TE Vwgh Erkenntnis 2003/9/16 2002/05/1475

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Veröffentlicht am 16.09.2003
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Index

41/02 Melderecht;
46/02 Sonstige Angelegenheiten der Statistik;;

Norm

MeldeG 1991 §15a Abs2;
VolkszählungsG 1980 §6a Abs1a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Oberösterreich vom 11. Juli 2002, Zl. Gem(Wahl)-920693/4-2002-Ja, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien:

1.

Bürgermeister der Stadtgemeinde Rohrbach in Oberösterreich,

2.

Mag. Michael Praher in 4026 Linz, Hertzstraße 15), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Kostenersatzbegehren des Beschwerdeführers wird abgewiesen.

Begründung

Der 1966 geborene Zweitmitbeteiligte gab in seiner Wohnsitzerklärung an, ledig und in Linz berufstätig zu sein. Er halte sich in der Hauptwohnsitzgemeinde Rohrbach 115 Tage des Jahres, in der Nebenwohnsitzgemeinde des beschwerdeführenden Bürgermeisters, Linz, 250 Tage des Jahres auf. In Rohrbach gebe es keine Mitbewohner, in Linz sei seine dort mit Hauptwohnsitz gemeldete Lebensgefährtin Mitbewohnerin.Der Weg zur Arbeitsstätte werde von der Linzer Adresse aus angetreten; sein 1992 geborenes Kind besuche in Lambach die Schule.

In einer Stellungnahme im Reklamationsverfahren führte der Zweitmitbeteiligte aus, er sei seit April 1997 in Linz berufstätig und habe zu diesem Zeitpunkt auch eine Mietwohnung in Linz bezogen; während der Woche habe er seinen Aufenthalt in Linz und trete von dort aus auch seinen Weg zum Arbeitsplatz an. Da sein Kontakt zu seinem Elternhaus sowie zu seinem Heimatort Rohrbach sehr groß sei, verbringe er seine Wochenenden zumeist in Rohrbach.

Der erstmitbeteiligte Bürgermeister berief sich auf die Bestimmung des § 15a Abs. 2 MeldeG: Die Wohnsitzerklärung vom 10. Mai 2001 hätte für die Reklamation vom 24. September 2001 nicht mehr verwendet werden dürfen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des beschwerdeführenden Bürgermeisters auf Aufhebung des Hauptwohnsitzes des Zweitmitbeteiligten in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor. Der Erst- und der Zweitmitbeteiligte erstatteten Gegenschriften, in welchen Letzterer ausführt, Linz sei aus dem Grund die Stätte seiner Arbeit, weil in seinem Heimatort Rohrbach keine seiner Ausbildung entsprechende Arbeitsstelle vorhanden sei. Hinzu komme, dass seine Frau ebenfalls in Linz beruflich tätig sei und sein Sohn in Linz die Schule besuche; eine tägliche Heimfahrt würde daher weder zweckmäßig noch sinnvoll sein.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 29. Jänner 2002, Zl. 2001/05/1092, ausgesprochen, dass die Berufstätigkeit einerseits, die Lebensgemeinschaft mit einer am Ort der Berufsausübung mit Hauptwohnsitz gemeldeten Person andererseits, ein derartiges Schwergewicht schafft, dass der Mittelpunktcharakter des Heimatortes nicht mehr bejaht werden kann. In einer Vielzahl von weiteren Erkenntnissen hat der Verwaltungsgerichtshof diese Auffassung wiederholt. Wo das Kind des Zweitmitbeteiligten die Schule besucht, wurde nicht festgestellt; der in der Wohnsitzerklärung angegebene Ort "Lambach" lässt keine Gewichtung zu Gunsten Rohrbach zu, zumal Lambach näher zu Linz als zu Rohrbach gelegen ist. Unter diesen Umständen kommt es - auch unter Bedachtnahme auf das aus § 41 Abs. 1 abgeleitete Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren - auf die in der Beschwerde und der Gegenschrift des Zweitmitbeteiligten getroffenen neuen Angaben zum Sachverhalt (Verehelichung; Hauptwohnsitz und Schulbesuch des Kindes in Linz) nicht an.

Ausgehend davon hat im vorliegenden Fall der Zweitmitbeteiligte ohne Rechtsgrundlage eine Wahl nach § 1 Abs. 7 letzter Satz MeldeG getroffen, sodass die Reklamation durch den Beschwerdeführer grundsätzlich zu Recht erfolgte.

Zum Vorbringen des Erstmitbeteiligten ist auf die Bestimmungen des § 15a MeldeG und 6a VolkszählungsG zu verweisen:

Sie lauten auszugsweise:

"§ 15a. (1)

...

(2) Die mit der Wohnsitzerklärung ermittelten Daten sind vier Monate nach Einlangen beim Bürgermeister zu löschen, es sei denn, dieser hatte die Einleitung eines Reklamationsverfahrens beantragt. Nach Beendigung eines Reklamationsverfahrens sind die Daten jedenfalls zu löschen. Eine weitere Wohnsitzerklärung darf von einem solchen Menschen in dieser Gemeinde erst nach Ablauf von drei Jahren verlangt werden, es sei denn, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse, die für den Mittelpunkt der Lebensbeziehungen des Betroffenen maßgeblich sind, offensichtlich geändert haben.

§ 6a. (1)

...

(1a) Hat der Bürgermeister im Zusammenhang mit der Volkszählung 2001 bis zum Ende des vierten auf den Monat des Zähltages folgenden Kalendermonats ein Reklamationsverfahren nach § 17 Meldegesetz beantragt, ist das Ergebnis des Verfahrens von der Statistik Österreich bei der Ermittlung der Zahl der Wohnbevölkerung der Gemeinden und der Bürgerzahl der Länder, Gemeinden und Regionalwahlkreise zu berücksichtigen.

(2)

..."

Das vorliegende Reklamationsverfahren wurde, worauf ausdrücklich hingewiesen wurde, im Zusammenhang mit der Volkszählung 2001 eingebracht. Die Einbringung erfolgte auch fristgerecht im Sinne des § 6a Abs. 1a Volkszählungsgesetz.

Richtig ist, dass der Gesetzgeber im § 15a Abs. 2 MeldeG und 6a Abs. 1 VolkszählungsG unterschiedliche Fristen festgesetzt hat. Nach § 15a Abs. 2 MeldeG wären die der Wohnsitzerklärung ermittelten Daten 4 Monate nach dem Einlangen beim Bürgermeister zu löschen, während nach § 6a Abs. 1a Volkszählungsgesetz die Frist für eine (statistikrelevante) Einleitung des Reklamationsverfahrens bis zum Ende des 4. auf den Monat des Zähltages folgenden Kalendermonats festgesetzt wurde. Der Zähltag war auf Grund der Verordnung BGBl. II Nr. 313/2000 der 15. Mai 2001, sodass die zuletzt genannte Frist am 30. September 2001 endete.

Wird ein Reklamationsverfahren unabhängig von einer Volkszählung eingleitet, kommt also allein die Bestimmung des § 15a Abs. 2 MeldeG zur Anwendung, dann ist der dort genannte Zusammenhang mit dem Reklamationsverfahren unzweifelhaft so zu verstehen, dass anlässlich der Einleitung des Reklamationsverfahrens die Wohnsitzerklärung nicht älter als 4 Monate sein darf. Der Gesetzgeber hat aber im Volkszählungsgesetz auf die Besonderheiten der Reklamationsverfahren abgestellt, die aus Anlass einer bestimmten Volkszählung eingeleitet werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 3. Juli 2001, Zl. 2001/05/0198, die Wohnsitzerklärung grundsätzlich als Zulässigskeitsvoraussetzung des Reklamationsverfahrens genannt. Wenn nun der Gesetzgeber im Volkszählungsgesetz für Reklamationsverfahren im Zusammenhang mit einer Volkszählung eine bestimmte Frist gesetzt hat, so kann nicht davon ausgegangen werden, dass in den letzten 2 bis 3 Wochen dieser Frist die Reklamationsverfahren von vornherein unzulässig sein sollten. Eine an den Wertungen der beiden gesetzlichen Bestimmungen orientierte Auslegung muss zum Ergebnis führen, dass eine Wohnsitzerklärung, die im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Zähltag eingeholt wurde, in einem im Sinne des § 6a Abs. 1a VolkszählungsG rechtzeitig eingeleiteten Verfahren Verwendung finden darf. Daher kam im vorliegenden Fall das Verwertungsverbot des § 15a Abs. 2 MeldeG nicht zum Tragen.

Da die belangte Behörde aber die materielle Rechtslage verkannt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Das Kostenersatzbegehren des Beschwerdeführers war abzuweisen (angesprochen wird der Schriftsatzaufwand), weil er nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war (§ 49 Abs. 1 VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 88/1997).

Wien, am 16. September 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002051475.X00

Im RIS seit

17.10.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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