TE Vfgh Erkenntnis 2000/9/25 B754/98

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Veröffentlicht am 25.09.2000
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Index

82 Gesundheitsrecht
82/03 Ärzte, sonstiges Sanitätspersonal

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
ÄrzteG §25
ÄrzteG §95 Abs1

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Zahnarzt wegen verbotener Werbung sowie wegen versuchter entgeltlicher Vermittlung eines Kassenvertrages

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Der Beschwerdeführer ist Zahnarzt in Wien. Mit Erkenntnis des Disziplinarsenates der Österreichischen Ärztekammer vom 19.1.1998, GZ DS 13/1997, wurde seiner Berufung wegen Schuld und Strafe gegen das Erkenntnis des Disziplinarrates der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Wien, Niederösterreich und Burgenland der Erfolg versagt und über ihn eine Disziplinarstrafe verhängt.

Der Spruch des erstinstanzlichen, von der zweiten Instanz bestätigten, Bescheides lautete:

"Dr. E. A. J. ist schuldig, er hat:

1) es im Jahre 1995 in Wien zumindest geduldet, daß im 'Kurier' vom 14.9.1995 im Rahmen der Beilage 'Wellness Werbung' auf Seite 2 dieser Beilage der nachstehende Artikel erschien, wobei ihm sowohl die Überschrift als auch der Text vor dem Erscheinen bekannt waren:

'Ein Zahntempel vom Feinsten

Lachen Sie ruhig, zeigen Sie Ihre Zähne! Goldene Füllungen oder silberne aus Amalgam (in Skandinavien schon verboten) müssen heute nicht mehr sein. Keramik-Füllungen sind vom natürlichen Zahn nicht zu unterscheiden. Auf die Ästhetik der Arbeiten wird größter Wert gelegt. ...

Bild: IPS

Einfach schöner:

-Keramik-Füllungen,

-Schalen,

-Kronen.'

2.) im Juli 1993 in Wien versucht, Dr. I. K. zur Zahlung einer Summe von S 900.000,- für einen Kassenvertrag betreffend eine Kassenplanstelle in 1130 Wien zu bewegen, wobei er vorschlug, daß diesbezüglich von der Käuferin ein Wechsel unterfertigt werden sollte."

Damit habe der Beschwerdeführer hinsichtlich des Spruchpunktes 1) gegen §25 Abs1 ÄrzteG 1984 i.V.m. Art3 lite der Werberichtlinien "Arzt und Öffentlichkeit" verstoßen, sowie hinsichtlich des Spruchpunktes 2) das Ansehen der Österreichischen Ärzteschaft beeinträchtigt und somit insgesamt ein Disziplinarvergehen gem. §95 Abs1 Z1 und 2 ÄrzteG begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe zu verhängen sei.

Die belangte Behörde gab der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und begründete dies wie folgt:

"Der in Ansehung des Werbe-Faktums erhobenen Rechtsrüge zuwider ist es irrelevant, ob die inkriminierte Werbeeinschaltung vom Beschuldigten stammte bzw. ob es dem Beschuldigten zum Zeitpunkt, als er den Inhalt des Artikels erfuhr, überhaupt noch möglich war, die Veröffentlichung desselben zu verhindern. Denn ausgehend davon, daß gemäß Art6 der Werberichtlinien der Arzt in zumutbarer Weise dafür zu sorgen hat, daß standeswidrige Werbung für ihn durch Dritte, insbesondere durch Medien unterbleibt, ist es in Zusammenhalt mit §95 Abs3 ÄrzteG., wonach für die Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt, allein entscheidend, daß es dem Beschuldigten bei der gegebenen Sachlage - er wußte nach dem Telefonat mit dem Journalisten des 'Kurier', daß es zu einem seine Tätigkeiten betreffenden Artikel in der 'Wellness-Beilage' dieser Zeitung kommen würde - durchaus zuzumuten war, den Artikel vor Drucklegung zu kontrollieren bzw. Erkundigungen bei der Ärztekammer über seine Verträglichkeit mit den Werberichtlinien einzuholen. Da er dies unterlassen hat und der inkriminierte Artikel - namentlich angesichts der Überschrift ('Ein Zahntempel vom Feinsten') eine reklamehafte Herausstellung der ärztlichen Tätigkeit des Beschuldigten in aufdringlicher und marktschreierischer Weise darstellt, mußte der Berufung in diesem Punkt ein Erfolg versagt bleiben.

Gleiches gilt für den zweiten Punkt des Schuldspruchs.

...

Die vom Disziplinarbeschuldigten in diesem Zusammenhang aufgestellten Behauptungen, es könne als notorisch vorausgesetzt werden, daß Kassenstellen einen erheblichen wirtschaftlichen Wert darstellten und daß demgemäß bei einer Weitergabe von Kassenstellen häufig Ablösen bezahlt würden sowie daß diese Vorgangsweise von der Österreichischen Ärztekammer im allgemeinen auch toleriert werde, gehen nach dem zuvor Gesagten ersichtlich ins Leere, weil es vorliegend eben nicht darum geht, daß eine florierende Kassenstelle mit entsprechendem Patientenstock weitergegeben werden sollte, sondern daß der Disziplinarbeschuldigte trachtete, eine ihm bloß in Aussicht gestellt(e) Kassenstelle noch vor deren Übernahme und ohne daß er seinerseits dafür finanzielle Leistungen erbracht hätte, gegen ein sehr erhebliches Entgelt zu transferieren.

Wenn der Disziplinarbeschuldigte schließlich behauptet, es komme ihm der Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue (i.S. des analog anzuwendenden §167 StGB) zustatten, weil er, noch bevor die Behörde im August 1993 von seinen Verhandlungen mit Dr. K. erfahren habe, bereits am 19. Juli 1993 in einem Schreiben an Dr. K. ausdrücklich von seinem angeblichen Vorhaben, das Mietobjekt zu verwerten, Abstand genommen habe, geht dies mehrfach fehl. Denn zum einen war nach den erstinstanzlichen Konstatierungen Verhandlungsgegenstand nicht das 'Mietobjekt', sondern die dem Beschuldigten in Aussicht gestellte Kassenplanstelle und zum anderen, daß bei einem (mißglückten) Versuch weder tätige Reue noch auch Rücktritt vom Versuch in Betracht kommt.

In seiner - auch rechtliche Einwände beinhaltenden - Tatsachenrüge vermeint der Disziplinarbeschuldigte, seiner Verantwortung, die verhandelten S 900.000,-- seien für die Ablöse des Mietvertrages und für die am Mietobjekt getätigten Investitionen, nicht aber für eine Kassenstelle zu bezahlen gewesen, hätte schon deshalb Glauben geschenkt werden müssen, weil er über die Kassenstelle nicht verfügen konnte und daher ein Handel damit geradezu unmöglich gewesen sei, wobei dem Erkenntnis der Disziplinarkommission keinerlei Feststellungen entnommen werden könnten, die eine derartige Einflußmöglichkeit des Beschuldigten auch nur ansatzweise andeuteten.

Mit all dem läßt der Beschuldigte unberücksichtigt, daß Gegenstand des 'Handels' nicht eine ihm bereits zugewiesene Kassenstelle sondern die bloße Anwartschaft darauf darstellte und daß der mangelnden Einflußmöglichkeit des Beschuldigten auf die Zuteilung der Stelle von ihm dadurch Rechnung getragen wurde, daß er seiner Kollegin Dr. K. das oben im Detail geschilderte Wechselgeschäft vorschlug, um sie für den Fall schadlos zu halten, daß entweder er die zugesicherte Kassenstelle nicht erhielt oder die Weitergabe an sie (Dr. K.) nicht funktionierte."

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

2.1. Konkret führt er zu Spruchpunkt 1) aus, daß die belangte Behörde keinerlei Feststellungen in bezug auf sein Verschulden getroffen habe, bzw. ein Verschulden darin erblicke, vor Erscheinen der Beilage keine Stellungnahme der Ärztekammer eingeholt zu haben. Wenn es, wie die belangte Behörde in ihrem Bescheid ausführe, irrelevant sei, ob die inkriminierte Werbeeinschaltung vom Beschuldigten stamme bzw. ob es dem Beschuldigten überhaupt noch möglich gewesen sei, die Veröffentlichung des Artikels, zum Zeitpunkt als er von dessen Inhalt erfuhr, zu verhindern, würde dies darauf hinauslaufen, jemanden für das Verhalten einen Dritten zur Verantwortung zu ziehen; dies ohne daß ihn selbst ein Verschulden treffe. Dies sei eine massive Verkennung der Rechtslage, weshalb ein willkürliches Verhalten der belangten Behörde vorliege.

Zu Spruchpunkt 2) legt der Beschwerdeführer dar, daß es Praxis der Ärztekammer sei, Arztpraxen mit Kassenverträgen zu verkaufen. Dies laufe in der Form ab, daß die Ärztekammer den Preis für solche Praxen mitbestimmend festlege, indem sie Auskünfte über den Wert einer Praxis gebe. Dieses Verhalten der Ärztekammer unterscheide sich nicht von jenem des Beschwerdeführers. Er habe lediglich die Adresse einer Ordination, an der er auch Adaptierungsarbeiten durchgeführt habe, namhaft gemacht und hinzugefügt, daß dort die Möglichkeit bestünde, Kassenverträge zu erlangen, wofür er eine Gegenleistung erhalten wollte. Von diesem Vorgehen habe die Ärztekammer im übrigen nur Kenntnis erlangt, weil die Kollegin, an die der Beschwerdeführer sein Angebot gerichtet habe, "mittels Lauschaktion und Tonbandaufnahme" die Ärztekammer informiert habe, um selbst an Kassenverträge zu gelangen. Die Ärztekammer habe aber erst zu einem Zeitpunkt von seinem Verhalten Kenntnis erlangt, als er längst von diesem Abstand genommen hätte. Da bei dem mitgeschnittenen Telephonat noch keine Einigung erzielt worden sei, sei er - bevor die belangte Behörde von seinem Verhalten überhaupt Kenntnis erlangt habe -, vom Versuch zurückgetreten. Da die belangte Behörde dies verkannt habe, habe sie Willkür geübt.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, aber keine Gegenschrift erstattet.

4. Die Rechtslage nach dem ÄrzteG 1984 stellte sich folgendermaßen dar:

§25 ÄrzteG 1984 lautete:

"§25. (1) Der Arzt hat sich jeder unsachlichen, unwahren oder das Standesansehen beeinträchtigenden Information im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufes zu enthalten.

(2) Der Arzt darf keine Vergütungen für die Zuweisung von Kranken an ihn oder durch ihn sich oder einem anderen versprechen, geben, nehmen oder zusichern lassen. Rechtsgeschäfte, die gegen dieses Verbot verstoßen, sind nichtig. Leistungen aus solchen Rechtsgeschäften können zurückgefordert werden.

(3) Die Vornahme der gemäß Abs1 und 2 verbotenen Tätigkeiten ist auch sonstigen physischen und juristischen Personen untersagt.

(4) Die Österreichische Ärztekammer kann nähere Vorschriften über die Art und Form der im Abs1 genannten Informationen erlassen."

§95 ÄrzteG 1984 lautete:

"Disziplinarverfahren

§95. (1) Ärzte machen sich eines Disziplinarvergehens schuldig, wenn sie

1. das Ansehen der in Österreich tätigen Ärzteschaft durch ihr Verhalten der Gemeinschaft, den Patienten oder den Kollegen gegenüber beeinträchtigen, oder

2. die Berufspflichten verletzen, zu deren Einhaltung sie sich anläßlich der Promotion zum Doctor medicinae universae verpflichtet haben oder zu deren Einhaltung sie nach diesem Bundesgesetz oder nach anderen Vorschriften verpflichtet sind.

(2) Ärzte machen sich jedenfalls eines Disziplinarvergehens schuldig, wenn sie

1. eine oder mehrere strafbare Handlungen vorsätzlich begangen haben und deswegen von einem in- oder ausländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder zu einer Geldstrafe von zumindest 360 Tagessätzen verurteilt worden sind oder

2. den ärztlichen Beruf ausüben, obwohl über sie rechtskräftig die Disziplinarstrafe der befristeten Untersagung der Berufsausübung (§101 Abs1 Z3) verhängt worden ist.

(3) Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, genügt für die Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten.

(4) Unter den Voraussetzungen der Abs1 bis 3 machen sich auch Staatsangehörige der Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, die den ärztlichen Beruf in einem dieser Staaten rechtmäßig ausüben und im Inland vorübergehend ärztliche Dienstleistungen erbringen (§3d), sowie Ärzte, deren Berufssitz oder Dienstort im Ausland gelegen ist und die den ärztlichen Beruf im Inland gemäß §16 Abs7 Z3 ausüben, eines Disziplinarvergehens schuldig.

(5) Die disziplinäre Verfolgung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der dem angelasteten Disziplinarvergehen zugrunde liegende Sachverhalt einen gerichtlichen Straftatbestand oder einen Verwaltungsstraftatbestand bildet.

(6) Die Verfolgbarkeit eines Disziplinarvergehens erlischt durch Verjährung, wenn der Disziplinaranwalt nicht innerhalb von fünf Jahren vom Zeitpunkt der Handlung oder Unterlassung die Anzeige erstattet hat. Der Lauf der Verjährungsfrist wird, wenn wegen des dem Disziplinarvergehen zugrunde liegenden Sachverhaltes ein gerichtliches Strafverfahren oder ein Verwaltungsverfahren anhängig ist, für die Dauer dieses Verfahrens gehemmt.

(7) Ein Disziplinarvergehen ist vom Disziplinarrat nicht zu verfolgen, wenn die Schuld des Arztes gering ist und sein Verhalten keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat.

(8) Auf Ärzte für Allgemeinmedizin, Fachärzte, approbierte Ärzte und in Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin oder Facharzt befindliche Ärzte, die ihren Beruf im Rahmen eines Dienstverhältnisses bei einer Gebietskörperschaft oder einer anderen Körperschaft öffentlichen Rechts mit eigenem Disziplinarrecht ausüben, sind die Vorschriften über das Disziplinarverfahren hinsichtlich ihrer dienstlichen Tätigkeit und der damit verbundenen Berufspflichten nicht anzuwenden."

5. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erkannt:

5.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Der Beschwerdeführer bringt - anders als noch in seinem Rechtsmittel im Disziplinarverfahren - gegen die den Bescheid tragenden Rechtsvorschriften keine Bedenken vor; solche sind beim Verfassungsgerichtshof aus Anlaß der Beschwerde auch nicht entstanden. Der Beschwerdeführer kann demgemäß nur dann in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden sein, wenn die belangte Behörde Willkür geübt hat.

5.2. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10.338/1985, 11.213/1987).

5.2.1. Der Verfassungsgerichtshof vermag die Bedenken des Beschwerdeführers hinsichtlich des Spruchpunktes 1) nicht zu teilen. Die belangte Behörde hat in ihrem Bescheid dargelegt, daß sie das Verschulden des Beschwerdeführers darin erblickt, es unterlassen zu haben, für das Unterbleiben einer standeswidrigen Werbung zu sorgen bzw. keine Erkundigungen über die "Verträglichkeit" des Artikels mit den Werberichtlinien bei der Ärztekammer eingeholt zu haben. Da die belangte Behörde daher sehr wohl von einem verschuldensgebundenen Verhalten ausgegangen ist, und dies auch begründet hat, ist ihr bezüglich Spruchpunkt 1) keine Willkür vorzuwerfen. Entgegen den diesbezüglichen Beschwerdeausführungen durfte es die belangte Behörde denkmöglich auch für irrelevant halten, ob der Beschwerdeführer die inkriminierte Veröffentlichung hätte "verhindern" können: dieser Frage käme nämlich - unter dem Blickwinkel verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstäbe - nur dann offenkundig Bedeutung im Zusammenhang mit der Schuldfrage zu, wenn der Beschwerdeführer, dem der Text vor der Veröffentlichung unbestrittenermaßen zur Kenntnis gebracht wurde, dessen Veröffentlichung zumindest (wenn auch erfolglos) untersagt hätte. Das hat er jedoch weder im Disziplinar- noch im Beschwerdeverfahren je behauptet.

5.2.2. Aber auch hinsichtlich des Spruchpunktes 2) ist der Beschwerdeführer nicht in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden: Eine Beeinträchtigung des Ansehens der österreichischen Ärzteschaft durch den Versuch, eine andere Ärztin zur Zahlung eines Entgeltes für einen Kassenvertrag zu bewegen, wobei er vorschlug, daß diesbezüglich von der "Käuferin" ein Wechsel unterfertigt werden sollte, durfte von der belangten Behörde denkmöglich angenommen werden.

5.2.2.1. Entgegen den Beschwerdeausführungen - die, soweit sie sich in polemischen Ausführungen gegen angebliche Praktiken der Ärztekammer im Zusammenhang mit der Vergabe von Kassenplanstellen erschöpfen, das Thema des Verfahrens verkennen - wurde dem Beschwerdeführer nicht vorgeworfen, eine ihm gehörende Kassenordination samt Kassenvertrag gegen Entgelt "veräußert" zu haben, sondern vielmehr, daß er versucht habe, für die bloße Vermittlung eines Kassenvertrages, den er selbst in Aussicht zu haben glaubte, einen Betrag von S 900.000.- als eine Art"Erfolgshonorar" zu fordern und überdies für diese Forderung, von der angesichts der weitgehend fehlenden rechtlichen Ingerenz des Beschwerdeführers auf die Vergabe von Kassenplanstellen (einem Glücksgeschäft nicht unähnlich) höchst zweifelhaft sein mußte, ob sie überhaupt entstehen würde, eine - für die andere Vertragsseite im übrigen höchst risikoreiche - "Besicherung" durch ein Wechselgeschäft verlangte.

5.2.2.2. Anders als die Beschwerde meint, kann der belangten Behörde nach verfassungsrechtlichen Maßstäben auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie nicht von einem "schuldbefreienden Rücktritt" des Beschwerdeführers ausging. Die nachfolgende schriftliche Erklärung des Beschwerdeführers, von dem in Aussicht genommenen Geschäft abzustehen, änderte nämlich nichts daran, daß nach dem (insoweit aus verfassungsrechtlicher Sicht unbedenklichen) Ergebnis der Beurteilung der belangten Behörde bereits das davor gesetzte Verhalten des Beschwerdeführers, welches in den festgestellten nachhaltigen und geradezu drängenden Aufforderungen an die in Aussicht genommene Vertragspartnerin, ein solches Rechtsgeschäft mit ihm abzuschließen, bestanden hat, als Disziplinardelikt vollendet gewesen ist. Es kann daher eine weitere Erörterung der Frage der Anwendung des Rechtsinstitutes des schuldbefreienden Rücktritts vom Versuch im Disziplinarrecht der Ärzte auf sich beruhen.

5.3. Die vom Beschwerdeführer im übrigen geltend gemachten Beschwerdegründe würden selbst für den Fall, daß sie zuträfen, weder Willkür begründen, noch den Beschwerdeführer in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzen; sie sind insoweit nicht verfassungsrechtlicher Natur. Der Verfassungsgerichtshof hat jedoch nicht zu prüfen, ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. VfSlg. 8309/1978, 9454/1982, 10565/1984, 12697/1991 und 13762/1994).

6. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

7. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Ärzte, Disziplinarrecht, Werbung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:B754.1998

Dokumentnummer

JFT_09999075_98B00754_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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