TE Vfgh Beschluss 2000/10/4 G92/00

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.10.2000
beobachten
merken

Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

ASVG §225
ASVG §227 Abs1 Z7, Z8
VfGG §62 Abs1 erster Satz

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des ASVG betreffend die Wirkung von Präsenzdienstzeiten für die Pensionsversicherung mangels eines ausreichend bestimmten Aufhebungsbegehrens; kein verbesserungsfähiger Mangel

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. Der Antragsteller beantragt gemäß Art140 B-VG,

"folgende Gesetzesbestimmungen als verfassungswidrig aufzuheben:

1.

die Ziffern 7 und 8 des §227 Abs1 ASVG

2.

§225 ASVG".

Begründend wird dazu im wesentlichen folgendes ausgeführt:

Der Antragsteller habe den Grundwehrdienst als Präsenzdienst geleistet. Darüber hinaus habe er als Zeitsoldat mit Anspruch auf berufliche Bildung Beitragszeiten in der gesetzlichen Pensionsversicherung erworben.

Mit dem vorliegenden Antrag gehe es ihm "um die Klärung der Wirkung (s)einer Präsenzdienstzeit für die ASVG-Pensionsversicherung". Ein Feststellungsverfahren sei nicht sinnvoll, ihm erscheine es überdies jedenfalls unzumutbar, bis zum tatsächlichen Eintritt des Pensionierungsfalls im Ungewissen zu bleiben.

Inhaltlich wendet sich der Antragsteller gegen jene Regelung, wonach die Zeiten eines (ordentlichen oder außerordentlichen) Präsenzdienstes - soweit diese nicht gemäß §8 Abs1 Z5 ASVG als Beitragszeiten zählten - lediglich Ersatzzeiten in der gesetzlichen Pensionsversicherung seien (§227 Abs1 Z7 und 8 ASVG), was für die Gebührlichkeit einer vorzeitigen Alterspension wegen langer Versicherungsdauer (§253b ASVG) von Bedeutung sei, die erst zustehe, wenn entweder 450 Versicherungs- oder 420 Beitragsmonate vorlägen.

Zur Leistung des Präsenz- oder Zivildienstes verpflichtete Männer würden durch diese Regelung nicht bloß gegenüber Frauen, sondern auch gegenüber wehruntauglichen Männern, die auf Grund des Nichtbestehens ihrer Wehrverpflichtung bereits frühzeitig Beitragszeiten erwerben könnten, benachteiligt. Diese Schlechterstellung derjenigen Männer, die Wehr- oder Zivildienst zu leisten hätten, widerspreche dem Gleichheitssatz.

1.2. Der Antrag ist unzulässig:

a) Gemäß §62 Abs1 erster Satz VerfGG 1953 muß ein Gesetzesprüfungsantrag das Begehren enthalten, das - nach Auffassung des Antragstellers verfassungswidrige - Gesetz seinem "ganzen Inhalte" oder in "bestimmte(n) Stellen" aufzuheben.

Um das strenge Formerfordernis des ersten Satzes des §62 Abs1 erster Satz VerfGG 1953 zu erfüllen, muß - wie der Verfassungsgerichtshof in vielen Beschlüssen (zB VfSlg. 11.888/1988, 12.062/1989, 12.263/1990) entschieden hat - die bekämpfte Gesetzesstelle genau und eindeutig bezeichnet werden. Es darf nicht offenbleiben, welche Gesetzvorschrift nach Auffassung des Antragstellers der Aufhebung verfallen soll. Ein Antrag, der die konkrete Fassung der zur Aufhebung begehrten Norm nicht nennt (und sie auch nicht wörtlich wiedergibt), erfüllt das strenge Formerfordernis des ersten Satzes des §62 Abs1 VerfGG 1953 nicht; es ist dem Verfassungsgerichtshof nämlich verwehrt, Gesetzesbestimmungen auf Grund bloßer Vermutungen, in welcher Fassung ihre Aufhebung begehrt wird, zu prüfen und im Fall des Zutreffens der geltend gemachten Bedenken aufzuheben (vgl. dazu VfSlg. 11.802/1988 mwN; ferner VfSlg. 14.040, 14.261/1995, sowie den hg. Beschluß vom 28. September 1999, G89/99).

b) Dieses Formerfordernis ist hier nicht erfüllt:

Der Antragsteller führt weder aus, welche Fassung der in Rede stehenden Gesetzesstellen er bekämpft, noch zitiert er den Wortlaut derjenigen Bestimmungen, gegen die er verfassungsrechtliche Bedenken hegt, in einer Weise, die es bei verständiger Würdigung des Antragsvorbringens erlaubt, einen Rückschluß auf die angefochtene Fassung zu ziehen:

Nach einer dem Antrag beigefügten Aufstellung hat der Antragsteller im Zeitraum 30. September 1981 bis 30. November 1991 den Grundwehrdienst absolviert bzw. freiwillige Waffenübungen, Kader- und Truppenübungen geleistet. Allein in diesem Zeitraum sind die Z7 und 8 des §227 Abs1 ASVG einmal novelliert worden (nämlich durch ArtIV Z1 litb der 41. Novelle zum ASVG, BGBl. 1986/111); seit 1991 sind zu diesen Bestimmungen zwei weitere Novellen ergangen (ArtI Z134 bis 136 des SRÄG 1996, BGBl. 411, sowie Art8 Z12 des Gesetzes über die Ausbildung von Frauen im Bundesheer - GAFB, BGBl. I 1998/30).

Auch §225 ASVG, der zur Gänze angefochten wird, ist seit dem Jahr 1981 mehrfach novelliert worden.

c) Das Fehlen eines ausreichend bestimmten Aufhebungsbegehrens ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs einer Verbesserung nicht zugänglich (zB VfSlg. 12.487/1990, 14.261/1995 mwN).

Der Antrag war daher zurückzuweisen.

Bei diesem Ergebnis konnte dahinstehen, ob der Antrag nicht auch aus anderen Gründen unzulässig sei (zB weil die Rechtssphäre des Antragstellers durch die angegriffenen Gesetzesstellen anscheinend nicht aktuell betroffen ist (vgl. VfSlg. 14.785/1997 mwN) und dem Antragsteller eine - zumutbare - Rechtsverfolgungsmöglichkeit zur Verfügung steht, die es ihm erlaubt, seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die in Rede stehenden Gesetzesstellen auf einem anderen Weg als durch deren individuelle Anfechtung geltend zu machen (vgl. §247 ASVG)).

1.3. Dies konnte in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z2 litc VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Sozialversicherung, Pensionsversicherung, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:G92.2000

Dokumentnummer

JFT_09998996_00G00092_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten