TE Vwgh Erkenntnis 2004/2/26 2002/16/0139

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Veröffentlicht am 26.02.2004
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3R E02202000;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

31992R2913 ZK 1992 Art244;
BAO §119 Abs1;
BAO §212a;
EURallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Höfinger, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der P GmbH in K, vertreten durch Kosch & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Bäckerstraße 1/3/13, gegen den Bescheid des Berufungssenates I der Region Innsbruck bei der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 26. März 2002, Zl. ZRV 764/1-I1/02, betreffend Aussetzung der Vollziehung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin war Empfängerin von in der am 30. Oktober 1995 beim Hauptzollamt Wien eingereichten Anmeldung erklärten "833 Karton Grillenten gefroren gewürzt" mit der Warennummer 1602 3990. Diese Ware wurde antragsgemäß in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt.

Die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Technische Untersuchungsanstalt (TUA), gab nach Untersuchung von aus dieser Warensendung gezogenen Mustern folgende gutachtliche Äußerung ab:

"Kunststoffbeutel (keine Originalpackung) beinhaltet eine gefrorene, frische Ente, gerupft, ausgenommen, ohne Kopf und Paddeln, mit beigefügtem Hals, Herz, Leber und Muskelmagen. Die Ente weist einen schwach würzigen aromatischen Geruch auf. Eine Würzung im Sinne der zusätzlichen Anmerkung 6 a, Kap. 2 des österr. Gebrauchszolltarifs ist nicht gegeben. Es liegt bei der Ente keine konsumorientierte Zubereitung im Sinne d. Kap. 16 vor. Ohne ersichtliche, die Markt- und Verkehrsfähigkeit sowie Verzehrtauglichkeit beeinträchtigende Mängel (wie z.B. Schimmelbefall, abartiger Geruch etc.). ...

Unter der Voraussetzung, dass die Anbotsform 'Enten 70 v.H.'

vorliegt. TV.: ... 0207 2311 001"

Das Hauptzollamt Wien teilte mit Bescheid vom 20. Juni 1996 die auf Grund des Tarifvorschlages der TUA nunmehr buchmäßig erfassten Eingangsabgaben gemäß Art. 221 Zollkodex mit.

Mit der Eingabe vom 22. Juli 1996 beantragte die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin die Aussetzung des Unterschiedsbetrages der beiden buchmäßig erfassten Eingangsabgaben. Wie dem dem Antrag beigelegten amtlichen Untersuchungszeugnis der Lebensmitteluntersuchungsanstalt zu entnehmen sei, entspreche die eingeführte Ware den Anforderungen, um in Kapitel 16 der Kombinierten Nomenklatur (KN) eingestuft zu werden.

Das Untersuchungsgutachten des Magistrats der Stadt Wien, MA 59, Lebensmitteluntersuchungsanstalt, vom 31. Oktober 1995, lautet wie folgt:

"1. Die vorliegende als 'Enten' bezeichnete Probe wurde auftragsgemäß untersucht.

2.

Die Ware ist genusstauglich.

3.

Die Ergebnisse der gewünschten Untersuchungen sind obigem Prüfbericht zu entnehmen. Die Ware ist an der Oberfläche mit einer orangefarbenen Gewürzmischung gewürzt. Der Geruch der Oberfläche ist würzig.

              4.              Weitere Untersuchungen wurden nicht durchgeführt."

Mit Bescheid vom 5. November 1996 wies das Hauptzollamt Wien den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung mangels Vorliegens der erforderlichen Voraussetzungen ab. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, nach dem Ermittlungsergebnis des Hauptzollamtes Wien bestünden keine begründeten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung und es lägen auch keine Anhaltspunkte für einen unersetzbaren Schaden vor.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen als "Einspruch" bezeichneten Berufung brachte die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin vor, sie importiere jährlich Tausende Tonnen gewürztes Geflügelfleisch. Zur Überprüfung der Lieferanten veranlasse sie laufend und freiwillig Probenziehungen und das Erstellen von Gutachten. In allen bisher strittigen Fällen sei seitens der Gutachter die ausdrückliche Bestätigung des Zustandes "gewürzt" vorgelegen. Es werde ersucht, die Einhebung der Abgaben auszusetzen, weil dieses Vorgehen der Behörde das Unternehmen im internationalen Wettbewerb benachteilige.

Mit der Berufungsvorentscheidung vom 21. Jänner 1997 wies das Hauptzollamt Wien die Berufung als unbegründet ab. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, die Berufung gegen die Bescheide des Hauptzollamtes Wien, mit denen über die Rechtmäßigkeit der nachträglichen buchmäßigen Erfassung abgesprochen wurde, seien mit Berufungsvorentscheidung erledigt worden, sodass keine Abgabe mehr vorliege, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung abhängig sei. Es sei daher die Berufung gegen den die Aussetzung der Vollziehung abweisenden Bescheid abweislich zu entscheiden gewesen.

Die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin stellte ohne weitere Begründung den Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit dem an die Beschwerdeführerin ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerde (der Antrag auf Vorlage der Berufung war als Beschwerde zu behandeln) als unbegründet ab. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, es werde geltend gemacht, dass es sich bei den am 30. Oktober 1995 verzollten Grillenten um eine im Sinne der zusätzlichen Anmerkung 6 a zu Kapitel 2 der KN als "gewürzt" zu qualifizierende Ware gehandelt habe. Nach der genannten Anmerkung gehöre nicht gegartes, gewürztes Fleisch zu Kapitel 16 der KN. Als gewürzt gelte nicht gegartes Fleisch, bei dem die Würzstoffe in das Innere eingedrungen oder auf allen Flächen des Erzeugnisses verteilt und mit bloßem Auge oder deutlich durch Geschmack wahrnehmbar seien. In der zu treffenden Entscheidung über die Zulässigkeit der Aussetzung der Vollziehung sei die Frage der tariflichen Einreihung der ungarischen Grillenten nur dahingehend zu beurteilen, ob die Einreihung in die Warennummer 0207 2311 001 und die daraus resultierende Nachforderung von Einfuhrabgaben in rechtlicher Hinsicht zweifelhaft erscheine. Diese Bewertung der Sach- und Rechtslage könne im gegebenen Zusammenhang nur eine überschlagsmäßige sein. Die Erörterung im Detail sei der Entscheidung über die Beschwerde gegen die Mitteilung der nachträglichen buchmäßigen Erfassung der Abgaben vorbehalten.

Es stehe fest, dass das Ergebnis der von der TUA durchgeführten sensorischen Untersuchung der Entenprobe im Ergebnis von den von der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin vorgelegten Gutachten nicht widerlegt werde. Denn eine Würzung habe auch die TUA festgestellt, allerdings nur eine, welche die Anforderungen laut zusätzlicher Anmerkung 6 a zu Kapitel 2 der genannten Anmerkung nicht erfülle. Das Gutachten des Magistrates Wien vom 31. Oktober 1995 stelle primär auf die Genusstauglichkeit der Waren ab. Es sei darin auch festgestellt worden, dass die Ente an der Oberfläche mit einer orangefarbenen Gewürzmischung gewürzt gewesen sei. Eine Feststellung darüber, dass die Würzstoffe in das Fleischinnere eingedrungen oder auf allen Flächen des Erzeugnisses verteilt und mit bloßem Auge oder deutlich durch Geschmack wahrnehmbar gewesen sei, sei nicht getroffen worden. Zusammenfassend sei daher festzustellen, dass aus den angeführten Gründen begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abgabenforderung nicht als gegeben angenommen werden könnten. Nach der Rechtsprechung des EuGH sei zu prüfen, ob bei Aufhebung der strittigen Entscheidung im Hauptverfahren die Lage, die durch den sofortigen Vollzug dieser Entscheidung entstünde, umgekehrt werden könne und andererseits, ob die Aussetzung der Vollziehung dieser Entscheidung deren volle Wirksamkeit behindern könnte, falls die Klage abgewiesen werde. Anhaltspunkte dafür, dass die sofortige Vollziehung zu einem unersetzbaren Schaden geführt habe, lägen nicht vor, bzw. seien von der Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht worden. Ein finanzieller Schaden sei nach der Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich nur dann schwer und nicht wiedergutzumachen, wenn er im Falle des Obsiegens im Hauptsacheverfahren nicht vollständig ersetzt werden könnte. Dies treffe im vorliegenden Fall nicht zu.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Aussetzung der Vollziehung verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach Art. 244 ZK wird durch die Einlegung des Rechtsbehelfs die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung nicht ausgesetzt. Die Zollbehörden setzen jedoch die Vollziehung der Entscheidung ganz oder teilweise aus, wenn sie begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung haben oder wenn dem Beteiligten ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte. Bewirkt die angefochtene Entscheidung die Erhebung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben, so wird die Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht. Diese Sicherheitsleistung braucht jedoch nicht gefordert zu werden, wenn eine derartige Forderung auf Grund der Lage des Schuldners zu ernsten Schwierigkeiten in wirtschaftlicher oder sozialer Art führen könnte.

Bei der Aussetzung der Vollziehung nach Art. 244 ZK handelte es sich um eine begünstigende Bestimmung. Der Abgabenpflichtige hat daher selbst überzeugend darzulegen und glaubhaft zu machen, dass die Voraussetzungen dafür vorliegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. September 1999, Zl. 98/17/0227).

Es wäre Sache der antragstellenden Partei gewesen, im verwaltungsbehördlichen Verfahren zu behaupten und glaubhaft zu machen, dass ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte, wenn die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung nicht ausgesetzt werde. Da keine solche Behauptung aufgestellt wurde, konnte dieser Umstand nicht zur Aussetzung der Vollziehung führen. Der erstmals in der Beschwerde erhobenen Behauptung, mehrere Jahre vor der Nacherhebung der Abgaben habe der Geschäftsführer des Unternehmens anlässlich einer Besprechung mit maßgebenden Vertretern des Hauptzollamtes Wien darauf hingewiesen, dass diese Nacherhebung zur Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens führen werde, steht das Neuerungsverbot entgegen, sodass auf dieses Beschwerdevorbringen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht weiter einzugehen ist.

Die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführer beantragte die Aussetzung der Vollziehung im Wesentlichen mit der Behauptung, die Grillenten seien in die Tarifposition 1602 der KN und nicht in die Tarifposition 0207 der KN einzureihen.

Die nachträgliche buchmäßige Erfassung der Zollschuld stützte sich auf das Untersuchungsergebnis der TUA. Diese gutachtliche Äußerung wurde in der Berufungsvorentscheidung am 21. Jänner 1997 über die nachträglich buchmäßige Erfassung näher dargestellt. In diesem Bescheid heißt es:

"Nach den Ergebnissen der durchgeführten sensorischen Untersuchungen wies die Entenprobe unmittelbar nach dem Öffnen eine nur schwach wahrnehmbaren unspezifischen Geruch nach Würzstoffen auf, der sich nach einiger Zeit verflüchtigte. In ihrem äußeren Erscheinungsbild unterschied sie sich durch nichts von ungewürzten, nicht gegarten, gefrorenen Enten, die zu Vergleichszwecken und zur Kontrolle aus dem Handel besorgt worden waren; lediglich an einigen Stellen der Oberfläche (Haut) waren orangefarbene Flecken festzustellen."

Dieser gutachtlichen Äußerung wurde ein Gutachten des Magistrates der Stadt Wien, Lebensmitteluntersuchungsanstalt, entgegengesetzt. Dieses Gutachten weist keine genauen Aussagen über die Verteilung der Würzstoffe oder die Einwirkung der Würzstoffe in das Innere auf und war daher nicht geeignet, begründete Zweifel an der auf Grund des Tarifierungsvorschlages der TUA vorgenommenen Entscheidung hervorzurufen.

Die belangte Behörde konnte daher bei dieser Sachlage davon ausgehen, dass keine begründeten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung im Sinne des Art. 244 ZK bestanden und versagte daher mangels Bestehens solcher Zweifel die Aussetzung der Vollziehung mit Recht.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am 26. Februar 2004

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht vorläufige Aussetzung der Vollziehung provisorischer Rechtsschutz EURallg6

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002160139.X00

Im RIS seit

09.04.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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