TE Vwgh Erkenntnis 2004/2/23 2003/10/0152

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Veröffentlicht am 23.02.2004
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Index

82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

LMG 1975 §50;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des Dr. S in Linz, vertreten durch Mag. Michael Poduschka, Rechtsanwalt in 4320 Perg, Dr. Schoberstraße 25, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 27. Februar 2003, Zl. 300.604/1-VII/13/03, betreffend die Zurücknahme der Bewilligung gemäß § 50 LMG 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer die mit Bescheid vom 20. September 1993 erteilte Bewilligung gemäß § 50 Abs. 2 Lebensmittelgesetz 1975 zur entgeltlichen Durchführung von Untersuchungen nach dem Lebensmittelgesetz 1975 und zur Erstattung von Gutachten entzogen.

Begründet ist der angefochtene Bescheid damit, dass die Bewilligung vom 20. September 1993 dem Beschwerdeführer in seiner Funktion als Direktor der Bundesstaatlichen bakteriologischserologischen Untersuchungsanstalt in Linz (nunmehr: AGES Bakteriologisch-serologische Untersuchungen Linz) erteilt worden sei. Die Bewilligung sei gemäß § 50 LMG 1975 für die Untersuchung und Begutachtung von Trinkwasser und Mineralwasser entsprechend dem Teilgebiet Z 10 (eingeschränkt) und Z 11 der Gruppe D der Anlage 3 der Lebensmittelgutachterverordnung, BGBl. Nr. 324/1978, geändert durch die Kundmachung BGBl. Nr. 80/1981, mit dem Standort Bundesstaatliche bakteriologisch-serologische Untersuchungsanstalt, Derfflingerstraße 2, 4017 Linz (nunmehr: AGES Bakteriologisch-serologische Untersuchungen Linz), erteilt worden. Es sei amtlicherseits bekannt, dass der Beschwerdeführer seine Funktion als Direktor der genannten Anstalt nicht mehr innehabe, sondern in der Sektion VI des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen beschäftigt sei. Mit Schreiben vom 21. Oktober 2002 sei er ersucht worden mitzuteilen, ob er weiterhin seine Tätigkeit als Lebensmittelgutachter gemäß § 50 LMG 1975 ausübe; dieses Schreiben habe der Beschwerdeführer nicht beantwortet.

Gemäß § 50 Abs. 3 LMG 1975 sei jede wesentliche Änderung der für die Bewilligung maßgeblichen Umstände dem Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz (zum damaligen Zeitpunkt Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen) anzuzeigen. Gemäß § 50 Abs. 6 LMG 1975 sei die Bewilligung zurückzunehmen oder einzuschränken, wenn die Voraussetzungen für ihre Erteilung nicht mehr oder nur noch in eingeschränktem Umfang gegeben seien. Da dem Beschwerdeführer die Bewilligung gemäß § 50 LMG zur Ausübung der Berechtigung als Lebensmittelgutachter in seiner Funktion als Direktor der Bundesstaatlichen bakteriologisch-serologischen Untersuchungsanstalt erteilt worden sei und er diese Funktion nicht mehr innehabe, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom 11. Juni 2003 lehnte dieser die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der über Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird die Verletzung im gesetzlich gewährleisteten Recht, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen entgeltliche Untersuchungen nach dem Lebensmittelgesetz 1975 durchführen zu dürfen, auf Nichtrücknahme einer erteilten Bewilligung gemäß § 50 Abs. 2 Lebensmittelgesetz 1975 sowie auf die mängelfreie Durchführung eines Verfahrens geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 50 Lebensmittelgesetz 1975, BGBl. Nr. 86, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 98/2001, lautete zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides unter Berücksichtigung von § 16a Bundesministeriengesetz 1986, BGBl. 76, idF BGBl. Nr. 1105/1994:

"§ 50. (1) Wer, abgesehen von den in den §§ 42 und 49 geregelten Fällen entgeltlich Untersuchungen durchführt und Gutachten im Sinne dieses Bundesgesetzes erstattet, bedarf hiezu einer Bewilligung des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen.

(2) Die Bewilligung ist zu erteilen, wenn der Bewerber nachweist, dass er die Voraussetzungen einer nach § 47 Abs. 2 erlassenen Verordnung erfüllt und über die notwendigen Behelfe verfügt. In der Bewilligung ist der Umfang der Tätigkeit festzulegen. In den Bewilligungsbescheid können Vorschreibungen über die Ausübung der Untersuchungstätigkeit aufgenommen werden.

(3) Jede wesentliche Änderung der für die Bewilligung maßgebenden Umstände ist dem Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen anzuzeigen.

(4) Jede wesentliche Veränderung der Ausstattung und des Personalstandes sind dem Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen anzuzeigen.

(5) Der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen kann die Untersuchungstätigkeit jederzeit überprüfen und insbesondere die der Untersuchungstätigkeit dienenden Einrichtungen besichtigen.

(6) Die Bewilligung ist zurückzunehmen oder einzuschränken, wenn die Voraussetzungen für ihre Erteilung nicht mehr oder nur noch in eingeschränktem Umfang gegeben sind."

(Mittlerweile ist die Zuständigkeit auf die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen übergegangen.)

Der Beschwerdeführer macht in der ergänzten Beschwerde im Wesentlichen unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, dass er während des ganzen Verfahrens nie dazu aufgefordert worden sei, in irgendeiner Art und Weise zur bescheidmäßigen Zurücknahme der Bewilligung gemäß § 50 Abs. 6 Lebensmittelgesetz 1975 Stellung zu beziehen. Er sei lediglich ersucht worden, mitzuteilen, ob er weiterhin seine Tätigkeit als Lebensmittelgutachter gemäß § 50 Lebensmittelgesetz 1975 ausübe. Es sei ihm auch empfohlen worden, für den Fall, dass er nicht mehr als Lebensmittelgutachter tätig sei, die Bewilligung zurückzulegen. Er habe auf das entsprechende Schreiben nicht reagiert.

Falls er entsprechend aufgefordert worden wäre, hätte er dargelegt, dass er sehr wohl noch "diese Bewilligung benötige und auch als Lebensmittelgutachter tätig" sei. Der angefochtene Bescheid stütze sich in seiner Begründung ausschließlich darauf, dass er seine Funktion als Direktor der Bundesstaatlichen bakteriologisch-serologischen Untersuchungsanstalt nicht mehr ausübe.

Weder in § 50 Abs. 2 noch in § 47 Lebensmittelgesetz sei eine Verknüpfung zwischen der sachlichen Qualifikation und einer bestimmten Funktion vorgesehen. Es habe daher seines Erachtens kein Grund bestanden, die Funktionsänderung dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen anzuzeigen. Ihm diesen "Verstoß" vorzuwerfen sei umso grotesker, als dieselbe Behörde ihm diese Funktion unberechtigterweise entzogen habe.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die Entziehung der Befugnis tatsächlich lediglich damit begründet, dass dem Beschwerdeführer die Berechtigung als Lebensmittelgutachter in seiner Funktion als Direktor der Bundesstaatlichen bakteriologisch-serologischen Untersuchungsanstalt erteilt worden sei und er diese Funktion nicht mehr innehabe. Der Beschwerdeführer hat zutreffend darauf hingewiesen, dass nach dem Lebensmittelgesetz 1975 die Stellung als Gutachter nicht an die Innehabung einer bestimmten Funktion gebunden ist.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer somit eine Rechtswidrigkeit des Inhalts des angefochtenen Bescheides auf.

Ob und inwieweit sich etwa Veränderungen hinsichtlich der "notwendigen Behelfe" im Sinne des § 50 Abs. 2 LMG 1975 ergeben haben (worauf die belangte Behörde nach der Gegenschrift die Entziehung gestützt haben will), hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht festgestellt. Der Beschwerdeführer ist auch im Recht, wenn er darauf hinweist, dass die belangte Behörde ihm im Verwaltungsverfahren keine Gelegenheit gegeben hat, zur Frage Stellung zu nehmen, ob ihm die notwendigen Behelfe noch zur Verfügung stehen. Es kann dahingestellt bleiben, ob die dabei nach den Ausführungen in der Gegenschrift zu Grunde gelegte Rechtsauffassung, dass eine "Standortänderung" allein (bzw. der Umstand, dass der Beschwerdeführer nicht mehr am Standort der Anstalt, die er seinerzeit leitete, tätig ist) die Entziehung der Bewilligung nach § 50 Abs. 1 LMG 1975 rechtfertige, zutreffend ist. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die Entziehung nämlich nicht auf diese rechtliche Beurteilung gestützt.

Dem Beschwerdeführer musste auf Grund des Schreibens vom 21. Oktober 2002 betreffend die Frage seiner weiteren Tätigkeit als Lebensmittelgutachter gemäß § 50 LMG 1975 nicht bewusst sein, dass ein Verfahren gemäß § 50 Abs. 6 LMG 1975 eingeleitet wurde oder eingeleitet werde. Diese Aufforderung zur Stellungnahme kann auch nicht als formale Einräumung des Parteiengehörs im Verfahren nach § 50 Abs. 6 LMG 1975 angesehen werden. Es kommt in diesem Schreiben vor allem nicht zum Ausdruck, dass die belangte Behörde etwa davon ausgehe, dem Beschwerdeführer stünden die notwendigen Behelfe nicht mehr zur Verfügung.

Auch im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde keinerlei Feststellungen in dieser Richtung getroffen und in ihrer Begründung lediglich auf den Verlust der Stellung als Leiter der Bundesanstalt hingewiesen.

Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 23. Februar 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003100152.X00

Im RIS seit

26.03.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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