TE Vwgh Erkenntnis 2003/10/7 2001/15/0025

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Veröffentlicht am 07.10.2003
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §131 Abs1 Z2;
EStG 1988 §20 Abs1 Z2 litd;
EStG 1988 §4 Abs1;
EStG 1988 §6 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karger und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde des J in B, vertreten durch Dr. Rudolf Hartmann, Rechtsanwalt in 6700 Bludenz, Rathausgasse 20, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg (Berufungssenat) vom 12. Dezember 2000, Zl. RV 937/1- V6/99, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für 1993 bis 1996 und Gewerbesteuer für 1993, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von 1.172,88 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer betreibt eine Gärtnerei, verkauft seine Waren (Blumen) als Marktfahrer an verschiedenen Marktständen und ermittelt seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG 1988. Er hatte für die Streitjahre Umsätze von rund 6,1 Millionen S (1993), 6,8 Millionen S (1994), 6,3 Millionen S (1995) und 6,7 Millionen S (1996) sowie Einkünfte aus Gewerbebetrieb von rund 230.000 S (1993), 590.000 S (1995), 270.000 S (1995) und 750.000 S (1996) und einen Gewerbeertrag für 1993 von rund 110.000 S erklärt.

Im Gefolge einer im Jahr 1998 beim Beschwerdeführer für die Streitjahre 1993 bis 1996 durchgeführten Buch- und Betriebsprüfung gelangte der Prüfer u.a. zum Ergebnis, dass der bisher im Betriebsvermögen stehende Anteil eines Gebäudes im Jahr 1996 ins Privatvermögen zu entnehmen sei, weil ein darin befindliches Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen Tätigkeit des Beschwerdeführers bilde und der um den Anteil des Arbeitszimmers verringerte betrieblich genutzte Teil des Gebäudes mit 18,35 % ab dem Jahr 1996 nur mehr untergeordnet gewesen sei. Weiters sei den erklärten Bemessungsgrundlagen einerseits mangels ordnungsmäßiger Kassaführung anderseits wegen Nichtberücksichtigung des § 18 Abs. 2 Z. 1 UStG (Blumenerde im Wert von 3.000 S jährlich) und der Doppelverrechnung von Betriebsausgaben (rund 15.000 S jährlich) im Wege der Schätzung 1,5% hinzuzurechnen.

Das Finanzamt nahm die Verfahren hinsichtlich Umsatz- und Einkommensteuer gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf und setzte mit Bescheiden vom 17. Dezember 1998 die Umsatz- und Einkommensteuer für 1994 bis 1996, mit Bescheiden vom 30. Dezember 1998 die Umsatz- und Einkommensteuer für 1993 und gemäß § 296 BAO geändert die Gewerbesteuer für 1993 den Prüferfeststellungen entsprechend fest.

Die dagegen erhobenen Berufungen wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid ab. Der Beschwerdeführer habe die steuerliche Berücksichtigung eines im Wohnungsverband gelegenen Arbeitszimmers geltend gemacht. Der Mittelpunkt (Schwerpunkt) der Tätigkeit eines Gärtners liege in berufstypisierender Betrachtungsweise jedoch unzweifelhaft außerhalb eines solchen Arbeitszimmers. Daher könne es dahingestellt bleiben, dass sich im in Rede stehenden Arbeitszimmer "Bügelutensilien" befunden hätten und ob und inwieweit diese der Betriebssphäre zuzuordnen seien. Da das Arbeitszimmer gemäß § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. d EStG 1988 ab 1996 nicht mehr der betrieblichen Sphäre zuzurechnen gewesen sei, sei der entsprechende Gebäudeanteil aus dem Betriebsvermögen auszuscheiden gewesen, wodurch sich der insgesamt ergebende Anteil der betrieblichen Nutzung des Hauses des Beschwerdeführers auf 18,35 % verringert und die betriebliche Nutzung einen untergeordneten Anteil erreicht habe. Daher sei der gesamte, bis dahin im Betriebsvermögen befindliche Gebäudeteil zu entnehmen gewesen.

Die Verbuchung der Barbewegungen erfolge dergestalt, dass die Tageslosungen täglich gezählt und die entsprechenden Beträge im Kassabuch eingetragen würden. Entsprechende Grundaufzeichnungen (Rechnungen, Paragons, Registrierkassenkontrollstreifen, Stricherllisten usw.) würde der Beschwerdeführer nicht führen. Da die Bargeldbewegungen ohne solche Aufzeichnungen nicht nachvollzogen werden könnten und die Richtigkeit der eingetragenen Beträge in keiner Weise überprüfbar sei, genüge diese Vorgangsweise nicht den Anforderungen des § 131 BAO. Die tägliche Eintragung in das Kassabuch ohne eine Grundlagensicherung zu betreiben, biete keine Gewähr dafür, dass die am Abend gezählten Beträge mit den tatsächlich erzielten Ergebnissen übereinstimmten. Abgesehen von diesem bereits zur Schätzung berechtigenden Buchführungsmangel habe der Beschwerdeführer Marktgebühren doppelt berücksichtigt und die "20 %igen Erlöse" nicht gesondert erfasst, was auch gegen die inhaltliche Richtigkeit der Bücher spreche. Es könne dahingestellt bleiben, ob und inwieweit es üblich sei, beim Kauf eines Blumenstraußes einen Beleg auszustellen oder nicht und inwieweit es glaubhaft sei, dass bei erklärten Umsätzen von jährlich etwa 6 Millionen S - von Ausnahmen abgesehen - keine Ausgangsbelege erstellt worden seien. Auf Grund dieser Mängel dürfe davon ausgegangen werden, dass in den Büchern nicht konkret feststellbare Vorgänge nicht ordnungsgemäß verbucht und weitere Vorgänge in den Büchern Berücksichtigung gefunden hätten, welche die Ergebnisse zu Unrecht geschmälert hätten. Daher sei ein Sicherheitszuschlag von 1,5 % anzusetzen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich im Recht verletzt, dass wegen der Nichtanerkennung eines betrieblichen Büroraumes die Entnahme des gesamten Gebäudes aus dem Betriebsvermögen dem Jahr 1996 zugeordnet worden sei und dass ihm gegenüber ein Sicherheitszuschlag verhängt worden sei.

Gemäß § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. d EStG 1988 idF des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, dürfen Aufwendungen oder Ausgaben für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer und dessen Einrichtung sowie für Einrichtungsgegenstände der Wohnung bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden. Bildet ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, sind die darauf entfallenden Aufwendungen und Ausgaben einschließlich der Kosten seiner Einrichtung abzugsfähig. Diese Bestimmung ist ab dem Jahr 1996 anzuwenden (§ 124a Z. 3 leg. cit.).

Den Feststellungen der belangten Behörde, der Beschwerdeführer betreibe eine Gärtnerei und verkaufe Blumen außerhalb seines Betriebsstandortes an Marktständen als Marktfahrer, wird nichts entgegengehalten und eingeräumt, dass die Hauptbetätigung eines Gärtners naturgemäß nicht in einem Büro, sondern in seinen Glashäusern oder auf dem freien Feld oder am Markt liege. Der Beschwerdeführer trägt vor, auch ein Gärtner brauche einen Raum, welchen er als Büro nutzen könne, was in Glashäusern nicht möglich sei. Damit legt der Beschwerdeführer jedoch nicht dar, dass das Arbeitszimmer den Mittelpunkt seiner gesamten betrieblichen Tätigkeit gebildet hätte.

Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde erstmals vorbringt, das Arbeitszimmer befinde sich im ersten Stock seines Hauses und besitze einen eigenen Eingang, verstößt er gegen das vor dem Verwaltungsgerichtshof bestehende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG), weshalb es dahingestellt bleiben kann, ob dieser Umstand zur Betrachtung hätte führen können, das Arbeitszimmer wäre nicht im Wohnungsverband gelegen.

Die Feststellungen der belangten Behörde, der Anteil der betrieblichen Nutzung des Hauses des Beschwerdeführers ohne das in Rede stehende Arbeitszimmer habe ab 1996 lediglich 18,35 % betragen, bekämpft der Beschwerdeführer nicht.

Wirtschaftsgüter sind grundsätzlich dem Betriebsvermögen zuzurechnen, wenn sie objektiv erkennbar dem Betrieb dienen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. August 2001, 96/14/0150). Im Allgemeinen ist die Zugehörigkeit zum Betriebvermögen für das Wirtschaftsgut als Ganzes zu beurteilen. Werden Grundstücke oder Gebäude jedoch gemischt genutzt (Teile betrieblich, andere Teile nicht betrieblich), dann ist das Grundstück oder Gebäude in einen betrieblichen und in einen privaten Teil aufzuteilen. Auf Grund dieser anteilsmäßigen Betrachtung ist es nur folgerichtig, bei Widmung zu dauerhafter privater Nutzung ehemals betrieblich genutzter Räumlichkeiten eine Entnahme anzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2000, 95/14/0083).

Soweit Arbeitszimmer bzw. Einrichtungsgegenstände in der Zeit vor 1996 Teil des Betriebsvermögens waren und ab 1996 für eine Nutzung gewidmet sind, die nach § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. d EStG 1988 nicht zu Betriebsausgaben führt, liegt ab 1996 eine Widmung für außerbetriebliche Zwecke vor, die zu einer Entnahme nach § 6 Z. 4 leg. cit. führt (vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer III B, Tz 6.1 zu § 20, Seite 50 f).

Die Aufteilung eines gemischt genutzten Grundstückes oder Gebäudes unterbleibt, wenn einer der beiden verbleibenden Teile nur von untergeordneter Bedeutung ist, was anzunehmen ist, wenn dieser Teil weniger als 20 % des Objektes umfasst (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2001, 98/15/0019).

Damit kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie im Jahr 1996 eine Entnahme des gesamten bis einschließlich 1995 im Betriebsvermögen des Beschwerdeführers stehenden Anteiles an seinem Wohnhaus deshalb angenommen hat, weil im Ergebnis der Gesetzesänderung durch das Strukturanpassungsgesetz 1996 von einer Privatnutzung des Arbeitszimmers ab dem Jahr 1996 und einer dadurch bewirkten Entnahme aus dem Betriebsvermögen im Jahr 1996 auszugehen war und dadurch der betrieblich genutzte Anteil am Wohnhaus auf 18,35 % und damit auf ein lediglich untergeordnetes Ausmaß verringert wurde.

Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde, soweit sie die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, diese zu schätzen, wobei alle Umstände zu berücksichtigen sind, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Gemäß § 184 Abs. 3 BAO ist u.a. dann zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.

Soweit nach den §§ 124 oder 125 BAO eine Verpflichtung zur Führung von Büchern besteht oder soweit ohne gesetzliche Verpflichtung Bücher geführt werden, sollen gemäß § 131 Abs. 1 Z. 2 vierter Satz BAO Bareingänge und Barausgänge, in allen übrigen Fällen die Bareinnahmen und Barausgaben täglich in geeigneter Weise festgehalten werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem von der belangten Behörde zutreffend herangezogenen Erkenntnis vom 23. März 1999, 98/14/0127, die Auffassung vertreten, dass im Rahmen der Buchführung alle Bargeldbewegungen (Eingänge und Ausgänge) zu erfassen sind, unabhängig davon, ob sie erfolgswirksam sind oder nicht. Eine tägliche Eintragung der Tageslosung (Bareinnahmen) allein genüge den Anforderungen des § 131 Abs. 1 Z. 2 vierter Satz BAO nicht.

Die belangte Behörde ist zu Unrecht davon ausgegangen, die Bücher und Aufzeichnungen des Beschwerdeführers seien allein deshalb nicht ordnungsmäßig gewesen, weil der Beschwerdeführer nicht die von ihr angeführten Grundaufzeichnungen (Rechnungen, Paragons, Registrierkassenkontrollstreifen, Stricherllisten, usw.) geführt hat. Derartige Grundaufzeichnungen sind jedoch bei ordnungsmäßiger Kassaführung nicht erforderlich, die vorliegt, wenn täglich alle Bargeldbewegungen (Eingänge, Ausgänge) erfasst werden, unabhängig davon, ob sie erfolgswirksam sind oder nicht (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom 23. März 1999). Der Beschwerdeführer hat im Berufungsverfahren vorgebracht, er habe für die Ermittlung der Tageslosungen ein Kassabuch geführt, in dem die Anfangs- und Endbestände sowie die Einlagen und Entnahmen festgehalten worden seien. Auf dieses Vorbringen ist die belangte Behörde - wie auch in der Beschwerde aufgezeigt wird - in Verkennung der Rechtslage nicht eingegangen, weswegen sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig erweist. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer - im oben aufgezeigten Umfang -

die Bestimmungen des § 18 Abs. 2 Z. 1 UStG nicht berücksichtigt sowie Aufwendungen doppelt verrechnet hat, reicht im Beschwerdefall zur griffweisen Schätzung des Umsatzes nicht aus. Im fortzusetzenden Verfahren wird unter Berücksichtigung der Ausführungen des Beschwerdeführers festzustellen sein, auf welche Art und Weise der Beschwerdeführer bei der täglichen Zählung der Tageslosungen die Einlagen und Entnahmen berücksichtigt hat.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 f VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 7. Oktober 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001150025.X00

Im RIS seit

20.11.2003

Zuletzt aktualisiert am

16.05.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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