TE Vwgh Erkenntnis 2004/5/26 2000/08/0152

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Veröffentlicht am 26.05.2004
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §49 Abs1;
ASVG §49 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Strohmayer, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Vorarlberger Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. Klaus Grubhofer, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Riedgasse 20, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 28. Juli 2000, Zl. IVb-69-13/1999, betreffend Beitragsnachverrechnung und Verzugszinsenvorschreibung nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei: X Versicherung VaG in B, vertreten durch Dr. Rainer Santner, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Schillerstraße 4), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beitragsprüfung vom 11. März 1998 schrieb die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse der mitbeteiligten Partei mit Bescheid vom 26. Jänner 1999 Beiträge in der Höhe von S 971.444,24 und Verzugszinsen im Betrag von S 191.313,19 vor.

Die mitbeteiligte Partei habe monatliche Provisionsgarantiezahlungen (als laufendes Entgelt) beitragspflichtig abgerechnet. Am Ende jeden Quartals seien die tatsächlich erzielten Provisionen den Provisionsgarantiezahlungen der jeweiligen Monate gegenübergestellt und der Überhang als Sonderzahlung abgerechnet worden. Dies sei in zahlreichen Fällen beitragsfrei geschehen, weil die Provisionsvertreter die jährliche Höchstbeitragsgrundlage für Sonderzahlungen überschritten hätten. Bei den Provisionen habe es sich um Abschlussprovisionen gehandelt. Jeder "Produktion" (somit jedem Vertragsabschluss bzw. jeder Vertragsverlängerung) sei ein genaues Provisionsergebnis zuordenbar (allenfalls durch eventuelle Stornierungen vermindert). Es sei nicht so, dass die Provisionshöhe nach erbrachten Umsätzen abgestuft sei bzw. eine Berechnung der gebührenden Provisionshöhe aus der einzelnen abgeschlossenen Produktion nicht möglich sei. Der Anspruch auf Abschlussprovision erwachse bereits im Zeitpunkt des erfolgreichen Abschlusses einer Tätigkeit und sei damit zeitlich eindeutig zuordenbar. Weiters seien von der mitbeteiligten Partei Zahlungen für Überstunden und Ausfallszahlungen für Urlaubs-, Krankheits- und Feiertage quartalsmäßig ausbezahlt worden. Dadurch sei teilweise die Höchstbeitragsgrundlage überschritten worden.

Die mitbeteiligte Partei erhob gegen "die Aufrollung der die Provisionsgarantien übersteigenden Provisionen der Gebietsleiter und Versicherungsberater und die Aufrollung der kollektivvertraglichen Ausgleichszahlungen des Provisionsentganges während des Urlaubs, der Feiertagsruhe und im Krankheitsfall" Einspruch. Nach den für alle angestellten Gebietsleiter und Versicherungsberater gleich lautenden dienstvertraglichen Bestimmungen würden die anfallenden Provisionen laufend auf einem Kontokorrent verbucht und zum 31. Dezember eines jeden Jahres abgerechnet. Die bei den Versicherungsberatern auf dem Kontokorrent verbuchten Provisionen würden neben Abschlussprovisionen auch Folgeprovisionen beinhalten. Unzweifelhaft könne vereinbart werden, dass der Erwerb des Anspruches auf die Provision auf das Ende des Jahres hinausgeschoben werde. Aus einer solchen Vereinbarung würde sich aber ergeben, dass solche Provisionsnachzahlungen den Charakter von Sonderzahlungen im Sinne des § 49 Abs. 2 ASVG hätten. Das Entstehen des Anspruches auf eine vorzeitige Auszahlung des Provisionsüberhanges würde dienstvertraglich von der Bedingung abhängen, dass die (anteilige) Jahresprovisionsgarantie überschritten werde. Der Eintritt dieser Bedingung lasse sich - vor allem auf Grund von Monat zu Monat stark schwankender Produktionsergebnisse und auch auf Grund zB von Stornos - in vielen Fällen erst mit dem Ende des Kalenderjahres feststellen. Der Anspruch auf die Leistung entstehe in diesem Fall erst mit der Erfüllung dieser Bedingung. Den auf das einzelne Geschäft bezogenen Provisionen komme deshalb als Maß für die Höhe des Provisionsüberhanges nur mittelbar Bedeutung zu. Das zulässige Hinausschieben des Anspruches (auf die Provisionsüberhänge) auf das Ende des Kalenderjahres sei insbesondere im Hinblick auf stark schwankende Produktionsergebnisse in den einzelnen Monaten und im Hinblick auf allfällige Stornos sinnvoll und liege im Rahmen der Grenzen freier Vertragsgestaltung.

Hinsichtlich der mit Ende des Kalenderjahres abgerechneten Ausgleichszahlungen des Provisionsentganges während eines Urlaubs, einer Freiertagsruhe und im Krankheitsfall würde die gleiche Argumentation vertreten, weil es sich auch bei diesen Zahlungen um Provisionen handle, die den Provisionsgarantien entgegengerechnet würden. Auch hier lasse sich erst mit Ende des Kalenderjahres die Frage beantworten, ob der Angestellte einen Provisionsüberhang erhalten würde oder nicht. Die Feststellung der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse, dass die Provisionsüberhänge quartalsmäßig ausbezahlt würden, entspräche nicht den Tatsachen.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde - abgesehen von einer für das vorliegende Verfahren nicht mehr wesentlichen Teilaufhebung des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 66 Abs. 4 AVG - den angefochtenen Bescheid gemäß § 417a ASVG behoben und die Angelegenheit zur Ergänzung der Ermittlungen und zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Beschwerdeführerin zurückverwiesen. Wenn die Entstehung eines Anspruches auf eine (Umsatz-) Provision nach der dienstvertraglichen Vereinbarung nicht allein von der Tätigung laufender Umsätze, sondern darüber hinaus noch von der Erfüllung weiterer Bedingungen abhängig sei, entstehe der Anspruch auf Leistung erst mit der Erfüllung dieser Bedingung. Nach den Dienstverträgen für Gebietsleiter (nach dem Muster Norbert C.) und für Versicherungsberater (nach dem Muster Roland B.) entstünde der Provisionsanspruch, wenn der Versicherungsvertrag als vermittelt gelte. Darüber hinaus enthielten die Dienstverträge (für Gebietsleiter) folgende Bestimmung:

"Es wird eine jährliche Provision in der Höhe gemäß Anhang G garantiert. Die (mitbeteiligte Partei) behält sich das Recht vor, bei Nichterreichen des festgesetzten Produktionszieles für das folgende Kalenderjahr die garantierte Provision im Verhältnis der erbrachten Produktion zum festgelegten Produktionsziel des Vorjahres herabzusetzen.

...

Die anfallenden Provisionen werden laufend auf dem Kontokorrent verbucht und zum 31.12. eines jeden Jahres abgerechnet. Der Gebietsleiter erhält jedoch monatlich Akontozahlungen in Höhe von 1/14 der jährlichen Provisionsgarantie ... zuzüglich anteiliger Sonderzahlungen .... Bei gutem Produktionserfolg ist eine vorzeitige Auszahlung der die jährliche Provisionsgarantie übersteigenden Provisionen möglich. Erreichen die anfallenden Provisionen eines Kalenderjahres die Provisionsgarantie nicht, wird der Differenzbetrag ausgebucht, sodass das Kontokorrent jeweils ausgeglichen ist."

Die Dienstverträge mit den Versicherungsberatern würden inhaltsgleiche Regelungen enthalten.

Würden (bei einer monatlichen Pensionsakontozahlung von S 10.000,--, sohin einer jährlichen Provisionsgarantie von S 140.000,--) bei einem Dienstnehmer im Jänner eines Jahres auf Grund des guten Produktionserfolges S 15.000,-- an Provisionen anfallen und an den Dienstnehmer sogleich ausbezahlt, so könnte eine dadurch bewirkte "Garantieüberhangsauszahlung" vom Dienstnehmer am Ende des Kalenderjahres zurückgefordert werden, wenn die tatsächlich erzielte Jahresprovision die garantierte Provision nicht erreichen würde. Da eine berechtigte Rückforderungsmöglichkeit nichts anderes bedeute, als dass die für Jänner in der Höhe von S 5.000,-- über das Porovisionsakonto hinaus gewährte Provision ohne Rechtsgrund bzw. Anspruch ausbezahlt worden sei, sei diese zitierte Bestimmung des Dienstvertrages eine Bedingung, und zwar folgende:

"Der Anspruch auf die Auszahlung von die jährliche Provisionsgarantie übersteigenden Provisionen entsteht erst in dem Zeitpunkt, in welchem die anfallenden Provisionen die jährliche Provisionsgarantie übersteigen (und nur dann, wenn die Jahresprovisionsgarantie bis zum Ende des Kalenderjahres nicht mit anfallenden Provisionen 'aufgefüllt' wurde, wird anlässlich der am 31.12. durchzuführenden Abrechnung der Differenzbetrag entsprechend den obigen Ausführungen ermittelt bzw. ausgebucht). Hiebei ist es ohne Bedeutung, ob dieser Rechtsanspruch seitens der (mitbeteiligten Partei) jemals durchgesetzt wurde; es kommt lediglich darauf an, ob ihr ein solcher Rechtsanspruch zusteht, was im vorliegenden Verfahren zu bejahen ist."

Diese Ausführungen würden auch den Anhängen zu den Dienstverträgen, die das Entstehen eines Provisionsanspruches regeln, nicht widersprechen. Diese Bestimmungen seien - da der Dienstvertrag eine Einheit bilde - im Zusammenhang zu sehen, und zwar in folgendem Sinn:

"Der (endgültige) Anspruch auf anfallende Provisionen entsteht erst in dem Zeitpunkt, in welchem die anfallenden Provisionen die Jahresprovisionsgarantie 'auffüllen' (dies kann also auch schon bereits während des Kalenderjahres sein), und nach diesem Zeitpunkt entsteht der Provisionsanspruch, wenn ... der Versicherungsvertrag als vermittelt gilt bzw - allgemein gesagt - die Bestimmungen (in den Anhängen zu den Dienstverträgen), die das Entstehen von Provisionsansprüche regeln, erfüllt sind. Ansonsten - würde man also der Rechtsauffassung der (mitbeteiligten Partei) folgen, wonach der Provisionsanspruch in jedem Fall mit der Abrechnung am 31.12. des Kalenderjahres entstehe - käme diesen die Entstehung eines Provisionsanspruches regelnden Bestimmungen kein Sinn zu."

Die von der mitbeteiligten Partei auf Grund eines guten Produktionserfolges vorzeitig (viertel- bzw. halbjährlich oder nach individuell festgelegten Terminen) ausbezahlten Garantieüberhangsauszahlungen seien als Sonderzahlungen im Sinne des § 49 Abs. 2 ASVG zu qualifizieren, weil diese mit einer gewissen Regelmäßigkeit in bestimmten, über die Beitragszeiträume hinausreichenden Zeitabschnitten wiederkehrend ausbezahlt würden. Sollten jedoch die von der Beschwerdeführerin durchzuführenden weiteren Ermittlungen ergeben, dass eine Regelmäßigkeit der Leistungen nicht gegeben sei, so wären diese Zahlungen als Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG anzusehen.

Demgegenüber seien die nach dem Zeitpunkt der Erfüllung dieser Bedingung ("Auffüllungszeitpunkt") anfallenden Provisionen jenem Beitragszeitraum zuzuordnen, in welchem diese (gemäß den die "Entstehung von Provisionsansprüchen" regelnden Bestimmungen in den Anhängen zu den Dienstverträgen) entstanden seien. Da dadurch eine eindeutige zeitliche Zuordnung des Entstehens des Provisionsanspruches möglich sei, sei davon auszugehen, dass es sich bei diesen Provisionen um laufendes Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG handle.

Zur strittigen Behandlung der für Urlaubs-, Krankheits- und Feiertage geleisteten Ausfallszahlungen führte die belangte Behörde aus, dass der Entgeltanspruch nach dem Ausfallprinzip im Zeitpunkt der Dienstfreistellung bzw. Dienstverhinderung entstehe. Die kollektivvertragliche Bestimmung, wonach der Provisionsentgang für die Feiertagsruhe eines Kalenderjahres mit dem Ende November oder Anfang Dezember fälligen Monatsbezug auszubezahlen sei, beziehe sich lediglich auf den Auszahlungszeitpunkt und verändere nicht den Zeitpunkt des Entstehens des Anspruches. Bei der Berechnung der Ausgleichszahlungen seien (nur) ausgefallene Abschlussprovisionen zu berücksichtigen. Demgegenüber entstünde bei Superprovisionen, die Führungskräften ohne Eigenakquisition gewährt werden, kein zu vergütender Ausfall. Es werde daher im weiteren Verfahren von der mitbeteiligten Partei darzulegen sein, welche Arten von Provisionen in welcher Höhe den Dienstnehmern für die einzelnen Beitragszeiträume zu gewähren gewesen wären, damit die für die einzelnen Beitragszeiträume anfallenden Ausgleichszahlungen berechnet und den einzelnen Beitragszeiträumen zugeordnet werden könnten. Insbesondere werde auch zu prüfen sein, inwieweit den Gebietsleitern (Abschluss-)Provisionen aus dem Direktbetreuungsstock zugestanden seien.

Bei einer nochmals durchzuführenden Beitragsprüfung werde zu prüfen sein, wann die genannte Bedingung (das Erreichen der Jahresprovisionsgarantie mit tatsächlich verdienten Provisionen) von den einzelnen Dienstnehmern in den einzelnen Kalenderjahren erfüllt wurde und welche Provisionsansprüche in den einzelnen Beitragszeiträumen entstanden seien. Anhand dieser Daten werde eine nochmalige Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge erforderlich sein. Der erstinstanzliche Bescheid sei gemäß § 417a ASVG zu beheben und die Angelegenheit zur Ergänzung der Ermittlungen und zur Erlassung eines neuen Bescheides an die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse zurückzuverweisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Partei erstattete nach Ablauf der dafür eingeräumten Frist (§ 36 Abs. 1 VwGG) eine mit einem Wiedereinsetzungsantrag verbundene, gemäß § 36 Abs. 8 zweiter Satz VwGG jedenfalls zulässige Gegenschrift, in der sie ebenfalls die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 44 Abs. 1 ASVG ist Grundlage für die Bemessung der allgemeinen Beiträge (Allgemeine Beitragsgrundlage) für Pflichtversicherte, sofern im Folgenden nichts anderes bestimmt wird, der im Beitragszeitraum gebührende, auf volle Schilling gerundete Arbeitsverdienst mit Ausnahme allfälliger Sonderzahlungen nach § 49 Abs. 2 leg. cit. Als Arbeitsverdienst in diesem Sinne gilt bei den pflichtversicherten Dienstnehmern und Lehrlingen das Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1, 3, 4 und 6 leg. cit. Nach § 49 Abs. 1 ASVG sind unter Entgelt Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der Pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.

Nach § 49 Abs. 2 ASVG sind Sonderzahlungen, das sind Bezüge im Sinne des Abs. 1, die in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen gewährt werden, wie z.B. ein 13. oder 14. Monatsbezug, Weihnachts- oder Urlaubsgeld, Gewinnanteile oder Bilanzgeld, als Entgelt nur nach Maßgabe der Bestimmungen des § 54 leg.cit. und der sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, in denen die Sonderzahlungen ausdrücklich erfasst werden, zu berücksichtigen.

Strittig ist, ob die Provisionsüberhänge und die Superprovisionsüberhänge als Sonderzahlungen oder als laufendes Entgelt abzurechnen sind. Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse führt dazu aus, dass die Provisionsansprüche nach § 10 Abs. 3 Angestelltengesetz grundsätzlich mit dem jeweiligen Geschäftsabschluss entstünden. Die Anhänge zu dem Dienstvertrag würden diesen Zeitpunkt (lediglich) konkretisieren. (Nach dem Anhang A/1 des Dienstvertrages der mitbeteiligten Partei mit den Versicherungsberatern bzw. dem Anhang B/1 des Dienstvertrages der mitbeteiligten Partei mit den Gebietsleitern gelten Versicherungsverträge sowohl für die Anrechnung einer Produktion als auch für das Entstehen eines jeglichen Provisionsanspruches des Mitarbeiters als durch diesen vermittelt, wenn die Anträge von ihm unterzeichnet, bei der mitbeteiligten Partei eingereicht und von dieser angenommen werden.)

Da § 49 Abs. 2 ASVG auf § 49 Abs. 1 leg. cit. verweist, sind trotz der Wendung "gewährt werden" unter Sonderzahlungen nicht nur solche Geldbezüge und Sachbezüge zu verstehen, die dem pflichtversicherten Dienstnehmer in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen tatsächlich "zukommen", sondern - unabhängig von ihrer Benennung - entweder Geldbezüge und Sachbezüge, auf die er aus dem Dienstverhältnis "in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen" Anspruch hat, ohne Rücksicht darauf, ob sie ihm überhaupt oder in der gebührenden Höhe zukommen, oder die er darüber hinaus in diesen "Zeiträumen" auf Grund des Dienstverhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1990, Zl. 89/08/0227).

Hinsichtlich der Qualifikation von Umsatzprovisionen als Sonderzahlungen vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. zum Beispiel das Erkenntnis vom 13. August 2003, Zl. 2000/08/0092) die Auffassung, dass vertraglich zustehende Umsatzprovisionen, die jährlich im Nachhinein abgerechnet werden, nicht schon dadurch zu Bezügen werden, die in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen gewährt werden. Maßgeblich ist vielmehr die Art des Anspruches, der im Allgemeinen seiner Wesensart nach bei der vertraglichen Zusicherung einer Umsatzprovision mit der Tätigung von Umsätzen entsteht. Solche Umsatzprovisionen sind daher nicht erst mit ihrer Flüssigmachung als gewährt anzusehen (vgl. nochmals das Erkenntnis 2000/08/0092). Nur wenn das Entstehen eines Anspruches auf Umsatzprovision nach der dienstvertraglichen Vereinbarung nicht allein von der Tätigung laufender Umsätze, sondern darüber hinaus noch von der Erfüllung weiterer Bedingungen abhängig wäre, würde der Anspruch auf die Leistung erst mit der Erfüllung dieser Bedingungen entstehen. Solche für das Entstehen des Anspruches auf die Leistung wesentliche Bedingungen würden etwa vorliegen, wenn vertraglich vereinbart würde, dass die Gewährung einer Provision von der Erzielung eines bestimmten Jahresumsatzes oder eines bestimmten Zuwachses des Jahresumsatzes abhängt, oder dass die Provision nur dann gebührt, wenn das Arbeitsverhältnis am 31. Dezember des in Betracht kommenden Jahres noch aufrecht ist. Auch bei Umsatzbeteiligungsprämien, bei denen nach den getroffenen Vereinbarungen der Umsatz einer bestimmten Periode bloß als Bemessungsgrundlage zur Bestimmung ihrer Höhe heranzuziehen wäre, könnte nicht gesagt werden, dass der Anspruch auf die Leistung schon mit jedem einzelnen Umsatz entsteht.

Für die Frage, ob Umsatzprovisionen oder Umsatzbeteilungsprämien als Sonderzahlungen oder als laufende Entgelt anzusehen sind, kommt es damit auf die jeweiligen zwischen den Parteien des Arbeitsverhältnisses getroffenen Vereinbarungen an, für die (sofern sie nach dem kollektivvertraglichen Anspruchslohn zulässig sind) der Grundsatz der Vertragsfreiheit gilt (vgl. nochmals das Erkenntnis 2000/08/0092).

Die belangte Behörde erblickt in dem Umstand, dass die mitbeteiligte Partei jedem Dienstnehmer eine bestimmte jährliche Provision garantiert, diese Garantieprovision monatlich akontiert und in längeren als den Beitragszeiträumen mit den tatsächlich verdienten Provisionen abrechnet, eine "Bedingung", von deren Erfüllung der Anspruch des Dienstnehmers auf Umsatzprovision abhängen würde, der somit erst nach Erfüllung dieser Bedingung als "gewährt" im Sinne des § 49 Abs. 2 ASVG anzusehen sei. Sie hat daher die Provisionsüberhänge, soweit sie nicht monatlich ausbezahlt worden sind, vor dem Übersteigen der Jahresprovisionsgarantie als Sonderzahlungen, danach als laufendes Entgelt behandelt.

Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich dieser Auffassung nicht an. Nach den dienstvertraglichen Vereinbarungen entsteht mit jeder Annahme eines vom Dienstnehmer eingereichten Versicherungsantrages ein Anspruch auf Umsatzprovision. Auch nach § 10 Abs. 3 Angestelltengesetz entstehen die Ansprüche auf Umsatzprovisionen mit der Tätigung von Umsätzen, sodass die Frage, inwieweit die Dienstverträge von § 10 Abs. 3 Angestelltengesetz (im Übrigen) abweichen, dahingestellt bleiben kann. Dieser Anspruch ist von keinerlei weiteren Bedingungen abhängig und daher im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als laufendes Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG zu behandeln. Dass die mitbeteiligte Partei ihren Dienstnehmern eine (monatlich akontierte) jährliche Mindestprovision zugesagt hat, stellt keine "Bedingung" (Einschränkung) des Provisionsanspruches, sondern - im Gegenteil - dessen zusätzliche Garantie dar. Über die Behandlung der monatlich akontierten Garantieprovision als laufendes Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG bestand demgemäß im vorliegenden Verfahren auch kein Streit. Dass auch die darüber hinaus tatsächlich verdienten Umsatzprovisionen vereinbarungsgemäß (ohne betragliche Begrenzung durch die Garantieprovision) bezahlt werden müssen, stellt keine zusätzliche Bedingung, sondern - im Gegenteil

-

das Fehlen einer solchen dar. Auch diese sogenannten "Garantieüberhangsauszahlungen" sind daher ganz gewöhnliche Umsatzprovisionen, die mit der Tätigung von Umsätzen entstehen und

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unbeschadet der Zeitpunkte ihrer Auszahlung - als laufendes Entgelt abzurechnen sind.

Der angefochtene Bescheid, der hinsichtlich der Aufhebung eines Teils der Beitragsnachverrechnung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unangefochten unberührt bleibt, wird im Übrigen - sohin soweit er den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 417a ASVG aufhebt - wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Der durch Verordnung pauschaliert festgesetzte Schriftsatzaufwand deckt die anfallende Umsatzsteuer, sodass das auf dessen Ersatz gerichtete Begehren abzuweisen war.

Wien, am 26. Mai 2004

Schlagworte

Entgelt Begriff Provision

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2000080152.X00

Im RIS seit

02.07.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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