TE Vwgh Beschluss 2004/5/18 2004/10/0070

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Veröffentlicht am 18.05.2004
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Index

L55008 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Vorarlberg;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

B-VG Art10 Abs1 Z9;
B-VG Art131 Abs2;
NatSchG Vlbg 1997 §2 Abs1;
NatSchG Vlbg 1997 §48 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, in der Beschwerdesache der Marktgemeinde Lauterach, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 27. Februar 2004, Zl. IVe-151.124, betreffend naturschutzrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: M & Co KG, Bregenz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 27. Februar 2004 wurde der mitbeteiligten Partei gemäß den §§ 33 Abs. 1 lit. b und 35 Abs. 1 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftsentwicklung die Bewilligung zur Errichtung einer - näher beschriebenen - Funkübertragungsstation auf einem Grundstück im Gebiet der beschwerdeführenden Gemeinde erteilt. Begründend vertrat die Behörde die Auffassung, durch die beantragte Funkübertragungsstation auf dem bereits bestehenden "VKW-Mast" würden Interessen der Natur oder Landschaft nicht verletzt. Sie legte weiters dar, es sei die Naturschutzbehörde zwar gesetzlich nur zur Wahrung der Interessen des Naturschutzes berufen, nicht aber dazu, Anrainer vor den gesundheitlichen Auswirkungen der - nach Auffassung der beschwerdeführenden Partei -

von der Funkübertragungsstation ausgehenden "ionisierenden Strahlen" zu schützen; dies sei Sache jener Behörde, die das - Leben und Gesundheit von Menschen vor den von Funkanlagen ausgehenden Gefahren schützende - Telekommunikationsgesetz zu vollziehen habe. Dennoch führte sie in der Folge mit eingehender Begründung aus, dass durch den Betrieb der von der mitbeteiligten Partei beantragten Anlage keinerlei gesundheitliche Schäden zu erwarten seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die von der beschwerdeführenden Partei gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG in Verbindung mit § 48 Abs. 1 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftsentwicklung (NatSchG) erhobene Beschwerde. Die beschwerdeführende Partei bringt vor, es habe kein fernmeldebehördliches Bewilligungsverfahren stattgefunden, die Darlegungen im angefochtenen Bescheid, es seien keine gesundheitlichen Auswirkungen zu befürchten, seien inhaltlich unzutreffend und unter Missachtung von Verfahrensvorschriften zustande gekommen und es stelle der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen "selbstverständlich" einen Aspekt des Naturschutzes dar, den die beschwerdeführende Partei betreffend ihre Gemeindebürger auch geltend machen könne.

Gemäß § 48 Abs. 1 NatSchG hat die Gemeinde - abgesehen von hier nicht interessierenden Ausnahmen - in allen Verfahren nach diesem Gesetz einen Rechtsanspruch darauf, dass die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftsentwicklung bei der Entscheidung gewahrt werden. Sie kann zur Wahrung dieser Ziele gegen einen Bescheid Berufung erheben. Die Gemeinde kann zur Wahrung dieser Ziele weiters gegen Bescheide der Landesregierung Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erheben.

Die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftsentwicklung bestehen gemäß § 2 Abs. 1 NatSchG darin, Natur und Landschaft in bebauten und unbebauten Bereichen so zu erhalten und zu entwickeln und, soweit erforderlich, wieder herzustellen, dass

a)

die Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes,

b)

die Regenerationsfähigkeit und nachhaltige Nutzungsfähigkeit der Naturgüter,

              c)              die Tier- und Pflanzenwelt einschließlich ihrer Lebensstätten und Lebensräume (Biotope) sowie,

              d)              die Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft nachhaltig gesichert sind.

Die der Gemeinde gemäß § 48 Abs. 1 NatSchG eingeräumte Ermächtigung, gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben, dient der Wahrung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftsentwicklung. Sie ist daher auf die Geltendmachung einer Missachtung dieser Ziele durch die Naturschutzbehörde (Landesregierung) beschränkt; nur in diesem Rahmen ist die Gemeinde legitimiert, Amtsbeschwerde zu erheben.

Der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen vor den Auswirkungen des Betriebes einer Funkübertragungsanlage zählt nicht zu den Zielen des Naturschutzes und der Landschaftsentwicklung im Sinne des § 2 Abs. 1 NatSchG. Vielmehr handelt es sich dabei um Gesichtspunkte, die - wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt hat - vom Kompetenztatbestand gemäß Art. 10 Abs. 1 Z. 9 B-VG "Fernmeldewesen" erfasst sind (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. September 2000, Zl. 97/05/0153, und die dort zitierte Vorjudikatur). Dem Naturschutzgesetzgeber wäre es daher von Verfassung wegen gar nicht möglich, Funkanlagen unter diesem Gesichtspunkt einer Regelung zu unterwerfen, mag der Mensch und seine Gesundheit - so offenbar die Überlegungen der Beschwerde - auch Teil der Natur sein; die Annahme, der Naturschutzbehörde komme die Befugnis zu, Leben und Gesundheit von Menschen vor den Auswirkungen einer Funkanlage zu schützen, ist also auf keinen Fall in Betracht zu ziehen.

Indem die vorliegende Beschwerde sich darauf beschränkt, geltend zu machen, die belangte Behörde habe die gesundheitlichen Auswirkungen der in Rede stehenden Funkübertragungsstation unzureichend ermittelt und unzutreffend beurteilt, bewegt sie sich außerhalb der Ermächtigung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 48 Abs. 1 NatSchG. Die Beschwerde erweist sich daher als unzulässig; sie war mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 18. Mai 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004100070.X00

Im RIS seit

16.07.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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