TE Vwgh Erkenntnis 2003/11/25 2002/11/0141

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Veröffentlicht am 25.11.2003
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Index

E1E;
E6J;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
59/04 EU - EWR;
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal;

Norm

11997E043 EG Art43;
61998CJ0238 Hocsman VORAB;
ÄrzteG 1998 §27 Abs8;
ÄrzteG 1998 §4 Abs3 Z1;
ÄrzteG 1998 §4 Abs7;
ÄrzteG 1998 §5;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch DDr. Rene Laurer, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Gußhausstraße 2/7, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 28. Juni 2001, Zl. MA 15-II-1106/2001, betreffend Eintragung in die Ärzteliste, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 794,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Eintragung in die Ärzteliste als Facharzt für Psychiatrie und Neurologie gemäß § 27 Abs. 8 Ärztegesetz 1998 abgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides wird ausgeführt, der Beschwerdeführer habe im Dezember 1988 den medizinischen Grad M.B.B.Ch. an der Ain Shams Universität (in Ägypten) erworben. Eine Nostrifikation dieses akademischen Grades in Österreich sei nicht erfolgt. In den Jahren 1989 bis 1995 habe der Beschwerdeführer näher bezeichnete praktische Ausbildungen in Ägypten und in Österreich absolviert. Am 5. Oktober 1995 sei dem Beschwerdeführer von der Österreichischen Ärztekammer eine Bestätigung über die Absolvierung postpromotioneller praktischer Studien zum Facharzt für Psychiatrie und Neurologie ausgestellt worden. Dabei sei ihm zur Kenntnis gebracht worden, dass diese Bestätigung nur einen Nachweis über ein postgraduelles Training in diesem Sonderfach darstelle und eine Anrechnung dieses Trainings auf eine Facharztausbildung nicht möglich sei. Weiters sei er über die Voraussetzungen für die Berufsausübung als Facharzt informiert worden. Nachdem der Beschwerdeführer im Jänner 2001 die österreichische Staatsbürgerschaft erworben habe, habe er im April 2001 bei der Österreichischen Ärztekammer den Antrag auf Eintragung als Facharzt für Psychiatrie und Neurologie gestellt. Nach § 27 Abs. 2 in Verbindung mit § 4 Ärztegesetz 1998 gehöre zu den Voraussetzungen für die Eintragung in die Ärzteliste als Facharzt das an einer Universität in der Republik Österreich erworbene Doktorat der gesamten Heilkunde oder ein gleichwertiger, im Ausland erworbener und in Österreich als Doktorat der gesamten Heilkunde nostrifizierter akademischer Grad und das von der Österreichischen Ärztekammer gemäß § 15 Abs. 1 Ärztegesetz 1998 ausgestellte Diplom über die erfolgreiche Absolvierung einer praktischen Ausbildung nach den für den Facharzt geltenden Ausbildungserfordernissen. Da der Beschwerdeführer seinen an der Universität in Kairo erworbenen akademischen Grad in Österreich nicht nostrifiziert habe, seien die gesetzlichen Erfordernisse für die Eintragung in die Ärzteliste nicht erfüllt. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass der Beschwerdeführer in Österreich "postpromotionelle Studien" als Gastarzt absolviert habe. Die Nostrifikation des in Ägypten erworbenen akademischen Grades sei Grundvoraussetzung für eine praktische Ausbildung bzw. deren Anrechnung. Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie 93/16/EWG komme im Falle des Beschwerdeführers nicht zum Tragen, weil der Beschwerdeführer über keine derartige Bescheinigung eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft verfüge.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom 11. Juni 2002, B 995/01-18, die Behandlung der an ihn gerichteten Beschwerde ab. Mit Beschluss vom 16. Juli 2002, B 995/01-20, trat er die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat der Beschwerdeführer die Beschwerde ergänzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Beschwerdeführer hat gemäß § 36 Abs. 8 zweiter Satz VwGG eine Äußerung zur Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung erwogen:

Die für den Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Ärztegesetzes 1998 (in der Fassung BGBl. I Nr. 81/2000) lauten (auszugsweise) wie folgt:

"Erfordernisse zur Berufsausübung

§ 4. (1) Zur selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes als Arzt für Allgemeinmedizin oder als Facharzt bedarf es, unbeschadet der §§ 5, 32 bis 34, 36 und 37, des Nachweises der Erfüllung der nachfolgend angeführten allgemeinen Erfordernisse, der für den Arzt für Allgemeinmedizin oder für den Facharzt vorgeschriebenen besonderen Erfordernisse sowie der Eintragung in die Ärzteliste.

(2) Allgemeine Erfordernisse im Sinne des Abs. 1 sind

1. die österreichische Staatsbürgerschaft oder die Staatsangehörigkeit einer der übrigen Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum,

2.

die Eigenberechtigung,

3.

die Vertrauenswürdigkeit,

4.

die gesundheitliche Eignung sowie

5.

ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache.

(3) Besondere Erfordernisse im Sinne des Abs. 1 sind

1. das an einer Universität in der Republik Österreich erworbene Doktorat der gesamten Heilkunde oder ein gleichwertiger, im Ausland erworbener und in Österreich als Doktorat der gesamten Heilkunde nostrifizierter akademischer Grad und

2. im Falle des Facharztes für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie das an einer Universität der Republik Österreich erworbene Doktorat der Zahnheilkunde oder ein gleichwertiger, im Ausland erworbener und in Österreich als Doktorat der Zahnheilkunde nostrifizierter akademischer Grad (§ 18 Abs. 3) und

3. das von der Österreichischen Ärztekammer gemäß § 15 Abs. 1 ausgestellte Diplom über die erfolgreiche Absolvierung einer praktischen Ausbildung nach den für den Arzt für Allgemeinmedizin oder Facharzt geltenden Ausbildungserfordernissen. ...

...

(7) Für Flüchtlinge, denen nach dem Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997), BGBl. I Nr. 76/1997, Asyl gewährt worden ist, entfällt das Erfordernis des Abs. 2 Z. 1. Sofern die ärztliche Tätigkeit dieser Personen ausschließlich Patienten ihrer Muttersprache umfasst, entfällt auch das Erfordernis des Abs. 2 Z. 5. Die Erfordernisse gemäß Abs. 3 entfallen, sofern eine gleichwertige im Ausland absolvierte ärztliche Aus- oder Weiterbildung glaubhaft gemacht worden ist.

§ 5. (1) Staatsangehörige der Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind zur selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes im Rahmen einer allgemeinmedizinischen Tätigkeit (§ 31 Abs. 1) berechtigt, wenn sie

1. die im § 4 Abs. 2 angeführten allgemeinen Erfordernisse erfüllen,

2. im Besitz eines ärztlichen Diplomes, Prüfungszeugnisses oder sonstigen Befähigungsnachweises nach Artikel 3 der Richtlinie 93/16/EWG zur Erleichterung der Freizügigkeit für Ärzte und zur gegenseitigen Anerkennung ihrer Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise (ABl. Nr. 165 vom 7.7.1993 S 1) oder

3. im Besitz eines ärztlichen Diplomes, Prüfungszeugnisses oder sonstigen Befähigungsnachweises einschließlich einer Bescheinigung nach Artikel 9 Abs. 1, 3 oder 5 der Richtlinie 93/16/EWG sind und

4. in die Ärzteliste eingetragen worden sind.

(2) Staatsangehörige der Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind zur selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes als Fachärzte berechtigt, wenn sie

1. die im § 4 Abs. 2 angeführten allgemeinen Erfordernisse erfüllen,

2. im Besitz eines ärztlichen Diplomes, Prüfungszeugnisses oder sonstigen Befähigungsnachweises gemäß Abs. 1 Z. 2 oder 3 und

3. im Besitz eines fachärztlichen Diplomes, Prüfungszeugnisses oder sonstigen Befähigungsnachweises nach

Artikel 5 Abs. 2 der Richtlinie 93/16/EWG in Verbindung mit einer entsprechenden Sonderfachbezeichnung nach Artikel 5 Abs. 3 oder - sofern das Sonderfach in Österreich besteht - Artikel 7 Abs. 2 der Richtlinie 93/16/EWG oder

4. im Besitz eines fachärztlichen Diplomes, Prüfungszeugnisses oder sonstigen Befähigungsnachweises einschließlich einer Bescheinigung nach Artikel 9 Abs. 2, 4 oder 5 der Richtlinie 93/16/EWG sind und

5. in die Ärzteliste eingetragen worden sind.

§ 6. Der Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat nach Anhörung der Österreichischen Ärztekammer mit Verordnung nähere Bestimmungen zu erlassen über

1. die zum Nachweis der fachlichen Qualifikation gemäß § 5 Abs. 1 Z. 2 oder 3 oder Abs. 2 Z. 3 oder 4 erforderlichen ärztlichen oder fachärztlichen Diplome, Prüfungszeugnisse, Befähigungsnachweise oder sonstigen Bescheinigungen sowie

2. die Anerkennung von Diplomen, Prüfungszeugnissen und sonstigen Befähigungsnachweisen im Sinne des Artikels 9 Abs. 6 der Richtlinie 93/16/EWG.

...

Anrechnung ärztlicher Aus- oder Weiterbildungszeiten

§ 14. (1) Im Inland nach den Ärzte-Ausbildungsvorschriften absolvierte ärztliche Ausbildungszeiten sowie im Ausland absolvierte ärztliche Aus- oder Weiterbildungszeiten sind unter der Voraussetzung der Gleichwertigkeit auf die jeweils für die Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin oder zum Facharzt oder für die ergänzende spezielle Ausbildung auf einem Teilgebiet eines Sonderfaches vorgesehene Dauer anzurechnen.

(2) Unter der Voraussetzung der Gleichwertigkeit sind auch ärztliche Aus- oder Weiterbildungszeiten auf die Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin oder zum Facharzt oder auf die ergänzende spezielle Ausbildung auf einem Teilgebiet eines Sonderfaches anzurechnen, die

1.

vor dem Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft oder

2.

vor der Nostrifizierung eines im Ausland erworbenen Doktorates absolviert worden sind.

(3) Über die Anrechnung von Aus- oder Weiterbildungszeiten gemäß Abs. 1 und 2 entscheidet die Österreichische Ärztekammer. Ausbildungsnachweise in einer anderen als der deutschen Sprache sind der Österreichischen Ärztekammer in beglaubigter Übersetzung vorzulegen.

Diplome und Bescheinigungen

§ 15. (1) Die Österreichische Ärztekammer hat Personen, die

1.

die allgemeinen Erfordernisse (§ 4 Abs. 2) und

2.

das besondere Erfordernis gemäß § 4 Abs. 3 Z 1 oder

3.

die besonderen Erfordernisse gemäß § 4 Abs. 3 Z 1 und 2 und

4.

die Ausbildungserfordernisse gemäß § 4 Abs. 4 oder 5 erfüllen, auf Antrag ein Diplom über die erfolgreiche Absolvierung einer Ausbildung nach den für den Arzt für Allgemeinmedizin (Diplom über die spezifische Ausbildung in der Allgemeinmedizin) oder Facharzt (Facharztdiplom) geltenden Ausbildungserfordernissen auszustellen. Ein entsprechendes Diplom ist weiters Personen auszustellen, die ihre ärztliche Ausbildung als Turnusarzt gemäß § 4 Abs. 6 zweiter Satz absolviert haben.

(2) Die Österreichische Ärztekammer hat Personen, denen vor dem 1. Jänner 1994 ein Zertifikat über die Absolvierung der Ausbildung zum praktischen Arzt oder zum Facharzt eines Sonderfaches, dessen Bezeichnung mit den in den Artikeln 3, 5 oder 7 der Richtlinie 93/16/EWG für Österreich angeführten Bezeichnungen nicht übereinstimmt, ausgestellt worden ist, auf Antrag eine Bescheinigung im Sinne des Artikels 9 Abs. 5 dieser Richtlinie auszustellen, sofern dieses Zertifikat eine Ausbildung abschließt, die den Artikeln 2, 4 oder 6 dieser Richtlinie entspricht und dem in den Artikeln 3, 5 oder 7 dieser Richtlinie für Österreich angeführten Diplom gleichgehalten wird.

(3) Liegen die Voraussetzungen der Abs. 1 oder 2 nicht vor, so hat die Österreichische Ärztekammer die Ausstellung des Diplomes oder der Bescheinigung mit Bescheid zu versagen.

(4) Gegen Bescheide der Österreichischen Ärztekammer gemäß Abs. 3 steht die Berufung an den Landeshauptmann offen, in dessen Bereich der Hauptwohnsitz oder, wenn der Arzt keinen Hauptwohnsitz in Österreich hat, der zuletzt in Österreich innegehabte Hauptwohnsitz oder, sofern ein solcher nicht bestanden hat, der letzte Wohnsitz oder Aufenthalt des Arztes in Österreich gelegen ist. Der Landeshauptmann hat Bescheide, mit denen Berufungen stattgegeben wurde, binnen zwei Wochen nach deren Rechtskraft unter Anschluss der Entscheidungsunterlagen dem Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales vorzulegen. Dieser kann gegen solche Bescheide Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erheben.

...

Ärzteliste

§ 27. ...

(2) Personen, die die gemäß den §§ 4, 5, 18 oder 19 für die selbständige oder für die unselbständige Ausübung des ärztlichen Berufes vorgeschriebenen Erfordernisse erfüllen und den ärztlichen Beruf als Arzt für Allgemeinmedizin, approbierter Arzt, Facharzt, Zahnarzt oder Turnusarzt auszuüben beabsichtigen, haben sich vor Aufnahme ihrer ärztlichen Tätigkeit bei der Österreichischen Ärztekammer im Wege der Landesärztekammern zu melden und die erforderlichen Personal- und Ausbildungsnachweise vorzulegen. ...

...

(7) Erfüllt die betreffende Person die für die Art der Berufsausübung vorgeschriebenen Erfordernisse, so hat sie die Österreichische Ärztekammer in die Ärzteliste einzutragen und ihr einen mit ihrem Lichtbild versehenen Ausweis (Ärzteausweis) auszustellen. ...

(8) Erfüllt die betreffende Person die Erfordernisse nicht, so hat die Österreichische Ärztekammer die Eintragung in die Ärzteliste mit Bescheid zu versagen.

...

§ 28. Gegen Bescheide der Österreichischen Ärztekammer gemäß § 27 Abs. 8 steht die Berufung an den Landeshauptmann offen, in

dessen Bereich der Hauptwohnsitz oder, ... gelegen ist ..."

Für den Beschwerdefall sind weiters folgende Bestimmungen der auf Grund des ÄrzteG 1998 erlassenen EWR-ÄrzteV, BGBl. II Nr. 57/1999, idF der Verordnung BGBl. II Nr. 59/2000, von Bedeutung:

"§ 2. Nachweise im Sinne des § 5 Abs. 1 Z. 2 des Ärztegesetzes 1998 sind die in der Anlage 1 angeführten Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstigen Befähigungsnachweise.

§ 3. (1) Nachweise im Sinne des § 5 Abs. 1 Z 3 des Ärztegesetzes 1998 sind Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstige Befähigungsnachweise über eine ärztliche Ausbildung, die von der zuständigen Stelle einer der übrigen Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ausgestellt worden sind, auch wenn die Ausbildung nicht allen Mindestausbildungsanforderungen gemäß Artikel 23 der Richtlinie 93/16/EWG genügt, sofern damit eine ärztliche Ausbildung abgeschlossen wird, die hinsichtlich

1.

Spanien und Portugal vor dem 1. Jänner 1986,

2.

Griechenland vor dem 1. Jänner 1981 oder

3.

der anderen Vertragsparteien vor dem 20. Dezember 1976

begonnen worden ist, und eine Bescheinigung der zuständigen Behörde des Heimat- oder Herkunftsstaates vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die betreffende Person während der letzten fünf Jahre vor Ausstellung der Bescheinigung mindestens drei Jahre lang ununterbrochen tatsächlich und rechtmäßig die betreffende ärztliche Tätigkeit ausgeübt hat (Artikel 9 Abs. 1 der Richtlinie 93/16/EWG).

...

(3) Nachweise im Sinne des § 5 Abs. 1 Z. 3 des Ärztegesetzes 1998 sind weiters ärztliche Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstige ärztliche Befähigungsnachweise, die den in der Anlage 1 angeführten Bezeichnungen nicht entsprechen, sofern ihnen eine Bescheinigung der zuständigen Behörde des betreffenden Staates beigefügt ist, aus der sich ergibt, dass das jeweilige Diplom, Prüfungszeugnis oder der sonstige Befähigungsnachweis eine ärztliche Ausbildung abschließt, die den entsprechenden im Titel III der Richtlinie 93/16/EWG angeführten Bestimmungen entspricht und von der Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, die das Diplom, Prüfungszeugnis oder den sonstigen Befähigungsnachweis ausgestellt hat, den Diplomen, Prüfungszeugnissen und sonstigen Befähigungsnachweisen, deren Bezeichnungen in der Anlage 1 angeführt sind, gleichgehalten wird (Artikel 9 Abs. 5 der Richtlinie 93/16/EWG)."

Eine Eintragung in die Ärzteliste darf gemäß § 27 Abs. 7 ÄrzteG 1998 nur erfolgen, wenn der Antragsteller die für die Art der Berufsausübung vorgeschriebenen Erfordernisse erfüllt. Für Ärzte und Fachärzte sind die Erfordernisse zur selbständigen Berufsausübung, unbeschadet der §§ 5, 32 bis 34, 36 und 37, in § 4 ÄrzteG 1998 geregelt. Der Beschwerdeführer besitzt unbestrittenermaßen kein an einer Universität in der Republik Österreich erworbenes Doktorat der gesamten Heilkunde oder einen gleichwertigen, im Ausland erworbenen und in Österreich als Doktorat der gesamten Heilkunde nostrifizierten akademischen Grad. Ihm fehlt daher das in § 4 Abs. 3 Z. 1 umschriebene besondere Erfordernis. Er verfügt demnach nicht über die zur selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes als Facharzt vorgeschriebenen Erfordernisse im Sinne des § 4 ÄrzteG 1998.

§ 5 ÄrzteG 1998 sieht Erleichterungen für Staatsangehörige der Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vor. Bei Angehörigen dieses Personenkreises ist es ausreichend, wenn sie die in § 4 Abs. 2 angeführten allgemeinen Erfordernisse erfüllen, im Besitz eines ärztlichen Diplomes, Prüfungszeugnisses oder sonstigen Befähigungsnachweises gemäß § 5 Abs. 1 Z. 2 oder 3 und im Besitz eines der in § 5 Abs. 2 Z. 3 oder 4 beschriebenen Diplome sind. Nähere Bestimmungen über die zum Nachweis der fachlichen Qualifikation gemäß § 5 Abs. 1 Z. 2 und 3 sowie § 5 Abs. 2 Z. 3 und 4 ÄrzteG 1998 enthält die vom Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales erlassene EWR-ÄrzteV. Der Beschwerdeführer besitzt keinen der in der Anlage 1 dieser Verordnung genannten Nachweise und demnach keinen Nachweis im Sinne des § 5 Abs. 1 Z. 2 ÄrzteG 1998 in Verbindung mit § 2 der EWR-ÄrzteV. Er besitzt auch keinen Nachweis im Sinne des § 5 Abs. 1 Z. 3 ÄrzteG 1998 in Verbindung mit § 3 EWR-ÄrzteV, der von einer zuständigen Stelle einer der übrigen Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ausgestellt wurde und dem eine Bestätigung im Sinne des § 3 Abs. 1 oder 3 EWR-ÄrzteV (Art. 9 Abs. 1 bzw. Art. 9 Abs. 5 der Richtlinie 93/16/EWG) angeschlossen ist. Der Beschwerdeführer kann sich damit auch nicht darauf berufen, er erfülle die für die Berufsausübung als Facharzt erforderlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Z. 2 ÄrzteG 1998. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen im Sinne des § 5 Abs. 2 Z. 3 oder 4 ÄrzteG 1998 einzugehen.

Der Beschwerdeführer, der im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof u.a. die Unsachlichkeit des § 4 Abs. 7 (dritter Satz) ÄrzteG 1998 geltend gemacht hatte, weil diese Bestimmung Flüchtlinge gegenüber österreichischen Staatsbürger bevorzuge, vertritt im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, § 4 Abs. 7 dritter Satz ÄrzteG 1998 sei nicht nur auf Flüchtlinge, denen Asyl gewährt worden ist, anzuwenden, sondern auf alle Personen.

Diesen Ausführungen ist entgegen zu halten, dass § 4 Abs. 7 ÄrzteG 1998 Ausnahmen nur für Flüchtlinge, denen Asyl gewährt worden ist, schafft. Der dritte Satz des § 4 Abs. 7 ÄrzteG 1998 bezieht sich nach der Systematik der gesetzlichen Regelung ausschließlich auf Flüchtlinge, denen Asyl gewährt worden ist. Folgte man der Auffassung des Beschwerdeführers, wären die Vorschriften des § 4 Abs. 3 Z. 1 ÄrzteG 1998 über das Erfordernis der Nostrifizierung ebenso überflüssig wie jene des § 5 Abs. 1 Z. 2 und 3 und Abs. 2 Z. 3 und 4 leg. cit. Gegen die Auffassung des Beschwerdeführers sprechen auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Ärztegesetzes 1998, 1386 BlgNR 20. GP. Danach wird in § 4 Abs. 7 aus Gründen der Qualitätssicherung ärztlicher Tätigkeit klar gestellt, dass die Gleichwertigkeit einer im Ausland erworbenen ärztlichen Ausbildung jener Ärzte, denen in Österreich Asyl gewährt worden ist, mit den in Österreich vorgeschriebenen Ausbildungserfordernissen glaubhaft zu machen ist. Alle Regelungen des § 4 Abs. 7 ÄrzteG 1998 beziehen sich demnach ausschließlich auf die im Ausland erworbene ärztliche Ausbildung jener Ärzte, denen in Österreich Asyl gewährt worden ist. Der Verwaltungsgerichtshof hegt auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Sachlichkeit dieser Regelung, dies insbesondere im Hinblick auf die in den meisten Fällen anzunehmende Einschränkung der Möglichkeiten für den Flüchtling, von den Behörden seines Herkunftsstaates urkundliche Nachweise zu erlangen.

Die Ausführungen des Beschwerdeführers über die Art der von ihm absolvierten praktischen Ausbildung ist im vorliegenden Beschwerdeverfahren, das die Eintragung in die Ärzteliste gemäß § 27 ÄrzteG 1998 zum Gegenstand hat, ohne Bedeutung, weil unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer die in § 4 Abs. 3 Z. 1 ÄrzteG 1998 genannten Nachweise nicht besitzt. Inwieweit die Ausbildungserfordernisse zum Facharzt erfüllt sind oder eine Gleichwertigkeit von Ausbildungszeiten gegeben ist, kann in einem Verfahren über einen Antrag auf Ausstellung des Facharztdiploms gemäß § 15 ÄrzteG 1998 oder bei der Entscheidung über Anrechnung von Ausbildungszeiten gemäß § 14 ÄrzteG 1998 von Bedeutung sein.

Der Beschwerdeführer macht erstmals in seinem gemäß § 36 Abs. 8 zweiter Satz VwGG erstatteten Schriftsatz vom 8. Jänner 2003 geltend, die Auslegung des § 4 Abs. 7 ÄrzteG 1998 durch die belangte Behörde bewirke einen Verstoß gegen Art. 43 des EG-Vertrages, wie ihn der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinem Urteil vom 14. September 2000, Rs C- 238/98, Hugo Fernando Hocsman, Slg. 2000, I-06623, auslege.

Diesen Ausführungen des Beschwerdeführers sind folgende Überlegungen entgegen zu halten:

Art. 43 EG (ex-Art. 52) lautet wie folgt:

"Die Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten. Das Gleiche gilt für Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaates, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates ansässig sind.

Vorbehaltlich des Kapitels über den Kapitalverkehr umfasst die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften im Sinne des Artikels 48 Absatz 2 nach den Bestimmungen des Aufnahmestaates für seine eigenen Angehörigen."

Nach dem Wortlaut des Art. 43 können sich nur Angehörige eines anderen Mitgliedstaates auf die Vorschrift berufen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften können sich auch Inländer, die einen gemeinschaftsrechtlich relevanten Sachverhalt erfüllen (z.B. Erwerb eines ausländischen Diploms), ihrem Heimatstaat gegenüber auf die durch das Gemeinschaftsrecht gewährten Vorteile berufen (siehe dazu Scheuer in Lenz, EGV-Kommentar, 2. Auflage, Art. 43 Rn 6 und die dort zitierte Rechtsprechung). Ein solcher Fall lag dem vom Beschwerdeführer genannten Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften zugrunde. Es handelte sich dort um einen französischen Staatsbürger, der Inhaber eines im Jahr 1976 von der Universität Buenos Aires (Argentinien) ausgestellten Diploms eines Doktors der Medizin und eines 1982 von der Universität Barcelona (Spanien) ausgestellten Diploms eines Facharztes für Urologie war. Die spanischen Behörden erkannten das argentinische Diplom im Jahr 1980 als dem spanischen Hochschulabschluss in Medizin und Chirurgie gleichwertig an und erlaubten damit die Ausübung des Arztberufes in Spanien und die Aufnahme einer Facharztausbildung. Nach Erwerb der spanischen Staatsbürgerschaft im Jahr 1986 erhielt der Betreffende die Genehmigung zur Ausübung der beruflichen Tätigkeit eines Facharztes für Urologie in Spanien. Die französischen Behörden verweigerten ihm die Zulassung als Arzt in Frankreich.

Im vorliegenden Fall fehlt hingegen jeder gemeinschaftsrechtliche Bezug. Der Beschwerdeführer kann auf keine in einem anderen Mitgliedstaat erworbene Diplome oder in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübte berufliche Tätigkeit als Arzt oder Facharzt verweisen. Bei Fehlen einer gemeinschaftsrechtlichen Anknüpfung ist die Behandlung von Inländern als interner Sachverhalt gemeinschaftsrechtlich unerheblich (siehe auch dazu Scheuer, a.a.O.). Der Beschwerdeführer kann sich demnach - anders als der Antragsteller in dem von ihm zitierten Fall, der dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 14. September 2000, Rs C 238/98, zugrunde gelegen war - nicht auf eine unmittelbar aus Art. 43 EG abgeleitete Verpflichtung zur Prüfung der Vergleichbarkeit seiner durch Nachweise und Erfahrung belegten Fachkenntnisse mit den nach nationalem Recht vorgeschriebenen Kenntnissen und Fähigkeiten berufen. Aus diesem Grund sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch nicht veranlasst, gemäß Art. 234 EG eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften einzuholen.

Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 25. November 2003

Gerichtsentscheidung

EuGH 61998J0238 Hocsman VORAB

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002110141.X00

Im RIS seit

08.01.2004

Zuletzt aktualisiert am

04.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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