TE Vwgh Erkenntnis 2004/4/20 2002/11/0040

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Veröffentlicht am 20.04.2004
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
44 Zivildienst;

Norm

AVG §71 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
ZDG 1986 §76a idF 1996/788;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Pallitsch, Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des A in B, vertreten durch Dr. Otto Dietrich, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Operngasse 6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Jänner 2002, Zl. 206.588/2-IV/3/a/02, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einbringungsfrist zur Abgabe einer Zivildiensterklärung und Feststellung der Zivildienstpflicht, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus einem Schreiben des Militärkommandos Niederösterreich vom 12. März 1996 an das Bundesministerium für Inneres ergibt sich, dass die Eignung des Beschwerdeführers zum Wehrdienst erstmals von der Stellungskommission am 22. August 1991 mit Beschluss "Tauglich" festgestellt wurde.

Mit Bescheid vom 17. April 1996 stellte der Bundesminister für Inneres gemäß § 5a Abs. 4 in Verbindung mit § 5a Abs. 3 Z. 2 des Zivildienstgesetzes (ZDG) fest, die Zivildiensterklärung des Beschwerdeführers vom 8. März 1996 könne wegen Fristversäumnis gemäß § 76a Abs. 2 Z. 1 ZDG Zivildienstpflicht nicht eintreten lassen.

Aus einer im Verwaltungsakt erliegenden Bescheinigung der Stellungskommission des Militärkommandos Niederösterreich vom 26. März 2001 geht hervor, dass sich der Beschwerdeführer den ärztlichen und psychologischen Untersuchungen für die Eignung zum Wehrdienst unterzogen habe, der Beschluss laute auf "Vorübergehend untauglich bis März 2003".

Mit Schreiben seines Rechtsvertreters vom 28. Dezember 2001 beantragte der Beschwerdeführer beim Bundesminister für Inneres die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung "der Frist des § 76a ZDG" und gab unter einem eine Zivildiensterklärung ab. In der Begründung seines Antrages führte der Beschwerdeführer aus, nach dem Erhalt des Bescheides des Bundesministers für Inneres vom 17. April 1996 sei er davon ausgegangen, dass das Ableisten des Zivildienstes für ihn endgültig nicht mehr möglich sei. Mit Bescheid des Militärkommandos Niederösterreich vom 1. März 2001 sei er zu einer neuerlichen Stellung geladen worden. Mit Beschluss der Stellungskommission des Militärkommandos Niederösterreich vom 26. März 2001 sei er als vorübergehend untauglich bis März 2003 erklärt worden. Durch Zufall und für ihn völlig überraschend habe er von einem namentlich genannten Bekannten erfahren, dass er "trotz des abweisenden Bescheides" des Bundesministers für Inneres vom 17. April 1996 noch eine Zivildiensterklärung abgeben könne. Der Bekannte habe ihm aber mitgeteilt, dass er nichts Genaueres darüber wisse, er habe ihm jedoch geraten, sich näher zu informieren. Am 16. Dezember 2001 habe der Beschwerdeführer seinen nunmehrigen Rechtsvertreter aufgesucht. Von diesem habe er erstmals von der Novellierung des § 76a ZDG mit Bundesgesetz BGBl. Nr. 788/1996 erfahren. Gemäß § 76a Abs. 2 ZDG seien die in Abs. 1 genannten Wehrpflichtigen vom Bundesminister für Landesverteidigung über die neuerliche Möglichkeit der Abgabe einer Zivildiensterklärung rechtzeitig in Kenntnis zu setzen. Diese Information sei ihm jedoch niemals, weder schriftlich noch mündlich, erteilt worden. Einzig und allein das Ausbleiben einer Information über das Recht der Abgabe einer Zivildiensterklärung habe den Beschwerdeführer bisher an der (neuerlichen) Abgabe einer Zivildiensterklärung gehindert.

Der Bundesminister für Inneres erließ daraufhin einen mit 18. Jänner 2002 datierten Bescheid mit folgendem Spruch:

"BESCHEID

Ihren Anträgen vom 28. Dezember 2001 (PD) auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einbringungsfrist zur Abgabe einer Zivildiensterklärung und Feststellung der Zivildienstpflicht wird gemäß § 71 Abs. 1 AVG in Verbindung mit § 76a Abs. 1 ZDG keine Folge gegeben."

In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, "mit den im Spruch genannten Anträgen" habe der Beschwerdeführer

a) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer Zivildiensterklärung und b) unter einem die Feststellung der Zivildienstpflicht durch Nachholung der versäumten Verfahrenshandlung begehrt. Der Beschwerdeführer habe ausgeführt, er sei anlässlich seiner Stellung erstmals am 22. August 1991 vom zuständigen Militärkommando für tauglich befunden worden. Weiters sei ihm mit Bescheid des Militärkommandos für Niederösterreich vom 1. März 1996 aus Studiengründen Aufschub vom Antritt des Grundwehrdienstes bis einschließlich 30. September 2001 gewährt worden. Am 8. März 1996 habe er eine Zivildiensterklärung eingebracht, welcher mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. April 1996 wegen Fristversäumnis nicht habe entsprochen werden können. Am 26. März 2001 sei der Beschwerdeführer anlässlich einer neuerlichen Stellung durch Beschluss der Stellungskommission des Militärkommandos für Niederösterreich für vorübergehend untauglich bis März 2003 befunden worden. Nach Wiedergabe des Wiedereinsetzungsvorbringens des Beschwerdeführers und §§ 2 Abs. 1 und 76a Abs. 1 ZDG sowie § 71 Abs. 1 Z 1 AVG wurde weiter ausgeführt, der Beschwerdeführer zählte auf Grund seiner erstmals am 22. August 1991 festgestellten Tauglichkeit zum Kreis jener Wehrpflichtigen, denen § 76a Abs. 1 ZDG eine befristete Möglichkeit zur Abgabe einer Zivildiensterklärung eingeräumt habe. Die dort genannte Frist habe am 1. Jänner 1997 begonnen und mit Ablauf des 12. Februar 1997 geendet. In diesem Zeitraum habe der Beschwerdeführer keine Zivildiensterklärung eingebracht. Für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bedinge § 71 AVG grundsätzlich Parteistellung eines Einbringers zur Wahrnehmung seiner Rechte. Infolge der festgestellten vorübergehenden Untauglichkeit zum Zeitpunkt der Antragstellung (28. Dezember 2001) bis auf weiteres seien die Voraussetzungen für eine Parteistellung im Sinn des § 71 Abs. 1 AVG im Fall des Beschwerdeführers nicht gegeben. Aus diesem Grund sei der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen mangelnder Voraussetzungen des § 71 AVG "abzuweisen". Sohin sei auch eine inhaltliche Prüfung in der Sache selbst (Zivildienstantrag) nicht möglich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1.1. § 76a Abs. 1 ZDG lautet (in der im Beschwerdefall maßgeblichen und gemäß § 76c Abs. 10 ZDG am 1. Jänner 1997 in Kraft getretenen Fassung der Novelle BGBl. Nr. 788/1996):

"§ 76a. (1) (Verfassungsbestimmung)

Für Wehrpflichtige, deren Tauglichkeit vor dem 1. Jänner 1994 festgestellt worden ist und seither fortbesteht und die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes noch keinen Grundwehrdienst geleistet haben, ruht das Recht, eine Zivildiensterklärung abzugeben. Nach Ablauf von fünf Jahren nach Abschluss des Stellungsverfahrens kann in diesen Fällen während eines Zeitraumes von sechs Wochen wieder eine Zivildiensterklärung abgegeben werden.

(2) Die in Abs. 1 genannten Wehrpflichtigen sind vom Bundesminister für Landesverteidigung über die neuerliche Möglichkeit der Abgabe einer Zivildiensterklärung rechtzeitig in Kenntnis zu setzen."

1.2. § 71 AVG lautet (auszugsweise):

"Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft oder

...

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Handlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

..."

2.1. Unstrittig ist im Beschwerdefall, dass der Beschwerdeführer erstmals auf Grund einer Stellung am 22. August 1991 für tauglich befunden wurde, ebenso, dass der Beschwerdeführer auf Grund einer neuerlichen Stellung am 26. März 2001 für vorübergehend untauglich bis März 2003 befunden wurde. Schließlich ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 76a Abs. 1 ZDG am 1. Jänner 1997 noch keinen Grundwehrdienst geleistet hat.

Gemäß § 76a Abs. 1 (ZDG) war der Beschwerdeführer demnach als Wehrpflichtiger anzusehen, dessen Recht, eine Zivildiensterklärung abzugeben, ruhte. Da der Beschwerdeführer unstrittig innerhalb der für ihn nach § 76a Abs. 1 zweiter Satz ZDG offen stehenden sechswöchigen Frist, innerhalb der er wieder eine Zivildiensterklärung abgeben durfte, eine solche nicht abgegeben hat, hat der Beschwerdeführer die ihm durch § 76a Abs. 1 ZDG eröffnete Frist zur Abgabe der Zivildiensterklärung versäumt.

Die belangte Behörde hat dem Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und, wie aus der Begründung des angefochtenen Bescheides erkennbar, die Parteistellung des Beschwerdeführers verneint. Zwar ist es zutreffend, dass nach § 71 Abs. 1 AVG die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einen Antrag einer "Partei" voraussetzt. Die belangte Behörde hat aber nicht für den Verwaltungsgerichtshof nachvollziehbar dargelegt, aus welchen Gründen dem Beschwerdeführer eine Parteistellung im Verfahren betreffend seine Zivildienstpflicht nicht zukommen solle und daher eine nähere Auseinandersetzung mit den Wiedereinsetzungsgründen selbst nicht erforderlich sei.

Schon aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid, und zwar zur Gänze, wegen Rechtswidrigkeit in Folge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

2.2. Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 20. April 2004

Schlagworte

Begründung Begründungsmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002110040.X00

Im RIS seit

04.06.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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