TE Vwgh Beschluss 2003/12/18 2003/12/0135

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Veröffentlicht am 18.12.2003
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Index

27/01 Rechtsanwälte;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §21;
RAO 1868 §8 Abs1;
ZustG §7;
ZustG §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, in der Beschwerdesache des M in H, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz wegen Verletzung der Entscheidungspflicht i.A. Ruhegenusszulage, den Beschluss gefasst:

Spruch

Das Verfahren wird eingestellt.

Die Landeshauptstadt Graz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 675,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 18. November 2002 wurde dem Beschwerdeführer über seinen Antrag eine Ruhegenusszulage gemäß § 52a der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956, LGBl. Nr. 30/1957, in der Höhe von monatlich EUR 102,80 zuerkannt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 12. Dezember 2002 (Datum der Postaufgabe) Berufung.

Mit seiner am 24. Juli 2003 zur Post gegebenen Säumnisbeschwerde machte der Beschwerdeführer die Verletzung der Entscheidungspflicht durch die belangte Behörde in Ansehung dieser Berufung geltend.

Mit Verfügung vom 12. August 2003 trug der Verwaltungsgerichtshof der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG auf, den versäumten Bescheid binnen drei Monaten zu erlassen und eine Abschrift desselben vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege.

Mit Note vom 20. August 2003 teilte der Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz mit, über die Berufung sei mit einem Bescheid der belangten Behörde vom 10. April 2003 entschieden worden. Dieser Bescheid sei dem Beschwerdeführer am 17. April 2003 durch Hinterlegung zugestellt worden. Der entsprechende, an den Beschwerdeführer persönlich adressierte Rückschein wurde mit dieser Note vorgelegt.

Über Vorhalt dieser Eingabe brachte der Beschwerdeführer am 11. September 2003 vor, er habe sich bereits in der Berufung auf das Vorliegen einer Vollmacht gemäß § 8 RAO berufen. Diese Vollmacht umfasse auch eine Zustellvollmacht im Sinne des § 9 des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982 (im Folgenden: ZustellG). Die Zustellung der Erledigung der belangten Behörde vom 10. April 2003 an den Beschwerdeführer persönlich habe keine Erlassung des Berufungsbescheides bewirkt.

Mit Eingabe vom 16. Oktober 2003 gab das Präsidialamt der Landeshauptstadt Graz bekannt, dass der Beschwerdeführer bereits im Zeitpunkt der Berufungserhebung durch den Beschwerdevertreter anwaltlich vertreten gewesen sei. Die an den Beschwerdeführer persönlich adressierte Erledigung der belangten Behörde vom 10. April 2003 sei von ihm am 22. April 2003 persönlich am Postamt behoben worden. Es bleibe der Prüfung des Verwaltungsgerichtshofes vorbehalten, ob der Zustellmangel durch tatsächliches Zukommen der Erledigung "gemäß § 7 ZustellG" geheilt worden sei.

Mittlerweile sei die Erledigung der belangten Behörde vom 10. April 2003 am 8. Oktober 2003 dem Beschwerdevertreter zugestellt worden. Der diese Zustellung beurkundende Rückschein wurde gleichfalls vorgelegt.

Über Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes äußerte sich der Beschwerdeführer zu dieser Eingabe dahingehend, es treffe zu, dass er am 22. April 2003 die in Rede stehende Erledigung der belangten Behörde beim Postamt behoben habe. Die solcherart erlangte Ausfertigung habe er jedoch dem Beschwerdevertreter nicht körperlich übergeben. Eine Zustellung der Erledigung an den Beschwerdevertreter sei erstmals am 8. Oktober 2003 erfolgt.

Zu dieser Stellungnahme äußerte sich die belangte Behörde nicht.

I. Zur Zulässigkeit der Beschwerde:

§ 9 Abs. 1 ZustellG in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 158/1998 lautet:

"§ 9. (1) Ist ein Zustellungsbevollmächtiger bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist."

Unstrittig ist, dass sich der Beschwerdevertreter schon im Berufungsverfahren auf eine Bevollmächtigung gemäß § 8 Abs. 1 RAO berufen hat. Eine solche zur umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung erteilte Vollmacht beinhaltet auch eine Zustellvollmacht im Sinne des § 9 ZustellG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2000, Zl. 99/03/0325).

Die belangte Behörde hätte ihre Erledigung vom 10. April 2003 daher zu Handen des Beschwerdevertreters zuzustellen gehabt. Daraus folgt, dass die Zustellung einer Ausfertigung dieser Erledigung an den Beschwerdeführer persönlich durch Hinterlegung am 17. April 2003 keine Erlassung des Berufungsbescheides bewirkte. Ebenso wenig erfolgte durch die postamtliche Behebung dieser Sendung durch den Beschwerdeführer persönlich eine solche Bescheiderlassung. § 7 ZustellG ist auf die Heilung einer Verletzung des § 9 Abs. 1 erster Satz ZustellG nämlich nicht anwendbar; wird - wie hier - gegen die zweitgenannte Gesetzesbestimmung verstoßen, so gilt die Zustellung erst dann als bewirkt, wenn die Voraussetzungen des zweiten Satzes des § 9 Abs. 1 ZustellG vorliegen.

Nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens bestehen aber keine Hinweise darauf, dass die vom Beschwerdeführer persönlich postamtlich behobene Ausfertigung der Erledigung vom 10. April 2003 dem Beschwerdevertreter tatsächlich zugekommen wäre.

Daraus folgt, dass die belangte Behörde im Zeitpunkt der Erhebung der Säumnisbeschwerde den Berufungsbescheid noch nicht erlassen hatte und folglich mit der Erledigung der am 12. Dezember 2002 erhobenen Berufung länger als sechs Monate säumig war. Die Säumnisbeschwerde erweist sich daher als zulässig.

II. Zur Einstellung des Verfahrens:

Die belangte Behörde hat den versäumten Berufungsbescheid durch Zustellung der Erledigung vom 10. April 2003, Zl. Präs. K- 247/2002-1, an den Beschwerdevertreter am 8. Oktober 2003 erlassen. Auch wurde eine Abschrift derselben dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt. Das Verfahren über die Säumnisbeschwerde war daher gemäß § 36 Abs. 2 VwGG einzustellen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 55 Abs. 1 zweiter Satz VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Nach dieser Verordnung steht für Äußerungen und Stellungnahmen neben dem Schriftsatzaufwand gemäß § 1 Z. 1 lit. a dieser Verordnung kein weiterer Aufwandersatz zu.

Wien, am 18. Dezember 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003120135.X00

Im RIS seit

31.03.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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