TE Vwgh Erkenntnis 2003/10/21 2002/06/0049

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.10.2003
beobachten
merken

Index

L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Vorarlberg;
L81708 Baulärm Vorarlberg;
L82000 Bauordnung;
L82008 Bauordnung Vorarlberg;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §42 idF 1998/I/158;
AVG §8;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs1 litb;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §6 Abs10;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde 1. des Dipl.-Ing. D R und 2. der A R, beide in B, vertreten durch Dr. Hubert F. Kinz, Rechtsanwalt in 6901 Bregenz, Kirchstraße 10, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 13. Februar 2002, Zl. I-2-9/2001, betreffend Abbruchsbewilligung bzw. Bewilligung der Errichtung eines Büro- und Wohnhauses (mitbeteiligte Parteien: 1. Wohnungseigentumsgesellschaft mbH in B, und 2. I S, 3. G S und 4. Dipl. Ing. G S, alle in B, alle vertreten durch Dr. Gerhard Preisl, Dr. Helgar Georg Schneider, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Reichsstraße 5a), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- je zur Hälfte binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind Miteigentümer der Liegenschaft Grundstück Nr. 359/2 in B, die mitbeteiligten Parteien als Bauwerber sind Miteigentümer der Liegenschaften Grundstück Nr. 319/1, 319/4 sowie Bauparzelle 452/3, je Grundbuch B. Beide Liegenschaften liegen - getrennt durch die R-Straße - B 190 - einander gegenüber, wobei sich das Baugrundstück nördlich der Liegenschaft der Beschwerdeführer und in Richtung Bodensee in leicht abfallender Hanglage befindet. Beide Liegenschaften sind nach dem für die Landeshauptstadt Bregenz geltenden Flächenwidmungsplan als "Baufläche - Mischgebiet" gewidmet.

Das eingereichte Projekt der Mitbeteiligten umfasst neben dem Abbruch des derzeit bestehenden Gebäudes auf der Bauliegenschaft die Errichtung eines Wohn- und Bürohauses mit fünf Wohneinheiten sowie 900 m2 Bürofläche mit Kellergeschoss (Tiefgarage mit zwei Parkebenen für 41 Einstellplätze), Erdgeschoss und vier Obergeschossen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Bregenz vom 29. Mai 2001 wurde der (aus den 2. - 4. Mitbeteiligten bestehenden) erstmitbeteiligten Wohnungseigentumsgesellschaft mbH die Bewilligung für den Abbruch des derzeit bestehenden Gebäudes in B, R-Straße 30, sowie die Errichtung eines Büro- und Wohnhauses auf den Grundstücken Nr. 319/1, 319/4 und Bauparzelle 452/3, je Grundbuch B, nach Maßgabe der vorgelegten Projektsunterlagen unter Erteilung von Auflagen bewilligt. Die von den Beschwerdeführern erhobenen Einwendungen wurden als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung.

Mit Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Bregenz vom 25. September 2001 wurde dieser Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 53 Abs. 1 Gemeindegesetz keine Folge gegeben.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung an die belangte Behörde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dieser Vorstellung keine Folge gegeben.

Nach Darstellung des Verfahrensganges und der maßgeblichen Rechtslage führte die belangte Behörde begründend aus, das in Rede stehende Baugrundstück liege nach der bestehenden Flächenwidmung in "Baufläche - Mischgebiet", welche Gebiete nach § 14 Abs. 4 Raumplanungsgesetz Gebiete seien, "in denen Wohngebäude und sonstige Gebäude und Anlagen zulässig" seien, "die das Wohnen nicht wesentlich stören". Das vorgesehene Bauvorhaben mit Wohn- und Büroflächen bewege sich im Rahmen der gegebenen Flächenwidmung. Im Besonderen könnten Bürogebäude nicht als Anlagen angesehen werden, die in einem Wohngebiet als besonders störend empfunden werden könnten. Dem Nachbarn komme zwar nach § 30 Abs. 1 lit. b Baugesetz ein Anspruch auf Einhaltung der Abstände und Abstandsflächen zu (diese Voraussetzungen seien hier gegeben), andererseits habe er jene Emissionen hinzunehmen, die sich im Rahmen des nach der Widmungsart Zulässigen hielten, und zwar auch dann, wenn sie die bisher vorliegenden Emissionsverhältnisse auf dem Grundstück der Nachbarn verschlechterten. Das Vorbringen, dass durch den Verwendungszweck des beantragten Bauwerkes eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder gar Gesundheitsgefährdung zu erwarten sei, sei angesichts einer Büro- und Wohnbebauung plakativ und unbegründet. Die Größe der Bauliegenschaft lasse die Schaffung von 900 m2 Bürofläche problemlos zu, die Schaffung von 41 Tiefgarageneinstellplätzen entspreche dem Projekt. Das Vorbringen der Beschwerdeführer betreffend verstärkte Lärmbelästigung durch den Zufahrtsverkehr zum neuen Objekt als auch durch die allenfalls entstehenden Schallreflexionen durch die neue "Gebäudewand" seien von der Baubehörde erster Instanz zutreffend als unbegründet abgewiesen worden. Eine Einholung weiterer Sachverständigengutachten zur Frage, inwieweit es zu verstärkten Schallemissionen durch das neue Gebäude auf die Liegenschaft der Beschwerdeführer komme, sei mangels subjektiv öffentlicher Nachbarrechte entbehrlich; auf das diesbezügliche Vorstellungsvorbringen sei nicht weiter einzugehen gewesen. Wie dem Baubewilligungsbescheid zu entnehmen sei, sei das lärmtechnische Gutachten vom 9. März 2001 bereits vor der Bauverhandlung im Interesse der Erzielung eines anstandslosen Verhandlungsergebnisses eingeholt worden und nicht als Folge von Nachbarrechten (gemeint wohl: Einwendungen). Ob das Gebäude der Beschwerdeführer derzeit bereits unzulässigen Emissionen ausgesetzt sei, sei im gegenständlichen Verfahren nicht relevant. Insoweit damit Verkehrslärm aus dem Bereich der B 190 gemeint gewesen sein sollte, wäre ein solches Vorbringen von der Baubehörde als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Subjektivöffentliche Rechte der Beschwerdeführer seien somit nicht verletzt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde aus den Gründen der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht auf Berücksichtigung zusätzlicher unzumutbarer und gesundheitsschädlicher Lärmbelästigung, in ihrem Recht auf Nichterrichtung des geplanten Wohn- und Bürogebäudes und in ihrem Recht auf Vorschreibung größerer Abstandsflächen wegen Verstosses gegen § 6 Abs. 10 Vorarlberger Baugesetz, verletzt.

Die belangte Behörde sowie auch die Mitbeteiligten erstatteten Gegenschriften, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragen, die belangte Behörde legte auch die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In Ausführung der Beschwerde bringen die Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, in unmittelbarer Umgebung des Baugrundstückes seien Bauwerke, die nicht hauptsächlich zu Wohnzwecken verwendet würden, von untergeordneter Bedeutung. Durch die Errichtung des vorgesehenen Gebäudes entstehe eine das ortsübliche Maß übersteigende Lärmbelästigung, die gerade im Hinblick auf das bereits bestehende Lärmniveau eine Gesundheitsschädigung der Nachbarn erwarten lasse und unzumutbar sei. In die Widmungskategorie "Baufläche-Mischgebiet" sei nicht eingeschlossen, dass die Zulässigkeitsgrenze übersteigende, ja sogar gesundheitsschädliche Emissionen abgedeckt und im Rahmen der Nachbarrechte nicht mehr geltend gemacht werden könnten. Die unzulässige Lärmemission ergebe sich aus dem Gutachten der K GmbH, welches auf Grundlage der Messungen vom 20. und 21. Juni 2001 erstellt worden sei. Nach diesem Gutachten überschreite der Grundgeräuschpegel bereits zu den Messzeitpunkten, also ohne weitere Lärmbelastung, den nach der ÖAL-Richtlinie Nr. 3 (Richtwert für Grundgeräuschpegel für die Gebietskategorie 4 - Kerngebiet; Büros, Geschäfte, Handel, Verwaltung, Wohnungen) vorgesehenen Richtwert in einem beträchtlichen Ausmaß, nämlich bis zu 20 dB. Diese Richtlinie besage, dass der äquivalente Dauerschallpegel der ortsüblichen Schallemissionen dann, wenn er bereits höher als der Grundgeräuschpegel plus 10 dB sei, durch das Hinzutreten der zu beurteilenden Schallquelle nicht erhöht werden dürfe. Nach der Lärmemission zur Prognoserechnung ergebe sich eine zu erwartende Erhöhung des Emissionspegels von 0,5 dB. Im Sinne des § 30 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 6 wären sohin im Hinblick auf die zu erwartenden zusätzlichen unzumutbaren und das ortsübliche Maß überschreitenden und gesundheitsgefährdenden Lärmbelästigungen die Abstandsflächen zu vergrößern gewesen. Hinzunehmen hätten Nachbarn die nach der Widmungsart zulässigen Emissionen nur, wenn die Grenze der Zumutbarkeit durch die Emissionsbelastung noch nicht den Plafond erreicht habe. Im gegenständlichen Fall sei jedoch durch die bestehende Emissionsbelastung die Grenze der Zumutbarkeit bereits erreicht und jedwede, und sei es noch so geringe zusätzliche Belastung, müsse dazu führen, dass die Behörde im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten die Entstehung weiterer Emissionen zu verhindern habe. Im gegenständlichen Fall wäre die Behörde gehalten gewesen, die für die Beschwerdeführer bereits über der Zumutbarkeitsgrenze liegende Belastung in dem bestehenden Rahmen zu halten. Die belangte Behörde habe auch die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens, ohne näher auf die Umstände einzugehen bzw. in nachvollziehbarer Weise ihrer Vorgangsweise zu begründen, als entbehrlich angesehen. Das von den Beschwerdeführern beigebrachte Gutachten der Ing. K GesmbH sei bei der Entscheidungsfindung zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Von der Einholung eines medizinischen Gutachtens zur Frage, welche gesundheitsgefährdende Schädigungen durch die Überschreitung des äquivalenten Dauerlärmpegels hervorgerufen werden könnten, habe die belangte Behörde gänzlich abgesehen, obwohl nur durch ein solches Gutachten der Nachweis hätte erbracht werden können, inwieweit die den Nachbarn eingeräumten Rechte beeinträchtigt würden bzw. welche bestehenden oder weiteren Emissionen zu einer Gesundheitsgefährdung der Nachbarn hätten führen können. Zur Lösung der Frage, ob durch den Bau des gegenständlichen Gebäudes weitere Lärmemissionen zu erwarten seien, habe die belangte Behörde lediglich das amtliche Gutachten des Ing. G herangezogen. Unter der Begründung, es gelte nur eine allfällige Differenz der Lärmemissionen vor bzw. nach Errichtung des bewilligten Gebäudes zu ermitteln, sei die Prognose auf Grundlage der Amtlichen Verkehrszählung auf Bundesstraßen 1995 erstellt worden. Die Behörde habe dabei übersehen, dass in den letzten sieben Jahren das Verkehrsaufkommen um ein Mehrfaches gestiegen sei und dass daher auch die Frage, welche weiteren Lärmemissionen den Nachbarn noch zumutbar seien, mit "keine" zu beantworten gewesen wäre. Diese Frage habe das von den Beschwerdeführern vorgelegte Gutachten der Ing. K GesmbH eindeutig beantwortet. Hätte die belangte Behörde dieses Gutachten ihren Erwägungen zu Grunde gelegt, hätte sie zu dem Schluss kommen müssen, dass das Bauvorhaben überhaupt nicht hätte bewilligt werden dürfen. Zumindest jedoch wären größere Abstandsflächen festzusetzen gewesen. Auch könne der Ansicht der belangten Behörde nicht gefolgt werden, es sei irrelevant, ob das Gebäude der Beschwerdeführer derzeit bereits unzulässigen Emissionen ausgesetzt sei, da letztlich die Frage, ab welchem Niveau die Emissionsbelastung unzulässig sei, zu beantworten sei. Es komme also nicht darauf an, aus welchen Emissionsquellen sich die verschiedenen Emissionen zusammensetzten, sondern auf die Summe derselben.

Mit diesem Vorbringen zeigen die Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, u. v.a.). Das gilt auch für die Nachbarn, die gemäß § 42 AVG ihre Parteistellung beibehalten haben.

Die Rechte der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren nach dem Vorarlberger Baugesetz, LGBl. Nr. 39/1972 (BauG), in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle LGBl. Nr. 64/2000, werden in § 30 Abs. 1 und Abs. 2 leg. cit. wie folgt umschrieben:

"Einwendungen der Parteien, Übereinkommen

(1) Über Einwendungen der Nachbarn, die sich auf Rechte stützen, die durch folgende Vorschriften begründet werden, ist in der Erledigung über den Bauantrag abzusprechen:

a) § 4 (Anm.: "Baugrundstücke, Erschließung, Naturgefahren") , soweit mit Auswirkungen auf Nachbargrundstücke zu rechnen ist;

b) § 6 (Anm.: "Mindestabstände") , insoweit er den Schutz der Nachbarn aus Rücksichten des Brandschutzes und der Gesundheit, insbesondere Belichtung, Luft und Lärm, betrifft;

c) § 9 (Anm.: "Einfriedungen") Abs. 1 hinsichtlich von Einfriedungen an der Grenze eines Nachbargrundstückes;

d) § 12 (Anm.: "Stellplätze für Kraftfahrzeuge") Abs. 1, insoweit er sich auf Einrichtungen auf Nachbargrundstücken bezieht, die eines besonderen Schutzes gegen Lärm und sonstige Belästigungen bedürfen;

e) § 17 (Anm.: "Schutz des Orts- und Landschaftsbildes"), soweit mit Auswirkungen auf Nachbargrundstücke zu rechnen ist;

f) § 37 (Anm.: "Überprüfung von Rauch- und Abgasfängen") Abs. 4, soweit er dem Schutz der Nachbarn dient.

(2) Einwendungen der Parteien, mit denen die Verletzung anderer als im Abs. 1 genannter öffentlich-rechtlicher Vorschriften behauptet wird, sind als unzulässig zurückzuweisen, Einwendungen, die sich auf das Privatrecht stützen, sind auf den Rechtsweg zu verweisen.

(3) Die im Zuge einer mündlichen Verhandlung getroffenen Übereinkommen sind von der Behörde in der Niederschrift zu beurkunden."

Die Aufzählung der Nachbarrechte im § 30 Abs. 1 BauG ist - wie sich aus Abs. 2 dieser Bestimmung zweifelsfrei ergibt - eine taxative (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1992, Zl. 91/06/0143, unter Hinweis auf Vorjudikatur, u.a.).

Die Beschwerdeführer des vorliegenden Verfahrens haben sich auf die Bestimmung des § 30 Abs. 1 lit. b) BauG berufen, der sich auf die Bestimmung des § 6 leg. cit. bezieht.

Der § 6 BauG lautet:

"Abstandsflächen

(1) Oberirdische Gebäude sind so anzuordnen, dass vor ihren Außenwänden, ausgenommen vor deren Ecken, Abstandsflächen liegen, auf denen keine Gebäude und keine sonstigen oberirdischen Bauwerke bestehen oder errichtet werden dürfen, die an einer Stelle mehr als 1 m hoch sind. Bauwerke, die an keiner Stelle mehr als 3 m hoch sind und nicht dem länger dauernden Aufenthalt von Menschen dienen, dürfen jedoch innerhalb der Abstandsflächen von Gebäuden des gleichen Baugrundstückes liegen, soweit dadurch für Fenster gemäß Abs. 3 ein Lichteinfall im Sinne des letzten Satzes des Abs. 3 nicht verhindert wird. Die im § 7 genannten Vorsprünge und Vorbauten dürfen jedoch bis zu dem dort genannten Ausmaß in die Abstandsflächen hineinragen, wobei in den Fällen des § 7 Abs. 6 lit. a bis c eine Zustimmung des Nachbarn erforderlich ist.

(2) Die Abstandsfläche muss so tief sein, wie sechs Zehntel des Abstandes zwischen der Außenwand und dem Schattenpunkt, der sich auf einer in Höhe des jeweiligen Fußpunktes der Außenwand gelegten Waagrechten ergibt, wenn über das Gebäude Licht unter einem Winkel von 45 Grad einfällt. Bei der Ermittlung der Schattenpunkte sind untergeordnete Bauteile, wie Kamine u.dgl., sowie Vorsprünge und Vorbauten gemäß § 7 bis zu dem dort genannten Ausmaß nicht zu berücksichtigen. Als Außenwand gilt eine lotrechte Ebene in der äußersten Begrenzungslinie des Gebäudes, wobei Vorsprünge und Vorbauten nur so weit zu berücksichtigen sind, als sie das im § 7 genannte Ausmaß überschreiten.

(3) Vor Außenwänden mit Fenstern von Räumen, die zum länger dauernden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, insbesondere von Wohn-, Arbeits- und Schlafräumen, müssen die Abstandsflächen in der Breite der Fenster so tief sein, wie neun Zehntel des Abstandes zwischen der Außenwand und dem Schattenpunkt, der sich auf einer in Höhe der Fensterbrüstung gelegten Waagrechten ergibt, wenn über das Gebäude Licht unter einem Winkel von 45 Grad einfällt. Bei Verglasungen ohne Fensterbrüstung (z.B. Fenstertüren) ist die Waagrechte in Höhe von 1 m über dem Fußboden zu legen. Bauliche Anlagen unterhalb der Fensterbrüstung haben außer Betracht zu bleiben. Innerhalb der Abstandsflächen darf ein Lichteinfall von 45 Grad zur Waagrechten, gemessen an der Fensterbrüstung, durch Böschungen, Stützmauern, Erhebungen u.dgl. nicht beeinträchtigt werden.

(4) Abstandsflächen gegenüberliegender Außenwände dürfen einander nicht überdecken. Soweit es sich jedoch um Abstandsflächen nach Abs. 3 innerhalb desselben Baugrundstückes handelt, darf eine Abstandsfläche bis zu ihrer halben Tiefe die andere überdecken. Als gegenüberliegende Außenwände gelten solche, deren Fluchten zueinander parallel verlaufen oder einen kleineren Winkel als 90 Grad einschließen.

(5) Soweit im Abs. 6 nichts anderes bestimmt ist, müssen die Abstandsflächen auf dem Baugrundstück selbst liegen.

(6) Angrenzende öffentliche Verkehrsflächen dürfen bis zu ihrer halben Tiefe in die Abstandsflächen einbezogen werden. Auf Nachbargrundstücke dürfen sich Abstandsflächen erstrecken, soweit auf ihnen zugunsten der Gemeinde grundbücherlich sichergestellt ist, dass keine Bauwerke im Sinne des Abs. 1 errichtet werden dürfen. Solche Abstandsflächen dürfen nicht durch eine Abstandsfläche des Nachbargrundstückes überdeckt werden.

(7) Von der Nachbargrenze müssen oberirdische Gebäude mindestens 3 m entfernt sein.

(8) Bei oberirdischen Bauwerken, ausgenommen Gebäude und Einfriedungen oder sonstige Wände bis zu einer Höhe von 1,80 m über dem Nachbargrundstück, hat der Abstand von der Nachbargrenze mindestens 2 m und bei unterirdischen Bauwerken mindestens 1 m zu betragen, falls nicht der Nachbar einem geringeren Abstand zustimmt und die im Abs. 9 genannten Interessen nicht beeinträchtigt werden.

(9) Wegen der besonderen Form oder Lage des Baugrundstückes oder aus Gründen einer zweckmäßigeren Bebauung kann die Behörde mit Genehmigung des Gemeindevorstandes von den in den Abs. 2 bis 8 vorgeschriebenen Abstandsflächen und Abständen Ausnahmen zulassen, wenn dadurch die Interessen des Brandschutzes, der Gesundheit sowie des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes nicht beeinträchtigt werden.

(10) Die Behörde kann auch größere als in den Abs. 2 bis 8 vorgeschriebene Abstandsflächen und Abstände festsetzen, wenn der Verwendungszweck eines Bauwerkes eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder eine Gefährdung der Nachbarn erwarten lässt.

(11) Die Vorschriften der Abs. 1 bis 10 gelten nicht, soweit sich aus einem Bebauungsplan etwas anderes ergibt. Durch die Vorschriften der Abs. 1 bis 10 wird der § 36 des Straßengesetzes nicht berührt."

Dass im Beschwerdefall die Abstandsvorschriften des § 6 BauG eingehalten wurden, bestreiten die Beschwerdeführer nicht und ergibt sich auch aus den dem Projekt beiliegenden Plänen; die Beschwerdeführer meinen aber, im Sinne des § 6 Abs. 10 BauG seien größere Abstände vorzuschreiben oder - sofern dies auf Grund der örtlichen Gegebenheiten nicht möglich gewesen wäre - die beantragte Baubewilligung gänzlich zu versagen gewesen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, handelt es sich bei dieser Bestimmung nicht um einen allgemeinen Immissionsschutz des Nachbarn zur Aufrechterhaltung des bisherigen Zustandes, sondern um eine Ausnahmeregelung für Bauwerke mit einem aus dem Ortsüblichen herausfallenden Verwendungszweck (Hervorhebung durch den Verwaltungsgerichtshof; vgl. u.a. das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2002/06/0041 und die darin zitierte Vorjudikatur). In die Beurteilung, ob durch das Vorhaben das in § 6 Abs. 10 BauG zitierte "ortsübliche Ausmaß" an Belästigungen überschritten werde, ist (auch) die Widmung laut Flächenwidmungsplan mit einzubeziehen. Ist daher durch einen Flächenwidmungsplan eine bestimmte Widmungskategorie festgelegt (hier: "Baufläche - Mischgebiet"), so sind Immissionen, die sich im Rahmen des in einer solchen Widmungskategorie üblichen Ausmaßes halten, als zumutbar anzusehen, und zwar auch dann, wenn sie das Ausmaß der in der unmittelbaren Umgebung eines Wohnhauses feststellbaren Immissionen übersteigen oder wenn sie die bisher vorliegenden Immissionsverhältnisse auf dem Grundstück der Nachbarn verschlechtern (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 17. März 1994, Zl. 93/06/0096). Demzufolge ist also bei der Beurteilung, ob Emissionen eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gefährdung der Nachbarn herbeiführen, von einem sich an der für das zu bebauende Grundstück im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungskategorie orientierten Durchschnittsmaßstab auszugehen.

Nach § 14 Abs. 4 erster Satz des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes (RPG), LGBl. Nr. 39/1996, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 43/1999, sind Mischgebiete Gebiete, in denen Wohngebäude und sonstige Gebäude und Anlagen zulässig sind, die das Wohnen nicht wesentlichstören (Hervorhebung durch den Verwaltungsgerichtshof).

Nun beziehen sich die Beschwerdeführer auf das von ihnen beigebrachte Privatgutachten der Ing. K GmbH, welches - zusammengefasst - zu der Schlussfolgerung gelangt ist, die Lärmsituation auf Grund der örtlichen Gegebenheiten (R-Straße - B 190 und der darauf fließende Verkehr) überschreite bereits die nach der ÖAL-Richtlinie festgesetzten Grundgeräuschpegelwerte (um etwa 20 dB), so dass durch eine neu hinzukommende Emissionsquelle keine weitere Pegelerhöhung mehr eintreten dürfe. Durch die zu erwartende Schallreflexion infolge des projektierten Neubaus ergebe sich aber eine Pegelerhöhung von 0,5 dB. Entgegen ihrer Darstellung in der Beschwerde ist dieses Gutachten von den Behörden des Verwaltungsverfahrens jedoch nicht unbeachtet geblieben; die Verwaltungsbehörden haben lediglich erkannt, dass sich daraus in Hinblick auf die - begründeten - Ausführungen des Amtssachverständigen, durch den Neubau ergebe sich (mit einer Mess- und Berechnungsungenauigkeit von +/- 0,7 dB) praktisch keine Erhöhung des Schallpegels, kein Widerspruch, insbesondere aber auch kein anderes Ergebnis, zumal Erhöhungen des Schallpegels um +/- 1,0 dB nicht wahrnehmbar sind.

Da das Ermittlungsverfahren - unter Einbeziehung des von den Beschwerdeführern beigebrachten Privatgutachtens - keine Erhöhung des Geräuschpegels ergeben hat, war schon aus diesem Grunde auch die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens entbehrlich. Damit erweist sich die erteilte Baubewilligung als nicht rechtswidrig.

Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 21. Oktober 2003

Schlagworte

Baurecht Nachbar Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Abstandsvorschriften BauRallg5/1/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002060049.X00

Im RIS seit

20.11.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten