TE Vwgh Erkenntnis 2004/2/18 2002/08/0096

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Veröffentlicht am 18.02.2004
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §101;
ASVG §203;
ASVG §204;
AVG §37;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. Witt & Partner KEG, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Argentinierstraße 20A/2A, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes vom Burgenland vom 24. Jänner 2002, Zl. 6-SO-N1465/18-2002, betreffend Herstellung des gesetzlichen Zustandes gemäß § 101 ASVG (mitbeteiligte Partei: Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde am 9. Juli 1979 als Mopedlenker auf dem Weg zur Arbeit von einem PKW niedergestoßen. Er erlitt hiebei einen offenen Unterschenkeltrümmerbruch rechts.

Mit Bescheid der mitbeteiligten Partei vom 23. Juli 1980 wurde dieser Unfall als Arbeitsunfall anerkannt und dem Beschwerdeführer vom 8. Jänner bis 19. März 1980 eine Vollrente samt Zusatzrente und ab 20. März 1980 bis auf weiteres eine Versehrtenrente von 20 v.H. der Vollrente jeweils als vorläufige Rente gewährt. Für die Einschätzung der Höhe der Versehrtenrente waren nachstehende - von einem medizinischen Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Chirurgie festgestellte - Verletzungsfolgen maßgebend:

"Bewegungseinschränkung der Sprunggelenke und der Großzehe, Muskelverschmächtigung der Wade, Verkürzung des Beines sowie durchblutungsgestörte Narben nach offenem Trümmerbruch des rechten Schienbeines".

Mit Bescheid vom 25. März 1981 gewährte die mitbeteiligte Partei dem Beschwerdeführer an Stelle der vorläufigen Rente ab 1. April 1981 eine Dauerrente von 20 v.H. der Vollrente. Als Grundlage für die Festsetzung der Rentenhöhe diente das Gutachten eines medizinischen Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Chirurgie vom 21. Jänner 1981. In diesem Gutachten ist als objektiver Befund der Unfallfolgen Folgendes festgehalten:

"Rechtsbetont hinkender Barfußgang, Zehenballen- und Hakengang wird ungeschickt ausgeführt, kein Abrollen des Fußes, Muskelatrophie am US, äußerlich Valgus und ang. Antecurvation erkennbar. Verbreiterung der Weichteile. Die Narbe etwas eingezogen, ansonst reaktionslos, die Vollhautplastik gut eingeheilt. Herabgesetztes Hautgefühl an der Streckseite der Großzehe, Fußsohlenbeschwielung annähernd seitengleich. Fußpulse tastbar ..."

Mit dem am 4. Oktober 1995 bei der mitbeteiligten Partei eingelangten Schreiben des Beschwerdeführers vom 29. September 1995 beantragte er die nochmalige Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit, weil sich sein Gesundheitszustand wesentlich verschlimmert habe. Bei der daraufhin am 5. Oktober 1995 vorgenommenen Untersuchung des Beschwerdeführers durch einen medizinischen Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Chirurgie wurde, soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung, folgender objektiver Befund der Unfallfolgen festgehalten:

"Das Gangbild leicht hinkend, ebenso der Zehenballen- und Fersengang. Die Beinachse ist leicht valgisch, mit einer mäßigen Antekurvation am rechten Unterschenkel. Bei einer deutlichen Muskelverschmächtigung am rechten Bein, zeigt sich eine ausgeprägte Schwellung. Die Narben wie beschrieben mit einer mäßigen Gefühlsminderung am Fußrücken und im Narbenbereich. Die Durchblutung ist nicht gemindert."

Die mitbeteiligte Partei wies mit Bescheid vom 5. Dezember 1995 den Antrag des Beschwerdeführers auf Erhöhung der Rente gemäß § 184 Abs. 3 ASVG ab.

Mit dem am 14. Juli 1997 bei der mitbeteiligten Partei eingelangten Schreiben des Beschwerdeführers vom 10. Juli 1997 beantragte er neuerlich die Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit, weil sich auf Grund der schweren Folgen des Arbeitsunfalles sein Gesundheitszustand wesentlich verschlechtert habe.

Bei der am 28. August 1997 vorgenommenen Untersuchung des Beschwerdeführers durch die mitbeteiligte Partei wurde vom medizinischen Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Chirurgie festgestellt, dass sich gegenüber dem letzten Befund keine Veränderung in einem rentenverändernden Ausmaß ergeben habe.

Bei dieser Untersuchung legte der Beschwerdeführer den neurologischen Befund des Dr. M.T., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 31. Juli 1997 vor. Darin wird Folgendes ausgeführt:

"St. p. Spiralfraktur des re. Unterschenkels 1979. Seither besteht bei dem Pat. eine Fußheber-, Großzehenstrecker- sowie Zehenstreckerschwäche re.

Motorische NLG des N. peronäus re.: mit Reizen zumutbarer Intensität, keine Reizantwort erzielbar. Zusammenfassend besteht bei dem Pat. eine posttraumatische Peronäusparese re."

In dem von der mitbeteiligten Partei eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Neurologie und Psychiatrie wurde der Befund mit Peronaeusparese rechts beschrieben. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit aus nervenärztlicher Sicht wurde mit 20 v.H. ab 14. Juli 1997 als Dauerrente bei kompletter Überschneidung mit dem chirurgischen Gutachten angegeben.

Mit Bescheid vom 24. März 1998 wies die mitbeteiligte Partei den Antrag des Beschwerdeführers vom 14. Juli 1997 auf Erhöhung der Versehrtenrente gemäß § 184 Abs. 3 ASVG ab. Der Beschwerdeführer bekämpfte diesen Bescheid mit Klage beim Landesgericht Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht.

Das genannte Gericht holte zur Frage, ob und gegebenenfalls seit wann eine allfällige Besserung oder Verschlimmerung der Unfallsfolgen im Vergleich zum Zustand vom 1. April 1981 (Untersuchung vom 10. Februar 1981) eingetreten ist, medizinische Fachgutachten aus dem Fachgebiet der Chirurgie (Dr. Harald G.) und aus dem Fachgebiet der Neurologie und Psychiatrie (Dr. Michael A.) ein. Im chirurgischen Gutachten vom 30. Juni 1998 wird u.a. ausgeführt:

"Aus rein unfallchirurgischer Sicht ist es mit Sicherheit gegenüber dem Anstaltsgutachten vom 10.2.1981 (OZ. 52) zu einer Verschlimmerung gekommen, doch ist diese vom vertretenen Fach her, und ausschließlich von diesem, nicht als wesentlich (also mindestens 10 % betragend) anzusehen. Diese angeführten 20 % MdE sind als rein unfallchirurgisch ohne jegliche Überschneidung mit neurologischen Unfallfolgen zu werten und gilt die Einschätzung mit Sicherheit auch ab 14.7.1997."

Im neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachten vom 5. Oktober 1998 findet sich - soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung - folgende Beurteilung:

"Als Folge dieses Unfalles bestehen eine höhergradige Schädigung des N. peronäus und auch des N. tibialis rechts. Diese Schädigung ist als unfallkausal anzusehen. ... Im direkten Vergleich mit dem Zustand zum 1.4.1981 (Rentengutachten aufgrund der Untersuchung vom 10.2.81 OZ. 52) ist eine Verschlechterung eingetreten, dies vermutlich bedingt durch die abnormen Druckverhältnisse hervorgerufen durch die chron. Schwellung des Fußes und des Unterschenkels. Im Rentengutachten OZ. 52 wird motorisch die Beweglichkeit folgendermaßen beschrieben: Zehen stgl. frei, unteres Sprunggelenk endlagenbehindert. Die Sensibilität wird folgendermaßen beschrieben: herabgesetztes Hautgefühl an der Streckseite der Großzehe. Im jetzigen Befund findet sich eine hochgradige Schwächung für Fußbeugen, Fußheben und Großzehenheben, die Sensibilitätsstörung ist im wesentl. gleichgeblieben. Es findet sich daher vor allem eine Verschlechterung der motorischen Funktionen. Wann diese Verschlimmerung auf neurologischem Gebiet genau eingetreten ist, kann nicht genau bestimmt werden, sie besteht aber auf jeden Fall seit Antragstellung (14.7.1997). Die MdE aus neurologischpsychiatrischer Sicht beträgt 20 %, es ergeben sich aus diesem Prozentsatz keinerlei Überschneidungen mit anderen Fachgebieten."

Im ergänzenden chirurgischen Sachverständigengutachten vom 27. Oktober 1998 wurde die Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers mit 40 v.H. ab Antragstellung angegeben.

In der Verhandlung vor dem Landesgericht Eisenstadt am 17. Februar 1999 führte der Sachverständige aus dem Fachgebiet der Neurologie und Psychiatrie Folgendes aus:

"Die Parästhesie wurde im Gutachten aus dem Jahr 1981 nicht übersehen. Sie wurde dort sehr wohl beschrieben und als herabgesetztes Hautgefühl an der Großzehe beschrieben und auch im Gutachten berücksichtigt. Was sich neurologisch verschlechtert hat, ist die Beugung und Hebung des Fußes."

Das Verfahren wurde mit Urteil dieses Gerichtes vom 17. Februar 1999 abgeschlossen. Damit wurde einerseits der Antrag des Beschwerdeführers, für die Folgen des Arbeitsunfalles vom 9. Juli 1979 eine Versehrtenrente im Ausmaß von 70 v.H. der Vollrente ab 20. März 1980 bis 13. Juli 1997 zu gewähren, zurückgewiesen und andererseits die mitbeteiligte Partei verpflichtet, dem Beschwerdeführer für die Folgen des Arbeitsunfalles vom 9. Juli 1979 ab 14. Juli 1997 eine Versehrtenrente im Ausmaß von 40 v.H. auf Vollrente im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren. Nach den Feststellungen dieses Urteiles besteht u.a. als Unfallsfolge eine höhergradige inkomplette Peronäus- und Tibialisläsion rechts. Diese unfallbedingten Folgen bestünden jedenfalls seit 14. Juli 1997. Es stehe nicht fest, ab wann diese höhergradige inkomplette Läsion eingetreten sei. Zum Zeitpunkt der Abfindung der Rente bestand eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in der Höhe von 20 v.H. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit werde mit 40 v.H. ab 14. Juli 1997 eingeschätzt.

Mit dem am 30. März 1999 bei der mitbeteiligten Partei eingelangten Schreiben des Beschwerdeführers vom 25. März 1999 beantragte er die rückwirkende Zuerkennung der Versehrtenrente ab 20. März 1980 bis 13. Juli 1997.

Die mitbeteiligte Partei wies diesen Antrag mit Bescheid vom 18. Mai 1999 gemäß § 101 ASVG ab. In der Begründung wurde ausgeführt, Grundlage für die Gewährung der Dauerrente sei die ärztlich festgestellte Bewegungseinschränkung der Sprunggelenke, Muskelverschmächtigung des Unterschenkels, Gefühlszerrung an der Großzehe und Beinverkürzung sowie herabgesetzte Gangleistung bei freier Beweglichkeit der Zehen gewesen. Die ab 1. April 1981 gewährten Leistungen seien nicht zu niedrig bemessen worden. Die mittlerweile festgestellte motorische Funktionsminderung infolge einer Peronäuslähmung sei weder zum Zeitpunkt der Rentenfeststellung ab 20. März 1980 noch ab Feststellung der Dauerrente ab 1. April 1981 übersehen worden. Diese Funktionsminderung habe damals noch nicht bestanden. Es handle sich um eine Verschlechterung im Zustand der Unfallfolgen, denen nicht durch die Bestimmung des § 101 ASVG Rechnung zu tragen sei.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde dem Einspruch des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid vollinhaltlich bestätigt. In der Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der Rechtslage ergänzend zum eingangs dargestellten Sachverhalt ausgeführt, dem Beschwerdeführer sei mit Bescheid der mitbeteiligten Partei vom 10. Oktober 2000 für die Zeit vom 14. September 1998 bis 30. Juni 2000 eine vorläufige Vollrente und ab 1. Juli 2000 eine Dauerrente mit 70 % der Vollrente zuerkannt worden. Der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt ergebe sich aus dem im Einspruchsverfahren eingeholten neurologischpsychiatrischen Sachverständigengutachten vom 18. September 2001, welches als Beilage C zum Bestandteil des Aktes erhoben werde.

Im Erwägungsteil führte die belangte Behörde aus, in dem im Einspruchsverfahren eingeholten neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 18. September 2001 werde in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise festgehalten, dass zum Zeitpunkt der Erlassung der Bescheide der mitbeteiligten Partei vom 23. Juli 1980 und 25. März 1981 als Folge eines Arbeitsunfalles vom 9. Juli 1979 eine Schädigung des N. Peronäus rechts bestanden habe. Diese Schädigungen hätten damals festgestellt werden können und seien auch festgestellt worden, weil sie in mehreren unfallchirurgischen Gutachten beschrieben worden seien. Eine Schädigung des N. Tibialis rechts habe damals nicht bestanden. Die Schädigung des N. Peronäus rechts sei damals bei weitem nicht so weit wie derzeit ausgeprägt gewesen, weil laut den damaligen Befunden der Hakengang zwar ungeschickt, aber möglich gewesen sei. Demgemäß sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damals nur eine leichte Schädigung des N. Peronäus vorgelegen. Bei Einholung eines neurologischen Gutachtens wäre diese Schädigung auf Grund der Überschneidung in die unfallchirurgische Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 % eingeflossen. Die Einholung eines neurologischen Gutachtens bzw. die Messung einer Nervenleitgeschwindigkeit hätten die Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 % zum damaligen Zeitpunkt nicht beeinflusst. Die Nichteinholung eines neurologischen Gutachtens könne daher nicht als "keinesfalls umfassende bzw. als mangelhafte Feststellung der Unfallfolgen vom 9.7.1979" beurteilt werden. Die im direkten Vergleich mit dem Zustand zum Zeitpunkt der Erlassung der Bescheide vom 23. Juli 1980 und 25. März 1981 eingetretene Verschlechterung sei vermutlich bedingt durch die abnormen Druckverhältnisse, hervorgerufen durch die chronische Schwellung des Fußes und des Unterschenkels. Der Zeitpunkt des Eintrittes dieser Verschlimmerung auf neurologischem Gebiet könne nicht genau bestimmt werden. Die Verschlimmerung dürfte sich im Laufe der Zeit sukzessive entwickelt haben.

Ausgehend von diesen Ausführungen des Sachverständigen könne den "chirurgischen Sachverständigen im Verfahren wegen Höhe der vorläufigen bzw. der Dauerrente im Gutachten zu den Bescheiden vom 23.7.1980 bzw. 25.3.1981" ein offenkundiges Versehen nicht vorgeworfen werden. Einer dieser Gutachter habe die damals bestehende leichtgradige Schädigung des N. Peronäus beschrieben. Diese Schädigung habe keine relevante Änderung der Minderung der Erwerbsfähigkeit bedingt. Die mitbeteiligte Partei habe daher die Herstellung des gesetzlichen Zustandes gemäß § 101 ASVG zu Recht abgelehnt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Die mitbeteiligte Partei erstattete ebenfalls eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 101 ASVG bestimmt, dass der gesetzliche Zustand herzustellen ist, wenn sich nachträglich ergibt, dass eine Geldleistung bescheidmäßig infolge eines wesentlichen Irrtums über den Sachverhalt oder eines offenkundigen Versehens zu Unrecht abgelehnt, entzogen, eingestellt, zu niedrig bemessen oder zum Ruhen gebracht wurde, und zwar mit der Wirkung vom Tage der Auswirkung des Irrtums oder Versehens.

Die Entscheidung, ob der gesetzliche Zustand wegen eines wesentlichen Irrtums über den Sachverhalt oder eines offenkundigen Versehens herzustellen ist, ist eine Verwaltungssache, die Herstellung des Zustandes selbst hingegen eine Leistungssache (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1996, 96/08/0057).

Ein Irrtum über den Sachverhalt liegt vor, wenn der Sozialversicherungsträger Sachverhaltselemente angenommen hat, die mit der Wirklichkeit zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht übereinstimmten. Der Irrtum ist dann als wesentlich im Sinne des § 101 ASVG anzusehen, wenn er für die rechtliche Beurteilung des den Gegenstand des Verwaltungsverfahrens bildenden Leistungsanspruches Bedeutung erlangt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. März 1997, 96/08/0079, vom 21. April 1998, 98/08/0002, und vom 29. Juni 1999, 97/08/0588).

Der Beschwerdeführer bringt sowohl unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, das von der Einspruchsbehörde eingeholte Sachverständigengutachten vom 18. September 2001 entwickle bei Zusammenschau sämtlicher eingeholter Gutachten nicht die Beweiskraft, von der die belangte Behörde ausgehe. Sie kläre nicht den Widerspruch zwischen dem Gutachten vom 18. September 2001 und dem vom selben Sachverständigen erstatteten Gutachten vom 5. Oktober 1998 auf. Auch wäre der Widerspruch zwischen dem Gutachten vom 18. September 2001 und den im Verfahren vor dem Landesgericht Eisenstadt eingeholten chirurgischen Gutachten vom 30. Juni 1998 und 27. Oktober 1998 "nicht releviert" worden. In keinem der berücksichtigten Gutachten werde begründet, ob auszuschließen sei, dass die Nichteinholung eines neurologischen Gutachtens verfahrensrelevant gewesen sei. Nach den zum Zeitpunkt der Rentenfeststellung maßgeblichen Einschätzungsrichtlinien wäre die Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens unabdingbar gewesen. Wenn der Sachverständige in seinem Gutachten vom 5. Oktober 1998 (im Verfahren vor dem Landesgericht Eisenstadt) ausführe, dass nicht genau bestimmt werden könne, wann die Verschlimmerung auf neurologischem Gebiet eingetreten sei, dann könne auch nicht angegeben werden, ob nicht bereits von Anfang an eine Minderung der Erwerbsfähigkeit aus rein neurologischer Sicht gegeben gewesen sei.

Zunächst ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, dass § 101 ASVG keine Handhabe dafür bietet, jede Fehleinschätzung im Tatsachenbereich, insbesondere auch die Beweiswürdigung, im Nachhinein neuerlich aufzurollen. Es genügte also nicht, wenn ein medizinischer Sachverständiger eine Einschränkung der Minderung der Erwerbsfähigkeit angenommen hätte, die von einem anderen Sachverständigen zwar nicht geteilt wird, ihm aber vertretbar erscheint (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 1997, 96/08/0079). Darüber hinaus ist der gesetzliche Zustand wegen eines wesentlichen Irrtums über den Sachverhalt nicht bereits dann herzustellen, wenn bestimmte der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu Grunde zu legende Momente infolge eines Irrtums des Sozialversicherungsträgers zu Unrecht bei der Erlassung des Bescheides nicht berücksichtigt wurden. Vielmehr wäre darüber hinaus erforderlich, dass die Berücksichtigung dieser Momente im Zusammenhang mit dem im seinerzeitigen Bescheid angenommenen Sachverhalt den Anspruch des Beschwerdeführers auf eine Versehrtenrente in höherem Ausmaß als die ohnehin zugesprochenen 20 v.H. bewirkt hätte. Sollte aber eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mehr als den angenommenen 20 v.H. erst nach der Erlassung des Bescheides eingetreten sein, so läge ein Fall des § 101 ASVG gar nicht vor (vgl. das Erkenntnis vom 21. April 1998, 98/08/0002).

Der Beschwerdeführer meint, die mitbeteiligte Partei hätte vor Erlassung des Bescheides vom 23. Juli 1980 betreffend die Gewährung einer vorläufigen Versehrtenrente ab 20. März 1980 und vor Erlassung des Bescheides vom 25. März 1981, mit dem die Dauerrente ab 1. April 1981 zuerkannt worden sei, ein neurologischpsychiatrisches Gutachten einholen müssen, um sodann feststellen zu können, dass bereits damals eine Schädigung des Nervus Peronäus und des Nervus Tibialis rechts in einem rentenerhöhenden Ausmaß hätte festgestellt werden können.

Abgesehen davon, dass die belangte Behörde eben zu dieser Frage ein Sachverständigengutachten eingeholt, und ausgehend von diesem Gutachten angenommen hat, dass im Zeitpunkt der Erlassung der zur vorläufigen Versehrtenrente bzw. Dauerrente führenden Bescheide zwar eine leichtgradige Schädigung des Nervus Peronäus rechts bestanden habe, eine Schädigung des Nervus Tibialis aber nicht, kann es dahingestellt bleiben, ob diese Schädigung über die unfallchirurgische Minderung der Erwerbsfähigkeit hinausgehende Unfallsfolgen bewirkt hätte. Eine andere Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit bezogen auf diesen Zeitpunkt durch einen (anderen) Sachverständigen stellt nämlich keinen Grund zur Herstellung des gesetzlichen Zustandes gemäß § 101 ASVG dar (vgl. das oben zitierte hg. Erkenntnis vom 18. März 1997, 96/08/0079).

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 18. Februar 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002080096.X00

Im RIS seit

31.03.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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