TE Vwgh Erkenntnis 2004/5/26 2001/08/0178

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Veröffentlicht am 26.05.2004
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §38;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Strohmayer, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch die Rechtanwalts-Partnerschaft Etti & Kocher in 2345 Brunn/Gebirge, Leopold Gattringer-Straße 40, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 28. Februar 2001, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/2000-4803, betreffend Neubemessung und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 17. November 2000, mit dem die Notstandshilfe der Beschwerdeführerin für den Zeitraum vom 1. Mai 1998 bis 31. Dezember 1998 gemäß § 24 Abs. 2 AlVG mit täglich S 49,30 neu bemessen und unberechtigt empfangene Notstandshilfe in der Höhe von S 67.742,-- zurückgefordert worden war. Nach den Tatsachenfeststellungen der belangten Behörde bezog die Beschwerdeführerin im Zeitraum vom 1. Mai 1998 bis 31. Dezember 1998 Notstandshilfe in "ungekürzter Höhe" von S 325,80. Sie lebe im gemeinsamen Haushalt mit ihrem Sohn und ihrem Ehemann. Dieser habe das Einkommen aus selbständiger Tätigkeit für die Monate Jänner bis Mai 1998 mit Null erklärt, ebenso für die Monate Juni bis Dezember 1998, sodass - diesen Erklärungen folgend - die Notstandshilfe in der festgestellten, ungekürzten Höhe an die Beschwerdeführerin ausbezahlt worden sei. Auch alle weiteren Einkommenserklärungen des Ehemannes der Beschwerdeführerin hätten auf "Null" gelautet. Der Einkommensteuerbescheid des zuständigen Finanzamtes vom 10. Dezember 1999 für das Jahr 1998, anhand dessen die abschließende und endgültige Beurteilung des Notstandshilfeanspruches der Beschwerdeführerin ab 1. Mai 1998 vorzunehmen gewesen sei, weise Einkünfte aus Gewerbebetrieb in der Höhe von S 250.151,-- aus. Unter Berücksichtigung der Sonderausgaben, der bezahlten Einkommensteuer einschließlich der Einkommensteuervorauszahlungen, sowie eines geltend gemachten Investitionsfreibetrages errechnete die belangte Behörde ein Jahreseinkommen des Ehemannes der Beschwerdeführerin von S 195.784,--, und daraus einen "rechnerischen Monatsverdienst" von S 16.315,33 netto. Erhöhte Aufwendungen aus begünstigten Zwecken lägen nicht vor. Die Beschwerdeführerin habe nur eingewendet, sie habe auf das unternehmerische Ergebnis keinen Einfluss gehabt und dass sie verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Rückforderbarkeit der bezogenen Notstandshilfe hege.

Die belangte Behörde legte im Weiteren die Berechnung der der Beschwerdeführerin schließlich gebührenden Notstandshilfe wie folgt dar:

"Rechnerischer Monatsverdienst netto ihres Ehemannes 1998 ....

S 16.315,33

minus Freigrenzen für den Einkommensbezieher ..............

S 5.696,--

minus Freigrenze für Sohn N ...................................

S 2.870,--

verbleibt anzurechnender Betrag monatlich ..............................

S 7.749,33

ergibt anzurechnenden Betrag täglich ........................................

S 254,80

bei einer theoretisch möglichen Notstandshilfe von täglich ......

S 304,10

eine gebührende Notstandshilfe von täglich
(gerundet) für den Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Dezember 1998."

S 49,30

Die Berechnung zeige, dass der anzurechende Betrag niedriger als die "überhaupt mögliche" Notstandshilfe sei. Notlage, wie sie für den Bereich des Arbeitslosenversicherungsrechts definiert sei, liege daher vor. Die Notstandshilfe gebühre jedoch nur in der Höhe von S 49,30. Der Differenzbetrag zu dem ursprünglich ausbezahlten Betrag von S 325,80 täglich betrage S 276,50 täglich; es sei daher insgesamt ein Betrag von S 67.742,-- zurückzufordern.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

Dieser hat die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 25. September 2001, B 620/01, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In ihrer vor dem Verwaltungsgerichtshof erstatteten Beschwerdeergänzung macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit die Beschwerdeführerin die Anwendbarkeit der §§ 24 und 25 AlVG auf die Notstandshilfe bezweifelt, ist sie darauf hinzuweisen, dass gemäß § 38 AlVG auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Abschnittes 1 sinngemäß anzuwenden sind, soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist.

Im Abschnitt 1 sind auch die Bestimmungen der §§ 24 und 25 AlVG enthalten, sodass diese auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden sind.

Dadurch, dass in den genannten Bestimmungen nur von Arbeitslosengeld und nicht auch von Notstandshilfe die Rede ist, ist aber nicht etwa "anderes bestimmt", da die Verweisung des § 38 gerade den Anwendungsbereich dieser Bestimmungen auf die Notstandshilfe erweitert und Gegenteiliges (d.h. dass die Bestimmung auf die Notstandshilfe nicht anzuwenden sei) in den genannten Bestimmungen nicht normiert ist.

Es stehen auch Spruch und Begründung des angefochtenen Bescheides nicht im Widerspruch zueinander. Die Rückforderung stützt sich zweifelsfrei auf den für das Jahr 1998 geltenden Einkommensteuerbescheid des Ehemannes der Beschwerdeführerin. Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 3 AlVG ist der Empfänger einer Leistung nach diesem Bundesgesetz auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuer- oder Umsatzsteuerbescheides ergibt, dass die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührte; in diesem Fall darf jedoch der Rückforderungsbetrag das erzielte Einkommen nicht übersteigen. Es kann daher dahinstehen, ob die Angaben des Ehemannes der Beschwerdeführerin während des Bezuges von Notstandshilfe "im guten Glauben" vorgenommen worden sind oder nicht, weil auch für den Fall, dass man der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann guten Glauben zubilligt, die genannte Gesetzesbestimmung die Rückforderung nach Vorliegen jenes Einkommensteuerbescheides, der für den Bezugszeitraum maßgebend ist, unabhängig davon zulässt, ob die Notstandshilfe ursprünglich gutgläubig bezogen wurde.

Worin die Verletzung des Parteiengehörs gelegen sein soll, wird in der Beschwerde nicht ausgeführt: Die Behauptung, der Ehemann der Beschwerdeführerin habe seinem Sohn "aufgrund dessen studienbedingter mangelnder Selbsterhaltungsfähigkeit" jeden Monat S 5.000,-- an Unterhalt bezahlt und dies habe die Beschwerdeführerin "aufgrund der mangelnden Manuduktion durch die belangte Behörde" nicht bekanntgegeben, stellt einerseits keine Verletzung von Parteiengehör, sondern allenfalls eine Verletzung der Manuduktionspflicht dar, und ist andererseits rechtlich irrelevant, weil die belangte Behörde ohnehin für den unterhaltsberechtigten Sohn die in der Notstandshilfeverordnung vorgesehene Freigrenze von S 2.768,-- berücksichtigt hat. Das Gleiche gilt für die behauptete "fehlende Manuduktion durch die Referenten der belangten Behörde" im Jahr 1998, da für die Rückforderung ausschließlich der Einkommensteuerbescheid des Ehemannes der Beschwerdeführerin für das Jahr 1998 maßgebend ist und es daher auf die Frage, ob die Beschwerdeführerin im Jahr 1998 Umstände verschwiegen hat oder unwahre Angaben gemacht hat, nicht ankommt.

Die Beschwerde erweist sich aber im Ergebnis als zum Teil begründet.

Die Beschwerdeführerin hat mit Verständigung vom 9. Juni 1998 Notstandshilfe ab 1. Mai 1998 in der Höhe von täglich S 325,80 zuerkannt erhalten (vgl. auch den EDV-Ausdruck AS 72 A). Unter Anrechnung des Einkommens des Ehemannes der Beschwerdeführerin von S 254,80 täglich auf diesen Betrag, würde sich ein Notstandshilfeanspruch der Beschwerdeführerin von S 70,40 ergeben. Demgegenüber rechnete die belangte Behörde aber das Einkommen des Ehemannes auf eine (niedrigere) "theoretisch mögliche Notstandshilfe von S 304,10" an, sohin auf einen niedrigeren Betrag als jenen, der der Beschwerdeführerin zuerkannt worden war, forderte aber die gesamte Differenz zwischen dem Betrag von S 49,30 zu dem ursprünglich ausbezahlten Betrag von S 325,80 zurück.

Gemäß § 24 Abs. 2 in Verbindung mit § 38 AlVG ist die Bemessung der Notstandshilfe zwar rückwirkend zu berichtigen, wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung "nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt". Die belangte Behörde hat bei der Neubemessung der Notstandshilfe die Gründe dafür nicht angegeben, dass sie nicht nur das Ehepartnereinkommen angerechnet, sondern auch die ohne Anrechnung gebührende Notstandshilfe neu bemessen hat, und sie hat ferner die Gründe dafür nicht angegeben, aus denen sie sich zur Rückforderung auch der Differenz zwischen S 325,80 täglich und S 304,10 täglich für berechtigt erachtet, die den Betrag des anzurechnenden Einkommens übersteigt. Insoweit leidet der angefochtene Bescheid an einem Begründungsmangel, der es ausschließt, dass ihn der Verwaltungsgerichtshof auch in dieser Hinsicht auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit prüft.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, wobei die von der Beschwerdeführerin entrichtete Beschwerdegebühr von S 2.500,-- nach § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz BGBl. I Nr. 72/2000 mit umgerechnet EUR 181,68 zu berücksichtigen war.

Wien, am 26. Mai 2004

Schlagworte

Begründung Begründungsmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001080178.X00

Im RIS seit

14.07.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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