TE Vwgh Erkenntnis 2004/1/30 2000/02/0210

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Veröffentlicht am 30.01.2004
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §46;
AVG §48;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):2000/02/0214 E 30. Jänner 2004

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde der AK in G, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl Rechtsanwaltsgesellschaft m.b.H. in Graz, Schmiedgasse 31, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 28. Juni 2000, Zl. LGS600/ALV/1218/2000-Gra/Kö, betreffend befristeter Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 28. Juni 2000 wurde ausgesprochen, dass die Beschwerdeführerin den Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 i.V.m. § 10 AlVG für den Zeitraum vom 1. April 2000 bis 12. Mai 2000 verloren habe.

In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe die Arbeitsaufnahme bei einem näher genannten Unternehmen vereitelt. In einer dazu (durch die Behörde erster Instanz) aufgenommenen Niederschrift habe die Beschwerdeführerin angegeben, anlässlich des Bewerbungsgesprächs von einer näher genannten Person dieses Unternehmens (im Folgenden kurz als "Dienstgeberin" bezeichnet) in Vormerkung genommen worden zu sein. Die Dienstgeberin habe jedoch nach Bekanntgabe des Gehaltswunsches gemeint, dass die Beschwerdeführerin auf Grund mangelnder Praxis für die Toureneinteilung und Fakturierung im Unternehmen nicht in Frage komme. Den Stellenvorschlag habe die Dienstgeberin daraufhin von "vorgemerkt" auf "nicht eingestellt" abgeändert. In der Niederschrift habe die Beschwerdeführerin jedoch noch ausgeführt, dass ihr Alter sowie ihre geringfügige Beschäftigung ihrer Meinung nach dafür nicht ausschlaggebend gewesen seien und dass die Ablehnung nicht von ihrer Seite, sondern von der Dienstgeberin gekommen sei.

Die Dienstgeberin habe dazu allerdings angegeben, dass die Beschwerdeführerin das Stellenangebot mit der Begründung abgelehnt habe, in fünf Jahren bereits in Pension zu gehen und ohnedies einer geringfügigen Beschäftigung nachzugehen.

Die Beschwerdeführerin habe in der Berufung weitgehend wortgetreu die in der Niederschrift vom 21. April 2000 gemachten Angaben wiederholt und abschließend gemeint, dass sie am Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses kein Verschulden treffe, sondern die Dienstgeberin sie abgelehnt habe.

Mit den Berufungseinwendungen konfrontiert habe die Dienstgeberin nochmals angegeben, dass die Beschwerdeführerin beim Vorstellungsgespräch den Eindruck vermittelt habe, nicht oder nicht lange arbeiten zu wollen, indem sie sofort auf ihr Alter hingewiesen und gemeint habe, in fünf Jahren sowieso in Pension zu gehen und darüber hinaus ohnedies eine geringfügige Beschäftigung auszuüben.

In freier Beweiswürdigung werde daher von der belangten Behörde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin durch ihre Vorgangsweise beim Vorstellungsgespräch eine mögliche Arbeitsannahme vereitelt habe, womit die Entscheidung der Behörde erster Instanz, die Beschwerdeführerin vom Notstandshilfebezug für die Zeit vom 1. April bis 12. Mai 2000 auszuschließen, richtig gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerdeführerin wendet u.a. ein, die belangte Behörde habe kein zur Lösung der Tatfragen bzw. des Sachverhaltes ausreichendes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Berufung habe sich die belangte Behörde veranlasst gesehen, nochmals die Dienstgeberin zu befragen bzw. neuerlich mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Berufung zu konfrontieren. Der Beschwerdeführerin sei nicht Gelegenheit gegeben worden, die erhobenen Vorwürfe der Dienstgeberin, niedergeschrieben in den beiden Aktenvermerken vom

15. und vom 23. Juni 2003, durch neuerliche Einvernahme zu entkräften.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs kommen gemäß § 46 AVG als Beweismittel grundsätzlich auch formlose (mündliche oder fernmündliche) Befragungen in Betracht. Wo aber widersprechende Beweisergebnisse vorliegen und der Beweiswürdigung besondere Bedeutung zukommt, ist es im Interesse der Erforschung der materiellen Wahrheit nicht zulässig, sich mit formlosen Befragungen zu begnügen. In einem solchen Fall hat die Behörde gemäß § 39 Abs. 2 AVG die betreffende Person als Zeugen zu vernehmen (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, S. 545, unter E 34 zu § 46 AVG widergegebene Judikatur).

Im Beschwerdefall wurden zwar von der belangten Behörde (formlose) ergänzende Stellungnahmen der Dienstgeberin eingeholt, die in den Aktenvermerken vom 15. und 23. Juni 2003 festgehalten wurden, jedoch ist während des gesamten Verwaltungsverfahrens - soweit aus den vorgelegten Verwaltungsakten zu ersehen ist - trotz widersprechender Beweisergebnisse hinsichtlich des Verhaltens der Beschwerdeführerin anlässlich des Vorstellungsgespräches eine förmliche Einvernahme der Dienstgeberin als Zeugin unterblieben. Dies ist jedoch im Lichte der vorzitierten Judikatur wesentlich, weil sich die belangte Behörde hinsichtlich der angenommenen Vereitelung der Arbeitsaufnahme durch die Beschwerdeführerin maßgeblich auf die ergänzend im Berufungsverfahren eingeholten Stellungnahmen der Dienstgeberin stützte. Die Beschwerdeführerin zeigt daher zu Recht das Vorliegen von wesentlichen Verfahrensmängeln auf.

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben. Es erübrigt sich folglich auch auf das weitere Beschwerdevorbringen näher einzugehen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 30. Jänner 2004

Schlagworte

Beweismittel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2000020210.X00

Im RIS seit

23.02.2004

Zuletzt aktualisiert am

14.08.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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