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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §8 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde der CS in I, vertreten durch Dr. Markus Orgler und Dr. Josef Pfurtscheller, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Anichstraße 29, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom 27. Juni 2000, Zl. LGSTi/V/1216/4505 11 10 62-702/2000, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin stand seit April 1997 mit Unterbrechungen im Bezug der Notstandshilfe.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 27. Juni 2000 sprach die belangte Behörde gemäß §§ 38, 7 und 8 Abs. 2 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AlVG) aus, dass der Notstandshilfebezug der Beschwerdeführerin ab 29. März 2000 eingestellt werde, weil sie sich geweigert habe, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zur Überprüfung ihrer Arbeitsfähigkeit zu unterziehen. Auf Grund ihrer gemeldeten Krankenstände in den Jahren 1991 bis 2000 hätten sich massive Zweifel an ihrer Arbeitsfähigkeit ergeben, weil diese Krankenstände immer mit stationären Aufenthalten in der Psychiatrie verbunden gewesen seien. Zudem sei ihr Verhalten gegenüber den Mitarbeitern des Arbeitsmarktservice Innsbruck "insgesamt inadäquat, unangepasst und querulantorisch" gewesen. So sei es weder möglich gewesen, mit ihr Vereinbarungen zu treffen, noch ihr ein Schreiben persönlich zu übergeben. Ihr Dienstverhältnis zur Bäckerei R "ab 19. April 2000" habe nur bis 28. April 2000 gedauert, wobei laut Auskunft des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Dr. Z auch bei kurzfristigen Arbeitsverhältnissen die "Arbeitslosigkeit" (richtig wohl: Arbeitsfähigkeit) nicht von vornherein als gegeben erachtet werden könne. Weiters seien entsprechende fachärztliche Gutachten in den Verfahrensunterlagen aufliegend bzw. entsprechend eingeholt worden (nervenärztliche Gutachten des gerichtlich beeideten Sachverständigen Dr. P.S., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 13. März 1998, 21. Mai 1998, 27. Juli 1998 und 21. Dezember 1999), aus welchen zusammengefasst hervorgehe, dass bei der Beschwerdeführerin "psychiatrische Zustandsbilder einer Psychose" vorgelegen seien. Der gesamte Krankheitsverlauf der Beschwerdeführerin sei durch wiederholtes phasenhaftes Auftreten anorektischer oder psychotischer Zustände geprägt. Dass bei der Beschwerdeführerin oft bis "knapp vor Manifestwerden der Psychose für Laien und auch Mediziner keine eindrucksvolle psychiatrische Symptomatik bestand, ändere nichts am Sachverhalt der sich wiederholenden Krankheitsepisoden". Da daher zu Recht Zweifel an der Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin bestanden hätten, und sie sich geweigert habe, sich der amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, sei ihr Anspruch auf Notstandshilfe einzustellen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Gemäß § 8 Abs. 1 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AlVG) ist arbeitsfähig, wer nicht invalid beziehungsweise berufsunfähig im Sinne der für ihn in Betracht kommenden Vorschriften der §§ 225, 273 beziehungsweise des § 280 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes ist.
§ 8 Abs. 2 AlVG sieht vor, dass der Arbeitslose, wenn sich Zweifel über die Arbeitsfähigkeit ergeben, verpflichtet ist, sich auf Anordnung der regionalen Geschäftsstelle ärztlich untersuchen zu lassen. Weigert er sich, dieser Anordnung Folge zu leisten, so erhält er für die Dauer der Weigerung kein Arbeitslosengeld.
§ 38 AlVG bestimmt, dass auf die Notstandshilfe die Bestimmungen über das Arbeitslosengeld anzuwenden sind, soweit nichts anderes bestimmt ist.
Die Weigerung der Beschwerdeführerin, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, ist unbestritten; die Beschwerdeführerin rügt jedoch, die belangte Behörde sei unzutreffender Weise davon ausgegangen, dass Zweifel an ihrer Arbeitsfähigkeit bestanden hätten, und habe sie dadurch, dass sie ihr die Stellungnahme des Arbeitsmarktservice Innsbruck vom 12. Mai 2000, in welcher ihr Verhalten Mitarbeitern gegenüber erstmals als "insgesamt inadäquat, unpassend und querulatorisch" beschrieben worden sei, nicht zur Kenntnis gebracht habe, in der Wahrnehmung ihrer Parteienrechte beeinträchtigt. Ferner sei ihr nicht die Möglichkeit gegeben worden, Einwendungen gegen die Auskunft des Dr. Z. zu erheben.
Dem ist zu entgegnen, dass die schlüssigen und durch die Aktenlage gedeckten Feststellungen der belangten Behörde hinsichtlich des Vorliegens von Zweifeln an der Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin keinen Bedenken begegnen: Bereits die zahlreichen - unbestrittenen - Krankenstände der Beschwerdeführerin und das (rezente) Gutachten eines gerichtlich beeideten Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Neurologie und Psychiatrie vom 21. Dezember 1999, dessen Richtigkeit die Beschwerdeführerin auch in der Beschwerde nicht bestreitet, reichen aus, um auf objektiven Umständen beruhende Zweifel an ihrer Arbeitsfähigkeit zu begründen. Ausgehend von diesen unbedenklichen medizinischen Grundlagen mögen die Feststellungen, dass sich die Beschwerdeführerin gegenüber Mitarbeitern des Arbeitsmarktservice "insgesamt inadäquat, unpassend und querulatorisch" benommen habe, zwar plakativ das Verhalten der Beschwerdeführerin beschrieben haben, eine tragende Begründung des angefochtenen Bescheides kann darin allerdings nicht gesehen werden. Da die belangte Behörde nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides das Arbeitsverhältnis der Beschwerdeführerin bei einer Bäckerei in der Zeit vom 19. bis 28. April 2000 bei ihren Erwägungen berücksichtigt hat, sind der Durchführung eines weiter gehenden Ermittlungsverfahren zur Dauer der Dienstverhältnisse der Beschwerdeführerin ebenso wenig wie der Einvernahme ihres (ehemaligen) Arbeitgebers im Beschwerdefall Bedeutung zugekommen; es mangelt den von der Beschwerdeführerin gerügten Verfahrensmängeln daher jedenfalls an der gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG erforderlichen Wesentlichkeit.
Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Anordnung einer Untersuchung im Sinne des § 8 Abs. 2 AlVG durch einen amtsärztlichen Sachverständigen und - auf Grund der Weigerung der Beschwerdeführerin, sich einer solchen Untersuchung zu unterziehen - die Einstellung der Notstandshilfe für die Dauer der Weigerung als rechtmäßig erachtete.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 30. Oktober 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2000020215.X00Im RIS seit
21.11.2003