TE Vwgh Beschluss 2004/2/19 2002/20/0547

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.02.2004
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
25/02 Strafvollzug;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
StVG §10 Abs1 Z2;
VwGG §58 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, in der Beschwerdesache des F in S, geboren 1979, vertreten durch Dr. Peter Bründl, Rechtsanwalt in 4780 Schärding, Burggraben 6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 25. Juni 2002, Zl. 445.533/6-V.6/2002, betreffend Strafvollzugsortsänderung, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer verbüßte in der Justizanstalt Suben wegen Verurteilungen gemäß §§ 27 Abs. 1, 28 Abs. 2 und 3 SMG, § 15 StGB und anderer Delikte eine langjährige Freiheitsstrafe.

Mit Eingaben vom 3. April und 5. April 2002 beantragte er die Änderung des Strafvollzugsortes insbesondere durch Verlegung in die Justizanstalt Hirtenberg. Er begründete diese Anträge damit, dass ihn seine Lebensgefährtin, die in Wien studiere, zu Beginn der Haft mehrmals im Monat besucht habe. Auf Grund der großen Entfernung zum Vollzugsort, des mit der Anreise verbundenen Zeitaufwandes und der Reisekosten habe sich der Kontakt zu ihr, der für den Beschwereführer besonders wichtig sei, in letzter Zeit auf nur einen Besuch im Monat reduziert. Es sei ihr unmöglich öfter zu kommen und der Beschwerdeführer habe daher Angst um seine Beziehung. Sein sehnlichster Wunsch sei, den Rest der Freiheitsstrafe in der drogenfreien Zone in der Justizanstalt Hirtenberg zu verbüßen und dort auch die Möglichkeit zu erhalten, von seinen Freunden öfters besucht zu werden. Überdies wolle er Deutsch lernen, jedoch sei in der Justizanstalt Suben die Absolvierung eines Deutschkurses nicht möglich.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde nach Einholung einer Stellungnahme des Anstaltsleiters der Justizanstalt Suben dem Ansuchen um Änderung des Vollzugsortes "gemäß § 10 (§ 134 Abs. 6) StVG" nicht Folge.

Die erwähnte Stellungnahme des Anstaltsleiters vom 5. Juni 2002 - zu der dem Beschwerdeführer vor Erlassung des angefochtenen Bescheides keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde - hat im Wesentlichen folgenden Wortlaut:

"Der Strafgefangene F wurde zu Folge Vorklassifizierung am 04.09.2002 von der Justizanstalt Wien-Josefstadt anher überstellt. Seit 12.02.2002 ist der Strafgefangene im Unternehmerbetrieb II beschäftigt und vollbringt eine zufrieden stellende Arbeitsleistung. Weder im Betrieb noch in der Abteilung ist der Insasse bisher führungsmäßig negativ in Erscheinung getreten.

Seit seiner Einlieferung in die Justizanstalt Suben erhielt der Strafgefangene zehnmal Besuch von seiner Lebensgefährtin U. Die genauen Besuchstermine und die Dauer der Besuche können aus dem in der Anlage beigefügten Beiblatt entnommen werden. Weiters wurden dem Strafgefangenen auf sein Ansuchen sieben Telefongespräche mit seiner Lebensgefährtin, von der Anstaltsleitung bewilligt."

Dieser Stellungnahme war eine Aufstellung über die Anzahl und Dauer der Besuche des Beschwerdeführers durch seine Lebensgefährtin seit seiner Einlieferung am 4. September 2001 angeschlossen. Daraus war zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer am 6. September, 12. September, 11. Oktober, 5. November, 15. November, 17. Dezember 2001 und 31. Jänner 2002 jeweils in der Dauer von einer Stunde sowie am 13. März, 24. April und 5. Juni 2002 jeweils in der Dauer von zwei Stunden besucht worden war.

Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid damit, dass die vom Beschwerdeführer angeführten Gründe sich nach den Erhebungen der Justizanstalt für nicht stichhaltig erwiesen hätten. Der Beschwerdeführer erhalte ohnedies regelmäßig Besuch von seinen Angehörigen, zuletzt am 5. Juni 2002. Überdies seien ihm zusätzliche Telefongespräche genehmigt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Nach Erstattung einer Gegenschrift teilte die belangte Behörde am 27. Jänner 2004 mit, dass der Beschwerdeführer an diesem Tag um 8.00 Uhr aus der Strafhaft entlassen worden sei.

Der Beschwerdeführer erklärte über Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes, es stehe außer Frage, dass durch die Entlassung aus der Strafhaft die Beschwer weggefallen und die Beschwerde aus faktischen Gründen obsolet geworden sei.

Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde.

Bei einer Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ist unter einer "Klaglosstellung" nach § 33 Abs. 1 und § 56 erster Satz VwGG nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides - im besonderen durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshof - eingetreten ist (vgl. den Beschluss eines verstärkten Senates vom 9. April 1980, Slg. Nr. 10.092/A).

§ 33 Abs. 1 VwGG ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt auch dann vor, wenn der Beschwerdeführer kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat. Ob in letzterem Sinn das rechtliche Interesse eines Beschwerdeführers weggefallen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof nach objektiven Kriterien zu prüfen und ist dabei nicht an die Erklärungen der Partei gebunden (vgl. die hg. Beschlüsse vom 10. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.322/A, vom 23. Mai 1985, Zl. 84/08/0080, u.a., zuletzt etwa den Beschluss vom 15. Oktober 2003, Zl. 2003/08/0110).

Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer aus der Strafhaft entlassen wurde, wäre die Lösung der Frage, ob die Nichtstattgebung seines Ansuchens um Änderung des Strafvollzugsortes mit der vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtswidrigkeit behaftet war, - abgesehen von der Frage des Aufwandersatzes - nur mehr von theoretischer Bedeutung. Es ist aber nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes, in einer Beschwerdesache zu entscheiden, an der der Beschwerdeführer kein rechtliches Interesse mehr hat (vgl. dazu insbesondere den hg. Beschluss vom 18. Februar 1999, Zl. 98/20/0203). Es war daher in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG die Beschwerde als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren einzustellen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf § 58 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333, in deren Ansätzen der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Schriftsatzaufwand Deckung findet. Der Beschwerdeführer war hinsichtlich der Frage des Anspruches auf Aufwandersatz so zu behandeln, als ob er obsiegende Partei im Sinne der §§ 47 ff VwGG wäre, weil die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides jegliche Auseinandersetzung mit dem konkreten Vorbringen des Beschwerdeführers, dem die grundsätzliche Eignung zur Begründung eines Ansuchens auf Änderung des Strafvollzugsortes gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 StVG nicht abzusprechen ist, unterlassen hat. Die von der belangten Behörde zur Begründung ihrer ablehnenden Entscheidung herangezogenen Erhebungen der Justizanstalt Suben bestätigen das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach die Anzahl der Besuche durch seine Lebensgefährtin während der Strafhaft (zumindest seit Dezember 2001) deutlich abgenommen hat. Es ist daher nicht schlüssig, wenn die belangte Behörde ausschließlich diese Erhebungen beweiswürdigend heranzieht, um die vom Beschwerdeführer angeführten Gründe "für nicht stichhaltig" zu erachten und dem Ansuchen - ohne weitere Begründung - Berechtigung abzusprechen. Die belangte Behörde hat ihren Bescheid dadurch mit einem Begründungsmangel belastet. Hinzu kommt, dass sie es verabsäumt hat, dem Beschwerdeführer zu den Ergebnissen der Beweisaufnahme, nämlich dem Bericht des Leiters der Justizanstalt Suben, Parteiengehör einzuräumen. In seiner Beschwerde führt der Beschwerdeführer u.a. aus, dass die regelmäßigen Besuche seiner Lebensgefährtin maximal einmal im Monat stattfanden und er nur einmal im Monat telefonieren durfte. In Hinblick auf dieses Vorbringen kann nicht ausgeschlossen werden, dass die belangte Behörde bei Einhaltung der außer Acht gelassenen Verfahrensvorschriften zu einem anderen Bescheid gelangt wäre, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben gewesen wäre.

Wien, am 19. Februar 2004

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Zuspruch von Aufwandersatz gemäß §58 Abs2 VwGG idF BGBl 1997/I/088

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002200547.X00

Im RIS seit

06.04.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten