TE Vwgh Erkenntnis 2004/6/2 2003/13/0156

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Veröffentlicht am 02.06.2004
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §119;
BAO §236 Abs1;
BAO §236 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Seidl LL.M., über die Beschwerde des B in P, vertreten durch Dr. Gunther Huber, Rechtsanwalt in 4050 Traun, H.-Gruber-Straße 1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 27. Jänner 1999, Zl. RV500/1-10/1999, betreffend Abgabennachsicht, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Anbringen vom 24. August 1998 begehrte der Beschwerdeführer die Nachsicht einer Umsatzsteuerschuld in Höhe von S 646.476,92 mit folgendem Vorbringen:

Sein Unternehmen, welches sich mit der Aufbringung von Isolierungen in Nassräumen beschäftige, habe im Zeitraum von 1994 bis Juli 1996 auch als Subunternehmer einer K. KG Isolierarbeiten unter anderem bei Bauarbeiten an der Veterinärmedizinischen Universität in Wien durchgeführt. Die Schlussrechnung für diese Baustelle habe sich auf S 3,878.186,55 zuzüglich eines Betrages von S 775.772,31 an Umsatzsteuer belaufen. Der Umsatzsteuerbetrag sei ordnungsgemäß vorangemeldet und für dessen Entrichtung um Ratenzahlung angesucht worden. Auf den Rechnungsbetrag seien Anzahlungen in Höhe von S 3,232.398,52 geleistet worden, welche mit Teilrechnungen abgerechnet worden seien, wobei zufolge des Umstandes, dass der Auftrag für dieses Bauvorhaben aus dem Jahre 1994 gestammt habe, die Teilrechnungen noch ohne Umsatzsteuer gelegt worden seien. Für den Umsatzsteuerbetrag sei beim Finanzamt um Ratenzahlung deshalb angesucht worden, weil die K. KG in Zahlungsschwierigkeiten geraten sei und den Restbetrag von S 1,422.235,34 trotz gerichtlichem Urteil nicht beglichen habe. In der Folge habe die K. KG Konkurs angemeldet. Die Teilrechnungen seien ohne Umsatzsteuer und auch ohne Gewinnzuschlag ausgestellt worden. Die Teilzahlung habe für das angefallene Material und für die Lohnkosten ausgegeben werden müssen. Müsste von diesen Teilzahlungen schon Umsatzsteuer entrichtet werden, dann wäre dies eine Belastung für das Unternehmen, die nicht mehr verkraftet werden könne. Durch den Ausfall der Forderungen an die K. KG habe sich das Unternehmen mit kurzfristigen Geldern finanzieren müssen und die Bank sei nicht weiter bereit, für die Entrichtung der Umsatzsteuer noch Kredite zu gewähren. Der Hauptlieferant, bei welchem der Beschwerdeführer erheblich verschuldet sei, fordere Abschlagszahlungen. Durch die Begleichung einer Umsatzsteuer von Teilrechnungen, die nie habe kalkuliert werden können, würde das Unternehmen zusätzlich belastet, sodass sein Weiterbestand gefährdet wäre.

Angeschlossen hatte der Beschwerdeführer seinem Anbringen eine Ablichtung seiner Rechnung an die K. KG vom 25. Juni 1996 über einen Betrag von S 3,877.511,55 zuzüglich 20 % Umsatzsteuer in Höhe von S 775.502,31, die Ablichtung eines Schreibens der K. KG an ihn vom 4. Juli 1996, mit welchem die genannte Rechnung dem Beschwerdeführer mit dem Ersuchen retourniert worden war, "diese ohne Mehrwertsteuer zu fakturieren, da der Auftrag noch aus dem Jahr 1994 ist", sowie Unterlagen im Zusammenhang mit dem Konkurs über das Vermögen der K. KG.

Mit Bescheid vom 16. September 1998 wies das Finanzamt das Nachsichtsansuchen des Beschwerdeführers mit der Begründung ab, dass dieses Ansuchen keine konkreten Angaben über seine Einkommens- und Vermögenslage enthalten habe. Da im Antrag auf Gewährung einer Abgabennachsicht alle Umstände anzugeben seien, die für eine Abgabennachsicht von Bedeutung seien, habe dem vom Beschwerdeführer gestellten Antrag damit ein inhaltlicher Mangel angehaftet, der zur Abweisung des Ansuchens habe führen müssen.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wiederholte der Beschwerdeführer sein Antragsvorbringen und brachte ergänzend vor, über kein Privatvermögen zu verfügen. Das Betriebsvermögen sei "negativ", die Einkommenslage sei auf Grund des Forderungsausfalles und der Kosten des Rechtsstreites mit der K. KG "ebenfalls negativ". Da auch der Hauptlieferant und die Hausbank vom Konkursfall der K. KG Kenntnis hätten, sei eine Vorfinanzierung von größeren lukrativen Aufträgen unmöglich geworden, weshalb auch für die Zukunft mit einem bescheidenen Einkommen zu rechnen sei. Für einen Offenbarungseid stehe der Beschwerdeführer jederzeit zur Verfügung. Die Umsatzsteuer habe im Unternehmensbereich kosten- bzw. aufwandsneutral zu sein. Müsste nun von den Teilzahlungen, welche keine Umsatzsteuer enthalten hätten, an das Finanzamt Umsatzsteuer bezahlt werden, dann wäre die Umsatzsteuer plötzlich eine Aufwandsposition, was vom Gesetzgeber nie beabsichtigt gewesen sei und eine Belastung darstelle, die vom Beschwerdeführer nie habe kalkuliert werden können und deshalb finanziell nicht zu verkraften sei. Ein solches vom Gesetzgeber nicht gewolltes Ergebnis habe auch zur Einführung der Versteuerung von Teilzahlungen durch die Bestimmung des § 19 UStG 1994 geführt. "Die Forderung der Umsatzsteuer von Teilrechnungen bzw. Teilzahlungen stellt eine sachliche Unbilligkeit dar und würde die Firma zusätzlich belasten, sodass der Weiterbestand gefährdet ist."

Nach Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers durch dessen Befragung durch ein Erhebungsorgan des Finanzamtes wies das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung vom 24. November 1998 die Berufung als unbegründet ab. Obwohl es im Nachsichtsverfahren Sache des Nachsichtswerbers sei, einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf welche die Nachsicht gestützt werden könne, fehlten sowohl im Antrag als auch in der Berufung des Beschwerdeführers konkrete Angaben über seine momentane wirtschaftliche Lage, heißt es in der Begründung der Berufungsvorentscheidung. Auch bei der Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse durch das Erhebungsorgan seien keine genauen Angaben - insbesondere über andere Verbindlichkeiten - gemacht worden. Wie aus den Veranlagungsakten ersichtlich sei, bestünden erhebliche Bankverbindlichkeiten (1996: rund S 2,7 Mio.). Die momentane Situation könne mangels entsprechender Angaben durch den Beschwerdeführer nicht beurteilt werden. Das Finanzamt wäre zu einer Abgabennachsicht aber nur bereit, wenn auch andere Gläubiger zu einem entsprechenden Verzicht bereit wären. Der Umstand, dass ein Auftraggeber zahlungsunfähig geworden sei und dadurch Belastungen entstanden seien, sei Folge des allgemeinen Unternehmerwagnisses und begründe noch keine sachliche Unbilligkeit. Auch die Tatsache, dass Teilrechnungen bis 1994 ohne Mehrwertsteuer auszustellen gewesen seien, stelle keine Besonderheit des Einzelfalles dar, sondern hätte jeden Abgabepflichtigen in der gleichen Situation genauso betroffen.

Mit Anbringen vom 23. Dezember 1998 stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Entscheidung über seine Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und verwies auf eine diesem Anbringen beigelegte "Saldenliste per: 98/10/31".

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens führte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zunächst aus, dass der dem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz beigelegten Saldenliste im Wesentlichen zu entnehmen sei, dass Aktiven in Höhe von S 4,756.782,66 Passiven in Höhe von S 3,007.883,38 gegenüber stünden, dass der Jahresgewinn S 1,748.899,28 betrage und dass Bankverbindlichkeiten in Höhe von rund S 3,263.000,-- vorhanden seien, welchen ein Bankguthaben von S 303.996,-- gegenüber stehe. Am Abgabenkonto des Beschwerdeführers bestehe derzeit ein Rückstand in Höhe von S 309.453,--, der sich aus Einkommensteuer, Säumniszuschlägen, Verspätungszuschlag, Stundungszinsen und der Umsatzsteuer für Oktober 1998 zusammensetze. Nach ständiger Rechtsprechung setze eine persönlich bedingte Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Allgemeinen voraus, dass die Einbringung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen stünde, die sich aus der Einbringung für den Steuerpflichtigen oder den Steuergegenstand ergäben, dass also ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgaben und den im subjektiven Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen vorliege. Eine sachlich bedingte Unbilligkeit sei gegeben, wenn bei Anwendung des Gesetzes im Einzelfall ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis einträte. Die Abgabennachsicht sei stets abgabenbezogen, sodass über das Begehren des Abgabepflichtigen bei der Bewilligung einer Nachsicht nicht hinausgegangen werden dürfe. Die vom Antrag betroffene Umsatzsteuerschuld von S 646.476,62 sei im Rückstand auf dem Abgabenkonto des Beschwerdeführers nicht mehr enthalten, es könnten nach § 236 Abs. 2 BAO aber auch bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten unter sinngemäßer Anwendung des § 236 Abs. 1 BAO nachgesehen werden, "wenn das Behalten des Betrages als unbillig anzusehen" wäre. In einem solchen Fall sei zwar kein strengerer Maßstab als bei der Nachsicht noch nicht entrichteter Abgaben anzulegen, auf Geldmangel könne eine behauptete Unbilligkeit der Abgabeneinhebung aber nicht mehr gestützt werden. Da die vom Antrag betroffene Umsatzsteuerschuld durch diverse Gutschriften und Saldozahlungen getilgt sei, könne mit dem "Umstand der fehlenden Mittel" daher nicht eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung begründet werden. Die vom Beschwerdeführer aufgestellte Behauptung, es würde durch die Belastung von Teilzahlungen mit Umsatzsteuer der Fortbestand des Unternehmens gefährdet werden, sei von ihm nicht erläutert worden, weil er nicht dargelegt habe, inwiefern die wirtschaftliche Existenz des Unternehmens gerade durch die Einbehaltung der nachsichtsgegenständlichen Abgaben gefährdet sei. Sowohl im erstinstanzlichen Bescheid als auch in der - Vorhaltscharakter entfaltenden - Berufungsvorentscheidung sei dem Beschwerdeführer vor Augen geführt worden, dass er jene Umstände darzulegen habe, die eine Nachsicht rechtfertigen würden. Erst im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz sei zumindest eine Saldenliste vorgelegt worden. Setze man die darin aufgeschlüsselten Bankverbindlichkeiten in Höhe von S 3,263.000,-- in Relation zu dem nachzusehenden Betrag von S 646.476,--, dann sei nicht ersichtlich, warum gerade die Einbehaltung dieses, nicht einmal 20 % der Bankverbindlichkeiten erreichenden Betrages die Existenz des Unternehmens gefährden sollte, wenn daneben um ein Vielfaches mehr an anderen Schulden bestehe. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer laufend Stundungsansuchen einbringe, woraus geschlossen werden müsse, dass er generell Zahlungsschwierigkeiten habe, deren Ursache jedoch nicht in der Einbehaltung der inzwischen entrichteten Umsatzsteuer liege. Beim Forderungsausfall durch den Konkurs über das Vermögen eines Geschäftspartners und damit in Zusammenhang stehende Aufwendungen handle es sich um Geschäftsvorfälle, die dem Bereich des allgemeinen Unternehmerwagnisses zuzuordnen seien und die Einhebung einer Abgabe nicht ohne Weiteres als unbillig erscheinen lassen könnten. Da von den übrigen Gläubigern offensichtlich kein Nachlass der Verbindlichkeiten gewährt worden sei, würde die beantragte Nachsicht in voller Höhe zu Lasten der Finanzverwaltung gehen, was eine einseitige Begünstigung anderer Gläubiger darstellen würde. Derlei wäre im Hinblick auf die gesetzlich zwingend vorgeschriebene Gleichbehandlung nicht vertretbar. Zu dem vom Beschwerdeführer zur Frage einer sachlichen Unbilligkeit der Abgabeneinhebung erstatteten Vorbringen sei ihm zu erwidern, dass im Zeitpunkt, zu dem die Teilzahlungen entrichtet worden seien, es der Gesetzeslage entsprochen habe, dass diese erst bei Legung der Schlussrechnung der Umsatzsteuer unterzogen würden. Dies sei für alle Unternehmer, die Teilrechnungen und sodann Schlussrechnungen gelegt hätten, gleich gewesen und stelle keine Besonderheit des Einzelfalles dar. Dass die Anwendung des Gesetzes im konkreten Fall zu einem vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten Ergebnis geführt hätte, was Voraussetzung einer sachlichen Unbilligkeit der Abgabeneinhebung wäre, könne nicht gesagt werden. Die Besteuerung übersteige ihrem Umfang nach in keiner Weise die mit der Umsatzsteuererhebung typischerweise verbundene Eingriffswirkung. Dass der Geschäftspartner des Beschwerdeführers den Restbetrag der diesem geschuldeten Leistung mit der darin enthaltenen Umsatzsteuer nicht mehr habe bezahlen können, sei Teil des allgemeinen Unternehmerrisikos. Da Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nicht vorliege, sei für eine Ermessensentscheidung kein Raum mehr gewesen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Erstattung einer Gegenschrift und Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach Lage des Falles unbillig wäre.

Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in § 236 BAO vorgesehene Ermessungsentscheidung. Verneint die Abgabenbehörde die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum.

Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde im Rahmen ihrer Rechtsentscheidung die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung verneint.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt Unbilligkeit der Einhebung im Allgemeinen voraus, dass die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen stünde, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder für den Steuergegenstand ergeben. Die Unbilligkeit kann "persönlich" oder "sachlich" bedingt sein. Eine "persönliche" Unbilligkeit liegt insbesondere dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen des Nachsichtswerbers gefährdete. Allerdings bedarf es zur Bewilligung einer Nachsicht aus "persönlichen" Gründen nicht unbedingt der Gefährdung des Nahrungsstandes, der Existenzgefährdung, besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgaben mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa, wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme.

Die "sachliche" Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus "persönlichen" Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt. Jedenfalls muss es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff kommen. Eine derartige Unbilligkeit des Einzelfalles ist aber nicht gegeben, wenn lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vorliegt, also die vermeintliche Unbilligkeit für die davon Betroffenen aus dem Gesetz selbst folgt. Nachteilige Folgen, die alle Wirtschaftstreibenden in ähnlicher Lage treffen, Geschäftsvorfälle, die dem Bereich des allgemeinen Unternehmerwagnisses zuzuordnen sind, rechtfertigen eine Nachsicht nicht (so das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1996, 95/14/0062, Slg. NF Nr. 7.066/F, mit weiterem Nachweis, ebenso wie etwa die hg. Erkenntnisse vom 30. Jänner 2001, 2000/14/0139, vom 26. Februar 2003, 98/13/0091, vom 16. Dezember 2003, 2003/15/0099, und vom 29. Jänner 2004, 2002/15/0002).

Nach § 236 Abs. 2 BAO findet der erste Absatz dieser Vorschrift auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung. Dass in einem solchen Fall kein strengerer Maßstab als bei der Nachsicht noch nicht entrichteter Abgaben anzulegen ist, hat die belangte Behörde dabei zutreffend erkannt (siehe das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2000, 94/14/0144). Aufgabe des Antragstellers auf Abgabennachsicht im Sinne des § 236 Abs. 2 BAO ist es aber, in nachvollziehbarer Weise darzulegen, dass die für eine Unbilligkeit der Einhebung der Abgaben, wären sie noch nicht entrichtet, sprechenden Umstände durch die Tilgung der Abgabenschuldigkeit nicht beseitigt worden sind (siehe das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1990, 89/15/0076).

Dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine Gefährdung seiner Existenzgrundlagen, wie sie von der Rechtsprechung für das Vorliegen persönlicher Unbilligkeit gefordert wird, durch die Einbehaltung der vom Nachsichtsantrag betroffenen Abgabenschuld plausibel zu machen, ist eine Beurteilung der belangten Behörde, die nicht als rechtswidrig zu erkennen ist. Die vom Beschwerdeführer gerügte Schlussfolgerung der belangten Behörde, dass sein Unternehmen auf Grund der Höhe der Bankverbindlichkeiten nicht überlebensfähig sei, wurde von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nicht gezogen. Die belangte Behörde hat es vielmehr als nicht einsichtig gemacht angesehen, weshalb ausgerechnet das Unterbleiben eines Nachlasses der vom Nachsichtsantrag betroffenen Abgabenschuld eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenzgrundlagen des Beschwerdeführers herbeiführen sollte, und in diesem Zusammenhang auf seine Bankverbindlichkeiten verwiesen. Das Beschwerdeargument, dass die Bankverbindlichkeiten ja nicht umgehend zu begleichen seien, sondern durch betrieblich kalkulierte, monatliche Raten bedient und abbezahlt werden könnten, sieht an dem Umstand vorbei, dass aus der Erforderlichkeit sofortiger Entrichtung der Abgabenschuld für das Vorliegen persönlicher Unbilligkeit dann nichts zu gewinnen ist, wenn eine solche Erforderlichkeit deswegen nicht besteht, weil die betroffene Abgabenschuld ja bereits entrichtet ist. Inwiefern die (tatsächlich bereits geschehene) Umsatzsteuerentrichtung das finanzielle Überleben des Unternehmens des Beschwerdeführers gefährdet hätte, ließ sich mit dem bloßen Hinweis auf die Fälligkeit der entrichteten Abgabenschuld nicht erfolgreich begründen. Der behördlichen Feststellung, dass sich der vom Beschwerdeführer vorgelegten Saldenliste ein Jahresgewinn von über S 1,7 Mio. entnehmen ließ, wird in der Beschwerde nicht entgegen getreten, was die vom Beschwerdeführer dem Erhebungsorgan des Finanzamtes gegenüber abgegebene Erklärung, über ein monatliches Einkommen von S 10.000,-- zu verfügen, in Frage stellt.

Die im gegebenen Zusammenhang geltend gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor. Dass es Sache desjenigen ist, der die Nachsicht einer fälligen Abgabe erwirken will, deren Tatbestandsvoraussetzungen umfassend darzustellen, entspricht der ständigen, oben wiedergegebenen Judikatur. Auf die Erforderlichkeit eines in dieser Hinsicht nachvollziehbaren Sachvorbringens wurde der Beschwerdeführer sowohl in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides als auch in jener der Berufungsvorentscheidung deutlich hingewiesen. Ließ sich seinem Sachvorbringen eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz seines Unternehmens durch die Einbehaltung der bereits entrichteten, vom Nachsichtsantrag betroffenen Abgabe nicht plausibel entnehmen, dann kann er dies nicht mit Erfolg der belangten Behörde vorwerfen, die auch die vom Beschwerdeführer gerügte Verletzung des Parteiengehörs im Beschwerdefall deshalb nicht zu verantworten hat.

Auch das Vorliegen der vom Beschwerdeführer behaupteten sachlichen Unbilligkeit hat die belangte Behörde ohne Rechtsirrtum verneint. Dass der von den erhaltenen Teilzahlungen abzuführende Umsatzsteuerbetrag rechnerisch zur Gänze auf jenen Werklohnrest entfiel, der dem Beschwerdeführer zufolge der Insolvenz seines Geschäftspartners nicht mehr in der geschuldeten Höhe zufloss, ist nichts anderes als das sich aus der Rechtslage vor dem Umsatzsteuergesetz 1994 ergebende Risiko, das für alle Wirtschaftstreibende bestand, die nach der damals geltenden Rechtslage Teilrechnungen ohne Umsatzsteuerausweis legten. Forderungsausfälle sind Teil des jeden Wirtschaftstreibenden treffenden Unternehmerwagnisses und deshalb nicht geeignet, aus ihnen eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung abzuleiten (siehe die bereits zitierten hg. Erkenntnisse vom 23. Jänner 1996, 95/14/0062, Slg. NF Nr. 7.066/F, und vom 16. Dezember 2003, 2003/15/0099). Dass durch das Entstehen der Umsatzsteuerschuld aus den dem Beschwerdeführer tatsächlich zugeflossenen Teilzahlungen ein atypischer, vom Gesetzgeber nicht gewollter Vermögenseingriff bewirkt worden wäre, ist nicht zu sehen. Am Bestehen einer Umsatzsteuerschuld auf der Basis der zugeflossenen Teilzahlungen konnte der Beschwerdeführer keinen Zweifel haben. Weshalb der Beschwerdeführer als berechtigt anzusehen sein sollte, das Risiko der Insolvenz seines Geschäftspartners auf den Abgabengläubiger zu überwälzen, ist nicht zu erkennen. Auf nichts anderes als eine solche Risikoüberwälzung aber liefe das Ansinnen des Beschwerdeführers hinaus, die Einbehaltung der Umsatzsteuerschuld nach Lage des Beschwerdefalles als sachlich unbillig zu beurteilen.

Die Beschwerde erwies sich damit als unbegründet und war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 2. Juni 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003130156.X00

Im RIS seit

09.07.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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