TE Vwgh Erkenntnis 2004/6/17 2003/03/0097

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Veröffentlicht am 17.06.2004
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E13103020;
E3L E13206000;
E6J;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
91/01 Fernmeldewesen;

Norm

31990L0387 ONP-RL Einführung Art5a Abs3 idF 31997L0051;
31997L0033 Telekommunikationsmarkt-RL Anh1 Abschn1;
31997L0033 Telekommunikationsmarkt-RL Art12 Abs7 idF 31998L0061;
31997L0033 Telekommunikationsmarkt-RL Art2 Abs1 lita;
31997L0033 Telekommunikationsmarkt-RL Art3 Abs2;
31997L0033 Telekommunikationsmarkt-RL Art7 Abs2;
31997L0051 Nov-31990L0387/31992L0044;
31998L0061 Nov-31997L0033;
61999CJ0462 Connect Austria VORAB;
B-VG Art133 Z4;
EURallg;
TKG 1997 §115 Abs2;
TKG 1997 §33;
TKG 1997 §41 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:* Ausgesetztes Verfahren: 99/03/0151 B 29. Jänner 2003 * EuGH-Entscheidung: EuGH 61999CJ0462 22. Mai 2003

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Handstanger, Dr. Berger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der T AG in W, vertreten durch Cerha Hempel & Spiegelfeld Partnerschaft von Rechtsanwälten in 1010 Wien, Parkring 2, gegen den Bescheid der Telekom-Control-Kommission vom 5. Oktober 1998, Zl. Z 1/98, betreffend Zusammenschaltung (mitbeteiligte Partei: S GmbH & Co KG in W, vertreten durch Dr. Stefan Köck, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilergasse 16), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1.1. Mit Antrag vom 6. Juli 1998 beantragte die mitbeteiligte Partei bei der belangten Behörde "gemäß § 41 iVm § 111 TKG ... die Zusammenschaltung der öffentlichen Telekommunikationsnetze" der mitbeteiligten Partei und der Beschwerdeführerin "gemäß Anlage A". Der Großteil dieser Anlage A würde dem Allgemeinen Teil sowie den Anhängen 1 bis 10 der zwischen der Beschwerdeführerin und dem Verband alternativer Telekom-Netzbetreiber verhandelten Zusammenschaltungsvereinbarungen entsprechen, die Anhänge 11 bis 16 der beantragten Zusammenschaltungsanordnung stellten aber eine "wesentliche Neuerung" dar.

1.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde unter Spruchpunkt A gemäß § 41 Abs. 3 TKG iVm § 111 TKG angeordnet, dass die Beschwerdeführerin ihr öffentlich vermitteltes Telekommunikationsnetz mit dem Telekommunikationsnetz der mitbeteiligten Partei "gemäß den nachstehenden Bestimmungen dieser Anordnung" zusammenschaltet. In diesem Zusammenhang wurde insbesondere festgehalten, dass die Entgelte für die Gesprächstypen V3, V4, V5 und V6 von der belangten Behörde bereits mit Bescheid vom 9. März 1998, Z 1/97 festgelegt worden seien, weshalb eine Festlegung im Rahmen der vorliegenden Anordnung unterbleiben würde. Bezüglich der "Regelungen betreffend Verbindungsnetzbetreiber" wurde die Beschwerdeführerin verpflichtet, bis spätestens 30. Juni 1999 der mitbeteiligten Partei das "single-stage-Verfahren (kein Erfordernis eines zweiten Wähltons für die Realisierung der Verbindung bei Auswahl des Verbindungsnetzbetreibers)" uneingeschränkt zur Verfügung zu stellen. Für die Gesprächsoriginierung wurde festgelegt, dass die beschwerdeführende Partei der mitbeteiligten Partei eines der nachstehenden Entgelte verrechne:

"

Gesprächstyp

ATS/min, exkl. USt.

Originierung V10

(1 HVSt Durchgang)

0,28

Originierung V11

(2 HVSt Durchgänge)

0,55

Originierender Transit V12

(1 HVSt Durchgang)

0,053

Originierender Transit V13

(2 HVSt Durchgänge)

0,104

"

(Vgl. Anhang 12, Regelungen betreffend Verbindungsnetzbetreiber, Seite 37 ff des angefochtenen Bescheides.)

Die beschwerdeführende Partei wurde ferner verpflichtet, der mitbeteiligten Partei über deren Nachfrage die Zusammenschaltung mit dem Netz der beschwerdeführenden Partei auch auf allen Netzvermittlungsstellen ("NVSt") und an allen Ortsvermittlungsstellen ("OVSt") anzubieten. Festgelegt wurde auch, dass die kommerziellen und sonstigen Bedingungen der Zusammenschaltung des Netzes der Beschwerdeführerin mit dem Netz der mitbeteiligten Partei "auf den Sprachtelefondienst für analoge Teilnehmer (Übertragung von Sprache und Ton in der Bandbreite von 3,1 kHz) einerseits; sowie auf ISDN-Dienste und -Leistungsmerkmale für ISDN-Teilnehmer (volltransparente Nutzung der 64 kbit/s-Kapazität - Trägerdienst '64 kbit/s unrestricted'), gleichgültig ob Sprach- oder Datenapplikation andererseits in gleicher Weise Anwendung" finden.

In den "Regelungen betreffend Notrufe" wurde u.a. festgelegt, dass "Notrufe zu allen in der Numerierungsverordnung bzw. der entsprechenden Festlegungen des BMWV vorgesehenen Notrufträgern weitergeleitet (werden), sofern sie im Netz der (Beschwerdeführerin) angeschaltet sind"; ferner wurde vorgesehen, dass die beschwerdeführende Partei der mitbeteiligten Partei nach deren Wahl zwei (näher beschriebene) Varianten der Notrufterminierung anbietet. Bezüglich der Entgelte wurde insbesondere vorgesehen, dass die mitbeteiligte Partei die Kosten der Gesprächsoriginierung bis zur Übergabe an die Beschwerdeführerin selbst trägt. Für die Zustellung von Notrufen im Netz der Beschwerdeführerin entsprechend Variante 2 wird der mitbeteiligten Partei das "Terminierungsentgelt (V 3/V4)" verrechnet, für den Fall, dass die mitbeteiligte Partei die Notrufterminierung entsprechend Variante 1 durchführt, gebührt der Beschwerdeführerin neben diesem Zusammenschaltungsentgelt "ein monatliches Pauschalentgelt von ATS 10.000,-- exkl. USt.".

Um dem Notrufträger ein Identifizieren des Anschlussteilnehmers zu ermöglichen, übergibt die mitbeteiligte Partei den Betriebsstellen der Beschwerdeführerin entweder

"a) eine ständig besetzte Kontaktnummer, an die sich der Notrufträger wenden kann; oder b) ein elektronisches Teilnehmerverzeichnis, das seitens des Zusammenschaltungspartners laufend aktuell gehalten wird." Wenn gemäß a) vorgegangen wird, wird von der Beschwerdeführerin für jede Weitergabe einer Kontaktnummer der mitbeteiligten Partei an den Notrufträger ein Entgelt von S 5,-- exkl. USt. in Rechnung gestellt. Wird das Vorgehen gemäß b) realisiert, gebührt der Beschwerdeführerin ein angemessenes, kostenorientiertes Entgelt.

In der Begründung wurde u.a. Folgendes ausgeführt: Der Beschwerdeführerin komme auf dem Markt für das Erbringen des öffentlichen Sprachtelefondienstes mittels eines festen Telekommunikationsnetzes, auf dem Markt für das Erbringen des öffentlichen Mietleitungsnetzes mittels eines festen Telekommunikationsnetzes und dem Markt für das Erbringen von Zusammenschaltungsleistungen eine marktbeherrschende Stellung im Sinn des § 33 TKG zu (Bescheid der belangten Behörde vom 14. Mai 1998, Zl. M 1/98). Der mitbeteiligten Partei sei mit Bescheid der belangten Behörde vom 23. Jänner 1998 eine Konzession für das Erbringen des öffentlichen Sprachtelefondienstes mittels selbstbetriebener fester Telekommunikationsnetze erteilt worden. Die Netze der mitbeteiligten Partei und der Beschwerdeführerin seien physikalisch bereits verbunden, die Verbindung sei jedoch "inaktiviert" worden. Gemäß § 111 Z. 6 TKG sei die belangte Behörde zur Erlassung des angefochtenen Bescheides zuständig. Inhalt der Zuständigkeit nach § 41 Abs. 3 TKG sei die Erlassung einer Anordnung der Zusammenschaltung. Der Begriff Zusammenschaltung sei dabei in § 3 Z. 16 TKG definiert als jener Netzzugang, der "die physische und logische Verbindung von Telekommunikationsnetzen herstellt, um Nutzern, die an verschiedenen Telekommunikationsnetzen angeschaltet sind, die mittelbare oder unmittelbare Kommunikation zu ermöglichen." Daraus ergebe sich, dass der Begriff der Zusammenschaltung nicht auf bestimmte Dienste, etwa auf 3,1 kHz Sprachübertragung, beschränkt sei. Aus der Definition der Zusammenschaltung sei die Absicht des Gesetzgebers ersichtlich, durch die Regulierung der Zusammenschaltung den Nutzern, die an verschiedenen Telekommunikationsnetzen angeschaltet seien, die mittelbare oder unmittelbare Kommunikation zu ermöglichen (Nutzer sei dabei gemäß § 3 Z. 8 TKG jeder Nachfrager nach Telekommunikationsdienstleistungen). Dasselbe Ziel sei explizit in § 41 Abs. 1 TKG festgeschrieben. Ferner sei es "oberstes Ziel der Zusammenschaltungsrichtlinie 97/33/EG", die durchgehende Interoperabilität der Dienste für die Benützer in der Gemeinschaft sicherzustellen. Es bestünde hinsichtlich aller beantragten Zusammenschaltungsleistungen "(außer möglicherweise 64 kbit/s unrestricted)" auf Grund des Art. 3 Abs. 2 der genannten Richtlinie eine Pflicht der Mitgliedstaaten, eine angemessene Zusammenschaltung sicher zu stellen. Hinsichtlich 64 kbit/s unrestricted normiere Art. 4 der genannten Richtlinie jedoch jedenfalls eine Verhandlungspflicht. Zudem sei die Beschwerdeführerin auf Grund von Art. 86 EGV jedenfalls verpflichtet, den Zugang zu den beantragten Diensten zu gewähren. In dem gemäß Art. 15 der Richtlinie 97/33/EG vom ONP-Ausschuss herausgegebenen "indikativen Standardzusammenschaltungsangebot" vom 8. Mai 1998 werden u.a. "Zusammenschaltungen auf lokaler Ebene ('local exchanges'), Anrufabholung ('call origination'), ISDN national und international, Notrufdienste ('emergency services'), Zugang zu tariffreien Diensten ('access to special Freephone numbers') und Zusammenschaltung als Verbindungsnetzbetreiber ('Carrier selection')" als "minimaler, typischer Bestandteil von Zusammenschaltungsvereinbarungen angeführt".

Für das Zusammenschaltungsentgelt gelte ausschließlich der Grundsatz der Kostenorientierung, wie er in Umsetzung des Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 97/33/EG in § 41 Abs. 3 TKG bzw. § 8 der Zusammenschaltungsverordnung festgelegt sei. Der Begriff Kostenorientierung bedeute, dass der Entgeltberechnung eine Kostenrechnung "auf der Basis der FL-LRAIC" zu Grunde zu legen sei. Die Europäische Kommission schlage in der Begründung ihrer einschlägigen Empfehlung zur Zusammenschaltung in einem liberalisierten Telekommunikationsmarkt vor, "Bottom Up Modellrechnungen" durchzuführen, denen das ökonomische Modell eines effizienten Netzes zu Grunde liege, anhand dessen die Zusammenschaltungskosten durch Summierung der Kosten einzelner Netzelemente ermittelt werden könnten. Durch Abstimmung der Ergebnisse dieser Modellrechnungen mit den Ergebnissen von "Top Down Modellen (denen Wiederbeschaffungskosten zu Grunde liegen und bei denen versucht wird, die Zusammenschaltungskosten durch Zurechnung und Eliminierung von Kostenelementen zu errechnen)" könne nachgewiesen werden, dass die berechneten Zusammenschaltungskosten "grob richtig" seien. Diese Berechnungsmethoden würden auch in anderen Ländern verwendet, die kostenorientierte Zusammenschaltungsentgelte nach FL-LRAIC errechnen würden.

Bereits auf Grund der Definition der Zusammenschaltung in § 3 Z. 16 TKG ergebe sich unzweifelhaft, dass der Zusammenschaltungsbegriff auch den Zugang zum Verbindungsnetzbetreiber (VNB) umfasse. Die Heranführung der Gespräche eigener Kunden an den VNB (die sogenannte Gesprächoriginierung (bzw. der originierende Transit)) sei somit zweifelsfrei eine Zusammenschaltungsleistung. Für die Bestimmung der Zusammenschaltungsentgelte ordne § 9 Abs. 3 der Zusammenschaltungsverordnung die Verwendung der FL-LRAIC-Methode an (zukunftsorientierte langfristige durchschnittliche zusätzliche Kosten entsprechend der aktivitätsorientierten Kostenzurechnung). Das "single-stage-Wahlverfahren" sei grundsätzlich als aktueller Stand der Technik anzusehen, der von einem modernen, effizienten Netzbetreiber gewährleistet werden könne. Bei diesem Verfahren könne der Endkunde die ganze Ziffernfolge "in einem ohne Unterbrechung wählen", während beim "Second Dial Tone (SDT-)Verfahren" vom Ursprungsnetz die Verbindung lediglich zum Netzübergangspunkt hergestellt werde. Für die Inanspruchnahme der Gesprächstypen V10, V11, V12 und V13 seien die vom Verbindungsnetzbetreiber zu leistenden Entgelte unter Verwendung der FL-LRAIC-Methode festgelegt worden. Der Beschwerdeführerin entstünden (wie sich aus den Ermittlungsergebnissen ergebe) durch die Anpassung ihres Telekommunikationsnetzes an die Erfordernisse der Verbindungsnetzbetreiberauswahl zusätzliche Kosten "(für Hard- und Softwareumstellungen)". Da die Ursachen für diese Kosten im originierenden Verkehr zu finden seien, würden im Rahmen des FL-LRAIC-Ansatzes diese Kosten nur dem originierenden Verkehr (nicht aber dem terminierenden Verkehr) zugerechnet. Die konkreten Kosten auf Seiten der Beschwerdeführerin ließen sich jedoch (nach den "wirtschaftlichen Ermittlungsergebnisse(n)") nicht feststellen. Wenngleich die Beschwerdeführerin als marktbeherrschendes Unternehmen die Beweislast für die Kostenorientierung der von ihr angebotenen Zusammenschaltungsentgelte trage, könne schon allein aus der Tatsache, dass dieser Beweis nicht (oder zumindest im Moment nicht) geführt werden könne, nicht geschlossen werden, dass der Beschwerdeführerin keine Kosten entstünden. Gerade weil etwa der Aufbau eines den Anforderungen des § 9 der Zusammenschaltungsverordnung bzw. der Empfehlung der Kommission zur Zusammenschaltung in einem liberalisierten Telekommunikationsmarkt genügenden Kostenrechnungssystems einige Zeit benötigen könne, lege die Kommission der genannten Empfehlung - gewissermaßen als Überbrückungslösung bis zur Erstellung eines entsprechenden Kostenrechnungssystems - "die beste gegenwärtige Praxis (Durchschnittswerte der terminierenden Entgelte in den drei EU-Mitgliedstaaten mit den niedrigsten Terminierungsentgelten)" zu Grunde. Die belangte Behörde orientierte sich daher "folgerichtig" an einer vergleichenden Betrachtung jener EU-Mitgliedstaaten, die ebenfalls die zusätzlichen Umstellungskosten explizit (und aus den allgemeinen Zusammenschaltungsentgelten herausrechenbar) anerkennen würden. Die Vergleichswerte bewegten sich zwischen Minutenaufschlägen von "öS 0,02 bis 0,04/min" auf die originierenden Entgelte. Ausgehend von den durch die Entscheidung Z 1/97 für die (terminierenden) Gesprächstypen V3 und V4 festgelegten Entgelte seien die Entgelte für die originierenden Gesprächstypen V10 und V11 daher um den Durchschnittswert von "öS 0,03/min" zu erhöhen gewesen. Das für die Inanspruchnahme der Zusammenschaltungsleistung V10 zu leistende Entgelt betrage daher "öS 0,25/min (entspricht dem Entgelt für V3) plus öS 0,03/min (Aufschlag für originierungsbedingte Kosten), in Summe also öS 0,28/min". Für die Berechnung des Gesprächstyps V11 sei aus wettbewerbspolitischen Erwägungen eine andere Kostenbasis im Rahmen der FL-LRAIC herangezogen worden. Es sei nicht das im Bescheid Z 1/97 rechtskräftig für den Gesprächstyp V4 festgelegte Entgelt von "öS 0,33/min (als Mittel zwischen einer bottom up- und top-down-Berechnung der FL-LRAIC), sondern der Wert von öS 0,52/min (als top-down-Berechnungswert)" herangezogen worden. Bei dem zuletzt genannten Wert handle es sich um den bereits im Zug des Verfahrens Z 1/97 errechneten Wert der Vollkosten ohne fiktive Effizienzverbesserung. Entgegen der von der Beschwerdeführerin geforderten zusätzlichen Berücksichtigung von Betriebskosten, Kosten analoger Netzelemente und analoger Routings sowie des behaupteten Access Deficits seien diese Kostenelemente nicht berücksichtigt worden; zum einen habe die Beschwerdeführerin bereits Vereinbarungen mit anderen Betreibern über originierende Entgelte getroffen, in denen laut eigenen Angaben der Beschwerdeführerin die Kosten analoger Netzelemente und analoger Routings nicht berücksichtigt worden seien, zum anderen sei die Berücksichtigung eines Access Deficits, das kraft Verpflichtung zur Kostenorientiertheit der Tarifgestaltung gar nicht bestehen dürfte, (wie bereits im Verfahren Z 1/97 ausgeführt) grundsätzlich unzulässig. Schließlich komme eine Berücksichtigung der Betriebskosten nicht in Frage, weil es sich dabei um keine durch die Gesprächsübermittlung im Rahmen der Originierung unmittelbar entstehenden Kosten handeln würde.

Die Entgelte für den originierenden Transit V12 und V13 seien in gleicher Höhe festgelegt worden wie die Entgelte für terminierenden Transit. Schon im Verfahren Z 1/97 habe die belangte Behörde die Entgelte für V5 und V6 in der Höhe "öS 0,053/min (V5) und öS 0,104/min (V6)" festgelegt.

Da die Entgelte für den Zugang zum Trägerdienst 64 kbit/s unrestricted von § 9 Abs. 3 der Zusammenschaltungsverordnung erfasst und daher kostenorientiert festzulegen seien, sei diesbezüglich anzuordnen gewesen, dass dieselben Entgelte sowie auch dieselben anderen Bedingungen anzuwenden seien wie für 3,1 kHz Sprachverkehr.

Unter Spruchpunkt B wurde festgelegt, dass gemäß § 83 Abs. 2 und 3 TKG die Beschwerdeführerin und die mitbeteiligte Partei der belangten Behörde Informationen über den auf der Basis dieser Anordnungen abgewickelten Verkehr zu übermitteln hätten.

2. Gegen diesen Bescheid richtete die beschwerdeführende Partei zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese nach Ablehnung ihrer Behandlung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluss vom 4. März 1999, B 2167/98).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren begehrte die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdepunkte wurden wie folgt ausgeführt:

"Der angefochtene Bescheid verletzt die T in ihrem Recht auf eine Entscheidung durch die zuständige Behörde sowie in ihrem Recht auf Nicht-Erlassung einer Anordnung gemäß § 41 Abs 3 TKG in einer antragsüberschießenden Weise. Weiters verletzt der angefochtene Bescheid die Beschwerdeführerin in ihrem gemäß § 41 gewährleisteten Recht darauf, daß nur Zusammenschaltungsleistungen, nicht aber sonstige Telekommunikationsdienste, in einer Zusammenschaltungsanordnung gemäß § 41 Abs 3 angeordnet werden. Der Bescheid verletzt die Beschwerdeführerin weiters in ihrem Recht auf kostenorientierte Festlegung von Entgelten für ISDN-Leistungen, Notrufe, den Zugang zum Verbindungsnetzbetreiber und originierenden Transit. Der angefochtene Bescheid verletzt die Beschwerdeführerin auch in ihrem durch die gemeinschaftsrechtlichen Grundrechte gewährleisteten Erwerbsfreiheits- und Eigentumsrecht, daß ihr für die erwähnten Dienste nicht-kostendeckende Entgelte nicht vorgeschrieben werden sowie im gemeinschaftsrechtlichen Recht darauf, nicht zur Unterstützung ihrer Wettbewerber durch nichtkostendeckende Preise verhalten zu werden. Sodann verletzt der bekämpfte Bescheid die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Nichtanwendung einer gesetzlich nicht normierten Beweislastregel zu ihrem Nachteil betreffend die Entgeltbestimmung für Transitleistungen. Der Bescheid verletzt die Beschwerdeführerin weiters in ihrem Recht darauf, daß ihr eine gesetzlich nicht gedeckte Abrechnungsregelung für Transitleistungen nicht auferlegt werde; in ihrem Recht darauf, daß ihr Aufrüstungspflichten für ihre Netzsoftware in Hinblick auf die Erstellung der Netzverbindung zu einem Verbindungsnetzbetreiber nicht auferlegt werden; in ihrem Recht darauf, daß ihr die Verwendung des sog 'Single-Stage-Verfahrens' nicht auferlegt werde sowie im Recht, daß ihr nicht ein Signalisierungsverfahren gemäß Standard ISUP-Version 2 auferlegt werde. Der angefochtene Bescheid verletzt die Beschwerdeführerin auch in ihrem Recht, daß ihr keine Anordnung für den Netzzugang auf Ortsvermittlungsstellenebene und NVSt-Ebene in Form einer Rahmenzusammenschaltungsanordnung auferlegt werde. Schließlich verletzt der Bescheid die Beschwerdeführerin in ihrem Recht, die Freischaltung des Zusammenschaltungspartners nicht jedenfalls binnen Wochenfrist vornehmen zu müssen. Letztlich verletzt der bekämpfte Bescheid die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Nicht-Vorschreibung gesetzlich nicht bestehender Auskunftsverpflichtungen."

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erwogen:

1. Mit hg. Erkenntnis vom 9. September 2003, Zl. 2003/03/0095, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass nach der auch im Beschwerdefall geltenden Rechtslage (TKG idF vor der Novellierung durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 26/2000) gemäß Art. 133 Z. 4 B-VG Angelegenheiten, über die die belangte Behörde entschieden hat, nach österreichischem nationalen Recht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgenommen waren und dass sich die vom EuGH mit Urteil vom 22. Mai 2003 (Rechtssache C- 462/99) aus Art. 5a Abs. 3 der Richtlinie 90/387/EWG idF der Richtlinie 97/51/EG abgeleitete Verpflichtung des Verwaltungsgerichtshofes zur Nachprüfung nur auf den Schutz der dem einzelnen vom Gemeinschaftsrecht eingeräumten materiellen Rechte, nicht aber auch auf den Schutz bloß im nationalen Recht verankerter individueller Rechte beziehen kann. Daraus folgt, dass auch im Beschwerdefall auf das eine Verletzung lediglich letzterer Rechte betreffende Beschwerdevorbringen nicht einzugehen ist.

2. Aus der Sicht des Gemeinschaftsrechts sind folgende Fragen wesentlich:

2.1. "Zugang zu ISDN-Diensten, Zugang zu Notrufdiensten" im Rahmen der Zusammenschaltung:

Die beschwerdeführende Partei vertritt die Auffassung, dass die genannten Zugänge nicht dem Begriff der Zusammenschaltung unterfielen und die belangte Behörde zur Erlassung des angefochtenen Bescheides diesbezüglich nicht zuständig gewesen wäre. Nach Meinung der beschwerdeführenden Partei seien ISDN-Leistungen auf Grund der Zusammenschaltungsrichtlinie 97/33/EG nicht vom Sprachtelefoniebegriff erfasst, weil gemäß Anhang I Abschnitt 1 dieser Richtlinie das feste öffentliche Telefonnetz als "das öffentliche vermittelte Telekommunikationsnetz, das die Übermittlung von Sprache und Ton mit einer Bandbreite von 3,1 kHz zwischen Netzabschlusspunkten an festen Standorten unterstützt" gelte, weshalb andere Dienste als eine solche Sprachübertragung - etwa ISDN als Dienstübertragung im Bereich von 64 kbit/s unrestricted - nicht als Zusammenschaltung anzusehen seien. Dem ist Folgendes entgegenzuhalten: In der durch die Richtlinie 98/61/EG vom 24. September 1998, Amtsblatt Nr. L 268 vom 3. Oktober 1998 S. 37 - 38, in die Zusammenschaltungsrichtline eingefügten Bestimmung des Art. 12 Abs. 7 ist vorgesehen, dass

"die nationalen Regulierungsbehörden ... von Organisationen, die

öffentliche Telekommunikationsnetze im Sinne des Anhangs I Abschnitt 1 betreiben und von den nationalen Regulierungsbehörden als Organisationen mit beträchtlicher Marktmacht gemeldet wurden", "zumindest verlangen", "dass sie den Teilnehmern, einschließlich der Nutzer von diensteintegrierenden digitalen Fernmeldenetzen (ISDN), die Möglichkeit des Zugangs zu vermittelten Diensten jedes zusammengeschalteten Anbieters öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste bieten". Durch diese mit dem Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt - somit vor der Erlassung des bekämpften Bescheides - in Kraft getretene Regelung ist somit klargestellt, dass ISDN-Dienste von der Zusammenschaltungsrichtline erfasst werden (vgl. Parschalk/Zuser, Netzzugang und Zusammenschaltung im Telekommunikationsrecht, medien und recht 1998, 363, insbesonders 366 ff, FN 47).

Weiters sind auf der Grundlage dieser Bestimmung die im angefochtenen Bescheid sich diesbezüglich für die Beschwerdeführerin ergebenden Verpflichtungen nicht als rechtswidrig zu erkennen: Zum einen ist die beschwerdeführende Partei der Aussage im Bescheid, dass sie ISDN-Dienste der Öffentlichkeit zur Verfügung stelle und Netzanschlusspunkte kontrolliere, an denen die Nutzer die ISDN-Dienste der Beschwerdeführerin in Anspruch nehmen können, nicht entgegengetreten, zum anderen kam der Beschwerdeführerin unstrittig eine marktbeherrschende Stellung in dem oben unter I.1. genannten Umfang zu.

Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin ist auch der im angefochtenen Bescheid angeordnete Zugang zu Notrufdiensten nicht als rechtswidrig zu erkennen. Nach Anhang I Abschnitt 1 der Zusammenschaltungsrichtlinie kann nämlich "der feste öffentliche Telefondienst" auch den "Zugang zu Notrufdiensten" einschließen, nach Art. 3 Abs. 2 dieser Richtlinie stellen die Mitgliedstaaten die angemessene, effiziente Zusammenschaltung der im Anhang I angeführten öffentlichen Kommunikationsnetze sicher, soweit es notwendig ist, um die Interoperabilität dieser Dienste für alle Benutzer in der Gemeinschaft zu gewährleisten. Dies vor dem Hintergrund, dass nach den Ausführungen im angefochtenen Bescheid - gegen die sich die Beschwerdeführerin nicht konkret wendet - "derzeit" keine Alternative für den Zugang zu Notrufdiensten abgesehen vom Zugang über das Netz der Beschwerdeführerin besteht. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin den Ausführungen der belangten Behörde nicht entgegengetreten ist, dass der ONP-Ausschuss in dem von ihm herausgegebenen indikativen Standardzusammenschaltungsangebot sowohl ISDN-Dienste als auch Notrufdienste nennt, was erkennen lässt, dass auch die anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union den Begriff der Zusammenschaltung so auslegen, dass diese Dienste davon erfasst werden.

Vor diesem Hintergrund besteht kein Zweifel daran, dass der "Zugang zu ISDN-Diensten" sowie der "Zugang zu Notrufdiensten" dem Begriff Zusammenschaltung nach Art. 2 Abs. 1 lit. a der Zusammenschaltungsrichtlinie unterfallen.

2.3. Hinsichtlich der Zuständigkeit der belangten Behörde zur Erlassung des angefochtenen Bescheides und der Berechnung der Zusammenschaltungsentgelte auf der Basis der zukunftsorientierten langfristigen durchschnittlichen zusätzlichen Kosten (FL-LRAIC) ist auf die ständige hg. Rechtsprechung zu verweisen, der der bekämpfte Bescheid insofern entspricht (vgl. etwa das Erkenntnis vom 25. Februar 2004, Zl. 2003/03/0109, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

2.4. Festsetzung der Zusammenschaltungsentgelte für die Gesprächstypen V10, V11, V12 und V13 bzw. für die Zustellung von Notrufen:

Der angefochtene Bescheid legt der Berechnung der Höhe der Zusammenschaltungsentgelte für die Gesprächstypen V10, V12 und V13 die Berechnungen zu Grunde, die von der belangten Behörde zur Festlegung der Gesprächstypen V3, V5 und V6 angestellt wurden. Ferner wurde für die Zustellung von Notrufen im Netz der Beschwerdeführerin (jedenfalls) "das Terminierungsentgelt (V3/V4)" vorgesehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 6. Oktober 2003, Zl. 2003/03/0101, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgesprochen, dass das verwaltungsbehördliche Verfahren zur Festlegung der Gesprächstypen V3, V4, V5 und V6 in wesentlichen Punkten nicht mängelfrei war. Schon aus diesem Grund ist der angefochtene Bescheid gleichfalls mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

3. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 17. Juni 2004

Gerichtsentscheidung

EuGH 61999J0462 Connect Austria VORAB

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4Gemeinschaftsrecht Terminologie Definition von Begriffen EURallg8Gemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang, partielle Nichtanwendung von innerstaatlichem Recht EURallg1Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Bescheide von Kollegialbehörden iSd B-VG Art133 Z4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003030097.X00

Im RIS seit

14.07.2004

Zuletzt aktualisiert am

18.04.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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