TE Vwgh Erkenntnis 2004/2/25 2001/09/0019

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Veröffentlicht am 25.02.2004
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des J in P, vertreten durch Dr. Erwin Fidler, Rechtsanwalt in 8230 Hartberg, Schildbach 111, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 7. Dezember 2000, Zl. UVS 40.11-2/2000-4, betreffend Ablehnung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist in einer Verwaltungsstrafsache wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer begehrte mit einem am 17. Juli 2000 erhobenen Antrag die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 4. November 1999, Zl. 15.1 1998/5448. Er begründete diesen Wiedereinsetzungsantrag im Wesentlichen damit, es seien seinem rechtsfreundlichen Vertreter (gemeint: Rechtsanwalt Dr. Erwin Fidler) am 9. November 1999 das genannte Straferkenntnis ("undokumentiert") und ein weiteres Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hartberg, Zl. 15.1 1997/12143, zugestellt worden. Erst mit dem Schreiben der belangten Behörde vom 3. Juli 2000 "wurde ersichtlich", dass er (gemeint: der Beschwerdeführer) bereits am 5. November 1999 das genannte Straferkenntnis, Zl. 15.1 1998/5448, persönlich übernommen habe. Sein Rechtsbeistand sei "zum damaligen Zeitpunkt" jedoch lediglich für das Strafverfahren zur Zl. 15.1 1997/12143 als Bevollmächtigter ausgewiesen gewesen, für das Strafverfahren zur Zl. 15.1 1998/5448 sei Rechtsanwalt Dr. Fidler nicht sein Bevollmächtigter gewesen. In einem eine Woche nach dem Einlangen dieser beiden Straferkenntnisse in der Rechtsanwaltskanzlei zwischen ihm und seinem Parteienvertreter (Rechtsanwalt Dr. Fidler) geführten Telefongespräch sei besprochen worden, dass gegen beide Straferkenntnisse Berufung erhoben werde. In diesem Gespräch sei die am 5. November 1999 an ihn (den Beschwerdeführer) erfolgte Zustellung des Straferkenntnisses "nicht thematisiert" worden. Wegen der inhaltlichen und der zeitlichen Verquickung beider Verfahren könne ihm daraus kein Vorwurf gemacht bzw. höchstens ein Versehen geringen Grades angelastet werden. In der Kanzlei seines Rechtsbeistandes sei durch die gemeinsame Zustellung der Straferkenntnisse der Eindruck erweckt worden, es beginne für beide Straferkenntnisse die Berufungsfrist am 9. November 1999 zu laufen. Für seinen Parteienvertreter habe kein Grund zur Annahme bestanden, dass die Berufungsfrist für das Straferkenntnis zur Zl. 15.1 1998/5448 schon zu einem früheren Zeitpunkt in Lauf gesetzt worden sei. Auch in diesem Zusammenhang liege höchstens ein Versehen geringen Grades vor. Bis zum Schreiben der belangten Behörde vom 3. Juli 2000 habe ein "Irrtum über den eigentlichen Beginn des Fristenlaufes für die Berufung" vorgelegen.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 7. August 2000 - mit dem der genannte Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers gemäß § 71 Abs. 1 und Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG abgewiesen worden war - gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG abgewiesen.

In der Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, im erstinstanzlichen Verfahren zur Zl. 15.1 1997/12143 habe Rechtsanwalt Dr. Fidler den Beschwerdeführer vertreten, hingegen sei der Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren zur Zl. 15.1 1998/5448 nicht von einem Rechtsanwalt vertreten gewesen. Im Verwaltungsstrafverfahren zur Zl. 15.1 1998/5448 sei das Straferkenntnis daher dem Beschwerdeführer am 5. November 1999 rechtswirksam zugestellt worden. Da die Berufungsfrist gegen dieses Straferkenntnis demnach am 19. November 1999 endete, sei die erst am 23. November 1999 zur Post gegebene Berufung verspätet erhoben. Die Bezirkshauptmannschaft Hartberg habe ohne ersichtlichen Grund das Straferkenntnis (gemeint zur Zl. 15.1 1998/5448) nach einigen Tagen auch an den Rechtsanwalt Dr. Fidler zugestellt. Die belangte Behörde könne allerdings der im Wiedereinsetzungsantrag vorgebrachten Ansicht, der Vertreter des Beschwerdeführers habe kein Veranlassung gehabt, über das Zustelldatum dieses Straferkenntnisses Recherchen anzustellen, nicht beitreten. In einem Verwaltungsstrafverfahren könne die Entscheidung (das Straferkenntnis) im Falle eines unvertretenen Beschuldigten nur an diesen wirksam zugestellt werden. Der Zustellung an einen (im erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahren) nicht ausgewiesenen Vertreter komme keine Rechtswirksamkeit zu. Der Vertreter des Beschwerdeführers (Rechtsanwalt Dr. Fidler) hätte wissen müssen, dass die Zustellung des Straferkenntnisses in dem Verfahren zur Zl. 15.1 1998/5448 an ihn rechtsunwirksam gewesen wäre. Daher hätte der Vertreter des Beschwerdeführers in dem im Wiedereinsetzungsantrag dargestellten Telefonat (mit dem Beschwerdeführer) die Zustellung des Straferkenntnisses thematisieren müssen; derart hätte der Rechtsanwalt aber von der am 5. November 1999 an den Beschwerdeführer (persönlich) erfolgten Zustellung - als Grundlage für die Berechnung der Berufungsfrist - Kenntnis erlagen können. Der Vertreter des Beschwerdeführers sei eben nur in einem der beiden Verwaltungsstrafverfahren bevollmächtigt gewesen; dies habe Auswirkungen auf die rechtswirksame Zustellung des Straferkenntnisses gehabt. Von bloß minderem Grad des Versehens bzw. überhaupt fehlendem Verschulden könne - zumal elementare Bestimmungen des Zustellgesetzes und deren Folgen unberücksichtigt gelassen worden seien - nicht gesprochen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die in der Gegenschrift von der belangten Behörde geäußerte Vermutung, die vorliegende Beschwerde sei verspätet erhoben worden, ist unbegründet. Aufgrund des - über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes - vom Beschwerdeführer vorgelegten Postaufgabescheines ist bescheinigt bzw. davon auszugehen, dass die vorliegende Beschwerde am 29. Jänner 2001 - und damit rechtzeitig - zur Post gegeben wurde.

Die zufolge § 24 VStG im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendende Bestimmung des § 71 Abs. 1 AVG lautet:

"Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Fristen einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei."

Zunächst ist im Beschwerdefall auf die Frage der Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses (zur Zl. 15.1 1998/5448) einzugehen:

Nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag und den im angefochtenen Bescheid getroffenen (in der Beschwerde unbekämpft gebliebenen) Feststellungen ist der Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahren nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten gewesen. Das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hartberg wurde dem Beschwerdeführer daher am 5. November 1999 rechtswirksam zugestellt; diese Zustellung hat den Lauf der Berufungsfrist bewirkt.

Erst ab dem Vorliegen einer Zustellungsbevollmächtigung (Zustellvollmacht im Sinne des § 8a Abs. 1 Zustellgesetz) hat die Behörde nur mehr an den Zustellungsbevollmächtigten und nicht an den Vertretenen zuzustellen.

Der Beschwerdeführer stimmt dieser Rechtsansicht in seiner Beschwerde zunächst ausdrücklich zu, er behauptet jedoch - dies allerdings abweichend von seinem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag - im vorliegenden Fall "wurde an den in Wahrheit bevollmächtigten und beauftragten Rechtsanwalt zugestellt, sodass jedenfalls eine Heilung der Zustellung nach § 9 Abs. 1 Zustellgesetz eingetreten ist".

Bei diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer, dass ein derartiger Sachverhalt im Wiedereinsetzungsantrag von ihm nicht geltend gemacht wurde, und dass ein derartiger Sachverhalt als Wiedereinsetzungsgrund schon deshalb nicht in Betracht kam, weil bei Zutreffen der behaupteten Heilung eines Zustellmangels bzw. einer erst am 9. November 1999 rechtswirksamen Zustellung die Berufung rechtzeitig gewesen wäre. Die Zustellung des Straferkenntnisses zur Zl. 15.1 1998/5448 an Rechtsanwalt Dr. Fidler, der in diesem Verfahren nicht Zustellungsbevollmächtigter gewesen ist, war rechtsunwirksam und bewirkte keinen Fristlauf.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2001, Zl. 2000/20/0436, und die Beschlüsse vom 28. März 2001, Zlen. 2001/04/0005 und 0006, sowie vom 26. Juli 2001, Zl. 2001/20/0402) können auch psychologische Vorgänge wie Irrtümer oder menschliche Unzulänglichkeiten einer Person als "Ereignis" im Sinne des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG gewertet werden. In einer Rechtsanwaltskanzlei ist für die richtige Berechnung der jeweiligen Rechtsmittelfrist in einem bestimmten Fall stets der Anwalt und nicht jener Kanzleiangestellte allein verantwortlich, der den Termin weisungsgemäß in den Kalender einträgt. Der Anwalt selbst hat die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen, sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen. Tut er dies nicht oder unterläuft ihm dabei ein Versehen, ohne dass er dartun kann, dass die Fristversäumnis auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten der Kanzleiangestellten beruht und in seiner Person keinerlei Verschulden vorliegt, so trifft ihn ein Verschulden, welches sich gegen die von ihm vertretene Partei auswirkt.

Vor diesem Hintergrund erweist sich die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages durch die belangte Behörde nicht als rechtswidrig, weil der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers (Rechtsanwalt Dr. Fidler) keine Prüfung der Zustellung bzw. des Zeitpunktes der Zustellung des Straferkenntnisses vorgenommen hat. Vielmehr hat der Beschwerdeführer im Wiedereinsetzungsantrag ausdrücklich dargelegt, sein Rechtsvertreter sei von dem durch die Zustellung in seiner Kanzlei "erweckten Eindruck" ausgegangen. Dass - wie im Wiedereinsetzungsantrag behauptet wird - ein "erweckter Eindruck" nicht die Grundlage der Prüfung und Berechnung einer Rechtsmittelfrist sein kann, braucht nicht weiter begründet zu werden. Zur Prüfung des Zeitpunktes der rechtswirksamen Zustellung des Straferkenntnisses wäre der als Berufungsvertreter in diesem Verfahren erstmals eingeschrittene Rechtsvertreter Rechtsanwalt Dr. Fidler jedenfalls auch deshalb verpflichtet gewesen, weil er in diesem Verwaltungsstrafverfahren vor der Erhebung der Berufung den Beschwerdeführer nicht rechtsfreundlich vertreten hat. Dem Beschwerdevorbringen "jedes äußere Anzeichen eines unrichtigen Zustellvorganges fehlte", ist zu erwidern, dass im Gegenteil - im Hinblick auf das Fehlen einer Vertretung des Beschwerdeführers in diesem erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahren - für Rechtsanwalt Dr. Fidler jeder Hinweis auf die Rechtswirksamkeit der an ihn (erkennbar unrichtig) vorgenommenen Zustellung (auch) des Straferkenntnisses zur Zl. 15.1 1998/5448 fehlte. Gerade der ins Treffen geführte Umstand, es seien ihm "in einem dicken Handakt zwei in seiner Kanzlei kalendierte und von der Behörde zugestellte Straferkenntnisse vorgelegen", hätte Rechtsanwalt Dr. Fidler auffallen und zur Prüfung veranlassen müssen, warum ihm zu "einem Handakt" nicht ein einziges sondern zwei Straferkenntnisse zugestellt wurden. Dass Rechtsanwalt Dr. Fidler den Beschwerdeführer nach dem Zeitpunkt der Zustellung des Straferkenntnisses (zu dem Verfahren, in dem er den Beschwerdeführer nicht vertreten hat) gefragt habe, wird nicht behauptet.

Schon nach dem oben Gesagten ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, darzutun, dass seinen Rechtsvertreter - dessen Verschulden er gegen sich gelten lassen muss - an der Versäumung der Berufungsfrist kein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden traf. Zudem war der Beschwerdeführer auch selbst verpflichtet, seinem Rechtsvertreter das Datum der persönlichen Übernahme des Straferkenntnisses bekannt zu geben, um damit überhaupt die Voraussetzung für eine fristgerechte Erhebung der Berufung zu schaffen (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2002, Zl. 2002/11/0191, und den Beschluss vom 30. September 1997, Zlen. 97/08/0127 und 0128).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 25. Februar 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001090019.X00

Im RIS seit

26.03.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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