TE Vwgh Erkenntnis 2004/3/17 2000/08/0109

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Veröffentlicht am 17.03.2004
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
60/01 Arbeitsvertragsrecht;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

ABGB §914;
AngG §8 Abs4;
MSchG 1979 §14;
MSchG 1979 §3 Abs1;
MSchG 1979 §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard sowie die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse in Graz, vertreten durch Dr. Helmut Destaller, Dr. Gerald Mader und Dr. Walter Niederbichler, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Grazbachgasse 5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen vom 30. Mai 2000, Zl. 121.447/4-7/2000, betreffend Versicherungspflicht nach ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien:

1. M in W, vertreten durch Graf, Maxl und Pitkowitz, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Stadiongasse 2; 2. M GmbH in G;

3. Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1; 4. Arbeitsmarktservice, Landesgeschäftsstelle Steiermark, 8020 Graz, Bahnhofgürtel 85; 5. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter Straße 65), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse hat mit Bescheid vom 22. Dezember 1997 festgestellt,

"daß die per 1.9.1997 von der (Zweitmitbeteiligten) als Physiotherapeutin zur Pflichtversicherung angemeldete (Erstmitbeteiligte) ab 1.9.1997 nicht der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht unterliegt. Die von der (Zweitmitbeteiligten) per 1.9.1997 vorgenommene Anmeldung der (Erstmitbeteiligten) zur Pflichtversicherung wird daher abgelehnt."

In der Begründung gab die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse zunächst aus der Betriebsvereinbarung der Zweitmitbeteiligten (der Dienstgeberin) wieder, dass diese allen Mitarbeitern eine Karenzierung gegen Entfall der Bezüge gewähre, sofern die Mitarbeiter vier volle Beschäftigungsjahre aufwiesen, einen schriftlichen Antrag (drei Monate vor Antritt und Angabe von Zeit und Begründung) einreichten, die Zustimmung der Zweitmitbeteiligten hätten, eine Selbstkündigung vornähmen und während der Karenzierung keiner Tätigkeit in einer ähnlichen Einrichtung innerhalb der Steiermark nachgingen. Die Dauer der Karenzierung betrüge laut Betriebsvereinbarung mindestens sechs Monate und maximal ein Jahr, doch könne die Frist in besonders begründeten Fällen verlängert werden. Spätestens einen Monat vor Ablauf der Karenzzeit müsse der Mitarbeiter schriftlich seinen Dienstantritt oder sein endgültiges Ausscheiden bekannt geben. Bei Wiedereintritt seien alle Dienstzeiten, die vor der Karenzierung gelegen sind, für alle Ansprüche, die sich nach der Dauer der Dienstzeit richten, voll anzurechnen. Die Zweitmitbeteiligte verpflichte sich, alle Mitarbeiter, die diese Karenzierung in Anspruch nähmen, wieder aufzunehmen und ihnen einen adäquaten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen.

Die Erstmitbeteiligte (Dienstnehmerin der Zweitmitbeteiligten) sei unter diesen Voraussetzungen auf Grund ihres Ersuchens vom 22. Mai 1996 für den Zeitraum vom 1. September 1996 bis 31. August 1997 gegen Entfall der Bezüge karenziert und dementsprechend per 31. August 1996 von der Pflichtversicherung abgemeldet worden. Mit Schreiben vom 19. August 1997 habe die Erstmitbeteiligte der Zweitmitbeteiligten mitgeteilt, dass sie vereinbarungsgemäß mit 1. September 1997 ihren Dienst wieder antrete. Gleichzeitig habe sie mitgeteilt, dass sie voraussichtlich am 2. Oktober 1997 entbinden werde und daher ab 1. September 1997 nicht am Arbeitsplatz anwesend sein müsse. Sie ersuche um Abschrift einer Anmeldung bei der zuständigen Gebietskrankenkasse sowie um Überweisung ihres Gehaltes. Die Zweitmitbeteiligte habe die Erstmitbeteiligte am 14. Oktober 1997 bei der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse per 1. September 1997 als Physiotherapeutin zur Pflichtversicherung mit dem gleichzeitigen Ersuchen um korrekte Durchführung der Anmeldung angemeldet, weil sich die Erstmitbeteiligte im Mutterschutz befunden und keinen Entgeltanspruch gehabt habe. In rechtlicher Hinsicht beurteilte die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse die Karenzierung als "echte" Unterbrechung des Dienstverhältnisses, sodass dieses am 31. September 1996 beendet worden sei und am 1. September 1997 ein neues Dienstverhältnis begonnen hätte.

Den gegen diesen Bescheid von den Erst- und Zweitmitbeteiligten erhobenen Einsprüchen gab der Landeshauptmann von Steiermark keine Folge und bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Erstmitbeteiligten gegen den Bescheid des Landeshauptmannes Folge und stellte in Abänderung des Einspruchbescheides fest, dass die Erstmitbeteiligte auf Grund ihrer Tätigkeit als Physiotherapeutin für die Zweitmitbeteiligte vom 1. September 1997 bis 17. September 1999 der Versicherungspflicht nach § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen sei.

Zur Begründung stellte die belangte Behörde das Verwaltungsgeschehen dar, gab einschlägige Rechtsvorschriften und Rechtsprechung wieder und führte aus, dass folgendes Beweismaterial vorliege:

"1) Ein Schreiben (der Erstmitbeteiligten) an die (Rechtsvorgängerin der Zweitmitbeteiligten) vom 3.6.96 mit folgendem Wortlaut:

'Karenzierung gegen Entfall der Bezüge

...

Ich plane nach Wien zu ziehen und beantrage daher, mich bis auf weiteres gegen Entfall der Bezüge zu karenzieren. ...'

Dieses Schreiben ... trägt ... handschriftliche Vermerke mit folgendem Wortlaut:

'Zustimmung:

Dauer: 1.9.97

Rückmeldung bis spätestens 30.6.97

Selbstkündigung nach Betriebsvereinbarung notwendig'. Diese Vermerke sind mit dem Namen K. J. unterschrieben.

2) Die Abmeldung (der Erstmitbeteiligten) von der Sozialversicherung (durch den Dienstgeber) per 31.8.96, worin als Abmeldungsgrund die 'Kündigung durch den Dienstnehmer' angekreuzt ist.

Weiters enthält diese Abmeldung den handschriftlichen Vermerk 'Karenzierung für ein Jahr'.

3) Ein Schreiben des Vertreters der Rechtsabteilung der (Zweitmitbeteiligten) an die (beschwerdeführende) Gebietskrankenkasse worin dieser zu dem unter 1) zitierten Schreiben Folgendes anmerkt:

'Mit Schreiben vom 3.6.96 teilte uns (die Erstmitbeteiligte) mit, dass sie gegen Entfall der Bezüge karenziert werden möchte. Ich habe Herrn K. J., leitender Therapeut und direkter Vorgesetzter (der Erstmitbeteiligten) deren Schreiben unter anderem mit dem Hinweis weitergeleitet, dass dies entsprechend unserer Betriebsvereinbarung nur im Wege einer Selbstkündigung möglich ist. Ich habe diese Anfrage abgezeichnet zurückerhalten, d. h. dass dies (der Erstmitbeteiligten) auch ausdrücklich mitgeteilt worden ist.' "

In der Folge gibt die belangte Behörde die schon von der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse im erstinstanzlichen Bescheid dargestellten Auszüge aus der Betriebsvereinbarung über die Karenzierung wieder.

Weiter wird aus dem Protokoll über die von der belangten Behörde durchgeführten Einvernahme der Erstmitbeteiligten am 16. Februar 1999 wie folgt zitiert:

"Ich habe vor Abfassung meines schriftlichen Ansuchens um Karenzierung (Juni 1996) Herrn J. K. angesprochen, ob eine Karenzierung möglich sei. Er hat mir einige Tage später mitgeteilt, dass das ok gehe und dass ich ein schriftliches Ansuchen verfassen solle. ... Herr J. K. hat mir meiner Erinnerung nach damals auch gesagt, dass ich in dieser Zeit in keiner ähnlichen Einrichtung tätig werden dürfe, dass es jedoch in der Vergangenheit auch hinsichtlich dieser Bedingung Ausnahmen gegeben habe. Über die 'Selbstkündigung' haben wir anlässlich meines Karenzierungsansuchens nicht gesprochen. Ich hätte diesfalls sicher nachgefragt, was es damit auf sich habe. Die Betriebsvereinbarung habe ich sicher irgendwann gesehen, kurz nach meinem Eintritt in die Rechtsvorgängerin der Zweitmitbeteiligten. Ich habe sie jedoch nicht gelesen. Anlässlich meines Karenzierungsansuchens wurde ich nicht auf die Betriebsvereinbarung hingewiesen."

Aus Abrechnungsunterlagen gingen für die belangte Behörde Zahlungen an die Erstmitbeteiligte an Gehalt, Erschwerniszulagen, Urlaubszuschuss und Sonderzahlungen bis August 1996 hervor; aus einer Urlaubs- und Krankenkartei schloss die belangte Behörde, dass die Erstmitbeteiligte ihre Karenz mit einem Minus von 24 Urlaubstagen angetreten habe.

In rechtlicher Hinsicht kam die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass - unter Berücksichtigung der Karenzierungsbestimmungen in der Betriebsvereinbarung - eine "echte" Karenzierung vorliege. Die Erstmitbeteiligte habe ihr Dienstverhältnis nicht gekündigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, zu der die Erstmitbeteiligte eine Gegenschrift erstattet hat, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen; sie beantragt die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse, dass die belangte Behörde Feststellungen darüber unterlassen habe, wann die Erstmitbeteiligte ihr Kind geboren habe, sowie darüber, ob bzw. wie lange sie während des von ihr angenommenen Zeitraums (1. September 1997 bis 17. September 1999) der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht tatsächlich beschäftigt gewesen sei bzw. wie lange ihr Karenzurlaub gewährt worden sei. Diese Feststellungen seien für die Beurteilung der Versicherungspflicht der Erstmitbeteiligten erforderlich, zumal Wochengeld- und Karenzgeldbezieherinnen nur teilversichert wären.

Die - von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auch erkannte - Bedeutung der Unterscheidung zwischen einer "echten Unterbrechung" und einer Karenzierung besteht darin, dass eine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses dessen Beendigung mit allfälliger Wiedereinstellung darstellt, während bei der Karenzierung das Beschäftigungsverhältnis aufrecht erhalten wird; lediglich die beiderseitigen Hauptpflichten (Lohnzahlungsbzw. Arbeitspflicht) werden für einen bestimmten Zeitraum suspendiert (vgl. das Erkenntnis vom 18. Dezember 2001, Zl. 2000/09/0076).

Bei der Beantwortung der Frage, ob eine Unterbrechung (im Sinne einer Beendigung) des Arbeitsverhältnisses oder eine bloße Karenzierung (im Sinne einer bloßen Aussetzung der synallagmatischen Verpflichtungen) vorliegt, kommt es auf den Inhalt der zwischen den Arbeitsvertragspartnern abgeschlossenen Vereinbarung an, die nach den Regeln des § 914 ABGB auszulegen ist (vgl. dazu etwa auch die hg. Erkenntnisse vom 20. Oktober 1992, Zl. 92/08/0047, Slg. Nr. 13723/A, vom 29. März 2000, Zl. 98/08/0164, und vom 26. Jänner 2000, Zl. 95/08/0153).

Die belangte Behörde hat die Vereinbarung zwischen der Erst- und der Zweitmitbeteiligten im angefochtenen Bescheid dahin gewertet, dass die Parteien eine Karenzierung im Auge gehabt hätten, und hat bei dieser Beurteilung insbesondere die Bestimmungen über die Karenzierung in der Betriebsvereinbarung herangezogen. Auch die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse führt in der Beschwerde die Betriebsvereinbarung ins Treffen, kommt allerdings zu dem Ergebnis, es sei eine "echte" Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses vorgelegen.

Von beiden Behörden wird dabei übersehen, dass nach den insoweit unbekämpft gebliebenen Feststellungen die Karenzierungsbestimmungen der Betriebsvereinbarung nicht zum Inhalt der Vereinbarung zwischen der Erst- und der Zweitmitbeteiligten geworden sind. Dem insofern unstrittigen Sachverhalt ist zu entnehmen, dass die Erstmitbeteiligte auch keine Selbstkündigung vorgenommen hat. Insofern erweist sich die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde in diesem Punkt schon wegen der Feststellungen über die der Arbeitsunterbrechung vorangegangenen Gespräche und die dabei geführte Korrespondenz im Ergebnis als zutreffend. Erfolgte nämlich keine Selbstkündigung, die für die Erstmitbeteiligte jedenfalls ungünstiger gewesen wäre, weil dies ihr Beschäftigungsverhältnis zur Zweitmitbeteiligten beendet hätte, und wurde auch keine Endabrechnung der Ansprüche aus dem Dienstverhältnis durchgeführt - die in der Beschwerde vertretene gegenteilige Ansicht bleibt unbegründet -, war, auch im Hinblick auf das der Erstmitbeteiligten auferlegte Konkurrenzverbot, die Annahme der belangten Behörde, es sei eine Karenzierung vereinbart worden, nicht rechtswidrig.

Dennoch erweist sich der angefochtene Bescheid auch angesichts der zutreffenden Annahme der belangten Behörde, die Erstmitbeteiligte habe sich bis 31. August 1997 in einem vertraglich vereinbarten Karenzurlaub befunden, als rechtswidrig:

Die Erstmitbeteiligte hat am 1. September 1997 unbestrittenermaßen ihre Beschäftigung nicht wieder antreten können, weil sie sich auf Grund ihrer Schwangerschaft mittlerweile in der Schutzfrist im Sinne des § 3 Abs. 1 Mutterschutzgesetz 1979 (MSchG) befunden hat. Das Wiederaufleben der Vollversicherungspflicht hängt daher im Sinne der §§ 4 Abs. 2 iVm 11 Abs. 1 ASVG nicht etwa davon ab, ob die Erstmitbeteiligte während der Schutzfrist einen Anspruch auf Wochengeld hatte (diesfalls wäre sie - wie die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse zu Recht meint - jedenfalls nicht vollversichert), sondern davon, ob sie - bei Fehlen eines Anspruchs auf Wochengeld - Anspruch auf Entgeltfortzahlung hatte. Dies ist aber aus den nachstehenden Gründen nur für den Zeitraum von sechs Wochen ab der Entbindung zu bejahen:

Der die Entgeltfortzahlung im Falle der Mutterschaft regelnde § 14 MSchG sieht zwar - im Grundsatz - Entgeltfortzahlungsansprüche der Schwangeren für Zeiträume besonderer Beschäftigungsverbote vor, welche über die Beschäftigungsverbote des § 3 Abs. 1 bzw. § 5 Abs. 1 MSchG hinausgehen, nicht aber für die Schutzfrist selbst und ordnet in § 14 Abs. 3 MSchG überdies an, dass der Anspruch nicht für Zeiten besteht, während derer Wochengeld oder Krankengeld nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz bezogen werden kann, sodass der Entgeltfortzahlungsanspruch, soweit er überhaupt besteht, im Verhältnis zu den genannten Leistungen der Sozialversicherung nur subsidiär ist.

Vor diesem normativen Hintergrund wird aber deutlich, dass der Gesetzgeber des Mutterschutzgesetzes von der Annahme ausgegangen ist, dass die von § 14 MSchG betroffene Schwangere zumindest in der Schutzfrist des § 3 Abs. 1 und des § 5 Abs. 1 MSchG Geldleistungen aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft (Wochengeld) bezieht, da andernfalls nicht erklärbar wäre, dass der Gesetzgeber in § 14 leg. cit. just für diese Zeiträume nicht einmal einen gegenüber dem Krankengeld und dem Wochengeld subsidiären Entgeltfortzahlungsanspruch vorgesehen hat, wohl aber für Zeiträume vor und nach der (Regel)Schutzfrist.

Soweit daher § 14 Mutterschutzgesetz als lex specialis Entgeltfortzahlungsansprüche, die in arbeitsrechtlichen Gesetzen für den Fall der Mutterschaft sonst vorgesehen sind, verdrängt, kann dies nur für jene Fälle angenommen werden, in denen die Prämissen, von denen der Gesetzgeber des Mutterschutzgesetzes erkennbar ausgegangen ist, zutreffen. Dies ist hier aber nicht der Fall, weil die Erstmitbeteiligte auf Grund ihres Karenzurlaubes die Anspruchsvoraussetzungen für das Wochengeld nicht erfüllt hatte. Dafür wäre nämlich erforderlich, dass der Versicherungsfall der Mutterschaft (in der Regel mit Beginn der Schutzfrist - § 120 Abs. 1 Z 3 ASVG) während der Dauer der Pflichtversicherung eingetreten ist oder seit dem Ende der mindestens 13 Wochen dauernden Pflichtversicherung bis zum Eintritt des Versicherungsfalles nicht mehr als 32 Wochen verstrichen sind (§ 122 Abs. 3 ASVG). Beide Voraussetzungen liegen im Falle der Erstmitbeteiligten offenkundig nicht vor.

Ihr kommt daher - angesichts des Fortbestandes des für die Dauer der Schutzfrist kraft Gesetzes karenzierten Arbeitsverhältnisses - jedenfalls die in § 8 Abs. 4 Angestelltengesetz für einen Zeitraum von sechs Wochen ab der Niederkunft vorgesehene Entgeltfortzahlung zugute (vgl. in diesem Sinne auch OGH 13. April 1988, 9 ObA 132/87; Martinek/Schwarz, Kommentar zum Angestelltengesetz, 7. Auflage, Erläuterung 13 zu § 8; Dittrich/Tades, Angestelltengesetz, 22. Auflage, Anmerkung 11 zu § 8 mit Verweisen). Für diesen Zeitraum besteht daher - soweit der Entgeltfortzahlungsanspruch die Geringfügigkeitsgrenze überschreitet - auch (wieder) Vollversicherungspflicht nach dem ASVG (§ 11 Abs. 1 ASVG).

Nach Ablauf dieser sechs Wochen käme eine Vollversicherung für die Erstmitbeteiligte nur dann in Betracht, wenn sie die Arbeit wieder angetreten, das heißt weder ihren Anspruch auf Mutterschaftskarenzurlaub in Anspruch genommen noch das Arbeitsverhältnis beendet hätte.

Da die belangte Behörde das Bestehen der Vollversicherungspflicht ab 1. September 1997 bis 17. September 1999 ausschliesslich aus dem Umstand abgeleitet hat, dass sie die vertraglich vereinbarte Arbeitsunterbrechung im Zeitraum bis 31. August 1997 (wenn auch zutreffend) als Karenzurlaub beurteilte, im Übrigen aber das Vorliegen der Voraussetzungen für das Wiederaufleben der Versicherungspflicht ab 1. September 1997 teils rechtsirrig angenommen, teils die erforderlichen Feststellungen nicht getroffen hat, war der gesamte Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Verpflichtung zum Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 17. März 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2000080109.X00

Im RIS seit

13.04.2004

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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