TE Vfgh Erkenntnis 2000/10/4 B16/00

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Veröffentlicht am 04.10.2000
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

EMRK Art6 Abs1 / Verletzung keine
EMRK Art7
DSt 1990 §2

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Verhängung der Strafe des Verweises über einen Rechtsanwalt durch die OBDK; ausreichend konkretisierter Vorwurf

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Disziplinarerkenntnis vom 11. Dezember 1996 wurde vom Disziplinarrat der Salzburger Rechtsanwaltskammer (im folgenden: Disziplinarrat) über den Beschwerdeführer - einen Rechtsanwalt mit Kanzleisitz in Salzburg - wegen Verletzung des Standesansehens die Strafe des Verweises gemäß §16 Abs1 Z1 Disziplinarstatut 1990, BGBl. 1990/474 (im folgenden: DSt 1990) verhängt. Ihm wurde vorgeworfen, er habe gegenüber

"a) R M, der sich über eine von ihm veranlaßte Schecksperre bei der Rechtsanwaltskammer beschwerte, Kosten für die vom Ausschuß der Rechtsanwaltskammer aufgetragene Äußerung verlangt und diese auch beim BG Salzburg eingeklagt, ohne darauf hinzuweisen, daß der Klagsgrund eine wider besseres Wissen erhobene Anzeige oder Beschwerde ist und ohne diesbezügliche Behauptungen aufzustellen und Beweise anzubieten,

b) dem emeritierten Rechtsanwalt DDr. B M, der bei der Rechtsanwaltskammer anfragte, ob eine Äußerung vom Dr. H (dem Beschwerdeführer) in dem an ihn gerichteten Schreiben vom 30.3.1994 beleidigend sei, Kosten für die ihm vom Ausschuß der Rechtsanwaltskammer aufgetragene Äußerung verrechnet und diese Kosten auch bei Gericht eingeklagt, ohne Beweise dafür anzubieten, daß die Anfrage (Anzeige) des DDr. B M wider besseres Wissen erfolgte."

Dem Erkenntnis lag folgender Sachverhalt zugrunde:

DDr. B M und R M beschwerten sich in zwei unterschiedlich gelagerten Fällen über das Verhalten des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer gab nach Aufforderung durch den Ausschuß der Salzburger Rechtsanwaltskammer Stellungnahmen zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen ab. Nach Mitteilung des Ausschusses der Salzburger Rechtsanwaltskammer an den Beschwerdeführer, daß sein Verhalten nicht standeswidrig sei, klagte der Beschwerdeführer von DDr. B M und R M unter dem Titel des Schadenersatzes die ihm durch die Erstattung der Äußerungen entstandenen Kosten von S 520,80 (im Fall der Anzeige des R M) bzw. von S 5.581,80 (im Fall der Anzeige des DDr. B M) jeweils samt Zinsen beim Bezirksgericht Salzburg ein. Das Bezirksgericht Salzburg gab dem Klagebegehren im Verfahren gegen DDr. B M mit Urteil vom 10. April 1995, 17 C1128/94h statt. Über Berufung des Beklagten wies das Landesgericht Salzburg das Klagebegehren mit Urteil vom 9. November 1995, 53 R 139/95 kostenpflichtig ab und führte aus, daß dem Beklagten DDr. B M kein Vorwurf eines rechtswidrigen Verhaltens gemacht werden könne, da es zu den "Grundrechten eines jeden Staatsbürgers gehöre, den Behörden, welche zur Verfolgung disziplinär zu ahndender Sachverhalte befugt sind, Sachverhaltsmitteilungen und Anzeigen zu erstatten". Eine vorsätzlich falsche oder wider besseren Wissens erstattete Sachverhaltsmitteilung des DDr. B M könne nicht nachgewiesen werden. Nach Erhalt dieses Urteils zog der Beschwerdeführer die Klage gegen R M unter Anspruchsverzicht zurück.

2. Der gegen diese Entscheidung des Disziplinarrates erhobenen Berufung wurde mit Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im folgenden: OBDK) vom 11. Oktober 1999 nicht Folge gegeben.

Dies wurde im wesentlichen wie folgt begründet:

"Zur Erfüllung der diversen Aufgaben des Ausschusses einer Rechtsanwaltskammer bestehen Abteilungen, welche Sachbereiche einer Erledigung zuführen. Im Bereich der Pflicht zur Wahrung von Ehre und Ansehen des Standes und der Rechte des Anwalts, ebenso für die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltsstandes ist eine Abteilung der Kammer zuständig, welche sohin eine Einrichtung und Ansprechstelle für Sachverhaltsmitteilungen, Beschwerden und Anzeigen betreffend das Verhalten oder das Vorgehen ihrer Mitglieder ist und bei welcher diese Eingaben pflichtgemäß behandelt werden. Jeder Rechtsanwalt hat bei der Ausübung seiner Tätigkeit diese Einrichtung seiner Kammer zur Kenntnis zu nehmen, die Aufgabenerfüllung durch den Ausschuß zu ermöglichen und bei dieser Aufgabenerfüllung mitzuwirken. Die im Rahmen des Wirkungsbereiches des §23 RAO von der Kammer oder von dem Ausschuß, (hier der Abteilung), getätigten Anfragen oder Aufforderungen, (hier Einladungen zu einer Stellungnahme), erfordern daher die für die Aufgabenerfüllung notwendige Mitwirkung des angesprochenen Kammermitglieds (s. auch §22 RL-BA). Wenn ein Rechtsanwalt im Rahmen der Aufgabenerfüllung der Selbstverwaltung seiner Kammerorganisation tätig wird, kann es dafür keine Honorierung geben, weil der Rechtsanwalt durch seine Zugehörigkeit zur Kammer eine Selbstbeschränkung im Sinne einer für die Aufgabenerfüllung erforderlichen Mitwirkung auf sich zu nehmen hat. Diese durch den Gesetzgeber auferlegte und vom Rechtsanwaltsstand getragene Selbstkontrolle führt zu einer autonomen Beurteilungstätigkeit des Standes, sie legt gleichzeitig dem Kammermitglied Pflichten im Sinne erforderlicher Mitwirkungshandlungen auf. Von jedem einzelnen Rechtsanwalt wird für und im Rahmen einer Selbstkontrolle eine Toleranz im Bereich möglicher Angriffe oder Beschwerden gefordert, darüber hinaus zumindest jener Aufwand, welcher für Sachverhaltsaufklärungen, Rechtfertigungen u.ä. notwendig ist. Es gehört daher zur Aufgabe jeden Rechtsanwalts, auf Beschwerden, Sachverhaltsmitteilungen oder Anzeigen dann, wenn die Rechtsanwaltskammer hiezu Aufklärungen wünscht oder fordert, mitzuwirken, ohne daß hieraus ein Kostenanspruch, sei dies gegen die Kammer oder gegen jene Person entsteht, welche die Kammer oder den Ausschuß zur Überprüfung der Rechtsanwaltstätigkeit anruft. Es wäre für das Instrumentarium der standeseigenen Aufsicht über ihre Kammermitglieder nachteilig und hindernd, wenn aus der Tätigkeit des Ausschusses Kostenersatzansprüche des angefragten oder aufgeforderten Anwalts entstehen. Die Anwaltschaft, welche ihre Selbstkontrolle propagiert und in Anspruch nimmt, kann nicht durch Kostenforderungen ihrer Mitglieder in ihrer Kontrolltätigkeit gehindert werden, weder bezüglich jener Person, welche die Kammer zu dieser Kontrolle ersuchen, aber auch nicht unter dem Blickwinkel eigener Verantwortlichkeit, da es immerhin denkbar wäre, daß sich die Kammer überlegen muß, ob sie einen angezeigten Rechtsanwalt überhaupt auffordert, eine Stellungnahme abzugeben, da sie dadurch für einen Anzeigeleger eine Kostenersatzpflicht auslösen könnte. Dazu kommt, daß jedermann das Recht zusteht, tatsächliche oder vermeintliche Pflichtwidrigkeiten eines Standesangehörigen bei der Standesbehörde anzuzeigen und eine Überprüfung zu verlangen. Eine solche Rechtsausübung allein kann noch nicht rechtswidrig sein. Nur dann, wenn das unlautere Motiv der Rechtsausübung, wenn der Schädigungszweck so augenscheinlich im Vordergrund steht, daß andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten, liegt Rechtsmißbrauch im Sinne des §1295 Abs2 ABGB vor. Die Judikatur rechtfertigt eine Rechtsausübung eines Anzeigers nur dann nicht, wenn es sich dabei um eine wissentlich falsche Anzeige handelt, also die objektiv unrichtigen Beschuldigungen vom Anzeiger wider besseren Wissens erhoben wurden (Rummel, Kommentar zum ABGB, 2. Band, Rz 59, §1330 Rz 25; WBl. 1990, 382 = OGH 26.6.1990, 4 Ob 519/90). Dem Disziplinarbeschuldigten war es zuzumuten, diese Rechtslage einer Vorprüfung zu unterziehen, bevor er aus dem Titel des Schadenersatzes die Kosten seiner Stellungnahmen einfordert.

Beide Anzeigefälle, nämlich weder das Schreiben des R M an die Salzburger Rechtsanwaltskammer noch jenes des DDr. B M konnten bei ordnungsgemäßer Prüfung der Anspruchsgrundlagen für den Disziplinarbeschuldigten einen Anhaltspunkt für eine rechtsmißbräuchliche Einschaltung der Standesbehörde liefern.

...

Die Vorwerfbarkeit des Handelns des Beschuldigten ergibt sich daraus, daß er ohne Prüfung des Anspruchsgrundes Kosten einforderte und diese auch einklagte. Diese fand in den Klagen ihren Ausdruck, wo als Anspruchsgrund lediglich 'Schadenersatz, Kostenersatz für seine Stellungnahme' genannt wird. Grundsätzlich ist es jedermanns Sache, ob und mit welchem Anspruchsgrund er Rechtsstreitigkeiten einleitet. Hier war jedoch auf seiten des Disziplinarbeschuldigten eine besondere Sorgfalt geboten, da mit der Vorgangsweise einem grundsätzlich rechtmäßigen Handeln, nämlich einer Mitteilung und Anfrage an hiefür vorgesehener und in den Standesvorschriften auch vorgesehener Stelle begegnet wird. Es steht außer Frage, daß durch die Kosteneinforderung, letztlich auch auf gerichtlichem Weg, ein erheblicher Druck auf Personen ausgeübt wird, oder zumindest sollte welche nur von ihren Rechten Gebrauch machen. Eine solche Vorgangsweise muß sorgfältig überlegt werden. Ist es doch Allgemeinwissen zum Disziplinarrecht der Rechtsanwälte, daß selbst bei einem Freispruch keinerlei Kostenersatz für den Disziplinarbeschuldigten besteht (AnwBl. 1997, 416 und 710). Mangelnde Sorgfalt führt hier letztlich auch zu einem Angriff auf die Selbstverwaltung der Rechtsanwälte, zu einer Behinderung der Kontrollfunktion der Standesbehörde, zu einer Einschüchterung desjenigen, der die Standesbehörde in Anspruch nimmt. Sie läuft daher den Interessen des Anwaltsstandes zuwider und verletzt dadurch Ehre und Ansehen des Standes. Der Disziplinarbeschuldigte kann sich auf die Entscheidung des Bezirksgerichtes Salzburg in der Rechtssache gegen DDr. B M nicht berufen, da diese Entscheidung zu der standesrechtlichen Frage keine Auskunft gibt, abgesehen davon, daß die rechtliche Problematik in dieser Entscheidung nicht aufgegriffen wird."

3. Gegen das als Bescheid zu wertende Erkenntnis der OBDK richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der durch die Art6 Abs1 und 7 Abs1 EMRK gewährleisteten Rechte sowie des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird. Darin führt der Beschwerdeführer ua. aus:

"Einer Verurteilung nach §2 DSt muß nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (z.B. B1286/87) zugrunde liegen, daß sie wegen eines Verstoßes gegen Ehre und Ansehen erfolgt, der sich aus den gesetzlichen Regelungen oder der verfestigten Standesauffassung ergibt, die in einer dem Klarheitsgebot entsprechenden Bestimmung, wobei insbesondere den Richtlinien und der Standesjudikatur Bedeutung zukommt, feststehen. Verletzt die belangte Behörde dieses Gebot, so verstößt sie sowohl gegen den Gleichheitsgrundsatz als auch gegen Art7 Abs1 MRK, der vorsieht, daß niemand wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden kann, die zur Zeit ihrer Begehung nicht strafbar war.

...

Dem Beschwerdeführer werden ... nicht ... die ursprünglichen Sachverhalte vorgeworfen, die zur Einleitung des ersten disziplinären Stellungnahmeverfahrens führten, sondern die Tatsache, daß er die ihm dadurch entstandenen Kosten gegenüber den Anzeigern einklagte.

Die belangte Behörde führt dazu aus, daß dies besonders verwerflich sei, weil dadurch ein erheblicher Druck auf Personen ausgeübt werde, die von ihren Rechten (auf Mitteilung von Sachverhalten an Disziplinarbehörden) Gebrauch machten und dadurch ein Angriff auf die Selbstverwaltung der Rechtsanwälte, eine Behinderung der Kontrollfunktion der Standesbehörde, eine Einschüchterung derjenigen, der die Standesbehörde in Anspruch nehmen, veranlaßt werde und dies daher den Interessen des Anwaltsstandes zuwider laufe.

Die belangte Behörde übersieht dabei vollkommen, daß auch der Beschwerdeführer gem. Art6 Abs1 MRK das Recht hat, daß seine Sache von einem unparteiischen Gericht geprüft werde. Der Beschwerdeführer war nun der Meinung, zivilrechtliche Ansprüche gegenüber jenen Personen zu haben, die ihn zu unrecht angezeigt hätten. Diese Ansprüche verwendete er keineswegs als Druckmittel, sondern klagte sie bei dem dafür zuständigen Bezirksgericht Salzburg ein. Es wurde darüber ein rechtmäßiges Gerichtsverfahren abgeführt. Es mußte dem Beschwerdeführer - wie jedermann - zustehen, derartige vermeintliche Ansprüche gerichtlich prüfen zu lassen. Daß diese Ansprüche nicht völlig aus der Luft gegriffen sind - oder, wie die Standesbehörde meint, der Beschwerdeführer die notwendige, sorgfältige Überlegung vor Einklagung vermissen habe lassen - ergibt sich schon daraus, daß im Fall DDris. M das erstinstanzliche Gericht den Anspruch des Beschwerdeführers Folge gegeben hat. Er hat somit einen Anspruch erhoben und begründet, der in einem fairen Verfahren zu einem zusprechenden Urteil geführt hat. Wenn es auch richtig ist, daß das Landesgericht als zweite Instanz dieses Urteil in der Folge abgeändert hat, so ergibt sich doch, daß es sich offensichtlich nicht um einen völlig unbegründeten Anspruch handelt.

Die belangte Behörde mißt also ganz eindeutig mit zweierlei Maß, wenn sie den Parteien, die Anzeige erstatten, dieses Verhalten als Rechtsausübung zubilligt (was grundsätzlich ja richtig ist), es aber dem Beschwerdeführer nicht zubilligt, einen darauf fußenden und nicht von vorne herein völlig unbegründeten Anspruch zu erheben.

...

Es ist auch weder begründet noch irgendwie nachvollziehbar, warum durch Einleitung eines Gerichtsverfahrens auf Personen, die Disziplinaranzeigen erstatten, ein Druck ausgeübt werden soll: Ein Druck würde ausgeübt, wenn man jemandem androht, Kosten einzuklagen für den Fall, daß er (überhaupt) eine Disziplinaranzeige erstattet; nicht aber dadurch, daß nach - unwahr - erstatteter Disziplinaranzeige (wo ohnedies schon alles gelaufen ist) diese Kosten eingeklagt werden. Ebensowenig wird klar, wieso es sich beim Verhalten des Beschwerdeführers um einen Angriff auf die Selbstverwaltung der Rechtsanwälte und um eine Behinderung der Kontrollfunktion der Standesbehörde handeln soll.

Dazu kommt noch - im Lichte der Judikatur zu Art7 Abs1 MRK - daß ein derartiges Verhalten, wie es dem Beschwerdeführer nun vorgeworfen wird, in der gesamten überschaubaren bisherigen Judikatur zu dem Disziplinarstatut nie inkriminiert wurde und der Beschwerdeführer daher beim besten Willen nicht wissen konnte, daß eine Klagsführung mit allenfalls ungenügenden Behauptungen und Beweisanboten in einer eigenen Sache disziplinär sein könne. Verwiesen wird hier auf die letzte weitgehend vollständige und zusammenfassende Übersicht in Feil, Wennig, Anwaltsrecht, §1 DSt, EE 1 - 515. Das dem Beschwerdeführer vorgeworfene Verhalten war daher weder nach der bisherigen Standesauffassung, noch nach der verfügbaren Judikatur, noch nach dem klar erkennbaren Wortlaut des Gesetzes für den Beschwerdeführer als strafbar erkennbar. Er wird damit auch aufgrund einer nicht existenten bzw. nicht auf seinen Sachverhalt anwendbaren Strafnorm verfolgt."

4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, worin sie beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Mit Erkenntnis vom 30. Juni 1988, VfSlg. 11776/1988, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß das Fehlen eines konkretisierten Vorwurfes, worin die Verletzung von Berufspflichten bzw. von Ehre und Ansehen des Standes zu erblicken ist, den Bescheid mit Willkür belastet.

Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor. Der angefochtene Bescheid legt im einzelnen dar, welcher disziplinäre Vorwurf aufgrund des festgestellten - vom Beschwerdeführer auch nicht bestrittenen - Sachverhaltes erhoben wird. Die belangte Behörde legt in vertretbarer Weise dar, daß die aus der RAO und den RL-BA ableitbare und für die Aufgabenerfüllung der Standesvertretung notwendige unentgeltliche Mitwirkungspflicht eines Kammerangehörigen eine zivilgerichtliche Geltendmachung von Kosten für die von der Kammer aufgetragene Äußerung im vorliegenden Beschwerdefall verbiete.

Daß der belangten Behörde dabei ein in die Verfassungssphäre reichender Fehler unterlaufen wäre, ist nicht erkennbar. Die behauptete Verletzung des Gleichheitsgebotes bzw. des Art7 EMRK liegt somit nicht vor.

2. Dem Verfassungsgerichtshof liegen auch keine Anhaltspunkte vor, daß das vor den Disziplinarbehörden durchgeführte Verfahren nicht dem Art6 EMRK entsprochen hätte. Der angefochtene Bescheid spricht dem Beschwerdeführer auch nicht das Recht auf Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche vor einem ordentlichen Gericht ab, sondern stellt bloß die konkrete mißbräuchliche Ausübung dieses Rechts unter Sanktion.

Der Beschwerdeführer ist somit auch nicht in den durch Art6 EMRK gewährleisteten Rechten verletzt worden.

3. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

4. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Rechtsanwälte, Disziplinarrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:B16.2000

Dokumentnummer

JFT_09998996_00B00016_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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