TE Vwgh Erkenntnis 2004/5/17 2002/06/0172

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Veröffentlicht am 17.05.2004
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L80006 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;

Norm

BauG Stmk 1995 §29 Abs1;
BauG Stmk 1995 §29;
BauRallg;
B-VG Art7 Abs1;
ROG Stmk 1974 §32;
StGG Art2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des Dr. W S in G, vertreten Stenitzer & Stenitzer, Rechtsanwälte OEG in 8430 Leibnitz, Hauptplatz 32-34, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 30. September 2002, Zl. A 17-2.412/2001-6, betreffend Versagung einer Baubewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem bei der Baubehörde erster Instanz am 5. Juni 1998 eingelangten Bauansuchen begehrte der Beschwerdeführer die Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung eines eingeschossigen Zubaus zum bestehenden Wohn- und Bürohaus auf dem Grundstück Nr. 96 der KG S (B-Straße Nr. 17, Graz). Nach Einholung eines städtebaulich-raumplanerischen Gutachtens des Grazer Stadtplanungsamtes vom 15. Dezember 2000 sowie eines Gutachtens der Grazer Altstadt-Sachverständigenkommission vom 5. Februar 2001 sowie einer ergänzenden Gutachtenserstattung durch das Grazer Stadtplanungsamt vom 11. Mai 2001 (sämtliche mit negativem Kalkül) wies die Baubehörde erster Instanz mit Bescheid vom 12. September 2001 dieses Ansuchen gemäß §§ 19 und 29 des Steiermärkischen Baugesetzes 1995 in Verbindung mit §§ 3 und 6 des Grazer Altstadterhaltungsgesetzes 1980 im Wesentlichen mit der Begründung ab, aus dem negativen Gutachten des Stadtplanungsamtes ergebe sich, dass es bei Durchführung der geplanten Baumaßnahme zu einer Verringerung der Grünausstattung im Innenhofbereich käme und die ca. 20 m lange Bebauung im Innenhofbereich sowie die daraus resultierende Feuermauer einerseits gegenüber dem nördlich anschließenden Nachbargrundstück in ihrer vollen Länge wirksam würde und eine engere qualitativ schlechtere Innenhofsituation entstünde. Andererseits seien in diesem Gebiet einseitige Hofflügel charakteristisch, sodass keine städtebauliche Begründung für zweiseitige hofseitige Einbauten bestehe. Der gegenständliche Bauplatz liege in der Schutzzone III nach dem Grazer Altstadterhaltungsgesetz. Auch unter dem Aspekt des Altstadterhaltungsgesetzes sei ein negatives Gutachten der Grazer Altstadt-Sachverständigenkommission erstellt worden, weil im Bereich der Beethovenstraße dem vorhandenen Grünraum im Hofbereich für das Stadtbild eine besondere Bedeutung zukomme, da er als absolutes Charakteristikum dieser Wohnstraße gelten könne. Eine zweiflügelige Hofverbauung widerspreche deutlich dem bestehenden Charakter des Gevierts, das maximal von einer einflügeligen Hofverbauung charakterisiert werde. Eine zweiflügelige Verbauung würde den Gebietscharakter grundsätzlich verändern und ein schutzwürdiges Ensemble von hoher baukünstlerischer und landschaftlicher Qualität schwer beeinträchtigen. Äußerungen zu diesen Gutachten seien von Seiten des Beschwerdeführers nicht erfolgt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und legte dieser ein privates Gutachten des Univ. Prof. DI Dr. F H (mit positivem Kalkül) bei. Auf Grund dieses Privatgutachtens ergänzte die belangte Behörde das Ermittlungsverfahren durch eine weitere (negative) Stellungnahme des Stadtplanungsamtes (vom 27. Februar 2002), zu der sich der Beschwerdeführer nach Einräumung des Parteiengehörs ablehnend äußerte und erließ sodann den nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 30. September 2002, mit welchem die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen wurde.

Nach wörtlicher Wiedergabe der Berufung führte die belangte Behörde begründend aus, gemäß § 29 Abs. 1 des Steiermärkischen Baugesetzes 1995 habe die Behörde einem Ansuchen mit schriftlichem Bescheid stattzugeben, wenn die nach diesem Gesetz für die Bewilligung geforderten Voraussetzungen erfüllt seien. Die Baubewilligung stelle sich inhaltlich als die Entscheidung über den Antrag des Bauwerbers dar, mit welcher die Baubehörde das Vorhaben in baurechtlicher Hinsicht dann für zulässig erkläre, wenn es mit den von ihr wahrzunehmenden Vorschriften übereinstimme bzw. diese Übereinstimmung durch gleichzeitig angeordnete Auflagen herbeigeführt würde. Im Baubewilligungsverfahren werde klargestellt, ob das Bauvorhaben mit den gesetzlichen Bestimmungen übereinstimme oder zu diesen in Widerspruch stehe. Bei einem festgestellten Widerspruch zu den gesetzlichen Bestimmungen dürfe eine Baubewilligung nicht erteilt werden. Im vorliegenden Fall sei zur Beurteilung des Bauvorhabens ein städtebaulichraumplanerisches Gutachten eingeholt worden. Gemäß dem Flächenwidmungsplan 1992 der Landeshauptstadt Graz liege der Bauplatz im "Allgemeinen Wohngebiet" mit einem Bebauungsdichtewert von 0,3 bis 1,2. Gemäß Deckplan 1 zu diesem Flächenwidmungsplan sei für diesen Bauplatz zwar kein Bebauungsplan, jedoch ein städtebauliches Gutachten notwendig. Dies ergebe sich aus § 27 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz, wobei die Gemeinde für die Teile des Baulandes, für die Bebauungspläne nicht erforderlich seien, mit Beschluss in Deckplänen dies festgelegt werden könne. In diesen Fällen reiche ein städtebaulich raumplanerisches Gutachten zur Beurteilung eines Bauvorhabens aus. In dem Gutachten des Stadtplanungsamtes sei der Sachverständige zum Ergebnis gekommen, dass es sich bei dem Bauplatz um ein Grundstück handle, welches gemäß dem Stadtentwicklungskonzept 1990, Kapitel 2, einen "Innenhof sowie sonstige private Grünfläche im geschlossenen Siedlungsbereich darstelle, welche schützenswert" sei.

Gemäß § 21 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz habe jede Gemeinde ausgehend von den Ergebnissen der Bestandsaufnahme und unter Bedachtnahme auf überörtliche Planungen ein örtliches Entwicklungskonzept aufzustellen, in welchem u.a. die langfristigen Entwicklungsziele der Gemeinde aufeinander abzustimmen seien. Auf Grund dieser Bestimmung habe der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz das Stadtentwicklungskonzept 1990 beschlossen. Dieses für den gegenständlichen Fall anzuwendende Stadtentwicklungskonzept sehe zur Verbesserung der Luftqualität klimawirksame Freiflächenplanungen und Bebauungsbeschränkungen vor, wobei u. a. der Schutz der Innenhöfe, Vorgärten und sonstigen privaten Grünflächen in geschlossenen Siedlungsbereichen ein Ziel darstelle. Auch sei angeführt, dass in innerstädtischen Wohngebieten zur Verbesserung der klimatischen Gegebenheiten eine Freihaltung und Begrünung der Innenhöfe und sonstiger privater Grünflächen angestrebt werde.

Entgegen der Stellungnahme des Privatsachverständigen werde hier nicht nur auf den Innenhof im Sinne der Begriffsbestimmung des Duden verwiesen, sondern es seien alle Grünflächen in geschlossenen Siedlungsbereichen gemeint. Auf Grund der im Akt befindlichen Gutachten sei ersichtlich, dass es sich bei dem Bauplatz um einen solchen geschlossenen Siedlungsbereich handle, der von der B-Straße, L-Straße, M-Gasse und E-Straße fast durchgehend geschlossen bebaut sei. Es seien straßenbegleitende Verbauungen vorhanden, teilweise Baulücken, die jedoch im Sinne einer geschlossenen Bebauung entsprechend bebaut werden sollten. Aus dem Lageplan sei ersichtlich, dass teilweise in den Hofbereichen Bebauungen vorhanden seien, wobei jedoch auf Grund der Vorgaben des Stadtentwicklungskonzeptes weitere Einbauten in diesen Grünraum vermieden werden sollten. Im Gutachten sei dargelegt worden, dass es sich tatsächlich um einen Innenhof, bestehend aus privaten Grünflächen in diesem geschlossenen Siedlungsbereich handle.

Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz habe am 18. Jänner 2001 das dritte Stadtentwicklungskonzept beschlossen, wobei wieder der Schutz der Innenhöfe und Vorgärten in geschlossenen Siedlungsbereichen angestrebt werde. Bei Einbauten und Tiefgaragen sei die Pflicht zur Erstellung eines Bebauungsplanes normiert worden, was im dritten Flächenwidmungsplan der Landeshauptstadt Graz, welcher noch nicht rechtskräftig sei, auch berücksichtigt worden sei. In diesem sei ein Deckplan beschlossen worden, der diejenigen Zonen ausweise, die geschützte Innenhöfe und Vorgärten im geschlossenen Siedlungsbereich darlegten und daher bebauungsplanpflichtig seien. Der gegenständliche Bauplatz liege nach diesem Deckplan in einer Zone, die bebauungsplanpflichtig sei, weil zur Verbesserung der Wohnqualität eine Verbauung im Grünbereich vermieden werden solle.

In konsequenter Weiterentwicklung des Stadtentwicklungskonzeptes und des daraus resultierenden Flächenwidmungsplanes sei ersichtlich, dass die Intentionen des Gemeinderates dahin gingen, verschärft diese Innenhöfe von jeglicher Bebauung freizuhalten. Im gegenständlichen Fall handle es sich zweifelsohne um einen geschlossenen Siedlungsbereich, in welchem die privaten Grünflächen und Innenhöfe zur Verbesserung der Wohn- und Luftqualität von einer Bebauung freigehalten werden sollten.

Die im Stadtentwicklungskonzept angeführten Zielsetzungen könnten im Flächenwidmungsplan und dann schlussendlich in einem Baubewilligungsverfahren umgesetzt werden. Der Behörde müsse somit die Möglichkeit gegeben sein, bei einem Widerspruch zum Stadtentwicklungskonzept eine Baubewilligung zu versagen. Die belangte Behörde könne dem im Berufungsverfahren vorgelegten Gutachten des privaten Sachverständigen nicht folgen, weil der Sachverständige nicht habe darlegen können, weswegen diese weitere Innenhofbebauung den langfristigen Entwicklungszielen der Gemeinde nicht entgegenstehe. Es sei versucht worden, darzulegen, dass es sich hier um keinen Innenhof handle, wobei der Inhalt des Begriffes "Innenhof" auf Grund eines Lexikons der Architektur definiert werde. Dabei werde jedoch übersehen, dass nicht nur der klassische Innenhof im Sinne dieser Definition geschützt sei, sondern auch zusammenhängende private Grünflächen im geschlossenen Siedlungsbereich. Nach Ansicht der belangten Behörde sei im gegenständlichen Fall ein derartiger Grünbereich gegeben. Der (private) Sachverständige habe nicht darlegen können, weshalb es sich nicht um einen geschützten Grünraum handle, die versuchte Interpretation sei nicht ausreichend. Bei der Freihaltung eines Innenhofes gehe es nicht darum, weitere Emissionsquellen von der Hofseite abzuhalten, es sei vielmehr daran gedacht worden, zur Verbesserung der Luftqualität die Produktion von Frischluft und deren Austausch mit den belasteten Stadtgebieten zu erhalten und somit keine weiteren bebauten Flächen und damit Verlust von Frischluftquellen zu vermeiden.

Den weiteren Ausführungen des privaten Sachverständigen, dass eine eingeschossige Feuermauer zu einer gemauerten Einfriedung keinen essentiellen Unterschied darstelle, könne ebenfalls nicht gefolgt werden. Bei Zulassung einer gekuppelten Bebauung habe es logischerweise zur Folge, dass auch der angrenzende Nachbar im entsprechenden Ausmaß eine Bebauung an dieser Grundgrenze durchführen könne und solle. Dies würde eine weitere Innenhofbebauung nach sich ziehen, die tunlichst vermieden werden solle. Es könne somit der Auffassung nicht gefolgt werden, dass eine Einfriedungsmauer und eine Brandwand an der Grundgrenze für den Nachbarn gleiche Auswirkungen haben, weil eine Brandwand ein zusätzliches Bebauen des Nachbarn nach sich ziehe. Den Ausführungen hinsichtlich der gebietstypischen Ausführung der Feuermauer zwischen den Liegenschaften könne ebenfalls nicht gefolgt werden, weil diese die Baubewilligungen aus dem Jahr 1910 beträfen, zu welchem Zeitpunkt Überlegungen angestellt worden seien, die mit dem derzeitigen Bestreben des Entwicklungskonzeptes, nämlich der Freihaltung dieser Innenhöfe, nicht mehr übereinstimmten.

Eine zweiflügelige Hofverbauung, wie angestrebt, stehe im Widerspruch zu den Zielen der Gemeinde. Der (private) Sachverständige gehe selbst davon aus, dass Nebengebäude in unterschiedlichster Form vorhanden seien, übersehe dabei aber, dass das eingereichte Bauvorhaben kein Nebengebäude, sondern eine Vergrößerung des Wohngebäudes durch Zubau in gekuppelter Bebauung an der Grundgrenze in den Hofbereich darstelle. Die Forderung auf Freihaltung der Innenhöfe von jeglicher Bebauung sei eine raumplanerische und städtebauliche Zielsetzung bereits seit dem Stadtentwicklungskonzept 1980. Das Gutachten der Grazer Altstadtsachverständigenkommission sei für die Entscheidung nicht ausschlaggebend gewesen. Auch der Vorwurf der Willkürlichkeit oder Ungleichbehandlung im Hinblick auf den Nachbarn sei ungerechtfertigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

In Ausführung der Beschwerde bringt der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, durch das beantragte Bauvorhaben sei eine Verminderung der Frischluftquellen gar nicht zu befürchten, da sich auf der Fläche, auf der das Bauvorhaben errichtet werden solle, derzeit ein Garagengebäude befinde. Man müsse eher davon ausgehen, dass die mit der Garage verbundenen Emissionen nunmehr wegfielen.

Insoweit die belangte Behörde mit dem noch nicht rechtskräftigen dritten Flächenwidmungsplan der Landeshauptstadt Graz argumentiere, übersehe sie, dass dieser noch nicht in Rechtskraft erwachsen sei und damit keine verbindliche Gesetzesnorm darstelle. Unsachlich sei es auch, dass der Begriff des "Innenhofes" nicht nach dem im universitären Gebrauch stehenden Architekturlexikon, sondern extensiv im Sinne eines "geschützten Grünraumes" interpretiert werde. Unter dem Begriff des "Innenhofes" könne nur ein vierflügelig umbauter Innenhof verstanden werden. Insoweit die belangte Behörde damit argumentiere, im Falle der Errichtung des Zubaues in gekuppelter Bauweise müsse dies zur Folge haben, dass auch der angrenzende Nachbar im entsprechenden Ausmaß eine Bebauung an dieser Grundgrenze durchführen könne, sei diese rechtliche Überlegung völlig unzulässig, da diese ein sodann anderes Projekt beträfe, das auf das nunmehr dritte Stadtentwicklungskonzept und der dritte Flächenwidmungsplan der Landeshauptstadt Graz, die eben strengere Regelungen aufstellten, anzuwenden seien. Im Übrigen sei es ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, dass einem Nachbarn eine auf den Hofbereich weitaus höheren Einfluss nehmende Baumaßnahme offensichtlich ohne Bauverhandlung bewilligt worden sei. Im Übrigen sei es auch unrichtig, dass die zweiflügelige Hofverbauung nicht gebietstypisch sei. Diese sei vielmehr früher sogar im gegenständlichen Haus bis 1953 vorhanden gewesen und bestehe auch jetzt noch im unmittelbaren Nachbarbereich auf zehn Liegenschaften. Auch unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht er geltend, dass es nicht nachvollziehbar sei, den bewilligten Bestand (Garagengebäude) zu vernachlässigen, zumal durch das gegenständliche Projekt eindeutig eine Erhöhung der Wohnqualität erreicht werde, da dem Wohnen vor dem Abstellen von PKWs und deren emissionsreichen Zu- und Abfahren der Vorzug zu geben sei.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt und legte die Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Insoweit die belangte Behörde in ihre Bescheidbegründung auch Argumente aus zu dem im Zeitpunkt ihrer Entscheidung noch nicht rechtswirksamen Flächenwidmungsplan 3.0 der Stadt Graz einfließen ließ, ist dem Beschwerdeführer zuzugeben, dass ein derartiger Hinweis einer rechtlichen Grundlage entbehrt, weil die Behörde bei Bescheiderlassung lediglich vom geltenden Recht auszugehen hat, zumal weder in § 29 BauG noch in § 32 ROG Stadtentwicklungskonzepte angeführt sind. Entgegen der erkennbaren Ansicht der belangten Behörde ist das Stadtentwicklungskonzept "nur" eine Grundlage (für den Gemeinderat) bei Erlassung des Flächenwidmungsplanes.

Ebenso kann der Argumentation der belangten Behörde dort nicht gefolgt werden, wo sie Überlegungen zu möglichen, in der Zukunft gelegenen Bauanträgen von Nachbarn anstellt, weil diese im Fall ihrer tatsächlichen Einbringung nach der dann gegeben Rechtslage zu beurteilen sind und nicht bereits den Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens bilden können. Auf das Grazer Altstadterhaltungsgesetz (GAEG) und dem darauf basierenden Gutachten der Grazer Altstadterhaltungs-Kommission wurde der angefochtene Bescheid nach dem Inhalt seiner Begründung ausdrücklich nicht gestützt.

Dem Beschwerdeführer ist allerdings nicht zu folgen, wenn er die Aufhebung des angefochtenen Bescheides (auch) mit dem Argument der Ungleichbehandlung zu erreichen sucht. Entscheidend ist allein, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bewilligung des Bauansuchens erfüllt sind, nicht jedoch, ob ein ähnlicher Antrag unter den ähnlichen Voraussetzungen zu einem früheren Zeitpunkt einem anderen Antragsteller bewilligt worden ist. Aus der möglicherweise rechtswidrigen Bewilligung eines anderen Bauprojekts kann somit nicht der Anspruch auf Bewilligung eines den gesetzlichen Voraussetzungen nicht entsprechenden Vorhabens abgeleitet werden (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 20. März 1996, Zl. 95/21/0524).

Im Übrigen jedoch gilt Folgendes:

Der Bauplatz im Beschwerdefall liegt im als "Allgemeines Wohngebiet" im Sinne des § 23 Abs. 5 lit. b des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes LGBl. Nr. 127/1974 i.d.g.F. (in der Folge: Stmk.  ROG 1974) gewidmeten Gebiet. Das sind nach der Definition des § 23 Abs. 5 lit. b Stmk. ROG Flächen, die vornehmlich für Wohnbauten bestimmt sind, wobei auch Gebäude, die den wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Bedürfnissen der Bewohner von Wohngebieten dienen (z.B. Verwaltungsgebäude, Schulgebäude, Kirchen, Krankenanstalten, Kindergärten, Garagen, Geschäfte, Gärtnereien, Gasthäuser und Betriebe aller Art, soweit sie keine dem Wohncharakter des Gebietes widersprechenden Belästigungen der Bewohnerschaft verursachen), errichtet werden können.

Im Flächenwidmungsplan 1992, 2.0 der Landeshauptstadt Graz ist in Bezug auf den gegenständlichen Bauplatz ein Bebauungsdichtewert von 0,3 bis 1,2 festgelegt. Dieser Rahmen wird nach den Projektsunterlagen (Bebauungsdichtewert 0,7) nicht überschritten.

Im Deckplan 1 zum im Beschwerdefall noch anzuwendenden Flächenwidmungsplan 2.0 der Landeshauptstadt Graz ist in Bezug auf den gegenständlichen Bauplatz nach den Feststellungen der belangten Behörde kein Bebauungsplan vorgesehen, sondern nur die Einholung eines städtebaulichen Sachverständigengutachtens als Voraussetzung für die Bewilligung normiert, ohne dass sich daraus nähere Determinanten in Bezug auf die durch den Sachverständigen zu beobachtenden Umstände ergäben.

Gemäß § 29 Abs. 1 des Steiermärkischen Baugesetzes (Stmk. BauG) hat die Behörde einem (Bau)Ansuchen mit schriftlichem Bescheid stattzugeben, wenn die nach diesem Gesetz für die Bewilligung geforderten Voraussetzungen erfüllt sind. Der Bauwerber hat in diesem Falle einen Rechtsanspruch auf Bewilligung des eingereichten Projekts.

Aus dem von der Verwaltungsbehörde erster Instanz eingeholten (und ergänzten) Gutachten des Stadtplanungsamtes geht hervor, dass es lediglich der angenommene Widerspruch des Projekts zu den im Stadtentwicklungskonzept 1990 formulierten Zielen, insbesondere jenem einer "Freihaltung und Begrünung der Innenhöfe" war, der die negative Stellungnahme des Sachverständigen begründete. Während der Amtssachverständige in seinem (ersten) Gutachten vom 15. Dezember 2000 noch einen Widerspruch zu den (nicht näher konkretisierten) Bebauungsgrundlagen konstatierte, was insofern unrichtig ist, als die im Flächenwidmungsplan 2.0 der Landeshauptstadt Graz enthaltenen Festsetzungen von Bebauungsdichte- bzw. -gradwerten durch das Projekt nach dessen Baubeschreibung eingehalten werden), stützt sich der Amtssachverständige in seinem (ergänzenden zweiten) Gutachten vom 11. Mai 2001 darauf, das gegenständliche Projekt entspreche "nicht der städtebaulichen Zielsetzung, da eine nachhaltige Beeinträchtigung des Gebietscharakters gegeben" sei. Der Amtssachverständige begründete sein Kalkül damit, im 3.0 Stadtentwicklungskonzept - Kapitel Naturraum und Umwelt - werde für "Innenhöfe und Vorgärten" u.a. festgehalten: "Schutz der Innenhöfe und Vorgärten in geschlossenen Siedlungsbereichen, Pflicht zur Erstellung eines Bebauungsplanes bei Einbauten und Tiefgaragen". Das geplante Vorhaben betreffe einen solchen Innenhofbereich, durch den Bau käme es zu einer Verringerung der Grünausstattung. Das Vorhaben widerspreche auch dem - durch nur einseitige Hofverbauung gekennzeichneten - Gebietscharakter.

Gegen dieses Gutachten legte der Beschwerdeführer ein Privatgutachten des Univ. Prof. DI Dr. F H vor, der zu dem Schluss gelangte, ein "Gebietscharakter" mit lediglich einseitiger Hofbebauung sei nicht festzustellen, weil die Hofbebauungen einzelner in der Umgebung liegender Häuser zweiflügelig - wie es das Haus des Beschwerdeführer früher (1910) sowie das Nachbarhaus B-Straße 19 bis zum Abbruch 1953 auch gewesen seien - ausgebildet seien. Im Übrigen stehe auf dem Platz des beabsichtigten Zubaus derzeit eine 1938 bewilligte Garage, deren Wegfall auch emissionsmäßig eine Verbesserung darstellen würde. Eine umfassende und detaillierte Fotodokumentation ist diesem Gutachten angeschlossen, aus der sich keine einheitliche (ein- oder zweiflügelige) Hofbebauung entnehmen lässt.

Die Behörde hat im Rahmen ihrer Beweiswürdigung Gutachten und Gegengutachten gegeneinander abgewogen. Sie ist im Beschwerdefall der Argumentation des Amtssachverständigen gefolgt.

Gemäß § 27 Abs. 1 Stmk. ROG hat jede Gemeinde nach Inkrafttreten des Flächenwidmungsplanes mit der Bebauungsplanung zu beginnen und durch Verordnung Bebauungspläne zu erlassen. Die Gemeinde kann Teile des Baulandes, für die Bebauungspläne nicht erforderlich sind, mit Beschluss festlegen (Zonierung). Die Gründe für eine derartige Festlegung sind der Aufsichtsbehörde mitzuteilen. Für diese Teile des Baulandes können die Gemeinden durch Verordnung entsprechend dem Gebietscharakter, ferner für einzelne Bebauungsweisen, Bebauungsrichtlinien festlegen. Die Festlegungen der Teile des Baulandes, für die Bebauungspläne nicht erforderlich sind, sind bei der nächsten regelmäßigen Überprüfung oder Änderung des Flächenwidmungsplanes im Flächenwidmungsplan zu treffen (Unterstreichung durch den Verwaltungsgerichtshof).

Das gegenständliche Gebiet ist ein im Sinne des zweiten Satzes der zitierten Bestimmung zoniertes Gebiet. Die Stadt Graz hat von ihrer Ermächtigung, für diese Teile des Baulandes Bebauungsrichtlinien zu erlassen keinen Gebrauch gemacht, sondern lediglich die Einholung eines stadtplanerischen Gutachtens vorgesehen. Dabei ist das entscheidende Kriterium des zu erstellenden Gutachtens eines solcherart beizuziehenden städtebaulichen Amtssachverständigen der jeweilige Gebietscharakter. Dementsprechend ging der Amtssachverständige davon aus, dem Gebietscharakter entspreche eine lediglich einflügelige Innenhofverbauung, die geplante zweiflügelige Verbauung widerspreche damit dem Gebietscharakter, und führte zur Stützung seiner These Beispiele an. Der vom Beschwerdeführer beigezogene Privatgutachter teilte diese Einschätzung jedoch nicht und begründete seine Ansicht ebenfalls mit Beispielen, einer seine Ansicht stützenden Luftaufnahme des gegenständlichen städtischen Bereiches sowie dem Hinweis, dass derzeit durch die im Innenhof bestehende Garage eine "zweiflügelige" Bebauung tatsächlich bereits vorhanden sei.

Mit diesen Argumenten und Beweismitteln hat sich der Amtssachverständige in seiner Gegenäußerung vom 27. Februar 2002 nicht ausreichend auseinandergesetzt, zumal offen bleibt, wie er bei einer auf den Fotos dokumentierten gemischten ein- und zweiflügeligen Innenhofverbauung zu der Annahme gelangt, nur die einflügelige Innenhofverbauung entspräche dem "Gebietscharakter". Damit bleibt aber auch unbegründet, wieso sich das gegenständliche Projekt in einem Widerspruch zum Gebietscharakter befindet.

Insofern sich der Sachverständige bei seiner negativen Stellungnahme zum beantragten Projekt auf die Kriterien des 3.0 Stadtentwicklungskonzepts stützte, verfehlte er die von ihm zu beachtende rechtliche Grundlage (siehe oben).

Insoweit die belangte Behörde mit einer nicht wünschenswerten "Folgewirkung" im Falle der Bewilligung des beantragten Projekts argumentiert, ist fest zu halten, dass der nunmehr gültige Flächenwidmungsplan 3.0 der Landeshauptstadt Graz für das gegenständliche Gebiet ohnedies einen Bebauungsplan vorsieht, eine "Folgewirkung" sohin nicht greifen kann.

Aus den o.a. Gründen belastete die belangte Behörde ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil Umsatzsteuer in dem für Schriftsatzaufwand zuerkannten Pauschalbetrag bereits enthalten ist.

Wien, am 17. Mai 2004

Schlagworte

Baubewilligung BauRallg6 Planung Widmung BauRallg3 Verwaltungsrecht allgemein Rechtsquellen VwRallg1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002060172.X00

Im RIS seit

10.06.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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