TE Vwgh Erkenntnis 2004/2/18 2003/08/0107

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Veröffentlicht am 18.02.2004
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Index

E3L E05204010;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

31979L0007 Gleichbehandlungs-RL Soziale Sicherheit Art4 Abs1;
31979L0007 Gleichbehandlungs-RL Soziale Sicherheit;
AlVG 1977 §33;
AlVG 1977 §36;
NotstandshilfeV §2;
NotstandshilfeV §6;
VwGG §26a Abs3 Z1;
VwGG §26a;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):2004/08/0016 E 21. April 2004

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwaltsgesellschaft m.b.H. in 8010 Graz, Schmiedgasse 31, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 25. April 2003, Zl. LGS600/SfA/1218/2003-He/Kö, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer auf Grund seines Antrages Notstandshilfe im Betrag von täglich EUR 15,02 zuerkannt. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, bei Beurteilung der Notlage des Beschwerdeführers sei die Nettopension seiner Lebensgefährtin gemäß § 6 Notstandshilfeverordnung zu berücksichtigen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde stellt der Beschwerdeführer das Einkommen seiner Lebensgefährtin und die rechnerische Richtigkeit der Berechnung seines Anspruches gemäß § 6 Notstandshilfeverordnung nicht in Abrede. Er wendet sich gegen die Anrechnung des Einkommens seiner mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebensgefährtin, weil diese Anrechnung dem Gemeinschaftsrecht, insbesondere der Richtlinie 79/7/EWG des Rates zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit, widerspreche. Darüber hinaus rügt der Beschwerdeführer den Umstand, dass die belangte Behörde trotz des im BGBl. II Nr. 15/2003 (gemeint wohl: 16/2003) kundgemachten Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes das Verfahren nicht unterbrochen habe.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In dem am 21. Jänner 2003 ausgegebenen Bundesgesetzblatt Teil II, Nr. 16/2003, wurde der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes in dem zur Zl. 2002/08/0038 anhängigen Verfahren gemäß § 26a VwGG wie folgt kundgemacht:

"1. Es besteht Grund zur Annahme, dass beim Verwaltungsgerichtshof eine erhebliche Anzahl von Beschwerden eingebracht werden wird, in denen die Rechtsfrage zu lösen ist, ob die gesetzliche Anordnung der Berücksichtigung des Einkommens des Lebensgefährten bei Beurteilung der Notlage der im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebensgefährtin im Zusammenhang mit der Gewährung von Notstandshilfe dem Gemeinschaftsrecht entspricht, insbesondere ob darin nicht eine verdeckte Diskriminierung der Frauen erblickt werden kann.

2. Zur Beantwortung der in Z. 1 genannten Frage hat der Verwaltungsgerichtshof folgende Rechtsvorschriften anzuwenden:

§ 33 AlVG, BGBl. Nr. 609/1977, i.d.F. BGBl. I Nr. 179/1999, und § 36 AlVG, BGBl. Nr. 609/1977, i.d.F. BGBl. I Nr. 142/2000; § 2 Notstandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 352/1973,

i. d.F. BGBl. Nr. 388/1989, und § 6 Notstandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 352/1973, i.d.F. BGBl. Nr. 240/1996; Art. 2 bis 4 der Richtlinie 79/7/EWG des Rates zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit vom 19. Dezember 1978 (Gleichbehandlungsrichtlinie), ABl. Nr. L 006 vom 10. Jänner 1979, S 24.

... .

Die Wirkungen dieser Kundmachung werden im § 26a Abs. 3 und 4 VwGG wie folgt umschrieben:

"(3) Mit Ablauf des Tages der Kundmachung des Beschlusses gemäß Abs. 1

1. dürfen in allen Rechtssachen, in denen eine zur Entscheidung in oberster Instanz berufene Verwaltungsbehörde die im Beschluss genannten Rechtsvorschriften anzuwenden und eine darin genannte Rechtsfrage zu beurteilen hat, nur solche Handlungen vorgenommen oder Entscheidungen und Verfügungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können und die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten; ...

(4) In seinem Erkenntnis fasst der Verwaltungsgerichtshof die Antwort auf die zu lösenden Rechtsfragen in einem Rechtssatz zusammen, der nach Maßgabe des Abs. 2 unverzüglich kundzumachen ist. Mit Ablauf des Tages der Kundmachung des Rechtssatzes enden die Wirkungen des Abs. 3 Z. 1 und 3 und beginnt die gemäß Abs. 3 Z. 2 gehemmte oder unterbrochene Beschwerdefrist zu laufen."

Der Zweck der Bestimmung des § 26a und insbesondere die mit dem kundzumachenden Beschluss verbundenen Wirkungen bestehen darin, so genannte Massenverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu verhindern. Dies soll u.a. durch die Wirkung, dass letztinstanzliche Verwaltungsverfahren, in denen die dort genannten Normen anzuwenden sind, unterbrochen werden (Bericht des Verfassungsausschusses, 1258 Blg, NR. XXI. GP, 1). Durch diese grundsätzlich angeordnete Unterbrechung war die belangte Behörde nur berechtigt und verpflichtet, solche Handlungen vorzunehmen oder Entscheidungen und Verfügungen zu treffen, die durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können und die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten (§ 26a Abs. 3 Z. 1). Die Nichtbeachtung dieser Wirkung der Unterbrechung des Verfahrens begründet eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes des Bescheides (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. September 2003, 2003/17/0124).

Aus dem Wortlaut des genannten Beschlusses ergibt sich, dass er sich lediglich auf die Rechtsfrage bezieht, ob die gesetzliche Anordnung der Berücksichtigung des Einkommens des Lebensgefährten bei Beurteilung der Notlage der Lebensgefährtin dem Gemeinschaftsrecht entspricht, insbesondere ob darin nicht eine mittelbare Diskriminierung der betroffenen Frauen erblickt werden kann. Die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage, ob sich - gegebenenfalls - auch Männer auf eine allfällige Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Einkommensanrechnung berufen können, war somit nicht Gegenstand einer Rechtsfrage, bis zu deren Beantwortung durch den Verwaltungsgerichtshof die belangte Behörde auf Grund des § 26a Abs. 3 Z. 1 VwGG bestimmte Entscheidungen nicht treffen durfte.

Strittig ist ferner, ob die gesetzliche Anordnung der Berücksichtigung des Einkommens der Lebensgefährtin bei Beurteilung der Notlage des im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebensgefährten im Zusammenhang mit der Gewährung von Notstandshilfe der Gleichbehandlungsrichtlinie (Art. 2 bis 4 der RL 79/77 EWG) widerspricht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 14. Jänner 2004, 2002/08/0038 aus den dargelegten Erwägungen die Auffassung vertreten, dass die in § 36 AlVG i.V.m. § 6 der Notstandshilfeverordnung angeordnete Berücksichtigung des Einkommens eines im gemeinsamen Haushalt mit einer arbeitslosen Person lebenden Lebensgefährten bei Beurteilung der Notlage auch unter Bedachtnahme auf den Umstand, dass dadurch wesentlich mehr Frauen als Männer Einbußen in ihren Ansprüchen auf Notstandshilfe erleiden bzw. dieses Anspruches zur Gänze verlustig gehen, nicht dem Diskriminierungsverbot des Art. 4 Abs. 1 der in Rede stehenden Richtlinie widerspricht. Auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Wenn daher die belangte Behörde das Einkommen der im gemeinsamen Haushalt mit dem Beschwerdeführer lebenden Lebensgefährtin bei Beurteilung seiner Notlage berücksichtigt hat, kann dies ebenfalls nicht als diskriminierend im Sinne der genannten Gleichbehandlungsrichtlinie beurteilt werden.

Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 18. Februar 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003080107.X00

Im RIS seit

29.03.2004

Zuletzt aktualisiert am

11.10.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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