TE Vwgh Erkenntnis 2003/9/16 97/14/0077

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Veröffentlicht am 16.09.2003
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Index

61/01 Familienlastenausgleich;
69/03 Soziale Sicherheit;

Norm

FamLAG 1967 §5 Abs4;
SozVersAbk Türkei 1985 Art26 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und den Senatspräsidenten Dr. Karger sowie die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des M D in S, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 19. Februar 1997, 59/4-8/Nw-1997, betreffend Rückforderung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein im Jahr 1954 geborener, seit dem Jahr 1989 verheirateter türkischer Staatsbürger, dessen im Jahr 1957 geborene Ehefrau in der Türkei lebt, befindet sich zumindest seit dem Jahr 1989 in Österreich. Er ist Flüchtling im Sinn des Art I des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951, BGBl Nr 55/1955 in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31. Jänner 1967, BGBl Nr 78/1974 (Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 29. Dezember 1989). Vom Februar bis September 1991 bezog er mit Unterbrechungen Beträge nach dem Arbeitsmarktförderungsgesetz und Krankengeld. Mit Ausnahme vom 18. November 1994 bis 12. Dezember 1994 war der Beschwerdeführer bis zum 31. Dezember 1995 bei keinem Dienstgeber in Österreich beschäftigt.

Zwecks erstmaliger Gewährung der Familienbeihilfe legte der Beschwerdeführer mit seinem Antrag vom 4. Jänner 1996 eine von der Sozialversicherungsanstalt Gaziantep am 19. Dezember 1995 ausgestellte Familienstandsbescheinigung (Formular Beih 101) vor, in der im Sinn der Vereinbarung zur Durchführung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Türkischen Republik über soziale Sicherheit vom 22. Dezember 1982, BGBl Nr 115/1985 (in der Folge nur: Vereinbarung) ausgeführt wird, im Haushalt der in der Türkei wohnenden Ehefrau des Beschwerdeführers hielten sich fünf in den Jahren 1978 bis 1991 geborene Kinder auf. Die vier älteren Kinder namens Halit, Mehmet, Mustafa und Sami seien für ehelich erklärt worden, das jüngste Kind namens Filiz sei ehelich.

Das Finanzamt zahlte dem Beschwerdeführer für die fünf sich in der Türkei aufhaltenden Kinder für die Jahre 1992 bis 1995 die Familienbeihilfe und für das Jahr 1993 den Kinderabsetzbetrag von insgesamt 262.140 S aus. (Da der Anspruch auf Gewährung des Kinderabsetzbetrages gemäß § 33 Abs 4 Z 3 lit a EStG 1988 nur zusteht, falls auch die Familienbeihilfe gewährt wird, und für den zu Unrecht bezogenen Kinderabsetzbetrag § 26 FLAG anzuwenden ist, wird in der Folge für die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag nur mehr der Begriff Familienbeihilfe verwendet.)

Mit Bescheid vom 1. April 1996 forderte das Finanzamt die Familienbeihilfe zurück, wobei es zur Begründung ausführte, da der Beschwerdeführer in den Jahren 1992 bis 1995 nicht einmal einen Monat bei einem Dienstgeber in Österreich beschäftigt gewesen sei sowie keine Leistungen aus der Kranken- und Arbeitslosenversicherung bezogen habe, bestehe kein Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe für die sich in der Türkei aufhaltenden Kinder.

Mit Berufung wandte der Beschwerdeführer ein, er sei anerkannter Flüchtling, weswegen er nach § 3 Abs 2 FLAG hinsichtlich der Gewährung der Familienbeihilfe österreichischen Staatsbürgern gleich gestellt sei. Art 10 lit b Schlussprotokoll zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Türkischen Republik über soziale Sicherheit vom 2. Dezember 1982, BGBl Nr 91/1985 (in der Folge nur: Schlussprotokoll), wonach Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe nach den österreichischen Rechtsvorschriften nur bestehe, wenn die Beschäftigung in Österreich mindestens einen Monat dauere, komme daher nicht zum Tragen. Da er überdies die Unterhaltskosten für alle seine Kinder, insbesondere für die Kinder Sami und Filiz getragen habe, sei die Familienbeihilfe zu Unrecht zurück gefordert worden.

In einer abweisenden Berufungsvorentscheidung hielt das Finanzamt dem Beschwerdeführer vor, für die Gewährung der Familienbeihilfe sei es irrelevant, dass er Flüchtling sei. Vielmehr sei entscheidend, dass er türkischer Staatsbürger sei, weswegen § 3 Abs 1 FLAG in Verbindung mit Art 10 lit b Schlussprotokoll anzuwenden sei. Da er in den Jahren 1992 und 1995 nicht einmal einen Monat bei einem Dienstgeber in Österreich beschäftigt gewesen sei sowie keine Leistungen aus der Kranken- und Arbeitslosenversicherung bezogen habe, sei die Familienbeihilfe zu Recht zurück gefordert worden.

Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz nahm der Beschwerdeführer zu den Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung nicht Stellung.

Die belangte Behörde hielt dem Beschwerdeführer ua § 3 Abs 1 und 2, § 5 Abs 4 FLAG, Art 26 Abs 1, Art 27 und Art 28 Abs 2 Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Türkischen Republik über soziale Sicherheit vom 2. Dezember 1982, BGBl Nr 91/1985 (in der Folge nur: Abkommen), Art 10 lit b Schlussprotokoll sowie § 33 Abs 4 Z 3 lit a EStG 1988 vor und forderte ihn auf darzutun, weswegen er in Anbetracht der kurzen Dauer seiner Beschäftigung bei einem Dienstgeber in Österreich sowie mangels Leistungen aus der Kranken- und Arbeitslosenversicherung die Ansicht vertrete, er habe einen Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe für die sich in der Türkei aufhaltenden Kinder.

In Beantwortung dieses Vorhaltes teilte der Beschwerdeführer ua mit, er sei anerkannter Flüchtling und als solcher österreichischen Staatsbürgern bei Gewährung der Familienbeihilfe gleich gestellt. Es komme daher nicht mehr darauf an, dass er in den Jahren 1992 bis 1995 nicht einmal einen Monat bei einem Dienstgeber in Österreich beschäftigt gewesen sei sowie keine Leistungen aus der Kranken- und Arbeitslosenversicherung erhalten habe. Da er die Familienbeihilfe nicht durch falsche Angaben erschlichen habe, könne der ausbezahlte Betrag jedenfalls nicht zurück gefordert werden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab, wobei sie zur Begründung nach Wiedergabe der bereits in ihrem Vorhalt angeführten Bestimmungen ua ausführte, es sei unbestritten, dass der Beschwerdeführer in den Jahren 1992 bis 1995 nicht einmal einen Monat bei einem Dienstgeber in Österreich beschäftigt gewesen sei sowie keine Leistungen aus der Kranken- und Arbeitslosenversicherung erhalten habe und sich die Kinder, für die die Familienbeihilfe gewährt werden sollte, bei der Ehefrau des Beschwerdeführers in der Türkei aufhielten. Für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhielten, bestehe kein Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe, es sei denn, Staatsverträge verbürgten Gegenseitigkeit. Der Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe könne sich somit nur aus dem Abkommen, dem Schlussprotokoll und der Vereinbarung ergeben. Da der Beschwerdeführer die in Art 10 lit b Schlussprotokoll geforderte Voraussetzung nicht erfülle, bestehe kein Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe für die sich in der Türkei aufhaltenden Kinder. Aus § 26 Abs 1 FLAG ergebe sich eine objektive Rückzahlungsverpflichtung für denjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht in Anspruch genommen habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Unter Wiederholung seines Vorbringens im Administrativverfahren behauptet der Beschwerdeführer, er sei als Flüchtling österreichischen Staatsbürgern gleich gestellt, weswegen es nicht darauf ankomme, ob er in den Jahren 1992 bis 1995 nicht einmal einen Monat bei einem Dienstgeber in Österreich beschäftigt gewesen sei sowie keine Leistungen aus der Kranken- und Arbeitslosenversicherung erhalten habe.

Mit diesen Ausführungen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Wie die belangte Behörde zu Recht ausgeführt hat, besteht nach § 5 Abs 4 FLAG in der Fassung BGBl Nr 290/1976, die bis 30. April 1996 gegolten hat, kein Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, es sei denn, dass die Gegenseitigkeit durch Staatsverträge verbürgt ist. Dies gilt auch für den österreichischen Staatsbürgern gleich - aber nicht besser - gestellten Flüchtlingen. Für die sich ständig in der Türkei aufhaltenden fünf Kinder könnte somit die Familienbeihilfe nur gewährt werden, wenn ein Staatsvertrag die Gegenseitigkeit verbürgt. Nach Art 26 Abs 1 Abkommen, das gemäß Art 3 Abs 2 und Art 4 leg cit auch für Flüchtlinge gilt, die sich in einem Vertragsstaat gewöhnlich aufhalten, hat eine Person, die in einem Vertragsstaat als Dienstnehmer erwerbstätig ist, nach den Rechtsvorschriften dieses Vertragsstaates Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe auch für Kinder, die sich ständig in dem anderen Vertragsstaat aufhalten. Gemäß Art 28 Abs 2 Abkommen sind Dienstnehmer, die Geldleistungen nach den Rechtsvorschriften über die Kranken- oder Arbeitslosenversicherung eines Vertragsstaates beziehen, in Bezug auf den Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe so zu behandeln, als ob sie in dem Vertragsstaat, nach dessen Rechtsvorschriften sie diese Geldleistungen erhalten, beschäftigt wären. Gemäß Art 10 lit b Schlussprotokoll besteht ein Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe nach den österreichischen Rechtsvorschriften nur, wenn die Beschäftigung in Österreich mindestens einen Monat dauert. Der Beschwerdeführer hat diese Voraussetzung nicht erfüllt, weswegen die Auszahlung der Familienbeihilfe zu Unrecht erfolgt ist.

Der Beschwerdeführer vertritt unter Hinweis auf § 26 Abs 2 (gemeint wohl: Abs 1) FLAG die Ansicht, die Rückforderung der Familienbeihilfe sei selbst unter der Prämisse, er habe diese zu Unrecht bezogen, rechtswidrig. Zu Unrecht bezogene Familienbeihilfe sei nicht mehr zurück zu fordern, so weit die unrichtige Auszahlung ausschließlich durch die auszahlende Stelle verursacht worden sei. Er habe dem Finanzamt als auszahlende Stelle die Unterlagen für die Gewährung der Familienbeihilfe überreicht, worauf ihm das Finanzamt in Kenntnis seiner persönlichen und arbeitsmäßigen Situation die Familienbeihilfe ausbezahlt habe. Das Finanzamt treffe somit das alleinige Verschulden an der Auszahlung der Familienbeihilfe, die er im guten Glauben auf die Richtigkeit des behördlichen Handelns in der Zwischenzeit für seine Kinder verbraucht habe.

Mit diesen Ausführungen zeigt der Beschwerdeführer ebenfalls keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die unrichtige Auszahlung der Familienbeihilfe ist nicht ausschließlich durch das Finanzamt verursacht worden. Auf ein Verschulden kommt es hiebei nicht an. Vielmehr hat der Beschwerdeführer in seinem Antrag vom 4. Jänner 1996 dem Finanzamt nicht bekannt gegeben, dass er in den Jahren 1992 bis 1995 nicht einmal einen Monat bei einem Dienstgeber in Österreich beschäftigt gewesen ist. Wie aus der Begründung des Bescheides des Finanzamtes vom 1. April 1996 ersichtlich ist, hätte es bei Kenntnis dieser unbestrittenen Sachlage keine Familienbeihilfe ausbezahlt. Aus diesem Grund erweist sich die Rückforderung der Familienbeihilfe als nicht rechtswidrig. Auch die vom Beschwerdeführer vorgelegte Familienstandsbescheinigung vom 19. Dezember 1995 entspricht zum Teil nicht der Vereinbarung und hätte für sich allein nicht ausgereicht, dem Beschwerdeführer Familienbeihilfe auszuzahlen. Da diese Bescheinigung erstmals zur Erlangung der Familienbeihilfe ausgestellt worden ist, wäre sie nicht von einer (türkischen) Sozialversicherungsanstalt, sondern von einer (türkischen) Anstalt für Arbeits- und Arbeitervermittlung auszustellen gewesen. Zur Höhe der für die Kinder vom Beschwerdeführer getragenen Unterhaltskosten ist nichts ausgeführt. Überdies fehlt für das älteste Kind die erforderliche Bestätigung der besuchten Schule. Hinsichtlich der eben dargestellten Mängel wird auf Art 15 Abs 1 und 3 Vereinbarung verwiesen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl II Nr 333/2003.

Wien, am 16. September 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:1997140077.X00

Im RIS seit

16.10.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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