TE Vwgh Erkenntnis 2004/6/16 2003/08/0150

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Veröffentlicht am 16.06.2004
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

B-VG Art18;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z4;
GSVG 1978 §273 Abs13;
GSVG 1978 §273 Abs7;
GSVG 1978 §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des Ing. W in W, vertreten durch Dr. Reinhard Ratschiller, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Imbergstraße 22, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 12. Februar 2003, Zl. 222.608/2-6/02, betreffend Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach dem im Akt befindlichen Datenauszug vom 20. März 2001 weist der Einkommensteuerbescheid 1998 des am 12. Jänner 1950 geborenen Beschwerdeführers Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von S 383.262,-- und solche aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von S 41.220,-- aus. Laut Datenauszug vom 4. September 2001 weist der Einkommensteuerbescheid 1999 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von S 717.877,--, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von S 13.290,-- und einen Investitionsfreibetrag in Höhe von S 16.985,-- aus.

In der Versicherungserklärung vom 29. August 2001 gab der Beschwerdeführer bekannt, er übe die Tätigkeit "Bau und Montage lufttechnischer Anlagen" seit 1978 aus. Die Einkünfte aus dieser Tätigkeit würden den Betrag von S 88.800,-- in den Jahren 1999, 2000 und 2001 voraussichtlich überschreiten.

Mit Schreiben vom selben Tag teilte der Beschwerdeführer der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt mit, dass er 51 Jahre alt und seit 1978 selbständig tätig sei. Zu Beginn seiner Tätigkeit habe er die für die Kranken- und Pensionsvorsorge notwendigen Schritte gesetzt. Ein Ausstieg aus dieser Vorsorge sei nicht mehr möglich und würde den "Totalverlust derselben" bedeuten. Er ersuche daher um bescheidmäßige Feststellung und Stundung der Beiträge bis zur Klärung dieser Angelegenheit durch die zuständigen Stellen.

Mit Bescheid vom 28. November 2001 stellte die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt gemäß § 410 ASVG iVm § 194 GSVG fest, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner selbständigen Tätigkeit "Bau und Montage lufttechnischer Anlagen" seit 1. Jänner 1998 der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG unterliege. Begründend wurde auf die oben genannten Einkünfte des Beschwerdeführers hingewiesen.

In seinem (als Berufung bezeichneten) Einspruch gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer neuerlich aus, dass er schon "lange vor Inkrafttreten der Gesetzesnovelle" für ausreichenden Pensions- und Krankenversicherungsschutz durch Verträge mit privaten Versicherern Vorsorge getroffen habe. Diese Verträge seien unkündbar bzw. nur unter ruinösen wirtschaftlichen Einbußen beendbar. Auf Grund seiner Vermögens- und Einkommensverhältnisse könne der Beschwerdeführer unmöglich beide Versicherungen (die gesetzliche und die private) bedienen. Es hätte ihm daher die Möglichkeit eingeräumt werden müssen, einen "Ausnahmeantrag ('oping-out')" zu stellen. Sollte das Gesetz diese Möglichkeit nicht vorsehen, sei die Gesetzeslage unter verfassungs- und europarechtlichen Gesichtspunkten untragbar.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 23. August 2002 wurde dem Einspruch des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, allfällige abgeschlossene private Versicherungen könnten keine Berücksichtigung bei der Feststellung der Versicherungspflicht finden. Die Möglichkeit eines Ausnahmeantrages aus diesem Grund sei gesetzlich nicht vorgesehen.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid legte der Beschwerdeführer dar, es möge schon sein, dass das Gesetz "dem Buchstaben nach" richtig angewendet worden ist. Das Gesetz habe aber "keine Zwangsbeglückung, sondern eine Chance für den Versicherungswilligen" schaffen wollen. Es könne keineswegs der Sinn des Gesetzes sein, jemanden mit namhaften Beiträgen in die gesetzliche Sozialversicherung zu zwingen, der schon lange vor dem Gesetzgeber an die Notwendigkeit der versicherungsmäßigen Absicherung der üblichen Risken (Krankheit, Unfall, Pension) gedacht und dafür langfristige Investitionen getätigt und Verträge abgeschlossen habe, die entweder nicht oder nur unter ruinösen Bedingungen kündbar seien. Das Gesetz sei daher zumindest in denkunmöglicher Weise und nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechend angewendet worden.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und festgestellt, dass der Beschwerdeführer gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG seit 1. Jänner 1998 der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG unterliege. Nach Wiedergabe von Rechtsvorschriften und des Verwaltungsgeschehens führte die belangte Behörde begründend im Wesentlichen aus, dass Ausnahmemöglichkeiten nur für Personen bestünden, die einer gesetzlichen beruflichen Interessenvertretung angehörten, welche eine Ausnahme von der Versicherungspflicht beantragt habe. Der Beschwerdeführer gehöre keiner der beruflichen Interessenvertretungen an, sodass auch keine Kammer einen Antrag auf Ausnahme habe stellen können. Darüber hinaus sei für zwei weitere Personengruppen eine Ausnahme aus der Pensionsversicherung als "neue Selbständige" vorgesehen, da diese auf Grund der Anwartschaftsbestimmungen praktisch keine Chance auf Leistung hätten. Kraft Gesetzes seien "neue Selbständige", die am 1. Jänner 1998 das 57. Lebensjahr (Männer) bzw. das 55. Lebensjahr (Frauen) bereits vollendet hätten, ausgenommen. Auf Antrag innerhalb eines Jahres ab Verständigung durch die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt (spätestens bis Ende 2001) seien "neue Selbständige" ausgenommen, die am 1. Jänner 1998 das 50. Lebensjahr vollendet und weniger als 180 Beitragsmonate in der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung erworben hätten. Der Beschwerdeführer habe aber am 1. Jänner 1998 das 50. Lebensjahr nicht vollendet gehabt. Die Ausnahmetatbestände seien im Gesetz taxativ aufgezählt. Da keiner von ihnen auf den Beschwerdeführer zutreffe, sei er wegen Überschreitung der Versicherungsgrenze gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG in die Pflichtversicherung der Kranken- und Pensionsversicherung einzubeziehen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung mit Beschluss vom 10. Juni 2003, Zl. B 500/03-4, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In der auftragsgemäß vorgenommenen Beschwerdeergänzung beantragte der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen und beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt hat von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG in der mit 1. Jänner 1998 in Kraft getretenen Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 139/1997 sind selbständig erwerbstätige Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 EStG 1988 erzielen, wenn auf Grund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach dem GSVG oder einem anderen Bundesgesetz in den entsprechenden Versicherungszweigen eingetreten ist, nach dem GSVG in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung pflichtversichert. Voraussetzung ist, dass die Beitragsgrundlage (§ 25 GSVG) die Versicherungsgrenze (§ 4 Abs. 1 Z 5 und 6 GSVG) übersteigt.

Mit der ebenfalls mit 1. Jänner 1998 in Kraft getretenen Novellierung des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG idF BGBl. I Nr. 139/1998 wurde normiert, dass, solange ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid oder ein sonstiger maßgeblicher Einkommensnachweis nicht vorliegt, die Pflichtversicherung nur dann festzustellen ist, wenn der Versicherte erklärt, dass seine Einkünfte aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach dem GSVG unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr die in Betracht kommende Versicherungsgrenze übersteigen werden. In allen anderen Fällen ist der Eintritt der Pflichtversicherung erst nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides oder eines sonstigen maßgeblichen Einkommensnachweises im nachhinein festzustellen.

Gemäß § 5 Abs. 1 GSVG idF BGBl. I Nr. 139/1997 und Nr. 139/1998 sind von der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung oder in der Kranken- oder Pensionsversicherung Personen ausgenommen, wenn diese Personen auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu einer gesetzlichen beruflichen Vertretung (Kammer) und auf Grund der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG Anspruch auf Leistungen haben, die den Leistungen nach dem GSVG gleichartig oder zumindest annähernd gleichwertig sind, und wenn die für das Bundesgebiet jeweils in Betracht kommende gesetzliche berufliche Vertretung (falls die gesetzliche berufliche Vertretung auf Grund eines Landesgesetzes eingerichtet ist, diese Vertretung) die Ausnahme von der Pflichtversicherung beantragt. Die Feststellung der Gleichartigkeit oder annähernden Gleichwertigkeit obliegt dem Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz.

§ 273 GSVG enthält Übergangsbestimmungen hinsichtlich des mit der Novelle BGBl. I Nr. 139/1997 neu eingeführten Pflichtversicherungstatbestandes des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG. Gemäß § 273 Abs. 7 GSVG können Personen, die durch das Inkrafttreten des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegen würden, die jedoch am 1. Jänner 1998 das 50. Lebensjahr vollendet haben und zu diesem Zeitpunkt noch nicht 180 Beitragsmonate der Pflichtversicherung in einer gesetzlichen Pensionsversicherung erworben haben, unter näher genannten Voraussetzungen auf Antrag von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung befreit werden.

Personen, die nach den Bestimmungen des GSVG in die Krankenversicherung einbezogen werden und die zum Zeitpunkt des Eintrittes der Pflichtversicherung bei einem Versicherungsunternehmen vertragsmäßig krankenversichert sind, können gemäß § 273 Abs. 13 GSVG den Versicherungsvertrag innerhalb von sechs Monaten nach dem Eintritt der Pflichtversicherung zum Ablauf des auf die Aufkündigung folgenden Kalendermonats aufkündigen. Für den Zeitraum nach dem Erlöschen des Versicherungsvertrages bereits entrichtete Versicherungsbeiträge (Prämien) sind vom Versicherungsunternehmen nicht zu erstatten.

Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, dass § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG nur die Möglichkeit eröffnen sollte, in die gesetzliche Sozialversicherung Eingang zu finden, aber damit kein Zwang zur Einbeziehung in die gesetzliche Pflichtversicherung bestehe.

Wie der Beschwerdeführer selbst einräumt, ist diese Auffassung im Wortlaut des Gesetzes nicht gedeckt. Nach Art. 18 B-VG darf die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden. Bei der von der Behörde vorzunehmenden Auslegung des Gesetzes kommt in erster Linie dem Gesetzeswortlaut Bedeutung zu. Ist dieser klar, gibt er den Ausschlag. Im vorliegenden Fall kann der belangten Behörde angesichts der Eindeutigkeit des Gesetzeswortlautes daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie bei ihrer Entscheidung von diesem Wortlaut ausgegangen ist. Angesichts der eindeutig definierten Ausnahmetatbestände kann ferner eine "berichtigende Auslegung" schon deshalb nicht zum Tragen kommen, weil in keiner Weise davon ausgegangen werden kann, dass der Gesetzgeber etwas anderes gewollt hat, als er zum Ausdruck gebracht hat (vgl. z.B. Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Auflage, S. 102).

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er nicht unter die genannten Ausnahmebestimmungen fällt. Da deren Wortlaut eindeutig ist, kommt folglich eine Ausnahme von der Versicherungspflicht für den Beschwerdeführer nicht in Frage.

Soweit der Beschwerdeführer der Sache nach vor dem Verwaltungsgerichtshof verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Gesetz geltend macht, ist er darauf hinzuweisen, dass der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde des Beschwerdeführers mit dem oben genannten Beschluss mit kurzer Begründung abgelehnt hat. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat gegen die anzuwendenden Gesetzesbestimmungen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere hat der Gesetzgeber auf die Aspekte des Vertrauensschutzes durch die Schaffung von Übergangstatbeständen ausreichend Bedacht genommen (vgl. zum Vertrauensschutz z.B. Mayer, B-VG, 3. Auflage, S. 525 f mit Hinweisen zur Judikatur des Verfassungsgerichtshofes). Dabei konnte der Gesetzgeber zulässigerweise von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen (vgl. dazu Mayer, a.a.O., S. 516). Unter diesem Gesichtspunkt kann dem Gesetzgeber auch nicht vorgeworfen werden, er habe nicht ausreichend darauf Bedacht genommen, dass insbesondere ab einem höheren Alter die Möglichkeiten der Disposition über die Pensionsvorsorge eingeschränkt sind.

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, dass er seit 1. Jänner 1998 der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung unterliege, ihm die Versicherungsbeiträge jedoch erst mit Bescheid vom 28. November 2003 vorgeschrieben worden seien, wodurch namhafte Nachverrechnungen entstanden seien, geht dieses Vorbringen im Rahmen dieses Beschwerdeverfahrens schon insofern ins Leere, als durch den bekämpften Bescheid keine Beiträge vorgeschrieben, sondern lediglich der Bestand der Pflichtversicherung festgestellt wurde.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 16. Juni 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003080150.X00

Im RIS seit

16.07.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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