TE Vwgh Erkenntnis 2003/11/24 2002/10/0077

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Veröffentlicht am 24.11.2003
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Index

L55004 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Oberösterreich;
19/05 Menschenrechte;

Norm

MRK Art6 Abs1;
NatSchG OÖ 1995 §3 Z1 idF 2001/090;
NatSchG OÖ 1995 §7 Abs1 idF 2001/090;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des Dipl.-Ing. P in Wien, vertreten durch Dr. Michael Graff und Dr. Franz Markus Nestl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Gonzagagasse 15, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 3. Oktober 2001, Zl. N-101073/10-2001-Pin/Rau, betreffend naturschutzbehördliche Feststellung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 16. August 1999 beantragte der Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (BH), der Erneuerung seines Badesteges, der vom Grundstück Nr. 206/12, KG Kammer, aus in den Attersee führe, zuzustimmen. Der alte schon ziemlich verfallene Badesteg sei vor einiger Zeit durch eine Vermurung zerstört worden.

Die BH holte ein Gutachten der Landesbeauftragten für Natur- und Landschaftsschutz ein. Diesem zufolge sei das Landschaftsbild im gegenständlichen Bereich durch die offene Wasserfläche des Attersees, in der eine Vielzahl von Bojen verankert seien, geprägt, weiters durch die unmittelbare, mittels Betonmauer hart gesicherte Uferlinie, die zahlreiche anthropogene Eingriffe aufweise (nördlich des gegenständlichen Grundstücks fünf Steganlagen sowie eine Bootshütte mit angeschlossenem Steg und südlich davon zehn Steg- und zwei Slipanlagen), sowie den östlich angrenzenden zwischen der B 152 und dem Atterseeufer gelegenen Grünlandstreifen, der ausschließlich der Bade- und Freizeitnutzung diene und zahlreiche Ferien- und Wochenendhäuser mit den dazu gehörigen Einrichtungen (Terrassen, Tisch-Bank-Kombinationen etc.) sowie diverse Abgrenzungen wie Stützmauern, Stiegenabgänge usw. aufweise. Es müsse demnach von einem weitgehend degradierten und umgestalteten Uferabschnitt ausgegangen werden, in dem lediglich vereinzelte Reste des Uferbegleitgehölzes als Elemente der natürlichen Uferraumausstattung vertreten seien. Steganlagen seien aufgrund ihrer Ausgestaltung grundsätzlich als Fremdkörper und demnach als maßgebende Eingriffe anzusehen. Auch der beantragte Steg, der eine Fläche von 8 m x 1,8 m umfasse und eine seitlich angeschlossene Einstiegshilfe aufweise, werde wegen seiner dreidimensionalen Wirkung und seiner starren, geometrischen Form als künstlicher, den belebten Strukturen der Wasseroberfläche widersprechender Störfaktor wirksam, sodass er aus naturschutzfachlicher Sicht nicht befürwortet werden könne. Durch die Errichtung der beantragten Steganlage komme es zu einer Verlagerung nutzungsbedingter Eingriffe in die offene Seefläche; diese werde dadurch zunehmend zweckentfremdet und denaturiert. Wenngleich der gegenständliche Uferabschnitt kaum noch naturnahe Strukturen aufweise, sollte doch eine weitere Verdichtung künstlicher, vom See aus wahrnehmbarer Objekte vermieden werden. Das Vorhandensein einiger Stege in der Nachbarschaft und das Argument der "Einbettung in vorhandene Strukturen" könnten eine Vernachlässigung der Eingriffswirkung nicht rechtfertigen. Vielmehr würde durch eine zusätzliche Steganlage die Gewichtung weiter zugunsten künstlicher Faktoren verschoben werden. Davon abgesehen müsse das Vorhaben des Beschwerdeführers auch wegen der Beispielsfolgen und der damit verbundenen Summenwirkung abgelehnt werden.

Der Beschwerdeführer legte eine sachverständige Beurteilung der beantragten Steganlage durch einen von ihm damit beauftragten Professor für Landschaftspflege und Naturschutz an der Universität für Bodenkultur in Wien vor. Darin wird der gegenständliche Uferbereich als intensiv gestaltete, kleinparzellierte und somit stark anthropogen überformte Kultur-(Freizeit-) Landschaft beschrieben. Auch die vorgelagerte Wasserfläche des Sees entspreche dem Erscheinungsbild eines intensiv genutzten Erholungs- , Bade- und Wassersportgebietes. Der Betrachtungsraum hebe sich in seiner Gesamtheit sehr stark von anderen Uferpartien der Umgebung ab und stehe, aus landschaftsästhetischer Sicht, in starkem Kontrast zu den umgebenden, ausgewogen und harmonisch wirkenden "älteren" Kulturlandschaften. Nehme man das Bild dieses älteren Entwicklungsstadiums als Grundlage der Bewertung, dann stelle der in Rede stehende Uferabschnitt sicher einen Fremdkörper dar. Die Feststellung, dass Steganlagen grundsätzlich als Fremdkörper und demnach als maßgebender Eingriff anzusehen seien, sei - in dieser apodiktischen Form - unzutreffend. Bootshäuser und Stege seien schon seit Jahrhunderten an vielen Seen - durchaus in geometrischer Form - errichtet worden und stellenweise zu prägenden Bestandteilen des Landschaftsbildes geworden, die nicht als störend, sondern als bereichernd empfunden würden. Der geplante Badesteg entspreche in seiner einfachen Konzeption, Form und Dimensionierung den traditionellen Mustern analoger Bauten des vorigen Jahrhunderts bzw. der Jahrhundertwende; insoweit bestünden dagegen keine naturschutzfachlichen Bedenken. Im Übrigen bewirke der Steg - in landschaftsästhetischer Sicht - keinen Eingriff in eine natürliche, von menschlichen Nutzungen unberührte Seefläche. Auf den bereits sehr stark veränderten Seeabschnitt könnten die naturschutzfachlichen Kriterien einer Landschaftsbildbeeinträchtigung kaum angewendet werden. Das "traditionelle Landschaftsbild" sei durch eine Vielzahl von Eingriffen und Nutzungen in einem Ausmaß verändert, dass es durch eine Steganlage sicher nicht mehr zusätzlich nachhaltig gestört werden könne. Es könne im Gegenteil durch die Steganlage sogar ein positiver Effekt insoweit eintreten, als die stellenweise sehr dominante Ufermauer aus Beton eine visuelle Strukturierung und Auflösung der Mauerfläche erfahre. Dem Argument der Beispielswirkung könne zwar grundsätzlich gefolgt werden, es handle sich allerdings nicht um eine neue Anlage, sondern um die Wiedererrichtung einer bereits vor 1954 bestehenden Anlage. Es seien somit keine schwerwiegenden naturschutzfachlichen Gründe ersichtlich, die gegen die Errichtung der beantragten Steganlage sprechen; eine nachhaltige Beeinträchtigung des Landschaftsbildes sei nicht zu erwarten.

Die BH führte eine mündliche Verhandlung mit Lokalaugenschein an Ort und Stelle durch. In der darüber aufgenommenen Niederschrift ist u.a. festgehalten, es liege ein Vermessungsplan aus dem Jahre 1954 vor, in dem tatsächlich ein Steg eingezeichnet sei, im Jahre 1995 habe diese Steganlage aber bereits nicht mehr an Ort und Stelle bestanden. Ein Photo aus dem Jahre 1996 dokumentiere, dass nur noch Reste der Pilotierung vorhanden gewesen seien.

Die Landesbeauftragte für Natur- und Landschaftsschutz erstattete eine ergänzende Stellungnahme und brachte vor, das gegenwärtig bestehende Landschaftsbild werde durch das Hinzufügen eines weiteren linearen und starren, den belebten Strukturen der Wasseroberfläche widersprechenden Raumelements zunehmend und zwar maßgebend verändert, wobei die Störwirkung durch den Umstand, dass Stege als bauliche Konstruktionen zu den dominantesten raumwirksamen Faktoren gehörten, dokumentiert werde. Das Unterbleiben der "Verstärkung" einer Eingriffswirkung (einer weiteren Belastung) liege im öffentlichen Interesse an der Erhaltung des Landschaftsbildes. Durch die beantragte Steganlage werde das Gewicht weiter zugunsten künstlicher Faktoren verschoben und das Landschaftsbild demzufolge zunehmend überformt und degradiert. Positive Effekte, wie sie im vorgelegten Privatgutachten erwähnt würden, könnten nicht bestätigt werden. Dass zwecks Ausübung der traditionellen Fischerei bereits vor Jahrhunderten Bootshütten und Stege errichtet worden und als Bestandteile der Uferlandschaft zu werten seien, ändere nichts daran, dass die enorme Verdichtung dieser Anlagen erst durch den übermäßig starken Freizeit- und Erholungsdruck der letzten Jahrzehnte erfolgt sei; dadurch sei die natürliche Uferlandschaft maßgeblich umgestaltet worden. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass die beantragte Steganlage zweifellos als verändernder, und zwar maßgeblicher Eingriff in das vorliegende Landschaftsgefüge anzusehen sei und demzufolge das Landschaftsbild trotz zahlreicher vorhandener anthropogener Überformungen nachhaltig beeinträchtigt werde.

Mit Bescheid der BH vom 13. Februar 2001 wurde der Feststellungsantrag des Beschwerdeführers abgewiesen. Begründend wurde auf die amtssachverständigen Ausführungen hingewiesen, die durch das vom Beschwerdeführer vorgelegte Privatgutachten nicht entkräftet worden seien. Die privaten Interessen des Beschwerdeführers an der Errichtung der Steganlage seien nicht geeignet, die öffentlichen Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes aufzuwiegen.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung und trat der Auffassung, es werde ein maßgeblicher Eingriff in das Landschaftsbild bewirkt, ebenso entgegen wie der Annahme, er beabsichtige die Neuerrichtung eines Steges.

Die Berufungsbehörde holte ein ergänzendes Gutachten eines Amtssachverständigen für Natur- und Landschaftsschutz ein. In diesem wird in Ansehung der Beschreibung des bestehenden Landschaftsbildes auf die Ausführungen im Privatgutachten verwiesen. Der betroffene Uferbereich stelle sich dem Betrachter als intensiv gestaltete, kleinparzellierte und somit stark anthropogen überformte Freizeitkulturlandschaft dar. Auch die vorgelagerte Wasserfläche des Sees mit einer Vielzahl von Stegen, Slipanlagen und Bojen entspreche dem Erscheinungsbild eines intensiv genutzten Erholungs-, Bade- und Wassersportgebietes. Dieser Betrachtungsraum hebe sich in seiner Gesamtheit sehr stark von anderen Uferpartien ab und stehe aus landschaftsästhetischer Sicht in starkem Kontrast zu der umgebenden, ausgewogen und harmonisch wirkenden "älteren Kulturlandschaft". In diesem - aus der Sicht des Landschaftsschutzes - bereits stark degradierten Uferabschnitt erfülle die freie, derzeit noch nicht bzw. nicht mehr mit einer Steganlage überbaute Wasserfläche vor dem gegenständlichen Grundstück aus fachlicher Sicht eine wichtige Puffer- bzw. Fensterfunktion. Durch die beantragte Steganlage würde es zu einer zusätzlichen Verdichtung der nutzungsbedingten Eingriffe kommen und die sehr wichtige Puffer- bzw. Fensterfunktion weitestgehend entfallen. Die in Relation zu den anschließenden Uferabschnitten wesentlich höhere Bebauungsdichte werde zusätzlich optisch wirksam erhöht; dieser Bereich würde sich noch deutlicher als anthropogen überprägter Uferabschnitt von den anderen Uferabschnitten abheben. Zwar würde der beantragte Steg in Relation zu den bereits bestehenden Eingriffen im nahen Umfeld optisch sicherlich nicht besonders hervorstechen. Er würde aber ohne Zweifel als zusätzlicher geometrischer Baukörper wahrgenommen werden. Obschon der Steg zwischen bestehenden Steganlagen und Gebäuden errichtet werden solle und die beabsichtigte Veränderung im Landschaftsbild in Relation zu den bestehenden Eingriffen gesehen werden müsse, komme der erwähnten Puffer- bzw. Fensterwirkung eine derart große Bedeutung zu, dass trotz der beschriebenen Lückensituation von einem Eingriff in das Landschaftsbild ausgegangen werden müsse. Angesichts der bisherigen Entwicklung an den Seeufern sei es das Ziel des Landschaftsschutzes, ein Übergewicht an künstlichen Raumfaktoren möglichst zu vermeiden. Im Umfeld des beantragten Steges sei bereits ein deutliches Übergewicht an künstlichen Raumfaktoren vorhanden. Durch die Errichtung des beantragten Steges werde die Gewichtung weiter zugunsten künstlicher Faktoren verschoben; es würde demnach zu einer zusätzlichen deutlichen Degradierung des Landschaftsbereiches kommen. Dem Amtssachverständigen sei bewusst, dass es sich bei einer isolierten Betrachtung des beantragten Steges "eher um einen Grenzfall" handle. Bei einer gesamtheitlichen Betrachtung unter Einbeziehung der absehbaren Beispielsfolgen bestehe jedoch kein Zweifel an der fachlichen Festlegung, dass das Vorhaben des Beschwerdeführers eindeutig abzulehnen sei.

In seiner abschließenden Stellungnahme rügte der Beschwerdeführer die sachverständigen Ausführungen als nicht nachvollziehbar und zwar sowohl in Ansehung der Schlussfolgerungen, der Steg würde zu einer zusätzlichen deutlichen Degradierung des Landschaftsbildes führen, als auch in Ansehung der angenommenen Beeinträchtigung der Puffer- bzw. Fensterfunktion. Auch Beispielswirkungen seien ausgeschlossen, weil sämtliche Ufergrundstücke in diesem Bereich Bootshaus- und Steganlagen aufwiesen.

Mit Bescheid der Oö. Landesregierung vom 3. Oktober 2001 wurde die Berufung abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Angesichts der sachverständigen Darlegungen sei eindeutig von einem Eingriff in das Landschaftsbild auszugehen; die privaten Interessen des Beschwerdeführers an der Verwendung des Steges für Freizeit- und Erholungszwecke seien nicht geeignet, dem schwerwiegenden öffentlichen Interesse an der Erhaltung des Landschaftsbildes "auch nur gleichwertig zu sein", zumal eine Verwendung der Grundstücke für Erholungszwecke auch ohne die beantragte Steganlage möglich sei. Von einem Altbestand könne im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers nicht gesprochen werden.

Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde, nachdem dieser deren Behandlung mit Beschluss vom 25. Februar 2002, B 1557/01-4, abgelehnt hatte, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 des - im Beschwerdefall mit Rücksicht auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides anzuwendenden - Oö. Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 1995, LGBl. Nr. 37 i.d.F. LGBl. Nr. 90/2001 (NatSchG), ist jeder Eingriff in das Landschaftsbild und im Grünland in den Naturhaushalt an allen Seen samt ihren Ufern bis zu einer Entfernung von 500 m landeinwärts verboten, solange die Behörde nicht bescheidmäßig festgestellt hat, dass solche öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes oder des Naturhaushaltes, die alle anderen Interessen überwiegen, nicht verletzt werden.

Gemäß § 3 Z 1 NatSchG ist unter einem "Eingriff in das Landschaftsbild" eine Maßnahme von nicht nur vorübergehender Dauer zu verstehen, die zufolge ihres optischen Eindruckes das Landschaftsbild maßgeblich verändert. "Landschaftsbild" ist gemäß § 3 Z 6 NatSchG das Bild einer Landschaft von jedem möglichen Blickpunkt zu Land, zu Wasser und in der Luft.

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zugrunde, der vom Beschwerdeführer beantragte Steg bewirke eine maßgebliche Veränderung des optischen Eindruckes der Landschaft, sodass das die privaten Interessen des Beschwerdeführers an der Ausführung des Vorhabens überwiegende öffentliche Interesse an der Erhaltung des Landschaftsbildes verletzt werde.

Der Beschwerdeführer wendet gegen den angefochtenen Bescheid zunächst ein, er sei von einer "unzuständigen Behörde" erlassen worden, weil die beantragte Feststellung gemäß § 7 Abs. 1 NatSchG "civil rights" des Beschwerdeführers betreffe, der belangten Behörde aber Tribunalqualität fehle.

Der Verfassungsgerichtshof hat im obzitierten Ablehnungsbeschluss ausgeführt, eine naturschutzrechtliche Feststellung gemäß § 7 Abs. 1 NatSchG greife nicht in den Kernbereich der civil rights gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK ein. Er hat damit zum Ausdruck gebracht, es sei nicht traditionelles Zivilrecht im kontinentaleuropäischen Sinn betroffen, das sowohl in Ansehung der Tat- als auch der Rechtsfragen in die Entscheidungskompetenz der Gerichte fällt. Unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 Abs. 1 EMRK genüge daher eine wirksame nachprüfende Kontrolle des verwaltungsbehördlichen Handelns durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. Mayer, B-VG3 (2002) 596 f).

Dies ist auch der Standpunkt des Verwaltungsgerichtshofes; geht es bei der vom Beschwerdeführer beantragten Feststellung doch entscheidend darum, von diesem angestrebte Veränderungen des im öffentlichen Interesse geschützten optischen Eindrucks einer ganzen Landschaft in zumutbaren Grenzen zu halten. Die Auffassung des Beschwerdeführers, die Feststellung nach § 7 Abs. 1 NatSchG müsse bei Beachtung der Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 EMRK der Entscheidungskompetenz der ordentlichen Gerichte überantwortet werden, ist daher nicht zu teilen.

Im Recht ist der Beschwerdeführer allerdings, wenn er die Annahme im angefochtenen Bescheid, der beantragte Steg werde den optischen Eindruck der Landschaft maßgeblich verändern, als rechtswidrig rügt.

Die Annahme eines Eingriffs in das Landschaftsbild setzt voraus, dass durch die betreffende Maßnahme der optische Eindruck des Bildes der Landschaft maßgebend verändert wird. Entscheidend ist dabei, inwieweit das aktuelle, durch eine Vielzahl von (der Entfernung nicht oder nicht mehr unterliegenden) Merkmalen geprägte Bild der Landschaft infolge Hinzutretens der beantragten Maßnahme optisch verändert wird. Um hier von einer maßgebenden Veränderung sprechen zu können, ist es notwendig, dass die Maßnahme im "neuen" Bild der Landschaft prägend in Erscheinung tritt. Fällt ihr Einfluss auf das Bild der Landschaft jedoch wegen seiner untergeordneten Bedeutung nicht ins Gewicht, so vermag die Maßnahme das Landschaftsbild auch nicht maßgebend zu verändern.

Nun ist den sachverständigen Darlegungen zu entnehmen, dass die vom Beschwerdeführer beantragte Steganlage in einer "Freizeitkulturlandschaft" errichtet werden soll, deren Bild durch Einrichtungen der Erholung, sowie des Bade- und Wassersports geprägt sei, u.a. durch eine Vielzahl von Stegen, Slipanlagen und Bojen. In Relation zu diesen Einrichtungen werde die vom Beschwerdeführer beantragte Steganlage "optisch nicht besonders hervorstechen".

Auf der Grundlage dieser Ausführungen ist allerdings die Annahme, die beantragte Steganlage werde zwar optisch nicht hervorstechen, das Bild der Landschaft aber dennoch maßgeblich verändern, diesem also ein "neues" Gepräge geben, verfehlt. Soweit die belangte Behörde diese Beurteilung - dem Gutachten des Amtssachverständigen folgend - aus dem Umstand einer "zusätzlichen Verdichtung" künstlicher Faktoren ableitet, übersieht sie, dass es vorwiegend "künstliche Faktoren" sind, die im Bild der betroffenen Landschaft bestimmend in Erscheinung treten. Auch hat ein Vergleich der bei Realisierung des beantragten Steges zu erwartenden Uferlandschaft nicht beim Idealbild einer naturbelassenen Uferlandschaft anzusetzen, sondern bei der aktuell bestehenden, eben durch eine Vielzahl künstlicher Faktoren optisch geprägten Uferlandschaft. Eine "zusätzliche Verdichtung" künstlicher Faktoren könnte zwar Bedeutung erlangen, wenn dadurch eine neue Prägung des Landschaftsbildes bewirkt würde; dies ist im vorliegenden Fall aber nicht ersichtlich.

Der Hinweis auf eine in ihrer Bedeutung für das Landschaftsbild nicht näher beschriebenen "Puffer- bzw. Fensterfunktion" ist gleichfalls ungeeignet, die Beurteilung einer maßgeblichen Veränderung des Landschaftsbildes zu tragen; ist doch nicht zu sehen, inwieweit das Fehlen einer Steganlage vor dem Grundstück des Beschwerdeführers ein das Bild der Landschaft derart prägender Faktor wäre, dass dessen Verlust entscheidende, weil das neue Bild maßgeblich bestimmende Bedeutung besäße. Auch liegt das Vorhaben innerhalb eines stark anthropogen veränderten Bereiches, der durch die Ausführung des Vorhabens keine (räumliche) Ausdehnung erführe.

Die Beurteilung der vom Beschwerdeführer beantragten Steganlage als Eingriff in das Landschaftsbild i.S.d. § 7 Abs. 1 NatSchG beruht somit nicht auf einer mängelfreien Grundlage. Da nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem im Ergebnis anderen Bescheid gelangt wäre, erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig im Sinn des § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG. Er war daher - ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen - wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Aus Gründen der Verfahrensökonomie sieht sich der Verwaltungsgerichtshof veranlasst, zur Frage des Vorliegens eines sogenannten Altbestandes darauf hinzuweisen, dass darunter nur solche Eingriffe verstanden werden können, die im Zeitpunkt ihrer Herstellung keiner bescheidmäßigen Feststellung bedurften und seither unverändert andauern; diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall unbestrittenermaßen nicht erfüllt.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 24. November 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002100077.X00

Im RIS seit

25.12.2003

Zuletzt aktualisiert am

01.07.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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