TE Vwgh Erkenntnis 2004/5/25 2004/15/0061

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Veröffentlicht am 25.05.2004
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Index

E1E;
E6J;
32/05 Verbrauchsteuern;
59/04 EU - EWR;

Norm

11997E012 EG Art12;
11997E023 EG Art23;
11997E025 EG Art25;
11997E039 EG Art39;
11997E090 EG Art90;
62001CJ0387 Weigel VORAB;
NoVAG 1991;

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:* Vorabentscheidungsantrag:98/15/0116 B 20. September 2001 * EuGH-Entscheidung: EuGH 62001CJ0387 29. April 2004 Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2004/15/0062

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde 1. des Dr. H und

2. der I, beide in K, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 25. Juni 1997, RV/140- 6/97 und RV/139-6/97, betreffend Festsetzung der Normverbrauchsabgabe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von jeweils 1.172,88 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beiden Beschwerdeführer sind deutsche Staatsbürger und übersiedelten Mitte des Jahres 1996 anlässlich der Aufnahme einer nichtselbständigen Tätigkeit durch den Erstbeschwerdeführer in Österreich (Vorarlberg) von Deutschland nach Österreich. Der Erstbeschwerdeführer war vorher in Deutschland, die Zweitbeschwerdeführerin (seine Ehefrau) ebenfalls vorher in Deutschland erwerbstätig.

Als Übersiedlungsgut brachten die Beschwerdeführer je einen Personenkraftwagen (im Folgenden: Pkw) mit. Für diese Kraftfahrzeuge (im Folgenden: Kfz) wurde den Beschwerdeführern nach der Zulassung der Kfz in Österreich mit Bescheiden des Finanzamtes Feldkirch vom 2. Oktober 1996 eine Normverbrauchsabgabe in Höhe von 31.416 S (Erstbeschwerdeführer) und 7.668 S (Zweitbeschwerdeführerin) vorgeschrieben.

Die Abgabenvorschreibung an den Erstbeschwerdeführer betraf einen Pkw der Marke "Mitsubishi Space Wagon GLXi", Baujahr 1995. Als Bemessungsgrundlage für die Abgabenfestsetzung diente ein nach Eurotax-Notierungen ermittelter Wert von 187.000 S. Unter Anwendung eines Steuersatzes von 14 % errechnete sich eine Normverbrauchs-Grundabgabe von 26.180 S. Als weiterer Betrag wurde ein Zuschlag von 20 % der Grundabgabe in Höhe von 5.236 S festgesetzt, womit sich der vorgeschriebene Gesamtbetrag von 31.416 S ergab.

Die Abgabenvorschreibung an die Zweitbeschwerdeführerin betraf einen Pkw der Marke "Nissan Sunny Y10 L2", Baujahr 1993. Als Bemessungsgrundlage für die Abgabenfestsetzung diente ein nach Eurotax-Notierungen ermittelter Wert von 71.000 S. Unter Anwendung eines Steuersatzes von 9 % errechnete sich eine Normverbrauchs-Grundabgabe von 6.390 S. Als weiterer Betrag wurde ein Zuschlag von 20 % der Grundabgabe in Höhe von 1.278 S festgesetzt, womit sich der vorgeschriebene Gesamtbetrag von 7.668 S ergab.

Gegen diese Abgabenvorschreibungen machten die Beschwerdeführer gemeinschaftsrechtliche Bedenken geltend. Mit den angefochtenen Bescheiden bestätigte die belangte Behörde die mit den Bescheiden des Finanzamtes vorgeschriebenen Normverbrauchsabgaben.

Die Behandlung der gegen die angefochtenen Bescheide an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerden hat dieser mit Beschluss vom 8. Juni 1998, B 2073, 2074/97, abgelehnt und diese über Antrag der Beschwerdeführer an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Im vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerdeschriftsatz machten die Beschwerdeführer wiederum geltend, die Abgabenvorschreibungen seien vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts rechtswidrig.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat im gegenständlichen Verfahren mit Beschluss vom 20. September 2001, EU 2001/14, 15 (98/15/0116 und 98/15/0146), dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Artikel 39 EG (Freizügigkeit der Arbeitnehmer) oder

Artikel 12 EG (Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit) dahin auszulegen, dass es einen Verstoß gegen diese Vorschriften darstellt, wenn für ein anlässlich einer durch einen Arbeitsplatzwechsel bedingten Übersiedlung aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in das Gebiet der Republik Österreich mitgebrachtes Kraftfahrzeug Normverbrauchsabgabe (Grundabgabe und Zuschlag) vorgeschrieben wird?

2. Stehen Artikel 90 EG (Keine höheren Abgaben für Waren aus anderen Mitgliedstaaten) oder Artikel 23 (Zollunion) und 25 EG (Verbot von Zöllen oder Abgaben gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten) der Vorschreibung der unter der ersten Vorabentscheidungsfrage angeführten Normverbrauchsabgabe (Grundabgabe beziehungsweise Zuschlag) entgegen?

3. Ist es mit der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG vom 17. Mai 1997 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in ihrer Fassung durch die Richtlinie 91/680/EWG vom 16. Dezember 1991, ABl L 376,1 zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG im Hinblick auf die Beseitigung der Steuergrenzen vereinbar, dass der als Teil der unter der ersten Vorabentscheidungsfrage angeführten Normverbrauchsabgabe festgesetzte Zuschlag vorgeschrieben wird?

Mit Urteil vom 29. April 2004, C-387/01, hat der EuGH zu den mit Beschluss vom 20. September 2001 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Die Artikel 39 EG und 12 EG stehen dem nicht entgegen, dass einer Privatperson aus einem Mitgliedstaat, die sich aufgrund eines Arbeitsplatzwechsels in einem anderen Mitgliedstaat niederlässt und dabei ihr Kraftfahrzeug in den letztgenannten Staat einführt, eine Verbrauchssteuer wie die im Ausgangsverfahren streitige Normverbrauchs-Grundabgabe auferlegt wird.

2. Eine Verbrauchsabgabe wie die im Ausgangsverfahren streitige Normverbrauchs-Grundabgabe ist eine inländische Abgabe, deren Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht nicht anhand der Artikel 23 EG und 25 EG, sondern anhand des Artikels 90 EG zu prüfen ist.

3. Artikel 90 EG ist dahin auszulegen, dass er einer Verbrauchsabgabe wie der im Ausgangsverfahren streitigen Normverbrauchs-Grundabgabe nicht entgegensteht, soweit deren Beträge den tatsächlichen Wertverlust der von einer Privatperson eingeführten gebrauchten Kraftfahrzeuge genau widerspiegeln und die Erreichung des Zieles ermöglichen, derartige Fahrzeuge so zu besteuern, dass auf keinen Fall der Betrag der Restabgabe überschritten wird, der im Wert gleichartiger, im Inland bereits zugelassener Gebrauchtfahrzeuge enthalten ist.

4. Artikel 90 EG ist dahin auszulegen, dass er im Fall der Einfuhr eines Gebrauchtfahrzeuges aus einem anderen Mitgliedstaat durch eine Privatperson der Erhebung eines Zuschlags von 20 % auf eine Abgabe mit den Merkmalen der im Ausgangsverfahren streitigen Normverbrauchs-Grundabgabe entgegensteht.

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH für den Beschwerdefall, dass der jeweils im vorgeschriebenen Normverbrauchsabgabenbetrag von 31.416 S (Erstbeschwerdeführer) und 7.668 S (Zweitbeschwerdeführerin) enthaltene Zuschlag von 20 % der Grundabgabe mit dem Gemeinschaftsrecht (Artikel 90 EG) in Widerspruch steht. Die angefochtenen Bescheide waren damit schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben. Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde auch im Sinne des Punktes 3. der oben zitierten Vorabentscheidung des EuGH vom 29. April 2004 zu prüfen haben, ob die unter Heranziehung der Eurotax-Notierungen ermittelten Bemessungsgrundlagen der Normverbrauchs-Grundabgabe den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben entsprechen. Angemerkt wird, dass in den Randnr. 68 bis 80 der Vorabentscheidung zum Ausdruck kommt, dass eine Wertermittlung nach den im Erlass des Bundesministeriums für Finanzen vom 1. September 1995 (vgl. Randnr. 21) dargelegten Ermittlungsmethoden an sich gemeinschaftsrechtlich zulässig erscheint.

Von der Durchführung der vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragten Verhandlung konnte nach § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 25. Mai 2004

Gerichtsentscheidung

EuGH 62001CJ0387 Weigel VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004150061.X00

Im RIS seit

02.07.2004

Zuletzt aktualisiert am

16.05.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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