TE Vwgh Erkenntnis 2004/3/30 2003/06/0070

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Veröffentlicht am 30.03.2004
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs2;
AVG §71 Abs5;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs6;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des FS in L, vertreten durch Mag. Dr. Surena Ettefagh, Rechtsanwalt in Feldkirch, Neustadt 3, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 12. Februar 2003, Zl. VIIa-81.566, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (mitbeteiligte Parteien: 1. R GmbH in B, vertreten durch Dr. Christian Konzett, Rechtsanwalt in 6700 Bludenz, Fohrenburgstraße 4, und 2. Gemeinde L, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abwiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist den hg. Erkenntnissen vom 14. September 1995, Zl. 95/06/0013, und vom 5. Dezember 2000, Zl. 99/06/0162, zu entnehmen.

In Umsetzung des letztgenannten Erkenntnisses wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft (kurz: BH) Bregenz vom 21. März 2001 der Berufungsbescheid vom 21. Mai 1999 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeindebehörden zurückverwiesen.

In der Folge wurde mit Bescheid der Berufungskommission der mitbeteiligten Gemeinde vom 29. Mai 2002 die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom 3. Oktober 1984 (erneut) abgewiesen.

Im Beschwerdeverfahren ist ausdrücklich unstrittig, dass dieser Bescheid dem Beschwerdeführer an seiner Wohnanschrift in L, G-Straße 10, am 4. Juni 2002 (Datum des erfolglosen Zustellversuches und zugleich Beginn der Abholfrist) durch Hinterlegung wirksam zugestellt wurde und ein entsprechender Verständigungshinweis an der Abgabestelle zurückgelassen wurde (Vorbringen des Beschwerdeführers in der Beschwerde).

Der Beschwerdeführer behob die hinterlegte Sendung am 24. Juni 2002 (letzter Tag der Bereitstellungsfrist) und erhob mit Schriftsatz vom 5. Juli 2002 Vorstellung gegen den Berufungsbescheid vom 29. Mai 2002. In dieser Vorstellung brachte er vor, der Bescheid sei "eingelangt am 24.6.2002 14.00 Uhr".

Mit Erledigung vom 12. September 2002 hielt ihm die Vorstellungsbehörde (BH Bregenz) vor, dass der Bescheid nach einem erfolglosen Zustellversuch der Post laut Rückschein bereits am 4. Juni 2002 beim Postamt zur Abholung hinterlegt worden sei.

Der Beschwerdeführer erwiderte hierauf mit Eingabe vom 24. September 2002, die Zustellung der Post erfolge durch die Postposten an der Geschäftsadresse L, H-Straße 2, weil dort immer jemand anwesend sei. "Doch durch den öfteren Wechsel des Postzustellerpersonals klappt die Zustellung nicht mehr". Es sei versucht worden, das Schriftstück an seine Wohnadresse zuzustellen. Der "gelbe verknitterte Zettel" sei von seiner Frau am 24. Juni 2002 vormittags entdeckt worden, am selben Tag habe er um 14.00 Uhr die Sendung am Postamt abgeholt, "damit gilt die Zustellung von dieser Zeit an". Die Vorstellung sei von ihm persönlich in der Posteinlaufstelle der BH Bregenz abgegeben worden. Diese Postprobleme seien durch den dauernden Wechsel der Zusteller der Post gegeben. Sie seien auf dem Postamt L bekannt, welches sich aber nicht für zuständig erachte. Die Zuständigkeit "für die Zustellung der Post" liege beim Hauptpostamt Bregenz.

Nach Erhebungen beim Postamt L wies die BH Bregenz mit Bescheid vom 4. November 2002 die Vorstellung als verspätet zurück, was im Wesentlichen damit begründet wurde, dass die vierzehntägige Vorstellungsfrist bereits mit der rechtswirksamen Hinterlegung (Beginn der Abholfrist) zu laufen begonnen habe. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer (an seiner Wohnanschrift) am 7. November 2002 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 19. November 2002 (am selben Tag bei der Behörde eingebracht) beantragte der Beschwerdeführer die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Vorstellung. Er brachte vor, ihm treffe kein Verschulden an der Verspätung. Alle Postsendungen würden an der Geschäftsadresse abgegeben bzw. hinterlegt. Weshalb ausgerechnet der Bescheid vom 29. Mai 2002 an seiner Wohnanschrift zugestellt worden sei, sei ihm unerklärlich. Das Brieffach werde von ihnen jeden Tag geöffnet und es sei bestimmt am 4. Juni 2002 (Montag) keine Hinterlegungsanzeige der Post ("gelber Zettel") im Brieffach gelegen. Das könne auch seine Ehefrau bezeugen. Am 24. Juni 2002 habe seine Frau gegen Mittag "in der Brieffachöffnung in der Reklame eingeklemmt den gelben Zettel der Post mit der Aufforderung, dass ein Brief am Postamt hinterlegt" worden sei, gefunden.

Mit Bescheid vom 27. November 2002 wies die BH Bregenz den Wiedereinsetzungsantrag ab, was näher begründet wurde.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung an die belangte Behörde.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung keine Folge gegeben und den bekämpften erstinstanzlichen Bescheid bestätigt. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass in der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides vom 29. Mai von einer Hinterlegungsfrist nicht die Rede gewesen sei. Ein einfacher Bürger könne über kein juristisches Wissen verfügen. Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könnten aber Unkenntnis des Gesetzes, mangelnde Rechtskenntnis oder ein Rechtsirrtum - was der Beschwerdeführer als unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ins Treffen führe - nicht als Wiedereinsetzungsgrund gewertet werden. Es liege somit auf Grund der Unkenntnis "der Hinterlegungsfrist" bzw. der Rechtsfolgen der Hinterlegung kein Wiedereinsetzungsgrund vor.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die erstmitbeteiligte Partei, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Soweit der Beschwerdeführer weiterhin als Wiedereinsetzungsgrund ins Treffen führt, er habe nicht gewusst, dass "die Zustellung auch im Wege der Hinterlegung erfolgen könne und dass dann die Rechtsmittelfrist ab dem Hinterlegungszeitpunkt zu laufen" beginne, ist ihm die Rechtsbelehrung in der den Akten in Ablichtung angeschlossenen Hinterlegungsanzeige (auf welcher auch der Beschwerdeführer den Empfang der hinterlegten Sendung bestätigt hat) entgegenzuhalten, worin es unter anderem heißt:

"Die Hinterlegung gilt grundsätzlich als Zustellung. Holen Sie das Schriftstück in Ihrem Interesse ehestens ab, Sie könnten sonst wichtige Fristen versäumen!" Folgte man auch seinem Vorbringen, er hätte am 24. Juni 2002 erstmals Kenntnis von der Hinterlegungsanzeige und der Hinterlegung erhalten, was einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen kann (siehe dazu die in Hauer / Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens,

6. Aufl., S 1073, unter E 19e zu § 71 Abs. 1 AVG wiedergegebene Judikatur), bedeutet dies vor dem Hintergrund des Beschwerdefalles, dass die vierzehntägige Wiedereinsetzungsfrist des § 71 Abs. 2 AVG bereits zu diesem Zeitpunkt zu laufen begann und nicht erst, wie in der Beschwerde angenommen, mit dem zurückweisenden Bescheid der BH Bregenz vom 4. November 2002. Von einer Kenntnis der Verspätung der Einbringung eines Rechtsmittels ist nämlich bereits dann auszugehen, sobald die Partei die Verspätung bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennen konnte und musste (siehe die in Hauer/Leukauf, aaO, S 1092, in E 1b zu § 71 Abs. 2 AVG angeführte Judikatur). Damit war der Wiedereinsetzungsantrag verspätet, dies auch dann, wenn der Beschwerdeführer von diesem Rechtsinstitut keine ausreichende Kenntnis gehabt haben sollte: Die Bewilligung eines Antrages auf Wiedereinsetzung, dessen Verfristung mit mangelnder Kenntnis über das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung begründet wird, käme im Ergebnis der gemäß § 71 Abs. 5 AVG unzulässigen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist gleich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. August 1995, Zl. 94/19/1394). Es wäre somit Sache des Beschwerdeführers gewesen, sich ab Kenntnis der Hinterlegung über deren Rechtsfolgen entsprechend kundig zu machen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 30. März 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003060070.X00

Im RIS seit

03.05.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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