TE Vwgh Erkenntnis 2004/1/28 2003/03/0243

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Veröffentlicht am 28.01.2004
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Index

L55306 Geländefahrzeuge Motorschlitten Steiermark;
L81506 Umweltschutz Steiermark;
L81516 Umweltanwalt Steiermark;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
B-VG Art131 Abs2;
GeländefahrzeugeG Stmk §4 Abs2;
UmweltschutzG Stmk 1988 §6 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Riedinger, Dr. Handstanger und Dr. Berger, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des Umweltanwaltes des Landes Steiermark, 8010 Graz, Stempfergasse 7, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 11. August 2003, Zl. FA 13C-55 G 65/6-2003, betreffend Zurückweisung einer Berufung iA Ausnahmebewilligung nach dem Geländefahrzeugegesetz (mitbeteiligte Partei: Freiwillige Feuerwehr G, vertreten durch J S, 8424 G 39), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Ein Aufwandersatz findet nicht statt.

Begründung

1.1. Mit dem oben genannten Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Umweltanwaltes des Landes Steiermark gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 5. September 2002 gemäß § 66 Abs. 4 iVm § 8 AVG iVm §§ 2 Abs. 1, 4 Abs. 1 lit. e und Abs. 2 sowie 10 Abs. 1 des Geländefahrzeugegesetzes 1973 als unzulässig zurück.

In der Begründung wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Mit dem genannten Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz sei der mitbeteiligten Partei "die Ausnahmebewilligung nach dem Geländefahrzeugegesetz 1973 für die Durchführung einer Traktorpulling-Veranstaltung pro Jahr für den Zeitraum 2002 bis 2007 (Veranstaltung im Jahr 2002 am 22.9.2002) in der Zeit von 8.30 Uhr bis 19.00 Uhr erteilt" worden. Die genannte Bezirkshauptmannschaft habe sich in ihrer Entscheidung im Wesentlichen auf das positive schalltechnische und darauf beziehende medizinische Gutachten gestützt. Gegen diesen Bescheid sei vom Landesumweltanwalt rechtzeitig Berufung erhoben worden. Gemäß "§ 6 Abs. 2 des Gesetzes vom 21. Juni 1988 über Einrichtungen zum Schutz der Umwelt i.d.g.F. LGBl. Nr. 24/2002" habe der Umweltanwalt in behördlichen Verfahren im Vollziehungsbereich des Landes, die auch eine Vermeidung einer erheblichen und dauernden Beeinträchtigung von Menschen und der Umwelt zum Gegenstand hätten, Parteistellung im Sinn des § 8 AVG sowie das Recht, gegen den das Verfahren abschließenden Bescheid Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben; er könne jedoch auch auf seine Parteirechte verzichten. Im vorliegenden Fall sei die Veranstaltung auf einen Tag pro Jahr (in der Zeit von 8.30 bis 19.00 Uhr) beschränkt, sodass von der belangten Behörde "nicht von einer erheblichen und dauernden Beeinträchtigung auszugehen sei". Nach Auffassung der belangten Behörde sei diese Beeinträchtigung auch dann nicht dauernd, "wenn die Veranstaltung auch in den nächsten Jahren bis 2007 aber eben nur einmal pro Jahr stattfindet". Auf Grund der mangelnden Berufungslegitimation des Umweltanwalts sei auf seine Berufungsanträge nicht näher einzugehen. Davon abgesehen habe eine Prüfung des Verfahrens bei der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz ergeben, dass nach Auffassung der Berufungsbehörde eine Gefährdung des Lebens und der Gesundheit von Menschen durch diese Veranstaltung nicht gegeben sei.

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

1.3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 1 lit. e und Abs. 2 sowie § 10 Abs. 1 des Geländefahrzeugegesetzes 1973 idF LGBl. Nr. 16/1989 und LGBl. Nr. 71/2001 lauten:

"§ 2 Verwendungsverbot und Ausnahmen

(1) Die Verwendung von Geländefahrzeugen ist, soweit in den Abs. 2 und 3 und im § 10 nicht anders bestimmt ist, verboten.

...

§ 4 Ausnahmebewilligungen

(1) Ausnahmebewilligungen zur Verwendung von Geländefahrzeugen dürfen nur erteilt werden für Fahrten:

...

e) zur Durchführung von Sportveranstaltungen (§ 10).

(2) Eine Ausnahmebewilligung nach Abs. 1 ist zu erteilen, wenn durch die beabsichtigte Verwendung des Geländefahrzeuges nachstehende öffentliche Interessen nicht erheblich beeinträchtigt werden:

a)

Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen und Tieren;

b)

Schutz der Natur, insbesondere die Erhaltung der Lebensgrundlagen für Tiere und Pflanzen;

c)

Schutz der Reinheit des Bodens, der Luft und der Gewässer;

d)

Schutz der Bewohner, der Insassen von Kranken- und Kuranstalten, Altenheimen, der erholungsuchenden und sportausübenden Personen vor Geruchs-, Lärm- und Abgasbelästigungen.

...

§ 10 Sportveranstaltungen und Trainingsfahrten

(1) Für die Organisation und Durchführung von Sportveranstaltungen mit Geländefahrzeugen, z.B. Moto-Cross, hat die Bezirksverwaltungsbehörde dem Veranstalter auf Grund eines Ansuchens, das Ort, Zeit und Art der Veranstaltung sowie die Zahl der teilnehmenden Geländefahrzeuge enthalten muss, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 eine Ausnahmebewilligung zu erteilen. Die Bestimmungen des § 4 Abs. 3 und 5 gelten sinngemäß."

§ 6 des Landesgesetzes über Einrichtungen zum Schutze der Umwelt, LGBl. Nr. 78/1988, zuletzt geändert durch LGBl. Nr. 24/2002, lautet wie folgt:

"§ 6 Umweltanwalt

(1) Zur Wahrung der Interessen des Umweltschutzes im Vollziehungsbereich des Landes ist von der Landesregierung über Vorschlag des für den Umweltschutz zuständigen Regierungsmitgliedes ein Umweltanwalt zu bestellen. Er untersteht dienstrechtlich der Landesregierung. Zur Besorgung der Geschäfte kann er sich des Amtes der Landesregierung als Hilfsapparat bedienen. Alle Organe des Landes und der Gemeinden haben den Umweltanwalt bei der Besorgung der Aufgaben zu unterstützen und auf Verlangen die erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Über die so bekannt gewordenen Tatsachen ist der Umweltanwalt zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit verpflichtet.

(2) In behördlichen Verfahren im Vollziehungsbereich des Landes, die auch eine Vermeidung einer erheblichen und dauernden Beeinträchtigung von Menschen und der Umwelt zum Gegenstand haben, hat der Umweltanwalt Parteistellung im Sinne des § 8 AVG 1950 sowie das Recht, gegen den das Verfahren abschließenden Bescheid Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben; er kann jedoch auch auf seine Parteienrechte verzichten. In Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinden besteht diese Parteistellung nur dann, wenn die Beeinträchtigung über den Bereich der Gemeinde hinauswirken würde. Der Umweltanwalt hat bei Ausübung seiner Parteistellung auf andere, insbesondere wirtschaftliche Interessen soweit wie möglich Rücksicht zu nehmen. Er hat die Parteienrechte nach den Erfordernissen der Hintanhaltung erheblicher und dauernder Beeinträchtigung von Menschen und der Umwelt, jedoch unter größtmöglicher Schonung anderer Interessen, auszuüben und seine Anträge gegenüber der Behörde zu begründen.

(3) (Verfassungsbestimmung) Der Umweltanwalt ist bei seinen Entscheidungen an keine Weisungen gebunden."

2.2. Die belangte Behörde begründete ihre Auffassung, dass dem Umweltanwalt des Landes Steiermarks im Grunde des eben zitierten § 6 Abs. 2 keine Parteistellung in dem in Rede stehenden Verwaltungsverfahren nach dem Geländefahrzeugegesetz 1973 zukam, im Wesentlichen damit, dass die genannte Traktorpulling-Veranstaltung (in den Jahren 2002 bis 2007) "auf einen Tag pro Jahr" beschränkt sei, sodass nicht von einer erheblichen und dauernden Beeinträchtigung auszugehen sei.

Mit dieser Auffassung verkennt die belangte Behörde, dass es nach § 6 Abs. 2 leg. cit. - schon nach dem Wortlaut dieser Bestimmung - nicht darauf ankommt, ob in einem behördlichen Verfahren im Vollziehungsbereich des Landes das Vorliegen einer erheblichen und dauernden Beeinträchtigung von Menschen und der Umwelt durch ein Vorhaben konkret verneint werden kann. Vielmehr stellt diese Regelung darauf ab, ob ein solches behördliches Verfahren "auch" eine Vermeidung einer solchen Beeinträchtigung "zum Gegenstand" hat. Dies ist bei einem Verwaltungsverfahren nach dem Geländefahrzeugegesetz 1973 wie dem vorliegenden der Fall, zumal § 4 Abs. 2 leg. cit. die Erteilung einer Ausnahmebewilligung zur Verwendung von Geländefahrzeugen unter anderem davon abhängig macht, dass durch diese Verwendung der "Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen und Tieren" (lit. a), der "Schutz der Natur, insbesondere der Erhaltung der Lebensgrundlage für Tiere und Pflanzen" (lit. b), und der "Schutz der Reinheit des Bodens, der Luft und der Gewässer" (lit. c) "nicht erheblich beeinträchtigt werden". Somit vermag es vorliegend an der Parteistellung des Umweltanwalts des Landes Steiermark im Grund des § 6 Abs. 2 leg. cit. nichts zu ändern, dass - wie die belangte Behörde vermeint - auf Grund der konkreten Lage des Falles eine erhebliche und dauernde Beeinträchtigung von Menschen und der Umwelt durch das von ihr zu beurteilende Vorhaben nicht zu befürchten sei.

2.3. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

2.4. Da vorliegend ein Fall des Art. 131 Abs. 2 B-VG gegeben ist, findet gemäß § 47 Abs. 4 VwGG kein Aufwandersatz statt.

Wien, am 28. Jänner 2004

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Diverses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003030243.X00

Im RIS seit

27.02.2004

Zuletzt aktualisiert am

16.02.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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