TE Vwgh Erkenntnis 2004/5/25 2000/15/0052

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Veröffentlicht am 25.05.2004
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §119 Abs1;
EStG 1988 §68 Abs1;
EStG 1988 §68 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde der M GmbH in A, vertreten durch Arnold, Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 10. Februar 2000, GZ RV/13-16/13/2000, betreffend Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für den Zeitraum 1992 bis 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende GmbH (im Folgenden: Beschwerdeführerin) betreibt das Recycling von Altmetallen. Anlässlich einer den Streitzeitraum umfassenden Lohnsteuerprüfung stellte der Prüfer fest, bei einem leitenden Angestellten mit eigenem Büro sei eine überwiegende Verschmutzung bzw Erschwernis nicht anzunehmen, sodass sich hinsichtlich der Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulage (im Folgenden SEG-Zulage) für Franz T, den Produktionsleiter der Beschwerdeführerin, eine Nachforderung von lohnabhängigen Abgaben iHv rd S 65.000,-- ergebe.

Das Finanzamt folgte den Prüferfeststellungen und erließ einen Haftungs- und Zahlungsbescheid. Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, in welcher sie im Wesentlichen ausführte, Franz T, der seit 1975 im Unternehmen tätig sei, verbrächte (auch laut Arbeitsplatzbeschreibung) 95 % seiner Arbeitszeit auf dem Werksgelände. Da er dort bei jeder Witterung und zu jeder Jahreszeit tätig sei, werde seine Kleidung zwangsläufig in erheblichem Umfang verschmutzt und er selbst gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt. Er sei als ausgebildeter Schlosser und Maschinenmeister für den Produktionsablauf sowie für die Kontrolle des angelieferten Materials, insbesondere der Autowracks, verantwortlich. Dabei müsse er auf die Ladefläche der Lieferfahrzeuge steigen und "nachsehen, was unter der Oberfläche der Lieferung gelagert ist". Er habe meist mit rostigen, kantigen und auch messerscharfen Stahl- und Eisenteilen zu tun, an denen man nicht nur rasch schmutzig oder ölig werde, sondern sich auch leicht verletzen könne. Weiters sei er für die Überwachung der im Freien befindlichen Maschinen zuständig. Dazu müsse er sich zur Schadensfeststellung und -behebung unter die Maschine legen oder hinaufsteigen. Bei jeder Reparatur werde seine Kleidung verschmutzt. Im Urlaub oder Krankenstand von Maschinenarbeitern sei er der einzige, der alle Maschinen bedienen könne. Die von Franz T im Büro ausgeübten administrativen Tätigkeiten (Führung von Arbeitsaufzeichnungen, Ersatzteil- und Waggonbestellung) umfassten lediglich 5 % seiner Arbeitszeit. Der Prüfer habe sich im Übrigen von der Außendiensttätigkeit des Franz T nicht durch eine Besichtigung (seines Arbeitsortes) überzeugt. Bei früheren Prüfungen sei die Steuerbefreiung anerkannt worden, wohl weil sich die Prüfer von der Schwierigkeit der Tätigkeit überzeugt gehabt hätten.

In der Berufungsvorentscheidung führte das Finanzamt aus, die Franz T auf Grund der Arbeitsplatzbeschreibung übertragenen Aufgaben entsprächen dem herkömmlichen Berufsbild eines Produktionsleiters mit entsprechenden Kontroll- und Überwachungsaufgaben, administrativen Aufgaben und Personalanweisungen. Eine bloß fallweise Verpflichtung des Produktionsleiters, bei Krankenstand und Urlaub die Geräte allenfalls selbst zu bedienen, sei für die Begünstigung nicht ausreichend, weil dies anlassbedingt nur sporadisch geschehe. Aufzeichnungen über Art, Umfang und Dauer der zu einer erheblichen Verschmutzung führenden Arbeiten seien von der Beschwerdeführerin nicht vorgelegt worden, weswegen die Tätigkeiten des Produktionsleiters nicht als solche iSd § 68 Abs 5 EStG 1988 einzustufen seien.

In ihrem Vorlageantrag führte die Beschwerdeführerin ergänzend aus, sie sei kollektivvertraglich verpflichtet, dem Franz T zusätzlich zum Lohn SEG-Zulagen zu bezahlen. Franz T müsse täglich und bei jedem Wetter etwa 30 Lkw, fallweise mit Anhänger, sowie zweimal täglich wichtige Maschinen auf ihre Funktionstüchtigkeit kontrollieren. Die Abgabenbehörde habe Prüfungshandlungen unterlassen, welche geeignet gewesen wären, Aufschluss über die überwiegend mit Verschmutzung, Erschwernis und Gefahren verbundene Tätigkeit des Franz T zu geben. Die Beschwerdeführerin habe alles versucht, der Behörde den Beweis zu erbringen, dass die Tätigkeit des Produktionsleiters mit Verschmutzung, Erschwernis und Gefahren verbunden sei. Die Beschwerdeführerin sei gerne bereit, bei einer Einschau der Abgabenbehörde die Rechtmäßigkeit der steuerlichen Behandlung der SEG-Zulagen an den Produktionsleiter nachzuweisen. Das Unterbleiben einer solchen Nachschau stelle nach Ansicht der Beschwerdeführerin einen Verfahrensmangel dar.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und führte im Wesentlichen aus, die steuerliche Begünstigung nach § 68 EStG 1988 setze ua voraus, dass der Arbeitnehmer tatsächlich Arbeiten verrichte, die überwiegend unter Umständen erfolgen, die die Voraussetzungen für die Gewährung der SEG-Zulagen erfüllten. Dies erfordere den Nachweis, um welche Arbeiten es sich im Einzelnen gehandelt habe und wann diese geleistet worden seien. Die von der Beschwerdeführerin lediglich vorgelegte Arbeitsplatzbeschreibung sei kein geeigneter Nachweis. Mangels Nachweises des Vorliegens der gesetzlich geforderten Voraussetzungen sei die Nachforderung an Lohnsteuer zu Recht erfolgt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 68 Abs 1 und 5 EStG 1988 sind ua Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei. Als solche Zulagen sind jene Teile des Arbeitslohnes zu verstehen, die dem Arbeitnehmer deshalb gewährt werden, weil die von ihm zu leistenden Arbeiten überwiegend unter Umständen erfolgen, die in erheblichem Maß zwangsläufig eine Verschmutzung des Arbeitnehmers und seiner Kleidung bewirken oder im Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen eine außerordentliche Erschwernis darstellen oder infolge der schädlichen Einwirkungen von gesundheitsgefährdenden Stoffen oder Strahlen, von Hitze, Kälte oder Nässe, von Gasen, Dämpfen, Säuren, Laugen, Staub oder Erschütterungen oder infolge einer Sturz- oder anderen Gefahr zwangsläufig eine Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperlicher Sicherheit des Arbeitnehmers mit sich bringen.

Diese Begünstigungen setzen ua voraus, dass der Arbeitnehmer tatsächlich Arbeiten verrichtet, die überwiegend unter Umständen erfolgen, die die eben angeführten Voraussetzungen erfüllen. Der Arbeitnehmer muss also während der Arbeitszeit überwiegend mit Arbeiten betraut sein, die die genannte Verschmutzung zwangsläufig bewirken oder eine außerordentliche Erschwernis oder Gefahr darstellen. Dies erfordert nach Rechtsprechung und Lehre, dass der Behörde nachgewiesen wird, um welche Arbeiten es sich im Einzelnen gehandelt hat und wann sie geleistet wurden (vgl das hg Erkenntnis vom 13. Oktober 1999, 94/13/0008).

Wenn es der Abgabepflichtige verabsäumt, die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erforderlichen überprüfbaren Nachweise zu erbringen, um welche Arbeiten es sich im Einzelnen gehandelt hat und wann diese geleistet wurden, ist die Abgabenbehörde nicht gehalten, von sich aus Ermittlungen anzustellen (vgl hiezu das hg Erkenntnis vom 18. Dezember 1996, 94/15/0156, mwN).

Der Beschwerdeführerin ist zuzustimmen, dass das Vorliegen der Voraussetzungen nicht nur durch "überprüfbare Grundaufzeichnungen", sondern auch auf andere Weise nachgewiesen bzw. glaubhaft gemacht werden kann. Im Beschwerdefall hat die Beschwerdeführerin dem Finanzamt eine Arbeitsplatzbeschreibung, datiert mit 11. August 1989, übermittelt, aus welcher hervorgeht, dass Franz T für administrative Arbeiten im Büro nicht mehr als 5 % der Gesamtarbeitszeit aufwenden soll. Wenn diese von der Beschwerdeführerin und Franz T unterschriebene Arbeitsplatzbeschreibung den tatsächlichen Verhältnissen entspräche, ließe sich daraus nur erschließen, dass Franz T 95 % seiner Arbeitszeit mit Tätigkeiten, die nicht administrativer Natur seien, verbrächte. Damit wären aber die Voraussetzungen zur Gewährung einer Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulage noch nicht nachgewiesen, weil nicht jede Tätigkeit, die nicht administrativer Natur ist, in erheblichem Maß zwangsläufig eine Verschmutzung des Arbeitnehmers und seiner Kleidung bewirkt oder im Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen eine außerordentliche Erschwernis darstellt oder zwangsläufig eine Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperlicher Sicherheit mit sich bringt, selbst wenn diese Tätigkeiten im Wesentlichen im Freien ausgeübt werden.

Die Beschwerdeführerin rügt im Wesentlichen das Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens. Hätte die belangte Behörde Franz T "auch nur einen Tag bei seiner Arbeit beobachtet (oder als Zeugen vernommen), so hätte sie zu einem anderen Ergebnis kommen können, ja müssen". Es trifft zwar zu, dass der Gerichtshof im oben zitierten Erkenntnis vom 18. Dezember 1996, 94/15/0156, zum Ausdruck gebracht hat, die Abgabenbehörde sei nicht gehalten, von sich aus Ermittlungen anzustellen, wenn es der Abgabepflichtige versäumt hat, die erforderlichen überprüfbaren Nachweise zu erbringen. Die Beschwerdeführerin, die im Berufungsverfahren auch damit argumentiert hat, bei früheren abgabenbehördlichen Prüfungen sei die Steuerbefreiung anerkannt worden, hat aber in ihrem Vorlageantrag einen Lokalaugenschein beantragt, durch welchen die belangte Behörde sich von der Richtigkeit des Berufungsvorbringens hätte überzeugen sollen. Die belangte Behörde hat diesem Beweisantrag nicht entsprochen und sie hat dies im angefochtenen Bescheid auch nicht begründet. Damit hat sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 25. Mai 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2000150052.X00

Im RIS seit

05.08.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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