TE Vwgh Erkenntnis 2004/2/23 2001/10/0106

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Veröffentlicht am 23.02.2004
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Index

E1E;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
59/04 EU - EWR;

Norm

11997E234 EG Art234;
B-VG Art83 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde

1. der mj. Konstanze M und 2. der Dr. Ingrid M, beide in U und vertreten durch Elisabeth Wintergerst, Rechtsanwältin in D- 87629 Füssen, Brunnengasse 12 (Einvernehmensrechtsanwalt: Dr. Markus Distelberger, Jubiläumsstraße 1, 3130 Herzogenburg), gegen den Bescheid des Landesschulrates für Tirol vom 14. November 2000, Zl. 71.81/9-00, betreffend Erfüllung der Schulpflicht, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 12. Juli 2000 stellte die Zweitbeschwerdeführerin beim Bezirksschulrat R. den Antrag auf Genehmigung des häuslichen Unterrichts für die am 25. April 1990 geborene Erstbeschwerdeführerin.

Der Bezirksschulrat untersagte mit Bescheid vom 3. August 2000 die Teilnahme am häuslichen Unterricht. Nach der Begründung sei bei der Erstbeschwerdeführerin eine Verschlechterung im 2. Halbjahr des Schuljahres 1999/2000 eingetreten. Mit dem im folgenden Jahr angestrebten Übertritt in die Hauptschule seien erhöhte Anforderungen sowohl hinsichtlich der Leistung des Kindes als auch aus pädagogischer Sicht verbunden. Zudem habe der häusliche Unterricht von zwei älteren Kindern der Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 11 Abs. 4 des Schulpflichtgesetzes 1985 (SchPflG) untersagt werden müssen. Es sei daher davon auszugehen, dass der häusliche Unterricht auch durch die Zweitbeschwerdeführerin nicht gleichwertig sei.

Die dagegen erhobene Berufung wurde gemäß § 11 Abs.  2 und 3 SchPflG abgewiesen. Die belangte Behörde sprach aus, dass die Erstbeschwerdeführerin die Schulpflicht an einer öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule zu erfüllen habe.

In der Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Erstbeschwerdeführerin habe im 1. Semester des Schuljahres 1999/2000 eine öffentliche Schule besucht, im

2. Semester hingegen die allgemeine Schulpflicht durch Teilnahme am häuslichen Unterricht erfüllt. Bei der am Ende dieses Unterrichtsjahres erfolgreich abgelegten Prüfung im Sinne des § 11 Abs. 4 SchPflG sei sie in einem Gegenstand schlechter (im Sachunterricht "Genügend" statt "Gut"), in zwei Gegenständen besser (in Mathematik "Genügend" statt "Nicht genügend", in Deutsch "Gut" statt "Genügend") als in der Semesternachricht beurteilt worden. Ob ein häuslicher Unterricht dem einer öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule gleichwertig sei, hänge davon ab, wie sich die bisherigen Leistungen des Schülers im häuslichen Unterricht darstellten, welche Anforderungen an den häuslichen Unterricht für die angestrebte Schulstufe gestellt würden und ob der Antragsteller in einer vorausschauenden Prognose voraussichtlich in der Lage sein werde, diese Anforderungen zu erfüllen. Wenn der Schüler die Prüfung gemäß § 11 Abs. 4 SchPflG bestehe, so müsse geklärt werden, inwieweit die sonstigen Voraussetzungen für die Genehmigung eines häuslichen Unterrichts vorlägen, insbesondere ob der Antragsteller voraussichtlich in der Lage sein werde, den häuslichen Unterricht für die angestrebte Schulstufe im gleichwertigen Ausmaß anzubieten. Im Fall der Erstbeschwerdeführerin habe diese Klärung auf der Basis der Anforderungen der 5. Schulstufe (1. Klasse Hauptschule) zu erfolgen. Im Hinblick auf die im Vergleich zur Volksschule höheren Anforderungen könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Nachweis, einen gleichwertigen häuslichen Unterricht auf dem Niveau einer Volksschule anbieten zu können, auch für die Hauptschule ausreiche. In diesem Zusammenhang komme der Tatsache, dass die Zweitbeschwerdeführerin im vorangegangenen Schuljahr auch häuslichen Unterricht für zwei weitere Kinder auf dem Niveau der Hauptschule (1. und 3. Klasse) angeboten habe, wesentliche Bedeutung zu. Beide Kinder hätten die Prüfung gemäß § 11 Abs. 4 SchPflG nicht bestanden. Der Zweitbeschwerdeführerin sei es somit im abgelaufenen Schuljahr in zwei Fällen nicht gelungen, einen häuslichen Unterricht auf dem Niveau einer Hauptschule (5. und 7. Schulstufe) anzubieten, der dem einer öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule gleichwertig sei. Insbesondere im Hinblick darauf, dass es der Zweitbeschwerdeführerin nicht gelungen sei, einen gleichwertigen Unterricht über jene Schulstufe anzubieten, für die der häusliche Unterricht für die Erstbeschwerdeführerin angestrebt werde, sprächen weitaus mehr Gründe gegen die Gleichwertigkeit des häuslichen Unterrichts für die 5. Schulstufe (1. Klasse Hauptschule).

Gegen diesen Bescheid haben die Beschwerdeführerinnen zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der deren Behandlung mit Beschluss vom 27. Februar 2001, B 2390/00, abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Juli 2001 wurden die beschwerdeführenden Parteien gemäß § 34 Abs. 2 VwGG aufgefordert, die Beschwerde zur Behebung der ihr anhaftenden Mängel dahin zu ergänzen, dass 1.) das Recht, in dem die beschwerdeführenden Parteien verletzt zu sein behaupten, bestimmt zu bezeichnen sei (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG), 2.) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, anzuführen seien (§ 28 Abs. 1 Z. 5 VwGG) und 3.) ein der Vorschrift des § 42 Abs. 2 VwGG entsprechendes bestimmtes Begehren zu stellen sei (§ 28 Abs. 1 Z. 6 VwGG).

In der ergänzten Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof wird beantragt, den angefochtenen Bescheid seinem gesamten Umfang nach aufzuheben. Die beschwerdeführenden Parteien erachten sich dabei im Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz, im Elternrecht nach Art. 2 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK, im Recht auf den gesetzlichen Richter sowie im Recht auf Freiheit des häuslichen Unterrichts verletzt. Sie rügen ferner, dass die belangte Behörde eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof unterlassen habe.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 11 SchPflG BGBl. Nr. 76/1985 in der Fassung BGBl. Nr. 768/1996 lautet:

"(1) Die allgemeine Schulpflicht kann - unbeschadet des § 12 -

auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.

(2) Die allgemeine Schulpflicht kann ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule - ausgenommen die Polytechnische Schule - mindestens gleichwertig ist. (BGBl. Nr. 322/1975, Art. I Z 19)

(3) Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten haben die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht dem Bezirksschulrat jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen. Der Bezirksschulrat kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht innerhalb eines Monates ab dem Einlangen der Anzeige untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die im Abs. 1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist. Gegen die Entscheidung des Bezirksschulrates kann Berufung an den Landesschulrat erhoben werden; gegen die Entscheidung des Landesschulrates ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

(4) Der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes ist jährlich vor Schulschluss durch eine Prüfung an einer im § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so hat der Bezirksschulrat anzuordnen, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat. Gegen die Entscheidung des Bezirksschulrates ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig."

1. Soweit die Beschwerde die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet (Gleichheit vor dem Gesetz, Freiheit des häuslichen Unterricht gemäß Art. 17 StGG, Elternrecht nach Art. 2 des 1. Zusatzprotokolls EMRK sowie Recht auf den gesetzlichen Richter), ist darauf zu verweisen, dass deren Prüfung nicht in die Kompetenz des Verwaltungsgerichtshofes fällt. Im Übrigen hat der Verfassungsgerichtshof in seinem bereits genannten Beschluss vom 27. Februar 2001 die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich beurteilt, dass die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.

2. Zu dem in der Beschwerde - ohne nähere Konkretisierung - gegenüber der belangten Behörde erhobenen Vorwurf, diese habe eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof unterlassen, ist zu sagen, dass die Unterlassung der Vorlage einer vorlagepflichtigen Frage der Interpretation des Gemeinschaftsrechts an den Europäischen Gerichtshof das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. September 1996, VfSlg. 14.607). Dies bezieht sich aber nur auf die Nichtvorlage durch ein nach Art. 234 EG verpflichtetes Gericht. Ein solches ist jedenfalls der Verwaltungsgerichtshof, weshalb die Frage nach der Gerichtseigenschaft des Bezirksschulrates dahinstehen kann (vgl. dazu das Erkenntnis vom 25. April 2001, Zl. 2000/10/0187). Dass der Ausgang des gegenständlichen Verfahrens von der Beantwortung von Fragen über die Auslegung von Gemeinschaftsrecht abhängig wäre, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht ersichtlich. Aus diesem Grund sieht er sich auch nicht veranlasst, dem Europäischen Gerichtshof Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 23. Februar 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001100106.X00

Im RIS seit

26.03.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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