TE Vwgh Erkenntnis 2003/10/15 2003/21/0185

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Veröffentlicht am 15.10.2003
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z6;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
StGB §146;
StGB §147 Abs1 Z1;
StGB §147 Abs2;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2003/21/0172 E 15. Oktober 2003

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Wechner, über die Beschwerde der K in P, vertreten durch Dr. Thomas Weber, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Kaiser Franz Ring 13, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 20. Juni 2003, Zl. Fr 1143/03, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. Juni 2003 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine albanische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z 6 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Zur Begründung dieser Maßnahme führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin sei am 12. September 1998 mit ihrem Ehegatten und ihren beiden minderjährigen Kindern illegal nach Österreich eingereist. Ihr Ehemann habe einen Asylantrag und die Beschwerdeführerin einen Asylerstreckungsantrag gestellt. Die Beschwerdeführerin habe unter Vorlage einer gefälschten Geburtsurkunde behauptet, sie sei jugoslawische Staatsangehörige "mit der ethnischen Herkunft Kosovo-Albaner", und sie habe im Zuge des weiteren Asylverfahrens unter anderem auch vorgebracht, ihre Familie werde im Kosovo durch die serbische Polizei bedroht. Der Beschwerdeführerin sei eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 19 des Asylgesetzes 1997 (AsylG) ausgestellt worden. In der Folge sei ihrem Ehegatten Asyl gewährt, dem Erstreckungsantrag der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 15. Dezember 2000 stattgegeben und ihre Flüchtlingseigenschaft festgestellt worden.

Zum Jahreswechsel 2000/2001 seien umfangreiche Erhebungen gegen albanische Staatsangehörige vorgenommen worden, welche im Verdacht gestanden seien, sich unter Verwendung von gefälschten Geburtsurkunden und Dokumenten als Kosovo-Albaner ausgegeben und in Österreich um Asyl angesucht zu haben. Im Zuge dessen habe sich die von der Beschwerdeführerin verwendete Geburtsurkunde als Fälschung erwiesen und die Beschwerdeführerin habe gestanden, dass sie sich diese in Albanien zwecks Bescheinigung der Zugehörigkeit zur ethnischen Minderheit der Kosovo-Albaner besorgt habe. Tatsächlich komme sie aus Albanien und sei albanische Staatsangehörige. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte seien gezwungen gewesen, sich falsche Dokumente zu besorgen, weil sie in Österreich mit der "Staatsangehörigkeit Albanien" nicht als Flüchtling aufgenommen worden wären. Auf Grund der ihr sowie ihrem Ehemann und den beiden Kindern als angebliche Kosovo-Albaner gewährten Bundesbetreuung seien dem österreichischen Staat Kosten in der Höhe von etwa ATS 150.000,-- entstanden; weiters hätten sie Sozialhilfe im Gesamtbetrag von etwa ATS 225.000,-- erhalten. Im Hinblick darauf sei die Beschwerdeführerin mit Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 5. Juni 2002 wegen schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Überdies sei das Asylverfahren wieder aufgenommen worden. Über die gegen den erstinstanzlichen, antragsabweisenden Bescheid erhobene Berufung sei noch nicht entschieden worden.

Aus diesen Feststellungen folgerte die belangte Behörde, die Beschwerdeführerin habe durch Vorlage einer gefälschten Geburtsurkunde bewirkt, dass ihr eine Aufenthaltsberechtigung zuerkannt und (schließlich auch) Asyl gewährt worden sei. Somit habe sie gegenüber einer österreichischen Behörde bzw. deren Organen unrichtige Angaben über ihre Person und ihre persönlichen Verhältnisse gemacht, um sich eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 31 Abs. 1 und 3 FrG zu verschaffen, sodass sie den "Sondertatbestand" des § 36 Abs. 2 Z 6 FrG verwirklicht habe. Da die Beschwerdeführerin außerdem bewirkt habe, dass sie und ihre Familie mit den genannten Geldbeträgen unrechtmäßig unterstützt worden seien, und sie dadurch gegen strafgesetzliche Bestimmungen massiv verstoßen habe, sei die Annahme gerechtfertigt, dass ihr weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde.

Bei der Ermessensübung und der Beurteilung nach § 37 FrG ging die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann im Hinblick auf das noch nicht abgeschlossene Asylverfahren eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 19 AsylG zukomme. Gegen den Ehegatten der Beschwerdeführerin sei bereits ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot erlassen worden. Da dieser und die Kinder Österreich ebenfalls verlassen müssten, würden durch das Aufenthaltsverbot die familiären Bindungen der Beschwerdeführerin kaum berührt. Trotz des fünfjährigen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin in Österreich sei die Integration als sehr gering einzustufen, weil sie im Zusammenwirken mit ihrem Ehemann mehrmals unrichtige Angaben gemacht habe, um sich Asyl zu erschleichen und um sich beträchtliche finanzielle Vorteile zu verschaffen, "somit praktisch fortlaufend während ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet Täuschungshandlungen gesetzt" habe. Das Interesse der Beschwerdeführerin an einem Weiterverbleib in Österreich habe daher bei entsprechender Gewichtung der dargestellten Umstände eindeutig hinter die öffentlichen Interessen an der Verhinderung strafbarer Handlungen sowie an der Aufrechterhaltung eines geregelten Fremdenwesens zurückzutreten. Ein "positiver Gesinnungswechsel" der Beschwerdeführerin könne nicht vor Ablauf von zehn Jahren prognostiziert werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 36 Abs. 1 FrG die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, dass der (weitere) Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 36 Abs. 2 FrG gilt als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 unter anderem, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden ist (Z 1) oder wenn ein Fremder gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise- oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 31 Abs. 1 und 3 FrG zu verschaffen (Z 6).

In der Beschwerde werden die behördlichen Feststellungen nicht bestritten und die daraus abgeleitete Verwirklichung des Tatbestandes des § 36 Abs. 2 Z 6 FrG ausdrücklich zugestanden. Auch gegen die im Hinblick auf das dargestellte Fehlverhalten - wobei die Höhe der vom Gericht verhängten Strafe gerade noch nicht eine Subsumtion unter § 36 Abs. 2 Z 1 FrG erlaubt - zutreffend erstellte Gefährdungsprognose im Sinne des § 36 Abs. 1 FrG wendet sich die Beschwerde nicht.

Die Beschwerde releviert jedoch einen unverhältnismäßig schwer wiegenden Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben und macht in diesem Zusammenhang geltend, die Beschwerdeführerin (seit drei Jahren als Küchengehilfin) und ihr Ehemann seien beide berufstätig. Die Kinder, welche die Beschwerdeführerin "mit zurück nach Albanien" nehmen müsste, hätten in Österreich die Schule besucht und beherrschten die deutsche Sprache wesentlich besser; der albanischen Sprache seien sie "nicht mächtig". Die Beschwerdeführerin versuche, den (der öffentlichen Hand entstandenen) Schaden gutzumachen und habe um Ratenzahlung angesucht.

Es wird nicht verkannt, dass der fünfjährige Aufenthalt in Österreich, die berufliche Integration der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten und der Schulbesuch der Kinder in Verbindung mit der dadurch bewirkten sozialen Eingliederung unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK ein beachtliches Interesse an einem Weiterverbleib in Österreich begründen. Zu berücksichtigen ist aber, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin und ihrer Familie und die sich daraus ergebende Integration dadurch relativiert werden, dass sie auf die beschriebenen Täuschungshandlungen zurückzuführen sind, und dass gegen den Ehegatten der Beschwerdeführerin auch ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot erlassen wurde. Den in der Beschwerde ins Treffen geführten Umständen stehen außerdem - wie die belangte Behörde zutreffend aufgezeigt hat - zumindest ebenso bedeutende öffentliche Interessen an einem geordneten Fremdenwesen und an der Verhinderung strafbarer Handlungen gegenüber, welche die Beschwerdeführerin (und ihr Ehegatte) durch den schon im Heimatland geplanten, mit der Vorlage einer gefälschten Urkunde unterstützten "Asylmissbrauch", der die ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Betreuungs- und Sozialleistungen in beträchtlichem Umfang nach sich gezogen hat, in gravierender Weise verletzt haben. Davon ausgehend und unter Bedachtnahme auf die aus dem bisherigen Verhalten abzuleitende Gefährdung der besagten öffentlichen Interessen durfte die belangte Behörde die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ohne Rechtsirrtum im Sinne des § 37 Abs. 1 FrG für dringend geboten erachten und sie musste bei der Abwägung nach § 37 Abs. 2 FrG das gegenläufige Interesse der Beschwerdeführerin an einem weiteren Aufenthalt in Österreich jedenfalls nicht schwerer gewichten als das erwähnte öffentliche Interesse. Die in der Beschwerde relevierten Umstände hätten die belangte Behörde aber auch nicht veranlassen müssen, im Rahmen der Ermessensübung von der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes abzusehen. Dessen nachteilige Auswirkungen - insbesondere auf die Situation der Kinder - sind im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen.

Schließlich ist den Beschwerdeausführungen noch zu erwidern, dass die Anhängigkeit des Asylverfahrens und der damit verbundene Abschiebungsschutz der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, das sich auf Gründe wie die vorliegenden stützt, nicht entgegenstehen.

Ergänzend sei bemerkt, dass zwar bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer eines auf § 36 Abs. 2 Z 6 FrG gestützten Aufenthaltsverbotes der weitere Aufenthaltsverbotstatbestand des § 36 Abs. 2 Z 9 FrG mit seiner Beschränkung auf fünfjährige Aufenthaltsverbote berücksichtigt werden muss, dass aber wegen des vorliegenden Verstoßes nicht nur gegen fremdenrechtliche, sondern auch gegen strafrechtliche Vorschriften gegen die Erlassung eines zehnjährigen Aufenthaltsverbotes keine Bedenken bestehen. (Vgl. zum Ganzen das einen im Wesentlichen gleich gelagerten Sachverhalt betreffende Erkenntnis vom 24. Februar 2003, Zl. 2002/21/0213; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 22. März 2002, Zl. 2001/21/0177.)

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 15. Oktober 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003210185.X00

Im RIS seit

06.11.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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