TE Vwgh Erkenntnis 2003/11/25 2002/11/0170

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.11.2003
beobachten
merken

Index

90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §28 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der S in D, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfseggstraße 1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 25. Oktober 2001, Zl. Ib-277- 122/2001, betreffend Wiederausfolgung des Führerscheins, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 28. Mai 2001 entzog die Bezirkshauptmannschaft Bregenz der Beschwerdeführerin die Lenkberechtigung für die Gruppe B, gerechnet ab dem 23. April 2001, für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung. Gestützt wurde diese Entscheidung auf ein Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 23. Jänner 2001 sowie die von diesem verwertete verkehrspsychologische Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle vom 17. Jänner 2001. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Am 3. Juli 2001 beantragte die Beschwerdeführerin die Wiederausfolgung ihres Führerscheins. Diesem Antrag war ein "nervenärztliches Führerscheingutachten" eines Facharztes der Neurologie und Psychiatrie (Dr. R.) sowie eine "Testpsychologie im Rahmen der FS-Begutachtung" eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie (Dr. K.) vom 20. Juni 2001 beigeschlossen.

Die Bezirkshauptmannschaft Bregenz wies diesen Antrag mit Bescheid vom 20. Juli 2001 gemäß § 28 Abs. 1 und 2 des Führerscheingesetzes (FSG) ab. Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.

Über Ersuchen der zuständigen Abteilung des Amts der Vorarlberger Landesregierung nahm ein Amtsarzt des Amts der Landesregierung mit Schreiben vom 16. August 2001 dahingehend Stellung, dass die im vorgelegten nervenärztlichen Führerscheingutachten vom 19. Juni 2001 berücksichtigte neuropsychologische Testung eine verkehrspsychologische Stellungnahme nicht zu ersetzen vermöge.

Mit Schreiben vom 21. August 2001 übermittelte der Landeshauptmann von Vorarlberg dem Beschwerdeführer die Stellungnahme des Amtsarztes vom 16. August 2001 zur Kenntnis und gab ihm die Möglichkeit, innerhalb von zwei Wochen dazu schriftlich Stellung zu nehmen. Des weiteren führte der Landeshauptmann von Vorarlberg Folgendes aus:

"Nach der Stellungnahme des Amtsarztes ist die Vorlage eines verkehrspsychologischen Befundes Voraussetzung für die Erstattung eines positiven amtsärztlichen Gutachtens. Sie werden daher ersucht, der Behörde innerhalb von zwei Wochen, gerechnet ab Zustellung dieses Schreibens, mitzuteilen, ob Ihre Mandantin bereit ist, im Berufungsverfahren neuerlich einen verkehrpsychologischen Befund vorzulegen. Sollte bei der Behörde innerhalb der genannten Frist keine Stellungnahme einlangen, so geht die Behörde davon aus, dass sich Ihre Mandantin erst zu einem späteren Zeitpunkt einer verkehrspsychologischen Untersuchung unterziehen möchte. Die Behörde müsste dann auf Grund der Aktenlage entscheiden, das heißt der erstinstanzliche Bescheid müsste bestätigt werden."

In einer Stellungnahme hiezu vertrat die Beschwerdeführerin die Auffassung, es sei unzutreffend, dass die beiden Fachärzte (Dr. R. und Dr. K.) andere Werte abgetestet hätten als die verkehrspsychologische Untersuchung.

In weiterer Folge wies der Landeshauptmann von Vorarlberg mit Bescheid vom 25. Oktober 2001 die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. In der Begründung führte der Landeshauptmann von Vorarlberg aus, die Bezirkshauptmannschaft habe im erstinstanzlichen Verfahren ein amtsärztliches Gutachten über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B eingeholt. Nach dem Gutachten des Amtsarztes vom 23. Jänner 2001, das sich auf den verkehrspsychologischen Befund vom 17. Jänner 2001 stütze, seien bei der Beschwerdeführerin die kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen im Bereich der visuellen Auffassung, der Überblicksgewinnung, der Reaktionszeit, der Reaktionssicherheit sowie der Konzentrationsfähigkeit nicht ausreichend ausgeprägt. In Verbindung mit den ungünstigen Persönlichkeitsbefunden habe der Amtsarzt festgestellt, dass die Beschwerdeführerin zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B gesundheitlich nicht geeignet sei. Der "Aufforderung" der Behörde, im Berufungsverfahren neuerlich einen verkehrspsychologischen Befund zur Erstattung eines amtsärztlichen Gutachtens vorzulegen, sei die Beschwerdeführerin nicht nachgekommen. Auf Grund des schlüssigen Gutachtens des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft, dem die Ergebnisse des schlüssigen verkehrspsychologischen Befundes zu Grunde lägen, habe die Bezirkshauptmannschaft zu Recht davon ausgehen können, dass bei der Beschwerdeführerin die kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen nicht ausreichend ausgeprägt seien und sie daher zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B nicht geeignet sei. Die ungünstigen Persönlichkeitsbefunde der Beschwerdeführerin ergäben sich aus den standardisierten Fragebogentests. Verkehrspsychologische Tests seien nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine taugliche Grundlage für die Beurteilung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit einer Person. In der verkehrspsychologischen Stellungnahme seien auch die nach dem Erkenntnisstand der Verkehrspsychologie maßgebenden Grenzwerte angegeben worden. Im Übrigen wäre es Aufgabe der Beschwerdeführerin gewesen, dem schlüssigen medizinischen Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten und einen positiven verkehrspsychologischen Befund vorzulegen. Auf das nervenfachärztliche Gutachten und das Ergebnis der testpsychologischen Untersuchung, welches die Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren vorgelegt habe, sei nicht einzugehen gewesen, weil es sich beim Facharzt für Psychiatrie und Neurologie nicht um eine ermächtigte Stelle im Sinn des § 19 FSG-GV handle und diese Person darüber hinaus auch keine Fachausbildung gemäß § 20 FSG-GV habe.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Nachdem dieser mit Beschluss vom 19. Juni 2002, B 1708/01-6, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese über einen späteren Abtretungsantrag mit Beschluss vom 7. August 2002, B 1708/01-9, dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hatte, wurde die Beschwerde von der Beschwerdeführerin ergänzt. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf Wiederausfolgung des Führerscheins verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. Im Beschwerdefall ist das FSG in der Fassung der Kundmachung BGBl. I Nr. 112/2001 maßgeblich.

§ 28 FSG lautet (auszugsweise):

"Ablauf der Entziehungsdauer

§ 28. (1) Der Führerschein ist nach Ablauf der Entziehungsdauer auf Antrag wieder auszufolgen, wenn die gemäß Abs. 2 angeordneten Nachweise erbracht wurden, keine Gründe für eine Entziehung mehr gegeben sind und die Entziehungsdauer kürzer als 18 Monate war.

(2) Die Behörde hat, entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit und unter Berücksichtigung der Gründe, die für die Entziehung maßgebend waren, vor der Wiederausfolgung des Führerscheines vom Lenker einen oder mehrere der folgenden Nachweise zu verlangen:

1. eine verkehrspsychologische Untersuchung, wenn die Entziehungsgründe auf eine mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung schließen lassen und die verkehrspsychologische Eignung nicht innerhalb der letzten zwölf Monate durch eine solche Untersuchung nachgewiesen wurde,

2. ein amtsärztliches Gutachten über die gesundheitliche Eignung (§ 8), wenn Zweifel an der gesundheitlichen Eignung bestehen,

..."

2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2002, Zl. 2000/11/0019) ist § 28 Abs. 2 FSG, auf den sich die belangte Behörde stützt, dahin zu verstehen, dass die Führerscheinbehörde, so sie begründete Bedenken an der gesundheitlichen Eignung einer Person hat, diese im Rahmen des über einen Antrag auf Wiederausfolgung des Führerscheines eingeleiteten Ermittlungsverfahrens in geeigneter Weise aufzufordern hätte, entsprechende Nachweise für ihre Eignung beizubringen, wobei der Betreffende, um seiner Mitwirkungsobliegenheit nachzukommen, solche Nachweise vorzulegen hätte. Im Fall des Nichtentsprechens hätte die Behörde die Möglichkeit, in Form eines Bescheides, in dem die Zweifel an der gesundheitlichen Eignung zu begründen sind, den Antrag auf Wiederausfolgung des Führerscheins abzuweisen.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid ausdrücklich festgestellt, im erstinstanzlichen Verfahren sei ein amtsärztliches Gutachten über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B eingeholt worden. Einer "Aufforderung" der Berufungsbehörde, im Berufungsverfahren neuerlich einen verkehrspsychologischen Befund zur Erstattung eines amtsärztlichen Gutachtens vorzulegen, sei die Beschwerdeführerin nicht nachgekommen. Beide Feststellungen der belangten Behörde sind aktenwidrig.

Einerseits verwechselt die belangte Behörde das mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 28. Mai 2001 rechtskräftig abgeschlossene Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung der Beschwerdeführerin wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung - in diesem Verfahren war eine verkehrspsychologische Stellungnahme eingeholt worden - mit dem hier in Rede stehenden späteren Wiederausfolgungsverfahren, in dem die Bezirkshauptmannschaft Bregenz mit Bescheid vom 20. Juli 2001 den Wiederausfolgungsantrag der Beschwerdeführerin abgewiesen hat. Andererseits ist auch eine Aufforderung der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin möge neuerlich eine verkehrspsychologische Stellungnahme vorzulegen, der Aktenlage nicht zu entnehmen. Um von einem Verlangen im Sinn des § 28 Abs. 2 FSG sprechen zu können, bedarf es einer unmissverständlichen Aufforderung der Behörde im Rahmen einer Verfahrensanordnung, der Ausfolgungswerber möge die Nachweise über eine verkehrspsychologische Untersuchung vorlegen. Eine solche unmissverständliche Aufforderung ist jedoch schon auf Grund der Wortwahl ("Sie werden daher ersucht, ... mitzuteilen, ...") in dem oben wiedergegebenen Schreiben der belangten Behörde vom 21. August 2001 nicht zu erblicken.

Damit ist aber die auf die Nichtbeibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme trotz vermeintlicher Aufforderung durch die belangte Behörde gestützte Abweisung des Antrags auf Wiederausfolgung des Führerscheines der Beschwerdeführerin mit einem Verfahrensmangel behaftet.

Der angefochtene Bescheid war schon aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen zu werden brauchte.

Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 25. November 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002110170.X00

Im RIS seit

19.12.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten