbstständige Einkünfte als Angestellter offen gelegt. Diesen Einkünften seien jedoch Anschaffungskosten für Liegenschaften in K (N-Gasse 89, 91 und 93), Mietaufwendungen für ein Haus in L (bis zum Ankauf des Hauses im Jahre 1986 auf den Namen der Lebensgefährtin Ingrid T), Kreditrückzahlungen, eine Darlehensvergabe an die D-GmbH, Kfz-Leasingkosten (Jaguar V 12, Jaguar Cabrio) und weitere Ausgaben laut den beschlagnahmten Belegen sowie geschätzte Lebenshaltungskosten gegenüberzustellen. Dabei hätten sich - mit Ausnahme des Jahres 1983 - jährlich bedeutende rechnerische Unterdeckungen an Geldmitteln ergeben. Im Zuge der Erhebungen der Prüfungsabteilung Strafsachen (Besprechung vom 23. März 1993 mit dem Steuerberater Dr. N) habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er die der Vermögensunterdeckung entsprechenden Einnahmen "aus Zuhälterei und nicht im Rahmen der von ihm dominierten Gesellschaften erzielt habe". Da Aufzeichnungen über diese Einnahmen nicht existierten bzw. nicht vorgelegt worden seien, seien diese Einnahmen aus Zuhälterei in der durch die Aufwandsdeckungsrechnung als Variante der Vermögensdeckungsrechnung festgestellten Höhe im Schätzungswege festzusetzen gewesen.

Auf Grund der gemäß § 99 FinStrG angeordneten Erhebungen der Prüfungsabteilung Strafsachen für den Zeitraum 1982 bis 1991 sei mittels der Aufwandsdeckungsrechnung festgestellt worden, dass die Kosten der Lebensführung des Beschwerdeführers nicht in den von ihm erklärten Einkünften (Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit aus drei "ihm zurechenbaren" GmbH, nämlich der D-GmbH, der R-GmbH und der P-GmbH) gedeckt seien. Die Unterdeckungen seien am 23. März 1993 mit dem Beschwerdeführer bzw. dessen steuerlichem Vertreter Dr. N besprochen worden. Bei dieser Besprechung habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er die der Unterdeckung entsprechenden Einnahmen nicht im Rahmen der von ihm dominierten bzw. ihm zurechenbaren GmbH erzielt habe, sondern dass ihm die (nicht erklärten) Einnahmen als Einzelperson zuzuordnen seien. Im Schreiben der Prüfungsabteilung Strafsachen vom 15. Juni 1993 sei festgehalten, dass der Beschwerdeführer vorgebracht habe, die fehlenden Einnahmen seien solche aus "Zuhälterei" und daher nicht den einzelnen GmbH zuzurechnen. Bereits im Schreiben der Prüfungsabteilung vom 30. März 1992 an das Finanzamt werde auf Indizien verwiesen, wonach der Beschwerdeführer im Wege einer Treuhandschaft alleiniger Gesellschafter der D-GmbH sei, die ihrerseits seit 1987 Gesellschafterin der E und der T-GmbH sei, und der Verdacht bestehe, dass dem Beschwerdeführer im Wege der von ihm dominierten Gesellschaften beträchtliche unversteuerte Einnahmen aus der Wiener Gürtelszene zufließen würden. Die Prüfungsabteilung Strafsachen habe eine Liste von 19 dem Beschwerdeführer zurechenbaren Lokalen erstellt, welche großteils am Wiener Gürtel betrieben würden. Inhaber dieser Lokale seien durchwegs dem Beschwerdeführer zurechenbare bzw. ihm nahe stehende GmbH. Die Lokale seien großteils an dem Beschwerdeführer nahe stehende Gesellschaften oder Personen, beispielsweise seine Lebensgefährtin Ingrid T, verpachtet gewesen. Ingrid T habe in den Jahren 1987 bis 1989 den Barbetrieb in der F-Straße 22 sowie in den Jahren 1990 und 1991 den Barbetrieb N. 42 geführt. Beide Lokale seien als Bordelle geführt worden, in denen die Prostitution ausgeübt worden sei. Die Prostituierte Ilona S habe bei ihrer Zeugeneinvernahme durch die Prüfungsabteilung Strafsachen am 2. Oktober 1991 angegeben: "(Der Beschwerdeführer) ist mir persönlich als mein Chef der Bar C. im 15. Bezirk, N. 15, bekannt. Ich bin dort seit März 1990 beschäftigt". Der Beschwerdeführer sei in Wien zwar niemals offiziell als Teilhaber eines Bordells oder Barbetriebes in Erscheinung getreten. Es werde jedoch darauf hingewiesen, dass "Zuhälterbosse" nur selten als Barbetreiber in Erscheinung träten und diese Funktion vorwiegend durch diverse Strohmänner ausübten. Die Auflistung der dem Beschwerdeführer zurechenbaren Lokale decke sich vollständig mit dem anlässlich der Hausdurchsuchung vom 2. Oktober 1991 beim Beschwerdeführer in G aufgefundenen Telefonnummernverzeichnis der Lokale.

Die belangte Behörde verweise hinsichtlich der Besitz- bzw. Eigentumsverhältnisse und Beteiligungsverhältnisse an den GmbH und den diversen Lokalen auf die Feststellungen der Betriebsprüfung, zumal keine unmittelbare Relevanz für das Beweisthema der gegenständlichen Berufung bestehe. Zu den Feststellungen betreffend die Beteiligungsverhältnisse habe sich die Betriebsprüfung zunächst veranlasst gesehen, weil vorerst davon ausgegangen worden sei, es seien bei den einzelnen Gesellschaften verdeckte Gewinnausschüttungen anzusetzen. Nach Ansicht der belangten Behörde sei ausreichend dokumentiert, welche Position dem Beschwerdeführer im Berufungszeitraum in der Organisation der Zuhälterei und Prostitution insbesondere in einer Reihe von Lokalen am Wiener Gürtel zugekommen sei. Auf Grund seiner Position habe der Beschwerdeführer "Standgeld" von den Prostituierten erhalten, das heißt ein Entgelt, das in fixer Höhe oder umsatzabhängig für die Erlaubnis entrichtet werden müsse, dass die Prostituierte vor oder in einem Lokal ihre Geschäftsanbahnung abwickeln dürfe. Des Weiteren habe er für die Zurverfügungstellung von Diensten (sogenanntes know-how, Beobachtung und Anweisung für das Verhalten der Prostituierten, Organisation und Schutz) Zahlungen erhalten. Der Geldfluss habe zwar nicht nachgewiesen werden können, die Vermögensdeckungsrechnung habe aber den ungedeckten Geldmittelaufwand dargetan. Die Mittelherkunft sei weder bei den Besprechungen mit der Prüfungsabteilung Strafsachen noch bei jenen mit der Betriebsprüfung bestritten worden. Nach Auffassung der belangten Behörde wäre es unverständlich, wenn im Rahmen der vor der Schlussbesprechung erfolgten Festlegung durch die Prüfungsabteilung Strafsachen und die Betriebsprüfung, dass nämlich nicht erklärte Einkünfte aus Zuhälterei zumindest in der durch die Vermögensdeckungsrechnung nachgewiesenen Höhe zugeflossen seien, das Einverständnis durch den Beschwerdeführer und seinen steuerlichen Vertreter nur deshalb erfolgt wäre, damit die diversen GmbH möglichst unberührt blieben.

In der Erlaubnis, die Prostitution unter dem Schutz des Beschwerdeführers ausüben zu dürfen, und in der Gestattung der fallweisen Überlassung von Räumlichkeiten zur Ausübung der Prostitution liege die gewerbsmäßige Vermittlung von Prostituierten in Form der Zuhälterei. Im Hinblick auf die Vielzahl von Etablissements, in denen vom Beschwerdeführer bzw. ihm nahe stehenden Gesellschaften Bordellbetriebe unterhalten würden, und die Vielzahl der dort beschäftigten Prostituierten bestehe kein Zweifel am Vorliegen gewerbsmäßiger Zuhälterei. Der Zusammenhang zwischen den vom Beschwerdeführer kontrollierten GmbH und den durch sie betriebenen Lokalen, in denen teilweise die Prostitution ausgeübt worden sei, sei auf Grund der bei der Hausdurchsuchung beschlagnahmten Belege auch darin zum Ausdruck gekommen, dass beim Beschwerdeführer die Aufstellung über Abrechnung sämtlicher Steuern und Lohnabgaben für Juli bzw. August 1991 gefunden worden seien; die N-Wirtschaftstreuhand GmbH habe diese Aufstellung dem Beschwerdeführer nach G (Oberösterreich) geschickt.

Erstmals in der Berufungsergänzung vom 13. Mai 1994 habe der Beschwerdeführer vorgebracht, bei der durch die Betriebsprüfung festgestellten Vermögensunterdeckung handle es sich nicht um Einkünfte aus Zuhälterei, sondern um freiwillige Zuwendungen seiner Lebensgefährtin Ingrid T, welche als Prostituierte tätig gewesen sei. Diese Verantwortung des Beschwerdeführers halte die belangte Behörde für nicht glaubwürdig. Zur Erklärung, warum diese Begründung im vorangegangenen Verfahren nicht vorgebracht worden sei, sei im Schreiben des steuerlichen Vertreters Dr. N vom 30. August 1994 eingewendet worden, dass diese Darlegung lediglich eine Präzisierung der Angaben im Prüfungsverfahren bedeute, zumal der Beschwerdeführer auch im Prüfungsverfahren vorgebracht habe, dass die Geldmittel aus "Prostitution stammten". Die belangte Behörde verweise auf folgendem Umstand: Wenn im erwähnten Schreiben des Steuerberaters vom 30. August 1994 dargetan werde, im Betriebsprüfungsverfahren sei ausschließlich die Tatsache der Vermögensunterdeckung und die Abdeckung derselben aus Prostitutionserlösen akzeptiert worden, so müsse in diesem Zusammenhang klargestellt werden, dass die Betriebsprüfung in keiner Phase des Verfahrens davon ausgegangen sei, der Beschwerdeführer habe seine Einkünfte aus Zuhälterei von einer einzigen Prostituierten bezogen. Im Betriebsprüfungsverfahren sei vielmehr die Vielzahl der Etablissements, die als Bordelle geführt worden seien und in denen die Prostitution ausgeübt worden sei, kein Diskussionsgegenstand gewesen, zumal der Sachverhalt augenscheinlich gewesen sei und auch bei den Gesellschaften und Lokalbetreibern durch die erklärten Zimmererlöse zum Teil deklariert gewesen sei.

Die belangte Behörde halte auch die Ersparnisse der Ingrid T für nicht erwiesen. Die Vermögensstände hätten in keiner Weise belegt werden können. Laut Auskunft von Ingrid T (Niederschrift vom 3. Juli 1995) habe sie weder Sparbücher noch sonstige Wertanlagen besessen, sondern die hohen Geldbeträge zu Hause in einer Handkasse aufbewahrt, weil sie zu den Banken kein Vertrauen gehabt habe und ihr die Zinsen aus einer allfälligen Kapitalanlage egal gewesen seien. Nach Ansicht der belangten Behörde widerspreche aber die Aufbewahrung von bis zu S 3,6 Mio. in einer Handkasse verbunden mit dem Verzicht auf Zinsen in Höhe von mehreren Hunderttausenden Schillingen pro Jahr der allgemeinen Lebenserfahrung. Nach den Angaben der Ingrid T habe sie von 1976 bis 1984 S 3,6 Mio. ansparen können, was einem Sparbetrag von durchschnittlich S 450.000,-- pro Jahr entspreche. Gehe man davon aus, dass zusätzlich auch noch Geld für die Deckung der Lebenshaltungskosten aufzuwenden gewesen sei, hätte Ingrid T (bis einschließlich 1983) zumindest Gewinne in Höhe von S 600.000,-- pro Jahr als Prostituierte erwirtschaften müssen; das sei allerdings doppelt so viel, als sie für 1984 und 1985 erklärt habe. Einer Selbstanzeige der Ingrid T zufolge habe sich ihr Bargeldbestand vom 1. Jänner 1984 bis zum 1. Jänner 1987 von S 3,6 Mio. auf S 3,25 Mio verringert. Demgemäß seien aus den Einkünften der Jahre 1984 bis 1986 keine Mittel den Ersparnissen zuführbar gewesen. Im Übrigen seien die in der Selbstanzeige der Ingrid T angeführten, in den Jahren 1984 bis 1986 erzielten Umsätze bzw. Gewinne genauso wie die angesparten Beträge "aus dem Gedächtnis" ermittelt worden.

Abschließend werde darauf verwiesen, dass ein Rechtsanspruch der Partei auf eine mündliche Berufungsverhandlung nur dann bestehe, wenn diese rechtzeitig (in der Berufung bzw. im Vorlageantrag) beantragt worden sei. Kein Rechtsanspruch bestehe, wenn die Durchführung der mündlichen Verhandlung etwa in einem die Berufung ergänzenden Schriftsatz beantragt werde. Da im gegenständlichen Fall der Antrag des Beschwerdeführers auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht in einem der im § 284 BAO taxativ aufgezählten Schriftsätze (Berufung, Vorlageantrag) gestellt worden sei, habe keine Verpflichtung zur Durchführung einer solchen bestanden. Im Übrigen sei auch der Antrag, "allenfalls" eine mündliche Verhandlung durchzuführen, kein hinreichender Antrag (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 24. September 1993, 91/17/0139 bis 142).

Der Beschwerdeführer habe im Juli 1991 seinen Wohnsitz nach G. verlegt. Das Finanzamt sei davon ausgegangen, dass das Unternehmen vom neuen Wohnsitz des Beschwerdeführers aus betrieben worden sei. Das Finanzamt Freistadt sei das örtlich zuständige Finanzamt gewesen, von dessen Bereich aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibe, sowie das Betriebsfinanzamt, in dessen Bereich sich die Geschäftsleitung des Betriebes befinde. Aus mehreren Hinweisen ergebe sich, dass der Beschwerdeführer die "Zügel" für seine unternehmerische Tätigkeit von G. aus in der Hand gehalten habe und regelmäßig nur einmal pro Woche, nämlich montags, nach Wien gefahren sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt zunächst das Unterbleiben der mündlichen Berufungsverhandlung. Mit diesem Vorbringen zeigt er eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf. Die belangte Behörde führte im angefochtenen Bescheid zutreffend aus, dass gemäß § 284 Abs. 1 BAO ein Anspruch auf mündliche Verhandlung nur besteht, wenn ein solcher in der Berufung (§ 250 BAO), in der Beitrittserklärung (§ 258 BAO) oder im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz (§ 276 Abs. 1 BAO) gestellt wird (vgl. Ritz, BAO-Kommentar2, § 284 BAO Tz 1). Kein Anspruch besteht, wenn der Antrag erst in einem die Berufung ergänzenden Schreiben gestellt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 1994, 90/13/0071).

Der Beschwerdeführer rügt weiters als Verfahrensfehler, die belangte Behörde habe die Geschäftsführer jener Unternehmen (GmbH), welche er angeblich beherrsche, nicht als Zeugen vernommen. Diese Geschäftsführer hätten angeben können, dass der Beschwerdeführer nichts mit der Gebarung der Unternehmen (GmbH) zu tun habe. Die belangte Behörde habe dem Beschwerdeführer unter Verwendung von Worthülsen vorgeworfen, dass er die Gesellschaften dominiere.

Diesem Vorbringen ist zu entgegnen: Wie in der Gegenschrift der belangten Behörde zutreffend aufgezeigt wird, stützt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die von ihr vorgenommene Zurechnung der hinzugeschätzten Einkünfte nicht darauf, dass der Beschwerdeführer diese Einkünfte von den diversen GmbH (Barbetriebe, etc.) bzw. aus Tätigkeiten für diese GmbH bezogen habe. Solcherart bedufte es der Beweisaufnahme zur Frage, ob der Beschwerdeführer einen Einfluss auf die Gebarung der in Rede stehenden GmbH genommen habe, nicht.

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, er habe, wie er dies in der Ergänzung zur Berufung aufgezeigt habe, an den Ersparnissen seiner Lebensgefährtin Ingrid T partizipiert, welche diese in vorangegangenen Jahren aus ihrer Tätigkeit als Prostituierte angespart habe. Der Beschwerdeführer habe sich zwar im Verwaltungsverfahren zunächst selbst als Zuhälter bezeichnet. Dieses sei aber rechtlich nicht korrekt gewesen. Da er nur vom angesparten "Schandlohn" seiner Lebensgefährtin gelebt habe, entspreche sein Verhalten nicht der Legaldefinition des § 218 (gemeint § 216 ) StGB. Der Beschwerdeführer habe "sicher erst schamhaft verzögert" der Behörde bekannt gegeben, dass er seine Aufwendungen aus den Ersparnissen der Lebensgefährtin, welche aus der Tätigkeit als Prostituierte stammten, finanziert habe. Es sei davon auszugehen, dass die Lebensgefährtin im Zeitraum 1976 bis 1984 hohe Einkünfte als Prostituierte gehabt habe; sie habe diese dem Finanzamt im Wege der Selbstanzeige einbekannt. Es sei davon auszugehen, dass sie entsprechende Ersparnisse habe ansammeln können. Die belangte Behörde hätte Ingrid T als Zeugin vernehmen müssen.

Nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid hat die Betätigung des Beschwerdeführers, die zu den - der Höhe nach im Wege der Vermögensdeckungsrechnung ermittelten - Einkünften geführt hat, darin bestanden, dass er laufend gegenüber mehreren Frauen die Voraussetzungen für die Prostitutionsausübung geschaffen und hiefür Entgelt bezogen hat. Die belangte Behörde konnte diese Sachverhaltsfeststellung darauf stützen, dass sich der Beschwerdeführer zunächst im Verwaltungsverfahren selbst als Zuhälter bezeichnet hat, und dass er die bei der Vermögensdeckungsrechnung als fehlend errechneten Beträge als durch diese Tätigkeit erworben dargestellt hat. Erstmals in der Berufungsergänzung vom 13. Mai 1994 hat der Beschwerdeführer seine Verantwortung geändert und vorgebracht, er habe seine Aufwendungen aus den (durch frühere Prostitution erworbenen) Ersparnissen der Lebensgefährtin Ingrid T finanziert. Diese Darstellung betreffend die Finanzierung aus den Ersparnissen der Lebensgefährtin hat die belangte Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung als nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmend befunden. Die belangte Behörde konnte sich dabei darauf stützen, dass Belege (etwa Sparbücher oder Depotauszüge) über die angesparten Millionenbeträge nicht vorhanden waren und es nicht der Lebenserfahrung entspricht, dass Beträge dieser Größenordnung über längere Zeit in einer Handkasse aufbewahrt werden. Die belangte Behörde konnte das Bild abrunden mit dem Argument, es wäre ungewöhnlich, wenn es Ingrid T als Prostituierte gelungen wäre, Ersparnisse in Millionenhöhe anzusammeln.

Die Beweiswürdigung der belangten Behörde unterliegt dahingehend der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung angestellten Überlegungen schlüssig sind, also der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechen.

Im gegenständlichen Fall hält die Beweiswürdigung der belangten Behörde der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle stand. Die Vernehmung von Ingrid T hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht beantragt (Im Übrigen hat das Finanzamt am 3. Juli 1995 eine Vernehmung der Ingrid T vorgenommen). Die belangte Behörde hat das Vorbringen nicht in Zweifel gezogen, dass Ingrid T als Prostituierte im Zeitraum 1976 bis 1984 Einkünfte erzielt hat. Die der Beweiswürdigung zugrundeliegenden Überlegungen der belangten Behörde stehen nicht im Widerspruch mit den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung. Es ist keineswegs nahe liegend, dass eine Prostituierte Einkünfte anspart und dadurch zu Millionenbeträgen gelangt, welche sie in einer Handkassa aufbewahrt. Solcherart konnte die belangte Behörde unbedenklich von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu Gunsten jener Verantwortung des Beschwerdeführers ausgehen, welche dieser während des Prüfungsverfahrens vertreten hat. Ob das Verhalten des Beschwerdeführers in jedem Punkt dem Tatbild eines Deliktes des StGB entspricht, was in der Beschwerde bestritten wird, war nicht Gegenstand des verwaltungsbehördlichen Verfahrens.

Dass die Betätigung, welche der Beschwerdeführer nach den Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde ausgeübt hat, die Tatbestandsmerkmale der Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinn des § 23 Z 1 EStG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Mai 1995, 93/13/0292) und der unternehmerischen Tätigkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1972 erfüllt, hat die belangte Behörde frei von Rechtsirrtum erkannt.

Der Beschwerdeführer bringt schließlich vor, für "das Unternehmen, also das täglich Standgeldkassieren" in Form einer "dauernden und dominierenden Gürtelexistenz" könne nicht das Finanzamt Freistadt örtlich zuständig sein. Dieses völlig allgemein gehaltene Beschwerdevorbringen vermag eine Unzuständigkeit des Finanzamtes bzw. der belangten Behörde nicht aufzuzeigen, zumal der Beschwerdeführer den Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde zufolge lediglich an einem Tag pro Woche nach Wien gefahren ist.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II 333/2003.

Wien, am 16. September 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000140116.X00

Im RIS seit

15.10.2003

Zuletzt aktualisiert am

15.03.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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