TE Vwgh Erkenntnis 2003/10/10 99/18/0386

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.10.2003
beobachten
merken

Index

19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

FrG 1997 §35 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z2;
FrG 1997 §36;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §38 Abs1 Z3;
MRK Art8 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z1;
StGB §105 Abs1;
StGB §106 Abs1 Z1;
StGB §15;
StGB §201 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des H, geboren 1970, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 1a, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 2. September 1999, Zl. Fr-196/99, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) vom 2. September 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 und 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, unter Bedachtnahme auf die §§ 35 und 37 leg. cit. ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das österreichische Bundesgebiet erlassen.

Der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG zu Unrecht zu seinem Nachteil vorgenommen und sein neunjähriger Aufenthalt bzw. seine Familiengemeinschaft in Österreich zu wenig berücksichtigt worden wäre. Seine Kinder würden die Pflichtschule in Österreich besuchen und hätten keinerlei Erinnerungen an ihre frühere Heimat. Die Ermessensentscheidung gemäß § 36 FrG wäre zu Unrecht zu seinem Nachteil erfolgt. Seit seiner Haftentlassung hätte er sich wohl verhalten. Er würde die Voraussetzungen für die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft im nächsten Jahr ohnehin erfüllen.

Der Beschwerdeführer befinde sich seit 1990 rechtmäßig in Österreich. Er sei mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 5. Dezember 1997 wegen des Verbrechens der teils versuchten, teils vollendeten Vergewaltigung nach den §§ 201 Abs. 2 und 15 StGB und wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1 und 106 Abs. 1 Z. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt worden. Der Verurteilung sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer

"1.) am 05.09.1997 N. M., indem Sie sie an den Brüsten fassten, sie in einen Stall zerrten und dort mit dem Rücken gegen die Wand drückten, Ihr Knie gegen ihre Oberschenkel drückten, ihr den Rock und die Unterhose herunter zerrten und ihr dabei drohten sie möge ihren Mund halten, ansonsten Sie sie umbringen würden, sie an ihrem Hals erfassten und ihr einen Faustschlag gegen den Mund versetzten und mehrfach äußerten, mit ihr geschlechtlich verkehren zu wollen, wobei es beim Versuch blieb.

2.) In der Nacht vom 05. auf den 06.09.1997 M. R. dadurch, dass Sie sie zur Vorderseite ihres PKW's zerrten, wo Sie sie mit dem Rücken gegen die Motorhaube drückten und festhielten, während Sie mit der anderen Hand ihren Pullover hochschoben und ihre Brüste betasteten und sinngemäß äußerten sie umzubringen, falls sie Ihnen nicht willens sein sollte, ihr die Ober- und die Unterhose herunterzerrten und mit ihrem Glied in sie eindrangen.

3.) Am 08.09.1997 N. M. durch die mehrfachen Äußerungen, Sie werden sie umbringen, falls sie irgend jemandem von dem unter Punkt 1.) geschilderten Vorfall etwas erzählen sollten, daher durch Drohung mit dem Tod zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von der Erstattung einer Strafanzeige zu nötigen versuchten."

Es lägen daher eindeutig die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG vor, ohne dass es hiezu näherer Ausführungen bedürfe. Auch § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG sei erfüllt, weil der Beschwerdeführer insgesamt dreimal, nämlich am 13. Oktober 1993, am 6. März 1995 und zuletzt am 8. August 1997 wegen Lenkens eines Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gemäß § 29 (richtig: § 99) Abs. 1 StVO rechtskräftig bestraft worden sei.

Die belangte Behörde habe nunmehr zu prüfen, inwieweit die Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes unter Berücksichtigung der §§ 35 und 37 FrG zulässig sei. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 37 Abs. 1 FrG sei jedenfalls zulässig, da diese Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele notwendig sei. Durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes werde stark in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen, jedoch lägen weder die "Verleihungstatbestände" des § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG vor, noch gebe es andere Gründe, die der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes entgegenstünden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer die Tatbestände des § 36 Abs. 2 Z. 1 und 2 FrG verwirklicht habe, unbekämpft. Auf Grund der unbestrittenen rechtskräftigen Verurteilung vom 5. Dezember 1997 und den jedenfalls zwei nicht getilgten rechtskräftigen Bestrafungen wegen Lenkens eines Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand besteht gegen diese Ansicht kein Einwand.

1.2. Bei der Beurteilung der Frage, ob die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist, ist zu prüfen, ob sich aus dem gesamten Fehlverhalten des Fremden ableiten lässt, dass ein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dabei ist - anders als bei der Frage, ob der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 und 2 FrG erfüllt ist - nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild des Fremden abzustellen.

Die belangte Behörde hat zwar § 36 Abs. 1 FrG im Spruch des angefochtenen Bescheides zitiert, es aber - wie die insoweit eindeutige Bescheidbegründung zeigt - gänzlich unterlassen zu prüfen, ob im Beschwerdefall die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, es vielmehr dabei bewenden lassen, die Erfüllung der Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Z. 1 und 2 leg. cit. zu bejahen. Ungeachtet dessen, dass sie damit die Rechtslage verkannt hat (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2000, Zl. 98/18/0272), führt dies im vorliegenden Fall nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Der Beschwerdeführer hat nach dem insoweit bindenden Strafurteil (vgl. zum Umfang der Bindung eines rechtskräftigen Schuldspruches das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2000, Zl. 2000/18/0133, mwN) in der Zeit vom 5. bis 8. September 1997 die N. M. in der oben näher beschriebenen Weise zu vergewaltigen versucht und kurz darauf die M. R. vergewaltigt, und er hat die N. M. sodann mehrfach durch Drohung mit dem Tod zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von der Erstattung einer Strafanzeige, zu nötigen versucht. Er hat dadurch das Verbrechen der teils versuchten, teils vollendeten Vergewaltigung nach den §§ 201 Abs. 2 und 15 StGB und das Verbrechen der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1 und 106 Abs. 1 Z. 1 StGB begangen. Ferner hat er insgesamt dreimal, nämlich am 13. Oktober 1993, am 6. März 1995 und zuletzt am 8. August 1997 ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt.

Die Annahme, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich das öffentliche Interesse an der Verhinderung strafbarer Handlungen gegen die Sittlichkeit und gegen die Sicherheit im Straßenverkehr gefährde (§ 36 Abs. 1 FrG), liegt im Hinblick auf das dargestellte gravierende Fehlverhalten des Beschwerdeführers auf der Hand. An dieser Beurteilung vermag auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf seine intakte familiäre Situation und seine soziale Integration in Österreich sowie auf seinen "unauffälligen Lebenswandel nach seiner Haftentlassung" nichts zu ändern, ist doch der seit der Begehung der Straftaten verstrichene Zeitraum noch zu kurz, als dass der Beschwerdeführer einen Wegfall oder doch eine wesentliche Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr für die bezeichneten maßgeblichen öffentlichen Interessen hätte unter Beweis stellen können.

2.1. Mit dem gegen die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grund des § 37 FrG gerichteten Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer aus folgenden Gründen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

2.2. Den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit 1990 sowie den Aufenthalt seiner Gattin und der gemeinsamen Kinder im Bundesgebiet hat die belangte Behörde berücksichtigt und daher - zutreffend - einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers angenommen.

Die Beschwerde bestreitet nicht, dass der Beschwerdeführer die N. M. zu vergewaltigen versucht und später die M. R. vergewaltigt hat, dass er die N. M. sodann zur Abstandnahme von der Erstattung einer Strafanzeige zu nötigen versucht hat und dass er mehrmals ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt hat. Da er durch dieses Verhalten das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von Straftaten gegen die Sittlichkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1999, Zl. 98/18/0338) und an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Straßenverkehr (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2000, Zl. 98/18/0218) in gravierender Weise beeinträchtigt hat, bestehen gegen die Ansicht der belangten Behörde, das Aufenthaltsverbot sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig, keine Bedenken.

Von daher gesehen hat die belangte Behörde der durch das gravierende Fehlverhalten des Beschwerdeführers bewirkten Gefährdung der öffentlichen Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbots zutreffend kein geringeres Gewicht beigemessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation und die seiner Familie, zumal die aus dem bisherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet resultierende Integration in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch die von ihm ab 1993 verübten Straftaten eine ganz erhebliche Minderung erfahren hat. Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde im Zusammenhang mit der Beurteilung nach § 37 Abs. 2 FrG vorwirft, sie habe die Vernehmung zweier beantragter Zeugen verabsäumt, zeigt er damit keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens auf, weil er kein konkretes Beweisthema für diese Zeugen genannt hat.

3. Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass die belangte Behörde von dem ihr gemäß § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessen, von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen, Gebrauch zu machen gehabt hätte, zumal weder aus der Beschwerde noch dem angefochtenen Bescheid besondere Umstände ersichtlich sind, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.

4. Schließlich kann im Hinblick darauf, dass einerseits die Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes, nämlich das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers, spätestens mit dem Jahr 1993 anzusetzen ist, andererseits der Beschwerdeführer nicht vor 1990 ununterbrochen und rechtmäßig auf Dauer im Bundesgebiet niedergelassen war, keine Rede davon sein, dass vorliegend, wie in der Beschwerde offenbar vertreten, der Aufenthaltsverbot-Verbotsgrund des § 35 Abs. 2 FrG zum Tragen kommt. Auch der Aufenthaltsverbot-Verbotsgrund des § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG steht der gegen den Beschwerdeführer verhängten Maßnahme nicht entgegen, räumt doch auch die Beschwerde ein, dass die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 nicht erfüllt sind.

5. Die Beschwerde war sohin nach § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 10. Oktober 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:1999180386.X00

Im RIS seit

05.11.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten