TE Vwgh Erkenntnis 2004/1/21 2003/16/0379

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Veröffentlicht am 21.01.2004
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Index

E6J;
L34007 Abgabenordnung Tirol;
L37017 Getränkeabgabe Speiseeissteuer Tirol;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

62001CJ0147 Weber's Wine World VORAB;
B-VG Art119a Abs5;
Getränke- und SpeiseeissteuerG Tir 1993 §11 Abs3;
LAO Tir 1984 §151 Abs2;
LAO Tir 1984 §187a;
VwGG §34 Abs1;

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:* Ausgesetztes Verfahren: 2001/16/0026 B 7. Juni 2001 * EuGH-Entscheidung: EuGH 62001CJ0147 2. Oktober 2003

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Höfinger, Dr. Kail und Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde des Johann F in P, vertreten durch die Dr. Arnold Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 28. November 2000, Zl. IB- 8272/15, betreffend Erstattung bzw. Verrechnung von Getränkesteuer für Dezember 1997 bis November 1998 (mitbeteiligte Partei: Gemeinde P, vertreten durch den Bürgermeister, P), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 22. September 2000 wurde die Getränkesteuer für das Wirtschaftsjahr des Beschwerdeführers Dezember 1997 bis November 1998 festgesetzt; bezüglich alkoholischer Getränke wurde die Steuer mit S 0,-- bestimmt und festgestellt, dass S 91.993,-- entrichtet wurden.

(Bezüglich der in diesem Bescheid erfolgten Festsetzungen für alkoholfreie Getränke, Speiseeis und "Frühstücksabgabe" erhob der Beschwerdeführer Vorstellung, welche mit Bescheid der belangten Behörde vom 27. November 2000 abgewiesen worden war; eine dagegen erhobene Beschwerde bildet den Gegenstand des Erkenntnisses vom heutigen Tage, Zl. 2001/16/0528).

Mit weiterem Bescheid vom 22. September 2000 sprach der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde aus, dass "die Verrechnung mit Abgabenschuldigkeiten, Verwendung zur Tilgung vollstreckbarer Abgabenschuldigkeiten und Rückzahlung = die Erstattung der mit Bescheid vom 22.09.2000, Zl. .... mit S 0,-- festgesetzten in der Höhe von S 91.939,-- entrichteten Steuer auf alkoholische Getränke nicht zulässig" sei. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass die Verkaufspreise die Getränkesteuer enthalten hätten, folglich die Getränkesteuer auf alkoholische Getränke im Weg der Verkaufspreise auf die Konsumenten überwälzt worden sei. Daher könne das auf Grund der Nullfestsetzung entstandene Guthaben in Anwendung des § 187a TLAO nicht zur Tilgung vollstreckbarer Abgabenschuldigkeiten verwendet werden.

Mit dem hier angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde einer Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den zuletzt genannten Berufungsbescheid Folge und "behob" den angefochtenen Bescheid. Unter Hinweis auf die Bestimmung des § 187a TLAO führte die belangte Behörde aus, die Abgabenbehörden hätten ein Ermittlungsverfahren darüber durchzuführen, ob eine Überwälzung der Getränkesteuer stattgefunden habe oder nicht. Bezüglich der Durchführung eines solchen Verfahrens wurde auf die §§ 125 - 147 TLAO verwiesen. Wörtlich wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt:

"Ein solches Verfahren wurde auch im Merkblatt für die Gemeinden Tirols, Mai 2000, Nr. 21, beschrieben. 'Den Nachweis könnte eine von einem Gemeindesteuerprüfer oder von einem etwa durch einen Gemeindesteuerprüfer entsprechend geschulten Gemeindebediensteten unterschriebene Erklärung bringen, dass lt. Getränkekarte die Verkaufspreise 'inklusive Steuern' waren bzw. die Verkaufspreise im Wege von Schlüsselzahlen, die die Getränkesteuer auf alkoholische Getränke enthielten, auf die Bemessungsgrundlage zurückgerechnet wurden (Befund), folglich die Getränkesteuer auf alkoholische Getränke im Wege des Verkaufspreises auf den Verbraucher überwälzt wurde (Gutachten)'. Ein solches Ergebnis einer Beweisaufnahme müsste jedoch gemäß § 148 Abs. 4 TLAO der Partei vor Erlassung des die Angelegenheit abschließenden Bescheides zur Kenntnis gebracht werden, um ihr Gelegenheit zu geben, von den durchgeführten Beweisen und Vorergebnissen Beweisaufnahme Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern.

Im gegenständlichen Fall ist davon auszugehen, dass die obzitierten Vorschriften betreffen Durchführung eines Ermittlungsverfahrens bzw. Wahrung des Parteiengehörs vor Bescheiderlassung nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Es wurde daher der Vorstellungswerber in seinen Rechten verletzt und musste daher der angefochtene Bescheid behoben werden."

In seiner dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht verletzt, dass als tragendes Begründungselement für die Bescheidaufhebung ein zutreffender Rechtsgrund angeführt werde, der seinen Rückerstattungsanspruch vorbehaltlos anerkenne, dass der Gemeinde nicht die Einhaltung eines bestimmten Verfahrens auferlegt werde und dass als Grundlage für das tragende Begründungselement nicht die Notwendigkeit des durch § 187a TLAO vorgegebenen Verfahrens, sondern die Nichtbeachtung der Spezialregelung des § 11 Abs. 3 lit. b Tiroler Getränke- und SpeiseeissteuerG 1993 vorgegeben werde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 112 Abs. 1 der hier noch anzuwendenden Tiroler Gemeindeordnung 1966, LGBl. Nr. 4, konnte, wer durch einen Bescheid eines Gemeindeorganes in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches aus dem Bereich der Landesvollziehung in seinen Rechten verletzt zu sein behauptete, nach Erschöpfung des Instanzenzuges bei der Landesregierung dagegen Vorstellung erheben. Nach Abs. 5 dieser Bestimmung hatte die Landesregierung den Bescheid, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt wurden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an das zuständige Gemeindeorgan zu verweisen, welches bei der neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden war.

Im vorliegenden Fall war die Vorstellung des Beschwerdeführers erfolgreich und führte zu einer Aufhebung des Gemeindebescheides. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hängt die Zulässigkeit einer Bescheidbeschwerde durch den Vorstellungswerber, dessen Vorstellung Erfolg hatte, gegen den aufhebenden Vorstellungsbescheid davon ab, welche Rechtsverletzung der Beschwerdeführer geltend macht. Nur dann, wenn sich die Beschwerde gegen einen der tragenden Aufhebungsgründe wendet, kann von der Zulässigkeit der Beschwerde ausgegangen werden (siehe beispielsweise den hg. Beschluss vom 13. August 2002, Zl. 2000/17/0098 m.w.N.). Es kommt nur den tragenden Aufhebungsgründen eines aufsichtsbehördlichen Bescheides für das fortgesetzte Verfahren Bindungswirkung zu, wobei diese bindende Wirkung selbst bei einem Widerspruch mit der objektiven Rechtslage bestünde (hg. Erkenntnis vom 20. April 2001, Zl. 99/05/0129 m.w.N.).

Dem Beschwerdeführer ist im vorliegenden Fall darin beizupflichten, dass tragender Aufhebungsgrund die Rechtsauffassung der belangten Behörde war, dass sich der Anspruch des Beschwerdeführers auf Rückerstattung nach § 187a TLAO richte, ein dafür erforderliches Ermittlungsverfahren jedoch nicht durchgeführt worden sei.

Dem hält der Beschwerdeführer seine Auffassung entgegen, § 187a TLAO komme gar nicht zur Anwendung, weil das Tiroler Getränke- und SpeiseeissteuerG 1993 (GetrStG) in seinem § 11 Abs. 3 lit. b eine abweichende Spezialregelung enthalte, die der allgemeinen Regelung des § 187a TLAO vorgehe.

Gemäß § 1 Abs. 2 TLAO gilt dieses Gesetz weiters für die Erstattung von Abgaben und Beiträgen und die Rückforderung von Erstattungen sinngemäß, soweit in anderen Abgabengesetzen nichts anderes bestimmt ist. "Etwas anderes" soll nach Auffassung des Beschwerdeführers im § 11 Abs. 3 lit. b GetrStG, LGBl. Nr. 88/1993, bestimmt sein.

§ 11 Abs. 1 und 3 GetrStG lautete:

"§ 11

(1) Der Steuerschuldner hat die Steuer selbst zu berechnen und spätestens bis zum Eintritt der Fälligkeit an die Gemeinde zu entrichten.

...

(3) Weicht der in der Steuererklärung nach § 12 Abs. 3 oder 4 enthaltene Gesamtbetrag von der Summe der für den Erklärungszeitraum geleisteten Steuerbeträge ab, so sind

a) Rückstände spätestens mit der Einreichung der Steuererklärung zu entrichten und

b) Mehrleistungen entweder mit den folgenden Steuerleistungen zu verrechnen oder auf Antrag zu erstatten."

§ 11 Abs. 3 GetrStG stellt somit allein auf die Steuererklärung ab; nur im Fall des Abweichens der Erklärung von den tatsächlichen Leistungen hat eine Verrechnung oder eine Erstattung zu erfolgen. Hier handelte es sich aber um den Fall einer bescheidmäßigen Abgabenfestsetzung nach § 151 Abs. 2 TLAO. § 11 GetrStG bietet keine Handhabe für eine Anwendung dieser Bestimmung auf den Fall der Festsetzung mittels Bescheid zufolge unvollständiger oder unrichtiger Erklärung. Hinsichtlich der Rückerstattung bzw. der Verrechnung kommen daher ausschließlich die Regelungen der TLAO zur Anwendung.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die vorliegende Beschwerde auf die Aufhebung des gemeindebehördlichen Bescheides, wenn auch aus anderen Gründen, als aus denen, die die belangte Behörde angenommen hat, abzielt. Muss der Gemeindevorstand aber neu über den Verrechnungsantrag entscheiden, dann kommt, wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 18. September 2003, Zl. 2002/16/0072, zum selben Thema ausgeführt hat, das Landesgesetz LGBl. Nr. 11/2001 zur Anwendung. Danach trat das Tiroler GetränkesteuerG mit 1. Jänner 2001 außer Kraft, ist aber auf die Erhebung gemeinschaftsrechtskonformer Steuern, die sich auf den Zeitraum bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes bezieht, weiterhin anzuwenden. Der Verwaltungsgerichtshof schloss daraus, dass für Rückerstattungsanträge (bzw. Verrechnungsanträge) bezüglich der Getränkesteuer für alkoholische Getränke das GetränkesteuerG, insbesondere dessen § 11 Abs. 3 lit. b, nach dem 1. Jänner 2001 keine Anwendung finden kann.

Der Beschwerdeführer ist aber im Recht, wenn er die überbundene Rechtsauffassung der belangten Behörde bezüglich der Anforderungen an den in einem Verfahren über einen Rückerstattungsantrag nach § 187a TLAO geforderten Nachweis bekämpft:

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 4. Dezember 2003, Zl. 2003/16/0148, mit ausführlicher Begründung dargelegt, unter welchen Voraussetzungen die Rückzahlung verweigert werden kann, ohne dass den Anforderungen, die der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinem Urteil vom 2. Oktober 2003, C-147/01 insbesondere im Hinblick auf den Effektivitätsgrundsatz formuliert hat, widersprochen wird. Zur Vermeidung von Wiederholungen ist in Anwendung des § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe im genannten Erkenntnis zu verweisen.

Mit dem hier zu beurteilenden Bescheid wurde diesen Anforderungen deshalb nicht entsprochen, weil einerseits ausgesprochen wurde, dass der Nachweis der Überwälzung schon dann erbracht wäre, wenn "lt. Getränkekarte die Verkaufspreise 'inklusive Steuern' waren bzw. die Verkaufspreise im Wege von Schlüsselzahlen, die die Getränkesteuer auf alkoholische Getränke enthielten, auf die Bemessungsgrundlage zurückgerechnet wurden". Andererseits verpflichtet der angefochtene Bescheid die Gemeindebehörde nicht zu einer Bedachtnahme auf die mit der Getränkesteuerbelastung allenfalls verbundene Gewinnschmälerung; vielmehr wird durch die im angefochtenen Bescheid dargelegte Interpretation des § 187a TLAO eine solche Bedachtnahme geradezu ausgeschlossen. Mit Rechtskraft des hier angefochtenen Vorstellungsbescheides träte Bindungswirkung nicht nur gegenüber den Gemeindebehörden, sondern auch gegenüber der Vorstellungsbehörde sowie den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts ein (siehe beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 10. Juni 2002, Zl. 2002/17/0063); hält sich die Gemeindebehörde exakt an die überbundene Wertung des § 187a TLAO, könnte in einem Rechtsbehelf dagegen nicht geltend gemacht werden, dass den im Erkenntnis vom 4. Dezember 2003 beschriebenen Anforderungen nicht entsprochen wurde.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am 21. Jänner 2004

Gerichtsentscheidung

EuGH 62001J0147 Weber's Wine World VORAB

Schlagworte

Bindung an die Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde ErsatzbescheidMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003160379.X00

Im RIS seit

20.02.2004

Zuletzt aktualisiert am

16.04.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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