TE Vwgh Erkenntnis 2003/9/24 97/13/0244

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Veröffentlicht am 24.09.2003
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

BAO §167 Abs2;
UStG 1972 §11 Abs1;
UStG 1972 §12 Abs1 Z1;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Ginthör, über die Beschwerde der S GesmbH in W, vertreten durch Dr. Friedrich H. Knöbl, Rechtsanwalt in 1120 Wien, Meidlinger Hauptstraße 28, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat XI) vom 12. November 1997, Zl. GA 6 - 94/2399/07, betreffend Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer 1990, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er Körperschaft- und Gewerbesteuer betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Die Beschwerde wird, soweit sie die Umsatzsteuer betrifft, als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.172,88 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Zuge einer über die Jahre 1989 bis 1991 durchgeführten Buch- und Betriebsprüfung im Unternehmen der eine Buchbinderei und den Papiergroßhandel betreibenden Beschwerdeführerin stellte der Prüfer in seinem Bericht u.a. fest, dass nach der ausgestellten Rechnung vom 17. September 1990 die W KG an die Beschwerdeführerin

3.795 Stück Lotto-Computer-Bücher im Wert von 526.551,60 S veräußert habe. Von diesem Warenwert seien der Einstandspreis in Höhe von 438.793 S auf dem Wareneinkaufskonto, der Restbetrag in Höhe von 87.758,60 S als Vorsteuer geltend gemacht worden. Den Auftrag für die Herstellung, den Druck und den Vertrieb dieses Warenpostens habe der W KG nicht die Beschwerdeführerin, sondern die L GesmbH erteilt. Die Beschwerdeführerin habe in Verbindung mit diesem Warengeschäft keine Leistung erbracht. Eine Lieferung der Ware an die Beschwerdeführerin habe tatsächlich nie stattgefunden. Den Aussagen des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin zufolge sei eine mündliche Vereinbarung zwischen ihm und der W KG getroffen worden, wonach die Beschwerdeführerin die von der L GesmbH gegenüber der W KG geschuldeten Kosten für Herstellung und Vertrieb der Bücher übernehme. Der Prüfer gelangte zur Ansicht, dass diese mündliche Vereinbarung nicht geeignet sei, die Schuldübernahme als steuerlich anzuerkennenden betrieblichen Wareneinkauf zu begründen. Der Vorgang sei im normalen Geschäftsleben unüblich und widerspreche den wirtschaftlichen Interessen eines Betriebes. Daher erkenne er den Wareneinkauf und den Vorsteuerabzug nicht an.

Mit Bescheiden vom 21. Oktober 1993 folgte das Finanzamt den Prüferfeststellungen und setzte die Umsatz- und Körperschaftsteuer für 1990 nach Wiederaufnahme der betreffenden Verfahren und die Gewerbesteuer für 1990 in einem gemäß § 296 BAO geänderten Bescheid neu fest.

Dagegen berief die Beschwerdeführerin. Zu dem in Rede stehenden Geschäftsfall sei ein Vorhalt des Finanzamtes im Laufe der Betriebsprüfung beantwortet worden. Demnach habe sich der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin nicht mehr genau an die Abwicklung des Geschäftsfalles erinnern können, was insoferne glaubwürdig erscheine, als die Beschwerdeführerin als alleinige Geschäftsführerin der S KG in den letzten Jahren Umsätze von rund 20,000.000 S zu Wege gebracht habe. Knapp vor der letzten Schlussbesprechung im Rahmen der Betriebsprüfung habe die Beschwerdeführerin ein Schreiben der L GesmbH an die W KG vom 11. September 1990 vorgefunden, worin vereinbart gewesen sei, dass die W KG der Beschwerdeführerin über Veranlassung der L GesmbH eine Rechnung über 526.551,60 S senden solle. Nach dem Inhalt dieses Schreibens hätte die Beschwerdeführerin sodann zwei Rechnungen an die L GesmbH ausstellen sollen. Auf Grund dieses Hinweises seien sodann in der Buchhaltung die entsprechenden Rechnungen sowie auf den Konten die genauen Verbuchungen gefunden worden. Aus den Kontoblättern der Buchhaltung gehe die richtige Buchung wie folgt hervor:

Konto der W KG - Eingangsrechnung vom 17. September 1990 über brutto 625.551,60 S, netto 438.793 S;

Konto der L GesmbH - Ausgangsrechnung 1979 über brutto 316.800 S, netto 264.000 S und Ausgangsrechnung 1980 über brutto 262.406,40 S, netto 218.672 S.

Daraus ergebe sich ein Rohüberschuss von netto 43.879 S. Die Überweisung des auf der Eingangsrechnung ausgewiesenen Betrages an die W KG sei am 31. Oktober 1990, der Geldeingang von der L GesmbH sei "über Bankeingang" am 25. Oktober 1990 erfolgt. Eine körperliche Warenlieferung durch die W KG an die Beschwerdeführerin bzw. durch die Beschwerdeführerin an die L GesmbH habe nicht stattgefunden und sei auch nicht behauptet worden. Die Beschwerdeführerin habe an diesem Geschäftsfall einen Betrag von netto 43.879 S verdient, welcher im erklärten steuerlichen Gewinn enthalten sei. Warum die von der L GesmbH bei der W KG bestellten Lotto-Computer-Bücher fakturenmäßig einen relativ komplizierten Weg haben gehen müssen, könne nicht näher geklärt werden, weil der Geschäftsführer der L GesmbH im Augenblick nicht greifbar sei. Dies sei für die Beschwerdeführerin ohne wesentliche Bedeutung gewesen, weil für sie ein entsprechender Gewinn zu verzeichnen gewesen sei. Der Berufung legte die Beschwerdeführerin Ablichtungen bei, für deren "teilweise schlechte Qualität" sie um Nachsicht ersuchte. Bei den Ablichtungen handelte es sich um ein Schreiben der L GesmbH an die W KG vom 11. September 1990 folgenden Inhalts:

"Betreff: Lotto-Buch-Rechnung

Senden Sie bitte wie tel. besprochen eine Rechnung an die Firma (Beschwerdeführerin), z.Hd. Herrn S., mit der Summe von ÖS. 438.793,-- zuzügl. Mwst.

Weiters veranlassen Sie bitte Herrn S. folgende Rechnungen an Firma L Ges.m.b.H., (Anschrift) zu verrechnen.

Rechnung A) Teilweise Herstellung und Komplettierungsarbeiten

für

TWÖ-Spiel Englische Variante

2000 Stk. Pauschalpreis ÖS. 240.000,-- zuzügl. 20 % Mwst....... " 48.000,--

ÖS. 288.000,--

Rechnung B) Teilweise Herstellung und Komplettierungsarbeiten für TWÖ-Spiel Französische Variante

2000 Stk. Pauschalpreis ÖS. 193.793,-- zuzügl. 20 % Mwst....... "........39.758,60

ÖS. 238.551,60."

Die weiteren Ablichtungen betrafen eine Rechnung Nr. 595 der W KG an die Beschwerdeführerin vom 17. September 1990 über

3.795 Stück Lotto-Computer-Bücher zu einem Pauschalpreis von 438.793 S zuzüglich 20 % Umsatzsteuer (gesamt 526.551,60 S) und zwei Rechnungen Nr. 1979 und 1980 der Beschwerdeführerin an die L GesmbH vom 27. und 28. September 1990 über die teilweise Herstellung und Komplettierungsarbeiten für "TWÖ-Spiel Englische Variante" bzw. "Französische Variante" über jeweils 2.000 Stück zum Pauschalpreis von 264.000 S und 218.672 S, jeweils zuzüglich 20 % Umsatzsteuer (gesamt 316.800 S und 262.406,40 S). Schließlich betrafen zwei Ablichtungen Buchhaltungsunterlagen (Kontoblätter) betreffend die W KG und die L GesmbH, worauf ein Zahlungsausgang über den Betrag von 526.561,60 S am 31. Oktober 1990 an die W KG und Zahlungseingänge von 316.800 S und 262.406,40 S am 25. Oktober 1990 von der L GesmbH sowie die entsprechenden Verbuchungen der angeführten Rechnungen aufscheinen.

In einer Stellungnahme zur Berufung führte der Prüfer aus, dass er die Beschwerdeführerin während der Prüfung darauf hingewiesen habe, dass eine auf den in Rede stehenden Geschäftsfall "passende Ausgangsrechnung" fehle, worauf der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin noch am selben Tag "vage" angegeben habe, dass allenfalls zwischen dem Einkauf der Lotto-Computer-Bücher und den Ausgangsrechnungen vom 27. und 28. September 1993 (gemeint wohl: 1990) an die L GesmbH über den Verkauf von TWÖ-Spielen eine Verbindung bestehe. Er habe jedoch eingeräumt, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen den Rechnungen nicht erkennbar sei, weil für die Herstellung und Komplettierung dieser Spiele verschiedene Figuren wie Autos, Würfel, Männchen, diverse Kleinmaterialien usw., verwendet worden seien. An einem späteren Tag habe der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin ausgesagt, dass eine Lieferung an die Beschwerdeführerin erfolgt sei, ein Weiterverkauf aber deshalb nicht stattgefunden habe, weil die Broschüren bei der Bearbeitung perforiert worden und die Waren in der Folge unverkäuflich gewesen seien. Der kaufmännische Leiter der W KG habe auf Anfrage angegeben, dass den Auftrag für die Herstellung, den Druck und den Vertrieb "dieses Warengeschäftes" nicht die Beschwerdeführerin, sondern die L GesmbH der W KG erteilt habe, die Beschwerdeführerin in Verbindung mit diesem Warengeschäft keine Leistung erbracht habe und eine Lieferung der Ware an die Beschwerdeführerin tatsächlich nicht stattgefunden habe. Allerdings habe auch die W KG in einem Schreiben vom 12. Juli 1993 mitgeteilt, dass die Frage, aus welchen Gründen die Faktura an die Beschwerdeführerin ausgestellt worden sei, sich nachträglich nicht mehr schlüssig beantworten lasse. Einen Vorhalt des Prüfers habe die Beschwerdeführerin dahingehend beantwortet, dass die W KG ihr unter "mehr oder weniger massivem Druck" lukrative Folgeaufträge für den Fall versprochen habe, dass sie die genannte Rechnung in Höhe von 526.551,60 S "übernehmen" wolle. Weiters habe die Beschwerdeführerin angegeben, dass die L GesmbH zum damaligen Zeitpunkt bereits zahlungsunfähig gewesen sei und sich die W KG auf diesem Weg bei der Beschwerdeführerin habe schadlos halten wollen. In dieser Vorhaltsbeantwortung sei die Beschwerdeführerin zum Schluss gekommen, dass eine Weiterfakturierung an die L GesmbH nicht mehr zielvoll gewesen sei, weil von diesem insolventen Unternehmen keinerlei Zahlungen zu erwarten gewesen wären. Dass von der W KG keine Folgeaufträge erteilt worden seien, sei enttäuschend gewesen. Die Beschwerdeführerin habe kein steuerliches Fehlverhalten gesehen, weil bei einer Weiterfakturierung an die L GesmbH die Forderung ohnehin zur Gänze einer Wertberichtigung hätte zugeführt werden müssen. Anlässlich der Schlussbesprechung habe der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin behauptet, "die Hintergründe zum strittigen Wareneinkauf zu kennen". Demnach sei der Wareneinkauf der Lotto-Computer-Bücher in Form der beiden Ausgangsrechnungen über TWÖ-Spiele an die L GesmbH weiter verrechnet worden. Weiters habe er ausgeführt, dass es sich bei den TWÖ-Spielen um Scheinbezeichnungen gehandelt habe und eine Auslieferung derartiger Spiele tatsächlich nicht erfolgt sei.

In einer Gegenäußerung zu dieser Stellungnahme räumte die Beschwerdeführerin ein, dass ihre Glaubwürdigkeit unter der Darbietung verschiedener Motivvarianten gelitten habe. Allerdings sei knapp vor der Schlussbesprechung das Schreiben der L GesmbH an die W KG gefunden worden, weshalb der Vorgang nunmehr rekonstruierbar sei. Die Frage der Zahlungsunfähigkeit der L GesmbH sei nebensächlich geworden, weil sie tatsächlich bezahlt habe. Theoretische Überlegungen seien nicht geeignet, den stattgefundenen Geldfluss "wegzudiskutieren".

Gegen die abweisende Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes brachte die Beschwerdeführerin einen Vorlageantrag ein, worin sie ausführte, dass es kein Zufall sein könne, sondern sehr wohl einen kausalen Zusammenhang darstelle, wenn die W KG die im Schreiben der L GesmbH erwähnte Rechnung an die Beschwerdeführerin gerichtet habe und die Beschwerdeführerin die mit einem 10 %igen Gewinnaufschlag versehenen Rechnungen an die L GesmbH gerichtet habe und die diesen Rechnungen zu Grunde liegenden Zahlungen erfolgt seien. Durch die Bezahlung dieser Rechnungen habe die L GesmbH diesen Gewinnaufschlag der Beschwerdeführerin auch anerkannt. Zum Unterschied in der Warenbezeichnung (Lotto-Computer-Bücher und TWÖ-Spiele) verwies die Beschwerdeführerin auf die Wünsche des Empfängers der Ausgangsrechnungen und dessen Brief. "Zur Aufklärung, warum eigentlich von der L GesmbH die Zwischenschaltung der (Beschwerdeführerin( für die Herstellung der Lotto-Computer-Bücher erfunden wurde, möchten wir beantragen, den im Brief vom 11.9.1990 angesprochenen Herrn W. der W KG zu diesem Sachverhalt im Rahmen einer Einvernahme zu befragen. Das Gleiche gilt für den ehemaligen Geschäftsführer der L GesmbH, Herrn H.T., welcher zur Zeit im Landesgericht W eine Haftstrafe absitzen soll", brachte die Beschwerdeführerin schließlich vor.

Die belangte Behörde forderte die Beschwerdeführerin mit Vorhalt vom 1. September 1997 auf, die Urschrift des Schreibens der L GesmbH vom 11. September 1993 (gemeint wohl: 1990) an die W KG, womit diese zur Rechnungslegung an die Beschwerdeführerin und zur Erstellung zweier Rechnungen der Beschwerdeführerin an die L GesmbH auffordere, sowie die Bankbelege über die Überweisungen der betreffenden Zahlungsflüsse vorzulegen.

Letzterem entsprach die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 30. September 1997, worin sie zusätzlich ausführte, dass es ihr gelungen sei, "die beiden Hauptbeteiligten an dem gegenständlichen Geschäftsfall persönlich aufzutreiben". Herr W. von der W KG und Herr T. von der L GesmbH würden sich übereinstimmend erinnern können, weshalb der schlussendlich komplizierte Weg über die Beschwerdeführerin gefunden worden sei. Zwischen einer T GesmbH und der W KG sei auf der "zweiten Managementebene" ein gemeinsames Projekt gelaufen, welches von der jeweiligen Konzernleitung nicht sonderlich erwünscht gewesen sei. Die erwähnten Lotto-Computer-Bücher seien als Beilage zu den TWÖ-Spielen zu sehen. Für die Auskunft stünden die beiden Herren unter den im Einzelnen angeführten Anschriften zur Verfügung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Die Beschwerdeführerin habe im bisherigen Verwaltungsverfahren eine Reihe näher wiedergegebener widersprüchlicher Erklärungen abgegeben. Zwischen den eingekauften Lotto-Computer-Büchern und den verkauften TWÖ-Spielen bestehe kein Zusammenhang. Dies würden allein die unterschiedlichen Warenbezeichnungen und die unterschiedlichen Rechnungsbeträge (526.551,50 S bzw. 579.206,40 S) beweisen. Während aber dem erzielten Erlös der TWÖ-Spiele ein Aufwand in Form von verbuchten Fremdlöhnen gegenüberstehe, stehe dem Wareneinkauf der Lotto-Computer-Bücher kein Ertrag gegenüber. Daher handle es sich um zwei voneinander grundverschiedene Geschäftsvorfälle, die miteinander nichts gemeinsam hätten. Der "wirtschaftliche Sinn der Darstellung" des kurz vor der Schlussbesprechung aufgetauchten Schreibens sei völlig unlogisch. Offen bleibe, warum die L GesmbH der W KG 526.561 S schuldig bleiben und der Beschwerdeführerin

579.206 S, also um rund 53.000 S mehr bezahlen solle. Es widerspreche jeglicher Lebenserfahrung, dass ein sich in größten Zahlungsschwierigkeiten befindliches Unternehmen eine derartige Vorgangsweise wähle. Dazu komme, dass nach den Angaben der Beschwerdeführerin selbst die Ware nicht an sie, sondern direkt von der W KG an die L GesmbH geliefert worden sei. Nach umfangreichen allgemeinen Ausführungen zu den §§ 115, 119 und 167 BAO und wiederholter Wiedergabe von Teilen des Verwaltungsverfahrens sah die belangte Behörde im Schreiben der L GesmbH an die W KG betreffend die Rechnungslegung keinen tauglichen Nachweis für die Behauptung der Beschwerdeführerin, dass ein Zusammenhang zwischen dem Einkauf der Lotto-Computer-Bücher und dem Verkauf der TWÖ-Spiele bestehe. Für die Bezahlung der Summe in Höhe von 438.793 S zuzüglich Mehrwertsteuer sei kein Zahlungsgrund angeführt; dazu komme, dass dieses Schreiben nicht in Urschrift, sondern "als nur teilweise unlesbare, in keiner jeden Zweifel an der Echtheit derselben ausschließenden, Kopie" vorgelegt worden sei. Das Gleiche gelte für die acht Tage später datierte Rechnung der W KG an die Beschwerdeführerin über

3.795 Stück Lotto-Computer-Bücher.

Da eine abweichende Warenbezeichnung "in Bezug auf die Eingangsrechnung und die zwei Ausgangsrechnungen" vorliege, fehle es an der zu Grunde liegenden Rechnung, welche die von § 11 UStG geforderten Angaben enthalte. Auch die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug bei der Leistung für das Unternehmen des Leistungsempfängers seien nicht erfüllt, weil eine körperliche Warenlieferung von der W KG an die Beschwerdeführerin nicht erfolgt und nicht erkennbar sei, dass die Lieferung der

3.795 Stück Lotto-Computer-Bücher als für das Unternehmen der Beschwerdeführerin ausgeführt anzusehen sei. Die von der Beschwerdeführerin angebotenen Auskünfte durch die Herren W. und T. würden das Beweisthema verfehlen und seien deshalb unerheblich.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 des im Beschwerdefall noch anzuwendenden UStG 1972 kann der Unternehmer, der die in dieser Gesetzesstelle angeführten Voraussetzungen erfüllt, die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.

Gemäß § 11 Abs. 1 Z 3 leg. cit. müssen die Rechnungen die Menge und die handelsübliche Bezeichnung der gelieferten Gegenstände oder die Art und den Umfang der sonstigen Leistung enthalten. Das Vorliegen der in der Rechnung beschriebenen Leistung ist materielle Voraussetzung für die Abziehbarkeit der Vorsteuer (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. März 2002, 96/13/0148).

Im Beschwerdefall ist unbestritten, dass die auf der Rechnung der W KG an die Beschwerdeführerin beschriebene Lieferung der angeführten Lotto-Computer-Bücher an die Beschwerdeführerin tatsächlich nicht ausgeführt worden ist.

Der Gerichtshof kann es daher nicht als rechtswidrig befinden, wenn die belangte Behörde der auf dieser Rechnung ausgewiesenen Vorsteuer die Anerkennung versagte.

Daher war die Beschwerde, soweit sie die Umsatzsteuer 1990 betrifft, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die belangte Behörde kommt zum Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin der W KG kein Entgelt geschuldet habe, weil die W KG der Beschwerdeführerin keine Leistung erbracht habe. Demgegenüber habe die Beschwerdeführerin der L GesmbH durch Lieferung der TWÖ-Spiele eine Leistung erbracht, welche von der L GesmbH durch die Bezahlung der auf den zwei in Rede stehenden Ausgangsrechnungen aufscheinenden Beträge abgegolten worden sei.

Der angefochtene Bescheid enthält nach nicht mit einer Sachverhaltsfeststellung zu verwechselnden Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens allgemeine Ausführungen zu den Bestimmungen der §§ 115, 119 und 167 BAO und Beweiswürdigungsüberlegungen, in die Sachverhaltsfeststellungen eingebettet sind, denen sich entnehmen lässt, dass kein Zusammenhang zwischen den Lotto-Computer-Büchern und den verkauften TWÖ-Spielen bestehe, dem Erlös der TWÖ-Spiele ein Aufwand von verbuchten Fremdlöhnen gegenüberstehe, während dem Einkauf der Lotto-Computer-Bücher kein Ertrag gegenüberstehe und dass es sich um verschiedene Geschäftsfälle handle, "die miteinander nichts gemeinsam haben". Weiters lässt sich allenfalls als Sachverhaltsfeststellung verstehen, wenn die belangte Behörde ausführt: "Der auf Grund der Ausführungen der Bw., nämlich, dass durch die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der L GesmbH die geplante Weiterfakturierung des Rechnungsbetrages nicht mehr sinnvoll gewesen sei, da sowieso keine Zahlungen seitens dieser Firma zu erwarten gewesen wären sowie, dass diese Weiterfakturierung ertragsteuerlich kein Ergebnis gebracht hätte, da diese Rechnung umgehend einer hundertprozentigen Wertberichtigung zuzuführen gewesen wäre, gezogene Schluss, dass diese Darstellung dem tatsächlichen Geschehen entspreche, ist in diesem Sinne nachvollziehbar."

Nach § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. In den Fällen, in denen die Behörde in Ausübung der freien Beweiswürdigung zu ihrer Erledigung gelangt, obliegt dem Verwaltungsgerichtshof die Prüfung, ob die Tatsachenfeststellungen auf aktenwidrigen Annahmen oder auf logisch unhaltbaren Schlüssen beruhen oder in einem mangelhaften Verfahren zustande gekommen sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. September 2002, 97/13/0175, 0192).

Die belangte Behörde stellte im angefochtenen Bescheid erstmals fest, dass dem Erlös aus dem Verkauf von TWÖ-Spielen ein Aufwand von verbuchten Fremdlöhnen gegenüberstehe. Mit ihrer Rüge, dass diese Feststellung "nach dem Akteninhalt nicht nachvollziehbar" sei, ist die Beschwerdeführerin im Recht. Die in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltene Gewinn- und Verlustrechnung für das Streitjahr 1990 enthält überhaupt keine Aufwendungen für Löhne und lediglich einen sonstigen Aufwand in Höhe von rund 365.000 S, ohne diesen näher aufzugliedern.

Die Sachverhaltsfeststellung, dass zwischen dem verrechneten "Einkauf" der Lotto-Computer-Bücher und den Ausgangsrechnungen betreffend die TWÖ-Spiele kein Zusammenhang bestehe, gründet die belangte Behörde im Wesentlichen darauf, dass die einen solchen Zusammenhang erklärenden Ausführungen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren immer wieder gewechselt haben und dass die zum Beweis eines solchen Zusammenhanges vorgelegten Ablichtungen lediglich schlecht lesbar seien und keine Urschriften darstellten.

Gemäß § 183 Abs. 3 BAO sind von den Parteien beantragte Beweise aufzunehmen, soweit nicht eine Beweiserhebung zu entfallen hat, weil es sich um bei der Abgabenbehörde offenkundige Tatsachen oder um solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, handelt. Von der Aufnahme beantragter Beweise ist abzusehen, wenn die unter Beweis zu stellenden Tatsachen als richtig anerkannt oder unerheblich sind, wenn die Beweisaufnahme mit unverhältnismäßigem Kostenaufwand verbunden wäre, es sei denn, dass die Partei sich zur Tragung der Kosten bereit erklärt und für diese Sicherheit leistet, oder wenn aus den Umständen erhellt, dass die Beweise in der offenbaren Absicht das Verfahren zu verschleppen, angeboten worden sind.

Die Beschwerdeführerin beantragte im Vorlageantrag "zur Aufklärung, warum eigentlich von der L GesmbH die Zwischenschaltung der Beschwerdeführerin für die Herstellung der Lotto-Computer-Bücher erfunden wurde" die Einvernahme "des Herrn W. der W KG und des H.T., des ehemaligen Geschäftsführers der L GesmbH". In der Vorhaltsbeantwortung vom 30. September 1997 ergänzte die Beschwerdeführerin diesen Beweisantrag durch Anführung zweier Anschriften der beantragten Zeugen. Das Beweisthema "warum die Zwischenschaltung der Beschwerdeführerin ..... erfunden wurde" richtete sich aber auf eine solche Zwischenschaltung als Erklärung des Zusammenhanges zwischen den in Rede stehenden Eingangs- und Ausgangsrechnungen. Dass die von der Beschwerdeführerin "angebotenen Auskünfte durch die Herren W. und T. das Beweisthema verfehlen und deshalb entbehrlich" seien, trifft daher nicht zu, weshalb die Beschwerdeführerin das Unterbleiben der beantragten Beweisaufnahme zu Recht rügt.

Soweit die belangte Behörde das Fehlen eines Zusammenhanges zwischen den in Rede stehenden Eingangs- und Ausgangsrechnungen damit begründete, dass es sich um unterschiedliche Warenbezeichnungen handle, setzte sie sich mit dem im Verwaltungsverfahren wiederholt erstatteten Vorbringen nicht auseinander, dass dies auch dem Wunsch der L GesmbH entsprochen habe, welche den Auftrag dazu erteilt habe. Dass die L GesmbH der W KG den Auftrag zur Lieferung von Lotto-Computer-Büchern erteilt habe, nahm selbst die belangte Behörde an.

Die Beweiswürdigung der belangten Behörde ist auch insoweit unschlüssig, als sie dem Vorbringen der Beschwerdeführerin die Glaubhaftigkeit absprach und eine Zahlungsunfähigkeit der L GesmbH annahm, ohne darauf einzugehen, dass die L GesmbH (durch in Urschrift vorgelegte Bankbelege nachgewiesen) die auf den in Rede stehenden Ausgangsrechnungen ausgewiesenen Beträge überwiesen hat.

Da somit die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid, soweit er über die Körperschaft- und Gewerbesteuer 1990 abspricht, mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet hat, war er insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z 3 und 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Gemäß § 3 Abs. 2 Z 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000, war der Betrag des Stempelgebührenersatzes in Euro auszudrücken.

Wien, am 24. September 2003

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein Sachverhalt Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:1997130244.X00

Im RIS seit

27.10.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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