TE Vwgh Erkenntnis 2004/1/28 2000/12/0224

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Veröffentlicht am 28.01.2004
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Index

L24007 Gemeindebedienstete Tirol;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AVG §13a;
AVG §66 Abs4;
BKUVG §108;
B-VG Art7 Abs1;
GdBKUFG Tir 1998 §24 Abs1;
GdBKUFG Tir 1998 §24 Abs2;
GdBKUFG Tir 1998 §44 Abs1;
GdBKUFG Tir 1998 §44 Abs5;
GdBKUFG Tir 1998 §45 Abs1;
GdBUFG Tir §49;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde des N in B, vertreten durch DDr. Jörg Christian Horwath, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 6, gegen den Bescheid der Verwaltungsoberkommission der Kranken- und Unfallfürsorge der städtischen Beamten der Landeshauptstadt Innsbruck vom 15. Dezember 1999, Zl. VOK 8/1998, betreffend Versehrtenrente, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Landeshauptstadt Innsbruck Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als städtischer Fachoberinspektor im Bereich der Berufsfeuerwehr in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Landeshauptstadt Innsbruck.

Am 18. Februar 1998 erstellte der Beschwerdeführer eine Dienstunfallanzeige an die Verwaltungskommission der Kranken- und Unfallfürsorge der Beamten der Landeshauptstadt Innsbruck (im Folgenden Verwaltungskommission), in der er einen Autounfall mit dem privaten PKW (Aufprall auf eine Mauer) am 13. Februar 1998 auf der Fahrt zu einer dienstlich angeordneten Untersuchung bei Dr. S meldete; die Anzeige langte am 16. Juni 1998 bei der angegebenen Behörde ein.

Mit Bescheid vom 10. September 1998 (zugestellt am 16. September 1998) stellte die Verwaltungskommission fest, dass

1. der Beschwerdeführer am 13. Februar 1998 einen Dienstunfall erlitten habe; 2. die durch den Dienstunfall herbeigeführte Erwerbsminderung am 90. Tag nach dem Unfall und auf Dauer 0 % ausmache und 3. kein Anspruch auf Leistung einer Versehrtenrente gegenüber der Stadtgemeinde Innsbruck bestehe. Als Begründung wurde auf die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen sowie darauf verwiesen, dass sich die Feststellungen hinsichtlich der unfallskausalen Minderung der Erwerbsfähigkeit auf das eine folgenlose Abheilung darstellende Gutachten des Vertrauensarztes stützten, dem sich die Verwaltungskommission vollinhaltlich anschließe.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung (datiert mit 29. September 1998) und focht die Spruchpunkte 2 und 3 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltlicher Rechtswidrigkeit an. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass die Beweiserhebungen zu Spruchpunkt 2 unvollständig seien. Aus den dem Beschwerdeführer vorliegenden (Privat-)Gutachten ergäbe sich, dass die herbeigeführte Erwerbsminderung am 90. Tage nach dem Unfall und auf Dauer mit 100 % festzusetzen sei, weswegen dem Beschwerdeführer ein Anspruch auf Versehrtenrente von 100 % zustünde.

Mit Schreiben vom 19. November 1998 wurde die Erteilung einer Vollmacht des Beschwerdeführers an den Rechtsanwalt DDr. H. für das gegenständliche Verfahren bekannt gegeben.

Der von der Behörde bestellte Sachverständige Dr. U führte in seinem Gutachten vom 22. September 1999 aus, dass der Beschwerdeführer eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 % aufweise, die aber weder aus dem Dienstunfall vom 29. April 1997 noch aus dem Dienstunfall vom 13. Februar 1998 herrühre. Aus beiden Unfällen sei die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach Ablauf des 90. Tages und auf Dauer mit 0 % zu bemessen.

Der Beschwerdeführer erstattete zu dem Gutachten am 3. November 1999 eine umfangreiche Stellungnahme, in der er dem Sachverständigen zahlreiche Unvollständigkeiten, Unrichtigkeiten und Widersprüche vorwarf.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Im Wesentlichen wurde dies damit begründet, dass Gegenstand des Verfahrens der Dienstunfall vom 13. Februar 1998 und die daraus resultierende Minderung der Erwerbsfähigkeit sei sowie dass aus diesem Dienstunfall der Beschwerdeführer keine zusätzliche Minderung der Erwerbsfähigkeit erlitten und somit auch am 90. Tag nach dem Dienstunfall eine solche kausale Beeinträchtigung nicht bestanden habe; die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers um 30 % stamme aus der Zeit vor dem 29. April 1997 (und damit auch vor dem 13. Februar 1998) und sei daher nicht verfahrensgegenständlich.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der jedoch die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 19. Juni 2000, B 218/00, ablehnte und diese an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Der Beschwerdeführer erstattete einen ergänzenden Schriftsatz vom 19. September 2000, in dem er die Aufhebung des bekämpften Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrte.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf richtige und einzelfallbezogen konkrete Feststellung der "durch einen Dienstunfall" (gemeint vom 13. Februar 1998) herbeigeführten Erwerbsminderung ebenso wie in seinem Recht auf Leistung einer Versehrtenrente nach dem Tiroler Gemeindebeamten-Kranken- und Unfallfürsorgegesetz 1998 (GKUFG 1998), LGBl. Nr. 98, verletzt.

§ 44 Abs. 1 und 5 GKUFG 1998 lautet:

"(1) Anspruch auf Versehrtenrente besteht, wenn die Erwerbsfähigkeit des Anspruchsberechtigten durch die Folgen eines Dienstunfalles oder einer Berufskrankheit mehr als drei Monate hindurch um mindestens 20 v.H. vermindert ist. Die Versehrtenrente gebührt für die Dauer der Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v.H.

...

(5) Der Anspruch auf Versehrtenrente besteht trotz Abfindung, solange durch eine nachträgliche Verschlimmerung der Folgen des Dienstunfalles oder der Berufskrankheit eine weitere Minderung der Erwerbsfähigkeit des Anspruchsberechtigten um mehr als 10 v.H. für länger als drei Monate bewirkt wird. Die Versehrtenrente ist um den Betrag zu kürzen, der der Berechnung der Abfindung zu Grunde gelegt wurde."

§ 45 Abs. 1 GKUFG 1998 lautet:

"Die Versehrtenrente ist nach dem Grad der durch den Dienstunfall oder durch die Berufskrankheit herbeigeführten Minderung der Erwerbsfähigkeit am 90. Tag nach dem Anfall der Versehrtenrente (§ 44 Abs. 3) zu bemessen."

Der Wortlaut der zitierten Bestimmungen des GKUFG 1998, und zwar insbesondere § 44 Abs. 5, wonach eine Verschlimmerung der Folgen des Dienstunfalls keine nachteiligen Auswirkungen für jemand haben soll, der eine Abfindung bekommen hat, weist darauf hin, dass der Gesetzgeber einen strengen Konnex zwischen einem (jedem) Dienstunfall und der genau aus diesem Dienstunfall resultierenden Minderung der Erwerbsfähigkeit festlegen wollte. Dies erhellt auch daraus, dass es weder im GKUFG 1998 noch im Tiroler Beamten- und Lehrer-Kranken- und Unfallfürsorgegesetz, LGBl. Nr. 97/1998, eine dem § 108 B-KUVG vergleichbare Regelung gibt; § 108 B-KUVG regelt ausdrücklich die zusammenschauende Betrachtungsweise bezüglich der Minderung der Erwerbsfähigkeit bei zwei oder mehreren Dienstunfällen. § 108 B-KUVG enthielt eine solche Bestimmung seit der Stammfassung, BGBl. Nr. 200/1967. In ähnlicher Weise enthielt das GKUFG in seiner Stammfassung, LGBl. Nr. 37/1968, einen § 49, der ausdrückliche Regelungen für die Versehrtenrente aus mehreren Anspruchsfällen traf. Dieser § 49 wurde durch die Novelle LGBl. Nr. 57/1989 aufgehoben. Daraus wird deutlich, dass das GKUFG 1998 nunmehr von einer strikt getrennten Beurteilung jedes einzelnen Dienstunfalls und der genau aus diesem Dienstunfall resultierenden Minderung der Erwerbsfähigkeit ausgeht. Eventuelle Vorschädigungen fließen nur insoweit in die Betrachtung ein, als sie zur Feststellung des Zustandes vor dem jeweils betrachteten Dienstunfall, d.h. des Zustandes von dem aus die Minderung der Erwerbsfähigkeit durch den jeweils betrachteten Dienstunfall berechnet wird, heranzuziehen sind.

Gegen diese gesetzliche Regelung bestehen beim Verwaltungsgerichtshof unter dem Gesichtspunkt des Beschwerdefalles keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. dazu insbesondere die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 12. Oktober 2000, G 112/98 = VfSlg. 15.985, wonach es "aus dieser Sicht auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (begegnet), wenn der Gesetzgeber einen Rentenanspruch aus mehreren Versicherungsfällen nur dann und insoweit zuerkannt hätte, wenn jeder dieser Versicherungsfälle eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v.H. nach sich zöge").

Der Einwand des Beschwerdeführers, bei einer solchen streng kausalen Sichtweise stellte sich das Problem der Unmöglichkeit der Differenzierung zwischen einer und mehreren Berufskrankheiten, ist nicht stichhältig. Die möglichen Berufskrankheiten im Sinn des § 44 Abs. 1 GKUFG 1998 sind auf Grund des statischen Verweises in § 24 Abs. 1 GKUFG 1998 in der Anlage 1 des ASVG idF BGBl. I Nr. 68/1999, aufgezählt, sodass eine Differenzierung zwischen mehreren Berufskrankheiten bei einer Person durchaus möglich ist. Dies gilt sinngemäß für die Berufskrankheiten im Sinn von § 24 Abs. 2 GKUFG 1998.

Die vom Beschwerdeführer angesprochene Abgrenzung des Dienstunfalls von einem Privatunfall ergibt sich schon durch die Definitionen der Dienstanfälle und der ihnen gleichgestellten Unfälle in den §§ 22 und 23 GKUFG 1998.

Weiters ist nicht zu ersehen, dass die vom Beschwerdeführer relevierte Frage der richtigen Auslegung der "Vorschadensjudikatur" des OGH in diesem Fall von Bedeutung wäre. Es waren nämlich nur die Folgen eines einzelnen Unfalles unter Berücksichtigung der damaligen gesundheitlichen Verfassung zu prüfen.

Mag der Zweck der Versehrtenrente - wie der Beschwerdeführer ausführt - auch im Ersatz für die Beeinträchtigung des Versehrten liegen, so hat der Tiroler Gesetzgeber doch den Weg gewählt, einen strengen Zusammenhang zwischen dem einzelnen Dienstunfall und der genau daraus resultierenden Minderung der Erwerbsfähigkeit festzulegen, die genau jene Beeinträchtigung abgilt, die durch diesen Dienstunfall entstanden ist.

Der Beschwerdeführer hat in seiner Dienstunfallsanzeige vom 18. Februar 1998 auf den Dienstunfall vom 13. Februar 1998 abgestellt; daher konnte die Behörde zu Recht davon ausgehen, dass dieser Dienstunfall und nicht jener vom 17. Juni 1987 Gegenstand des Verfahrens ist.

Daher ist es für den vorliegenden Fall irrelevant, welchen Anteil jeder Dienstunfall an der gesamten Minderung der Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers hat, sodass insbesondere ein Auftrag an den Gutachter, dies zu prüfen, nicht erforderlich war.

Im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist festzuhalten, dass die belangte Behörde alle ihr vorgelegten Gutachten in entsprechender Gewichtung in ihre Begründung einfließen ließ, obgleich jene des Beschwerdeführers im Wesentlichen zu einer anderen Frage (nämlich zur Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers bei gesamter Betrachtung seines Gesundheitszustandes und nicht zur Frage der Minderung seiner Erwerbsfähigkeit als Folge eines bestimmten einzelnen Vorfalles) erstellt worden waren.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, die Behörde hätte ihn gemäß § 13a AVG anleiten müssen, einen Antrag auf Versehrtenrente auf Grund des Dienstunfalls vom 17. Juni 1987 zu stellen, bzw. sie hätte den Antrag des Beschwerdeführers vom 18. Februar 1998 in diese Richtung umzudeuten gehabt, ist auszuführen, dass für die belangte Behörde als Berufungsbehörde die "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG, in der sie zu entscheiden hatte, durch den erstinstanzlichen Bescheid festgelegt war, ohne dass sie verpflichtet gewesen wäre, Ermittlungen darüber anzustellen, ob der Beschwerdeführer einen anderen Antrag hätte stellen können, der vielleicht eher zur Zuerkennung der Versehrtenrente geführt hätte, zumal er im Berufungsverfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten war. Auf Grund der erkennbaren Annahme der Erstbehörde, es liege bloß eine Dienstunfallsanzeige im Zusammenhang mit dem Dienstunfall vom 13. Februar 1998 vor, wäre es nämlich vielmehr am Beschwerdeführer gelegen gewesen, der Erstbehörde gegenüber klarzustellen, dass er einen Antrag auf Versehrtenrente auf Grund des Dienstunfalls vom 17. Juni 1987 stelle, worüber ebenfalls ein Verfahren abzuführen und eine Entscheidung zu treffen sei (siehe auch die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Mai 1995, Zl. 95/01/0090, und vom 17. Mai 1995, Zl. 95/01/0101), zumal die Behörden durch § 13a AVG nicht gehalten sind, unvertretenen Parteien ganz allgemein Unterweisungen zu erteilen, wie ihr Vorbringen zu gestalten wäre, damit sich der jeweilige Parteienstandpunkt letztlich durchsetzen könne (so das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. April 1994, Zl. 91/07/0038).

Da also nur der Dienstunfall vom 13. Februar 1998 und die genau daraus resultierende Minderung der Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers Gegenstand des Verfahrens ist - wobei zur Feststellung des Zustandes vor diesem Dienstunfall alle Vorschäden berücksichtigt wurden - und diese Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 0 % festgestellt wurde, war der Antrag des Beschwerdeführers abzuweisen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 28. Jänner 2004

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2000120224.X00

Im RIS seit

04.03.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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