TE Vwgh Erkenntnis 2003/11/26 2003/18/0235

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.11.2003
beobachten
merken

Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §19;
AsylG 1997 §21 Abs1 Z1;
AsylG 1997 §21 Abs1 Z2;
AufG 1992 §12;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1997 §31;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §56 Abs2;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §7;
FrG 1997 §75;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Wechner, über die Beschwerde des L, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 23. Juni 2003, Zl. Fr-91/2/03, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) vom 23. Juni 2003 wurde der Beschwerdeführer, laut seinen Behauptungen sowohl ein Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina als auch von Kroatien, gemäß § 33 Abs. 1 iVm den §§ 31 und 37 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des wesentlichen Inhalts der Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 3. März 2003 und eines von ihm am 16. Juni 2003 eingebrachten Schriftsatzes aus, dass er in der Zeit vom 10. September 1993 bis 31. Juli 1998 als Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina gemäß § 12 Aufenthaltsgesetz (AufG) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen sei. Am 31. Juli 1998 habe er, nachdem er von der Caritas eine Rückkehrhilfe erhalten habe, Österreich verlassen und sei er nach Banja Luka gefahren. Dort sei er ca. eineinhalb Monate geblieben und sodann weiter nach "Jajce/Bosnien" gefahren, wo er sich sechs bis sieben Monate aufgehalten habe, bis er seinen kroatischen Reisepass erhalten habe. In dieser Zeit sei er einer Beschäftigung als Bauarbeiter nachgegangen.

Im Mai 1999 sei der Beschwerdeführer neuerlich in Österreich eingereist und habe bis Mai 2000 hier, u.a. in Wien, bei verschiedenen Bekannten gewohnt. In dieser Zeit habe er mehrmals das Bundesgebiet verlassen und mehrmals seinen Bruder in Deutschland besucht. Am 21. Mai 2000 habe er sich in Österreich polizeilich angemeldet.

Am 16. Juni 2000 habe der Beschwerdeführer einen Asylantrag gestellt, der vom unabhängigen Bundesasylsenat gemäß § 7 Asylgesetz 1997 - AsylG abgewiesen worden sei, wobei festgestellt worden sei, dass seine Abschiebung zulässig sei (§ 8 AsylG). Die von ihm dagegen an den Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde sei am 14. Jänner 2003 abgewiesen worden. Am 6. März 2003 sei ihm der (erstinstanzliche) Ausweisungsbescheid zugestellt und die gemäß § 19 AsylG erteilte Bescheinigung (über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung) eingezogen worden.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde in Bezug auf den Tatbestand des § 33 Abs. 1 FrG aus, dass der Beschwerdeführer trotz Einziehung der ihm erteilten vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG in Österreich geblieben sei und sich hier unrechtmäßig aufhalte. Was die Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 FrG anlange, so könne von einer nahezu ununterbrochenen 10-jährigen Integration im Bundesgebiet nicht gesprochen werden. Wie er selbst anführe, habe er die Rückkehrhilfe einer Hilfsorganisation in Anspruch genommen und Österreich verlassen, um sich in seinem Heimatland wieder niederzulassen. Mit den ihm zugewendeten finanziellen Mitteln (Rückkehrhilfe) habe er sich dort offensichtlich eine neue Existenz aufbauen wollen, und es sei dort auch seine Familie (Kinder) aufhältig, was zweifelsfrei einen zusätzlichen wesentlichen Bezug zu seinem Heimatland darstelle. Demgegenüber bestehe zu Österreich nur insofern ein Nahebezug, als er auf Grund seiner Stellung als Asylant nach § 12 AufG einer Beschäftigung habe nachgehen können und er diesen Nahebezug jedoch abrupt beendet habe, indem er unter Ausnützung der Rückkehrhilfe in sein Heimatland zurückgekehrt sei. Die nach seiner neuerlichen Einreise ausgeübte Beschäftigung könne nur eingeschränkt als Integrationsansatz verstanden werden. So habe er während der Zeit seines (nach dem AsylG) rechtmäßigen Aufenthaltes infolge der langen Dauer seines Asylverfahrens (seit 2000) hauptsächlich finanzielle Mittel von der öffentlichen Hand (Notstandshilfe) bezogen und sei in der Zeit zwischen 9. April 2001 und 9. Februar 2003 insgesamt nur sechs Monate und zwei Wochen lang meldepflichtig, in der Regel bei verschiedenen Arbeitgebern, beschäftigt gewesen. Weiters habe der Beschwerdeführer keine familiäre Bindung im Bundesgebiet.

Den mit der Ausweisung verbundenen, wenn auch nicht schwer wiegenden, persönlichen Interessen des Beschwerdeführers stehe gegenüber, dass er sich seit seiner neuerlichen Einreise im Mai 1999, abgesehen von der vorübergehenden Legalisierung seines Aufenthaltes auf Grund seines Asylantrages, unberechtigt im Bundesgebiet aufgehalten habe. Dieses Verhalten stelle eine erhebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften dar. Stelle man diese beiden Interessen gegenüber, so seien die privaten Interessen den öffentlichen Interessen unterzuordnen. Wenn der Beschwerdeführer vorbringe, er hätte Österreich nur deshalb verlassen, weil er von der Behörde dazu gezwungen worden wäre, so könne seine Ausreise unter Ausnützen einer Rückkehrhilfe nur als ein freiwilliges Zurückkehren in seinen Heimatstaat - in die Nähe seiner Kinder - und als ein Aufgeben seines Willens, Österreich als Mittelpunkt seiner Lebensinteressen zu belassen, gedeutet werden.

Da seinem inländischen Aufenthalt lediglich asylrechtliche Titel (vorläufige Aufenthaltsberechtigungen) zugrunde gelegen seien, die mit einer Niederlassungsbewilligung nicht im Zusammenhang zu bringen seien, finde § 35 FrG keine Anwendung.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung, dass die vom Beschwerdeführer gegen den negativen Asylbescheid des unabhängigen Bundesasylsenates an den Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde am 14. Jänner 2003 abgewiesen worden sei, und behauptet nicht, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel (vgl. § 7 FrG) erteilt worden sei. Im Hinblick darauf begegnet die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, sodass die Tatbestandsvoraussetzung des § 33 Abs. 1 FrG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2.1. Die Beschwerde bekämpft hingegen die im angefochtenen Bescheid gemäß § 37 Abs. 1 FrG vorgenommene Interessenabwägung und rügt, dass die belangte Behörde keine Feststellungen darüber getroffen habe, dass der Beschwerdeführer nicht in seinen bosnischen Heimatort zurückkehren könne, weil er dort mehrmals mit dem Tod bedroht worden sei. Auch sei er seit September 1993 rechtmäßig in Österreich aufhältig gewesen und nur auf Grund des Drucks der Behörden nach Ablauf der "Bosnienverordnung" nach Bosnien zurückgekehrt. Er habe in Österreich längst seinen sozialen und wirtschaftlichen Lebensmittelpunkt gefunden und während seiner mehrmonatigen Abwesenheit vom Bundesgebiet - er habe Österreich im Juli 1998 verlassen und sei hierher im Mai 1999 zurückgekehrt (vgl. Punkt I. der Beschwerde) - seinen Niederlassungswillen nie aufgegeben.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Im Rahmen ihrer Beurteilung gemäß § 37 Abs. 1 FrG hat die belangte Behörde zutreffend die Auffassung vertreten, dass im Hinblick auf die, wenn auch relativ kurzfristige, Erwerbstätigkeit und die Dauer des inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit seiner neuerlichen Einreise im Mai 1999 mit der Ausweisung ein relevanter Eingriff im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG verbunden sei. Die auf Grund der Aufenthaltsdauer bestehenden privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet werden dadurch entscheidend relativiert, dass er während seines neuerlichen Aufenthaltes nur auf Grund eines am 16. Juni 2000 gestellten Asylantrages gemäß § 19 AsylG und lediglich bis zur Abweisung der gegen den negativen Asylbescheid beim Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde am 14. Jänner 2003 vorläufig zum Aufenthalt berechtigt war und darüber hinaus sein Aufenthalt unrechtmäßig war. Dieser unrechtmäßige Aufenthalt in der Dauer von zusammengerechnet rund eineinhalb Jahren bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides stellt eine erhebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2003, Zl. 2003/18/0125, mwN), dar.

Im Hinblick darauf kann die Ansicht der belangten Behörde, die Ausweisung sei im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig, selbst unter Berücksichtigung des inländischen Voraufenthalts des Beschwerdeführers vom 10. September 1993 bis 31. Juli 1998, nicht als rechtswidrig erkannt werden. So kam dem Beschwerdeführer während dieser Zeit lediglich ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht iS des § 12 AufG zu und hat er nach der Beendigung desselben unter Inanspruchnahme von finanziellen Mitteln, die ihm zwecks Unterstützung bei der Gründung einer neuen Existenz in seinem Heimatland zugewendet wurden, Österreich verlassen. Wenn die Beschwerde in diesem Zusammenhang vorbringt, dass er auch in der Zeit seiner Abwesenheit seinen Niederlassungswillen nicht aufgegeben habe, so ist ihr zu erwidern, dass, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgeführt hat (vgl. nochmals das vorzitierte Erkenntnis, mwN), ein Fremder nicht durch bloße Aufrechterhaltung seines Niederlassungswillens eine Niederlassung im Bundesgebiet auf Dauer beibehalten kann, sondern vielmehr maßgebend ist, dass er seine tatsächliche Niederlassung durch seine körperliche Anwesenheit, sei es auch mit lediglich kurzfristigen Unterbrechungen, aufrecht erhält. Von einer solchen Beibehaltung der Niederlassung kann jedoch im vorliegenden Fall in Anbetracht der Ausreise des Beschwerdeführers unter Inanspruchnahme einer Rückkehrhilfe und seiner Abwesenheit in der Dauer von mehr als neun Monaten keine Rede sein.

Mit ihrem weiteren Vorbringen, dass der Beschwerdeführer nicht in seinen bosnischen Heimatort zurückkehren könnte, macht die Beschwerde keinen relevanten Verfahrensmangel geltend, weil einerseits das Vorliegen von Gründen im Sinn des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG nicht im Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung, sondern in einem gesonderten Verfahren nach § 75 leg. cit. oder § 56 Abs. 2 leg. cit. zu prüfen ist und andererseits mit der Erlassung einer Ausweisung nicht angeordnet wird, dass der Beschwerdeführer in einen bestimmten Staat auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde. Schon von daher ist für die Beschwerde mit ihrem Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 22. Juni 2001, Zl. 97/21/0692, und vom 24. Juli 2001, Zl. 97/21/0794, mit denen jeweils über eine Beschwerde gegen einen gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes aus 1992 erlassenen Bescheid entschieden wurde, nichts gewonnen.

Ferner ist auch der Beschwerdehinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 23. Februar 2001, Zl. 96/19/0365, vom 4. April 2001, Zl. 98/18/0410, und vom 7. August 2001, Zl. 98/18/0310, nicht zielführend, sind doch die diesen Erkenntnissen zu Grunde liegenden Beschwerdefälle mit dem vorliegenden Beschwerdefall nicht vergleichbar. So bezieht sich das Erkenntnis Zl. 96/19/0365 auf einen Bescheid, mit dem der Antrag eines Fremden auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der sich bei Erlassung dieses Bescheides mehr als neun Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hat, abgewiesen wurde, und das Erkenntnis Zl. 98/18/0410 auf einen Bescheid, mit dem über eine Fremde ein befristetes Aufenthaltsverbot verhängt wurde, die sich bei Erlassung dieses Bescheides etwa sieben Jahre und vier Monate im Bundesgebiet rechtmäßig aufgehalten und Bindungen zu ihren in Österreich aufhältigen Familienangehörigen, nämlich ihrem österreichischen Ehegatten und ihrem hier geborenen minderjährigen Kind, aufgewiesen hat. In dem dem Erkenntnis Zl. 98/18/0310 zu Grunde liegenden Beschwerdefall war entscheidungswesentlich, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 21 Abs. 1 Z. 1 oder 2 AsylG verwirklicht waren und im Hinblick darauf die Bestimmung des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG anwendbar war.

3. Schließlich kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass der belangten Behörde bei ihrer Entscheidung ein (materieller) Ermessensfehler unterlaufen sei, macht doch die Beschwerde nichts geltend, was gewichtig gegen die Ausweisung des Beschwerdeführers spräche, und treten auch aus dem angefochtenen Bescheid keine Aspekte hervor, die eine Ausübung des der belangten Behörde gemäß § 33 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessens zugunsten des Beschwerdeführers geboten hätten.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 26. November 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003180235.X00

Im RIS seit

26.12.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten