TE Vwgh Erkenntnis 2004/2/26 2004/15/0011

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Veröffentlicht am 26.02.2004
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

KStG 1988 §15 Abs3 idF 2000/I/142;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde der M Versicherung Aktiengesellschaft in G, vertreten durch Dr. Siegfried Leitner, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 17/I gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 27. August 2003, RV/0236-G/03, betreffend Körperschaftsteuer 2001, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eine Versicherungsgesellschaft. Den von ihr in der Körperschaftsteuererklärung ausgewiesenen Gewinn erhöhte das Finanzamt bei Erlassung des Körperschaftsteuerbescheides 2001 im Hinblick auf die gesetzlich normierte Beschränkung der steuerlichen Abzugsfähigkeit der Rückstellung für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle um den Betrag von 2,146.992,89 Euro und der Stornorückstellung um den Betrag von 69.038,89 Euro, wobei ein Betrag von 1,339.610,44 Euro auf die Nachversteuerung der zum 31. Dezember 2000 ausgewiesenen Rückstellung entfiel (§ 15 Abs 3 und § 26a Abs 12 KStG idF Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl I 142/2000).

In der Berufung wandte sich die Beschwerdeführerin gegen die vom Finanzamt vorgenommene Erhöhung des erklärten Gewinnes. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Bestimmungen des § 15 Abs 3 KStG und des § 26a Abs 12 KStG seien gleichheitswidrig. Es wurde u. a. vorgebracht, durch die Regelung des § 15 Abs 3 KStG nehme der Gesetzgeber innerhalb der Rückstellungen Differenzierungen hinsichtlich der Laufzeit vor. Während er bei allen anderen Rückstellungsarten, die der 80%-Regel unterlägen, eine Einzelbetrachtung bei der Bestimmung der Laufzeit am Bilanzstichtag vorsehe, solle offenbar bei Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle eine pauschale und unwiderlegbare Vermutung Platz greifen. Danach sollten 30% der Rückstellungen ungekürzt und 70% der Rückstellungen nur mit 80% des Teilwertes zum Ansatz kommen.

Mit dem angefochtenen Bescheid entsprach die belangte Behörde dem Berufungsbegehren nicht. Die Beschwerdeführerin bestreite nicht, dass das Finanzamt die Steuer für das Jahr 2001 den gesetzlichen Bestimmungen des § 15 Abs 3 sowie des § 26a Abs 12 KStG entsprechend festgesetzt habe. Strittig sei, ob § 15 Abs 3 letzter Satz, der anordne, dass bei (nur) 30% der Summe der Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsgeschäfte die Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate betrage, sowie die Übergangsbestimmung des § 26a Abs 12 KStG verfassungswidrig seien. Da die Festsetzung der Steuer für das Jahr 2001 den gesetzlichen Bestimmungen des § 15 und § 26a KStG entsprechend erfolgt sei, sie die Berufung als unbegründet abzuweisen gewesen.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 3. Dezember 2003, B 1142/03 ua, ab. Mit Beschluss vom 14. Jänner 2004 trat er die Beschwerde gemäß Art 144 Abs 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Durch das Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl. I 142/2000, wurde § 15 KStG 1988 ein Abs 3 hinzugefügt, der folgendermaßen lautet:

"Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle und sonstige Rückstellungen (§ 81c Abs 3 D VII des Versicherungsaufsichtsgesetzes) sind mit 80% des Teilwertes anzusetzen. Rückstellungen, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate beträgt, sind ohne Kürzung des maßgeblichen Teilwertes anzusetzen. Bei den Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle ist davon auszugehen, dass bei 30% der Summe dieser Rückstellungen die Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate beträgt."

§26a KStG 1988 idF BGBl I 142/2000 enthält folgende Übergangsbestimmungen:

"(10) § 7 Abs 2, § 13 Abs 2 bis 4, § 15 Abs 2 und 3, § 22 Abs 2 und 3 und § 24 Abs 5, jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 142/2000, sind erstmalig bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2001 anzuwenden. ...

(12) § 15 Abs 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 142/2000 ist auch auf Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle und auf sonstige Rückstellungen (§ 81c Abs 3 Pos. D VII des Versicherungsaufsichtsgesetzes) anzuwenden, die bereits zum Ende des letzten vor dem 1. Jänner 2001 endenden Wirtschaftsjahres gebildet worden sind. Auflösungsgewinne, die sich aus der erstmaligen Anwendung des § 15 Abs 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 142/2000 bei den zuvor genannten Rückstellungen ergeben, können auf das Wirtschaftsjahr, das nach dem 31. Dezember 2000 endet, und auf die folgenden vier Wirtschaftsjahre (Auflösungszeitraum) verteilt werden, wobei jährlich mindestens ein Fünftel anzusetzen ist. Scheidet eine Rückstellung während des Auflösungszeitraumes aus dem Betriebsvermögen aus, ist der darauf entfallende Auflösungsgewinn im Wirtschaftsjahr des Ausscheidens jedenfalls anzusetzen."

Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 29. November 2003, B 766/03 ua, die Verfassungsmäßigkeit u.a. des § 15 Abs 3 KStG geprüft. Er hat die gegen diese Bestimmung vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht geteilt und ausgeführt:

"4.5. Dass der Gesetzgeber Rückstellungen mit kurzer Laufzeit (zwölf Monate) von der Kürzung ausnimmt, trägt offensichtlich dem Umstand Rechnung, dass bei 'kurzfristigen' Rückstellungen der in den Materialien erwähnte Steuer- und Zinseffekt keine oder nur eine geringe Rolle spielt. Es erweckt aber auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn der Gesetzgeber nun bei den Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle den Anteil dieser 'kurzfristigen' Rückstellungen mit 30 vH des Gesamtbestandes schätzt. Der Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt, dass es dem Gesetzgeber freisteht, einfache und leicht handhabbare Regelungen zu treffen (z.B. VfSlg. 10.455/1985, 11.616/1988, 15.674/1999 mwN). Er darf daher - zur Vermeidung aufwendiger Erhebungsmaßnahmen bei schwierig zu ermittelnden Sachverhalten - auch pauschalierende Regelungen treffen (VfSlg. 9624/1983). Die Beschwerden räumen selbst ein, dass es praktisch kaum möglich ist, eine Einzelbewertung durchzuführen und den Anteil der Rückstellungen mit kurzer Laufzeit verlässlich zu bestimmen. Dazu kommt, dass eine Fehleinschätzung in diesem Bereich keine gravierenden Steuerfolgen auslöst, sondern lediglich zur Verschiebung von Aufwandspositionen in die nächste(n) Periode(n) führt.

4.6. Der Gesetzgeber ist aber angesichts seiner Berechtigung, einfache und leicht handhabbare Regelungen zu treffen, auch nicht verpflichtet, bei der Schätzung des kurzfristigen Teiles der Rückstellung nach Versicherungszweigen zu differenzieren. Da Unternehmungen, die nur eine Versicherungssparte betreiben oder sich auf eine solche gänzlich konzentrieren, praktisch auszuschließen sind oder jedenfalls seltene Ausnahmefälle darstellen, darf der Gesetzgeber von einer Durchschnittsbetrachtung - d.h. einer Mischung verschiedener Versicherungssparten - ausgehen, zumal sich - wie erwähnt - die steuerlichen Konsequenzen einer Fehleinschätzung in der Regel darin erschöpfen, dass sich die Berücksichtigung eines Aufwandes um ein Jahr verschiebt. "

Vor dem Verwaltungsgerichtshof bringt die Beschwerdeführerin vor, § 15 Abs 3 dritter Satz KStG enthalte eine Vermutung, wonach bei den Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle davon auszugehen sei, dass für 30% der Summe dieser Rückstellungen die Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als "12 Tage" betrage. Diese Vermutung sei aber eine widerlegbare Tatsachenvermutung. Die Entscheidung der belangten Behörde wäre daher nur dann gesetzeskonform, wenn der Anteil der Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle mit einer Laufzeit von weniger als 12 Monaten 30% oder weniger betrage. Übersteige der Anteil der Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle mit einer Laufzeit am Bilanzstichtag von weniger als 12 Monaten diesen Prozentsatz, so sei der Entscheidung der tatsächliche Prozentsatz zu Grunde zu legen, da widrigenfalls ein tatsächlich geleisteter Aufwand in Form von Versicherungsleistungen der Körperschaftsteuer unterzogen werde.

Die belangte Behörde habe es unterlassen, entsprechend dem Grundsatz der Amtswegigkeit den Anteil der kurzfristigen Rückstellungen für nicht abgewickelte Versicherungsfälle zu erheben, obwohl aus den Erklärungen und Entscheidungen der vorangegangenen Wirtschaftsjahre der (rund 90%ige) Anteil der kurzfristigen Rückstellungen amtsbekannt sei. Auf amtsbekannt rechtserhebliche Umstände wäre von Amts wegen Bedacht zu nehmen.

Mit diesem Vorbringen verkennt die Beschwerdeführerin die Rechtslage. Der Wortlaut des § 15 Abs 3 KStG 1988 bringt unzweifelhaft zum Ausdruck, dass nur für 30% der Summe der Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle (und sonstigen Rückstellungen iSd § 81c Abs 3 D VII des Versicherungsaufsichtsgesetzes) davon auszugehen ist, dass deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate beträgt. Von diesem durch den Gesetzgeber festgelegten Ausmaß darf die Verwaltungsbehörde nicht abweichen.

Auch der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 29. November 2003, B 766/03, zum Ausdruck gebracht, dass der Gesetzgeber mit der Bestimmung des § 15 Abs 3 KStG bei den Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle den Anteil der "kurzfristigen" Rückstellungen mit 30% des Gesamtbestandes geschätzt und damit - zur Vermeidung aufwändiger Erhebungsmaßnahmen - im Hinblick auf den schwierig zu ermittelnden Sachverhalt eine pauschalierende Regelung getroffen hat.

Zutreffend ist daher die von der Beschwerdeführerin ohnedies auch im Verwaltungsverfahren vertretene Rechtsauffassung, wonach § 15 Abs 3 KStG 1988 mit seinem dritten Satz unwiderlegbar festlege, dass nur 30% der in Rede stehenden Rückstellungen ungekürzt zum Ansatz kommen.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist der belangten Behörde somit die Unterlassung entsprechender Erhebungen nicht als Verletzung von Verfahrensvorschriften vorzuwerfen.

Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 26. Februar 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004150011.X00

Im RIS seit

30.03.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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