TE Vwgh Erkenntnis 2004/1/21 2003/16/0127

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.01.2004
beobachten
merken

Index

32/06 Verkehrsteuern;
98/01 Wohnbauförderung;

Norm

GrEStG 1955 §4 Abs1 Z2 litb;
WFG 1984 §2 Z7;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2003/16/0128

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerden 1.) des Jürgen B und

2.) der Annemarie B, beide in R und vertreten durch Puttinger, Vogl & Partner, Rechtsanwälte in 4910 Ried im Innkreis, Rainerstraße 6, gegen die Bescheide des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 16. Juli 2003, zu

1.) Zl. RV/0889-G/02 und zu 2.) Zl. RV/0890-G/02, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von je EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführenden Parteien schlossen mit einer Gemeinnützigen Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft den Anwartschaftsvertrag vom 5. Mai/26. Mai 1987 über eine Liegenschaft samt Reihenhaus ab. Für diesen Erwerbsvorgang beantragten sie die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 4 Abs. 1 Z. 1 und 2 lit. b GrEStG 1955.

Vom Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Linz ergingen mit Schreiben vom 28. Juni 1991 und 22. Oktober 1995 - zur Überprüfung des Weiterbestehens der Voraussetzungen der beantragten Grunderwerbsteuerbefreiung - Aufforderungen zur Offenlegung über die Benützung und eine allfällige bauliche Veränderung der Arbeiterwohnstätte.

Anlässlich der abgabenbehördlichen Prüfung am 9. Juli 1996 hielt der Prüfer in einer von den beschwerdeführenden Parteien unterfertigten Niederschrift fest:

"Im gegenständlichen Reihenhaus wurde eine Wohneinheit errichtet. Die Nutzfläche beträgt nach Planmaß 127,85 m2 abzüglich 2 % Verputz. Die in der Waschküche geplante Dusche wurde nach Angabe der Abgabepflichtigen erst nach Ablauf der 8-Jahresfrist im August 1995 eingebaut. Die Anschlüsse waren bereits vorhanden ...

Unter Einbeziehung der Waschküche mit Dusche samt Vorraum ergibt sich folgende Nutzfläche aufgrund der Planmaße ... 140,38 m2."

In den vorgelegten Verwaltungsakten befindet sich ein von der Baubehörde am 27. November 1986 genehmigter Auswechslungsplan in Ablichtung. Darin ist im Bereich der Waschküche mit gelbem Leuchtstift ein Bereich gekennzeichnet, in dem mit Kugelschreiber "DU" eingetragen ist.

Mit Bescheid vom 18. Februar 1998 schrieb das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Linz den beschwerdeführenden Parteien auf Grund des Anwartschaftsvertrages vom 26. Mai 1987 und des Kaufvertrages vom 28. Februar 1990 Grunderwerbsteuer in der Höhe von S 63.067,-- vor. In der Bescheidbegründung heißt es, die Festsetzung der Grunderwerbsteuer gemäß § 4 Abs. 2 GrEStG 1955 sei wegen Überschreitung des zulässigen Nutzflächenausmaßes von 130 m2 erfolgt. Die Absicht, eine Arbeiterwohnstätte zu schaffen, werde bereits mit der Einreichung des Bauplanes manifestiert. Gehe aus dem Bauplan hervor, dass die projektierte Nutzfläche 130 m2 überschreite, sei die Steuerbefreiung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG 1955 verwirklicht. Nach dem am 27. November 1986 genehmigten Auswechslungsplan sei in der Waschküche eine Dusche vorgesehen. Die Fläche dieses Raumes und der Zugang dazu sei auch dann zur Nutzfläche zu rechnen, wenn in der Folge die Dusche nicht oder erst nach Ablauf der 8-Jahres-Frist errichtet werde.

In der gegen diese Bescheide erhobenen Berufung brachten die beschwerdeführenden Parteien vor, der Waschküche fehle es an der für Wohnzwecke zu fordernden Mindestausstattung. In ihr hätten sich vor dem Stichtag der 8-Jahres-Frist lediglich die für eine Waschküche typische Ausstattung wie Nirosta-Becken, Trockner und Waschmaschine befunden. Die von der Behörde erster Instanz festgestellte Dusche, das Waschbecken und die sonstigen Gegenstände seien erst im August 1995 nach Ablauf der 8-Jahres-Frist montiert worden und hätten daher außer Betracht zu bleiben. Auch der in der Waschküche befindliche Estrichboden, sowie das Fehlen eines Heizkörpers sprächen gegen eine Eignung zu Wohnzwecken. Das Vorhandensein von Wasseranschlüssen für eine Dusche mache die Waschküche für Wohnzwecke nicht geeignet. Jede Waschküche setze schon begrifflich das Vorhandensein von Wasseranschlüssen voraus. Auch der Wohnungsförderungsgesetzgeber und der Verwaltungsgerichtshof berücksichtigten bei der Berechnung der Wohnnutzfläche Waschküchen trotz bestehender Wasseranschlüsse nicht.

Mit dem im Instanzenzug ergangen angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Berufung der beschwerdeführenden Parteien ab. Dies mit der Begründung, nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dürfe bei einer Arbeiterwohnstätte die Nutzfläche 130 m2 nicht übersteigen. Als Nutzfläche einer Wohnung gelte die Gesamtnutzfläche abzüglich der Wandstärke. Unter anderem seien Kellerräume, soweit sie ihrer Ausstattung nach nicht für Wohnzwecke geeignet seien, bei der Berechnung der Nutzfläche nicht zu berücksichtigen. Im Beschwerdefall läge "ein genehmigter Auswechslungsplan vor, wonach die Waschküche mit einer Dusche ausgestattet" sei. Bereits mit der Einreichung des Auswechslungsplanes bei der Baubehörde sei der Begünstigte Zweck aufgegeben worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die beschwerdeführenden Parteien erachten sich in ihrem Recht auf Grunderwerbsteuerbefreiung verletzt.

Mit der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof legten die beschwerdeführenden Parteien den durch die Baubehörde genehmigten Auswechslungsplan vom 27. November 1996 in Ablichtung vor, der in der Waschküche keinen Bereich ausdrücklich mit Dusche bezeichnet.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß der auf den Beschwerdefall noch anzuwendenden Bestimmung des § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. b GrEStG 1955 war der erste Erwerb einer geschaffenen oder vom Veräußerer zu schaffenden Arbeiterwohnstätte durch eine Person, die die Wohnstätte als Eigenheim übernimmt, von der Besteuerung ausgenommen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf bei einer Arbeiterwohnstätte die Nutzfläche 130 m2 nicht übersteigen (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 21. November 1985, Zl. 83/16/0062, und vom 26. Juni 1986, Zl. 86/16/0066). Für die Berechnung der Nutzfläche hat der Verwaltungsgerichtshof eine Orientierung an den Wohnbauförderungsgesetzen als zutreffend anerkannt. Nach § 2 Z. 7 WFG 1984 ist als Nutzfläche die gesamte Bodenfläche einer Wohnung oder eines Geschäftsraumes abzüglich der Wandstärken und der im Verlaufe der Wände befindlichen Durchbrechungen anzusehen; Keller- und Dachbodenräume, soweit sie ihrer Ausstattung nach nicht für Wohn- und Geschäftszwecke geeignet sind, Treppen, offene Balkone, Terrassen sowie für landwirtschaftliche oder gewerbliche Zwecke spezifisch ausgestattete Räume innerhalb einer Wohnung sind bei Berechnung der Nutzfläche nicht zu berücksichtigen.

Die belangte Behörde stellte fest, es liege ein "genehmigter Auswechslungsplan vor, wonach die Waschküche mit einer Dusche ausgestattet" sei und bereits mit der Einreichung dieses Auswechslungsplanes bei der Baubehörde sei der begünstigte Zweck aufgegeben worden.

Diese Feststellung kann an Hand des von den beschwerdeführenden Parteien in Ablichtung vorgelegten und von der Baubehörde am 27. November 1986 genehmigten Auswechslungsplanes, in dem in der Waschküche keine Dusche eingezeichnet ist, nicht nachvollzogen werden. In dem im vorgelegten Verwaltungsakt ebenfalls in Ablichtung befindlichen Auswechslungsplan sind mehrere Eintragungen mit gelbem Leuchtstift und mit Kugelschreiber vorgenommen worden. Es kann im Beschwerdefall nicht ausgeschlossen werden, dass diese Eintragungen erst im Zuge der Ermittlungen des Finanzamtes erfolgt sind und sich diese Eintragungen nicht im eingereichten Auswechslungsplan befunden haben. Der zur Klärung dieser Umstände erforderliche Bauakt mit den Originalplänen ist den an den Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten nicht angeschlossen.

In ihrer Gegenschrift vertritt die belangte Behörde abgehend von den Feststellungen in den angefochtenen Bescheiden nunmehr die Ansicht, die Einbeziehung "der Fläche der Dusche und des Vorraums im Kellergeschoß" sei deswegen zu Recht erfolgt, weil die Anschlüsse für die Dusche bereits vor Ablauf der 8-Jahres-Frist vorhanden gewesen seien. Abgesehen davon, dass die Nachholung einer unterlassenen Begründung in der Gegenschrift die anhaftende Mangelhaftigkeit eines angefochtenen Bescheides nicht behebt (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 602) teilt der Verwaltungsgerichtshof die von der belangten Behörde vertretene Ansicht nicht, weil Wasseranschlüsse in einer Waschküche allein den Raum der Ausstattung nach noch nicht für Wohnzwecke geeignet machen.

Auf Grund dieser Umstände kann nicht ausgeschlossen werden, dass der genehmigte und eingereichte Auswechslungsplan in Original keine Ausstattung der Waschküche mit einer Dusche vorgesehen hat und daher die Feststellung der belangten Behörde mit der Aktenlage nicht übereinstimmt und damit der angefochtene Bescheid schon deswegen rechtswidrig ist. Feststellungen, wonach allenfalls schon allein aus anderen Gründen der begünstigte Zweck aufgegeben worden wäre, enthalten die angefochtenen Bescheide nicht. Im Übrigen wird auch auf die Begründung des hg. Erkenntnisses vom 4. Dezember 2003, Zl. 2003/16/0133, verwiesen.

Soweit im Beschwerdefall Festsetzungsverjährung eingewendet wird, genügt es auf die in den vorgelegten Akten befindlichen Unterbrechungshandlungen vom 28. Juni 1991 und 25. Oktober 1995 hinzuweisen. Die Vorschreibung der Grunderwerbsteuer erfolgte mit Bescheiden vom 18. Februar 1998 innerhalb der Verjährungsfrist. Dieser von den beschwerdeführenden Parteien erhobene Einwand ist unbegründet.

Aus den oben dargestellten Gründen erweisen sich die angefochtenen Bescheide jedoch mit Verfahrensmängeln behaftet, sodass diese Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a, b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben waren.

Die Entscheidung konnte im Hinblick auf die besonders einfache und durch die bisherige Rechtsprechung klargestellte Rechtsfrage in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 21. Jänner 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003160127.X00

Im RIS seit

20.02.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten