TE Vwgh Erkenntnis 2004/6/28 2001/10/0043

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Veröffentlicht am 28.06.2004
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

LebensmittelHygieneV 1998 §4 Abs1 Satz1;
LebensmittelHygieneV 1998 §4 Abs1 Z6 lita;
LebensmittelHygieneV 1998 Anh Abschn11;
LMG 1975 §74 Abs4 Z1;
VStG §22 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des R in Salzburg, vertreten durch Dr. Arne Markl, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Adolf-Pichler-Platz 10, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg vom 29. Jänner 2001, Zl. UVS-18/10123/4-2001, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer eine Übertretung des § 74 Abs. 4 Z. 1 in Verbindung mit § 21 des Lebensmittelgesetzes 1975, BGBl. Nr. 86/1975 (LMG), sowie des § 4 Abs. 1 Z. 5 der Lebensmittelhygieneverordnung, BGBl. II Nr. 31/1998, und dem Abschnitt XI des Anhanges zur Lebensmittelhygieneverordnung, vorgeworfen. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe in Höhe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 12 Stunden) verhängt.

Das strafbare Verhalten wurde dabei folgendermaßen umschrieben:

"Zufolge der im Abschnitt XI des Anhanges zur Lebensmittelhygieneverordnung für Lebensmittelunternehmen bindend festgestellten Direktiven hätten Sie dafür zu sorgen gehabt, dass in Ihrem verfahrensgegenständlichen Lebensmittelunternehmen im Zusammenhang mit der Inverkehrbringung von frischem Fleisch (einschließlich Faschiertem) in Bezug auf diese Ware eine Lagertemperatur von plus 4 Grad Celsius nicht überschritten wird. Unter Missachtung dieser Gesetzeslage wurden durch die S. Warenhandels AG - es handelt sich dabei um ein Lebensmittelunternehmen im Sinne des § 2 Z. 2 Lebensmittelhygieneverordnung - mit Sitz in 5015 Salzburg, ..., am 18.10.1999 um ca. 11.03 Uhr in deren Betriebsniederlassung in Innsbruck, ..., rohes Faschiertes (Fleisch) mit einem Gewicht von ca. 499 Gramm unter der Bezeichnung Faschiertes gemischt frisch - die nunmehr den Gegenstand der Beanstandung bildenden Waren wurden im Zuge einer zur verfahrensgegenständlichen Tatzeit in der zuletzt (durch die Anführung der Anschrift) bezeichneten Betriebsniederlassung durchgeführten lebensmittelpolizeilichen Revision unter dem Probenzeichen 7001Nuss0246/99 als Probe entnommen und in der Folge durch die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung unter der Geschäftszahl 005460/1999 (Gebührennotennummer 238/00) begutachtet, - bei einer Lagertemperatur von plus 6,4 Grad Celsius durch Lagern und Feilhalten gewerbsmäßig in Verkehr gebracht.

Zufolge dieses bisher beschriebenen Sachverhaltes haben Sie es in Ihrer Eigenschaft als Vorstand des oben angeführten (Lebensmittel-)Unternehmens zur oben datumsmäßig bezeichneten (Tat-)Zeit unterlassen in der oben (im Verlaufe der Sachverhaltsbeschreibung zuletzt mittels Anführung der Anschrift) beschriebenen Betriebsniederlassung für die Einhaltung der im zweiten Absatz dieser Anlastung zitierten Direktiven des Anhanges zur Lebensmittelhygieneverordnung zu sorgen; diese Unterlassung stellt einen Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Lebensmittelhygieneverordnung dar."

Nach der Begründung habe der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren behauptet, für die Einhaltung der Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes zwei verantwortliche Beauftragte bestellt zu haben. Dabei sei jedoch in den Bestellungsurkunden einerseits der Filialleiter Slobodan S. mit der "Einhaltung aller verwaltungsrechtlichen Vorschriften im Zusammenhang mit dem Betrieb der Betriebsstätte/Filiale, insbesondere der Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes" betraut und andererseits diese Verantwortlichkeit, die "Einhaltung aller verwaltungsrechtlichen Vorschriften im Zusammenhang mit dem Betrieb der Betriebsstätte/des Bereiches/Abteilung, insbesonders der Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes", auch Herrn Martin B. übertragen worden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 9 Abs. 4 VStG sei die Bestellung und Namhaftmachung von verantwortlichen Beauftragten für räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche eines Unternehmens nicht rechtswirksam, wenn dieser Bereich nicht klar abgegrenzt sei, sodass die Verwaltungsstrafbehörde die Bestellung auf Grund der Ergebnisse von hiezu erforderlichen Ermittlungen einer Interpretation zu unterziehen habe. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, durch Nebenabreden zur Bestellungsurkunde sei eine sich nicht aus dieser Urkunde ergebende Ausschließlichkeit abzuleiten, ergebe sich bereits, dass die Bestellungsurkunde Raum für Interpretation zulasse. Damit genüge sie aber nicht mehr den strengen Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 VStG, weshalb davon auszugehen sei, dass die gegenständlichen Bestellungen nicht rechtswirksam seien. Es sei daher von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers als Vorstandsvorsitzenden der S. AG auszugehen.

Auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, die Strafbehörde erster Instanz habe unzulässiger Weise das Kumulationsprinzip angewendet, sei verfehlt. Gemäß § 4 Abs. 1 der Lebensmittelhygieneverordnung habe der Inhaber oder Geschäftsführer eines Lebensmittelunternehmens für die Einhaltung der im Anhang angeführten Hygienevorschriften zu sorgen. Abschnitt XI des Anhangs zur Lebensmittelhygieneverordnung sehe vor, dass Lebensmittel nicht bei höheren Temperaturen (als dort angegeben) gelagert, befördert oder zum Verkauf oder zur Lieferung an den Verbraucher angeboten werden dürfen. Dabei werde für frisches Fleisch (einschließlich Faschiertes, Wild, Geflügel, Innereien, Knochen ...) eine Temperatur von plus 4 Grad Celsius bestimmt. Im vorliegenden Fall sei dem Beschwerdeführer zur Last gelegt worden, unter Missachtung dieser Bestimmung rohes Faschiertes (Fleisch) mit einem Gewicht von ca. 499 g unter der Bezeichnung "Faschiertes gemischt frisch" bei einer Lagertemperatur von plus 6,4 Grad Celsius durch Lagern und Feilhalten gewerbsmäßig in Verkehr gebracht zu haben. Mit einem weiteren Erkenntnis der Behörde erster Instanz vom 27. September 2000, gegen das der Beschwerdeführer ebenfalls das Rechtsmittel der Berufung erhoben habe, und das unter der Aktenzahl UVS-18/10122/1-2000 protokolliert sei, sei dem Beschwerdeführer vorgeworfen worden, rohes Faschiertes (Fleisch) mit einem Gewicht von ca. 511 Gramm unter der Bezeichnung "Rindsfaschiertes frisch" bei einer Lagertemperatur von plus 6,4 Grad Celsius durch Lagern und Feilhalten gewerbsmäßig in Verkehr gebracht zu haben. Bei den gegenständlich angebotenen Waren handle es sich um unterschiedliche Produkte, die jeweils unter Missachtung der gesetzlichen Bestimmungen zum Verkauf angeboten worden seien. Wenn auch das gegenständlich geschützte Rechtsgut das Interesse am Verkauf ordnungsgemäßer Lebensmittel, somit ein abstraktes Interesse an der Gesunderhaltung der Konsumenten sei, so sei dieses Rechtsgut eben in zwei voneinander zu differenzierenden Fällen, einmal durch die Feilhaltung von "Rindsfaschiertem" und einmal durch die Feilhaltung von "Faschiertem gemischt" unter Missachtung der entsprechenden Bestimmungen verletzt worden. Die Behörde erster Instanz sei daher zu Recht davon ausgegangen, dass nicht eine Verwaltungsübertretung, sondern zwei Verstöße vorlägen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zugrunde, bei den genannten Lebensmitteln habe es sich um zwei unterschiedliche Produkte gehandelt, die jeweils unter Missachtung der gesetzlichen Bestimmungen zum Verkauf angeboten worden seien. Die Behörde erster Instanz sei daher zu Recht davon ausgegangen, dass nicht ein Verstoß, sondern zwei Verstöße gegen die Lebensmittelhygieneverordnung vorlägen.

Dem hält die Beschwerde entgegen, dass der dem Beschwerdeführer gemachte Vorwurf nur darin bestehe, dass in der gegenständlichen Kühlvitrine eine höhere als die vorgeschriebene Temperatur geherrscht habe. Der Beschwerdeführer habe es sohin unterlassen, für die Einhaltung der entsprechenden Temperatur zu sorgen. Da die Verpflichtung des Beschwerdeführers in der Gewährleistung der vorgeschriebenen Temperatur bestehe, könne ihm lediglich eine Unterlassung vorgeworfen werden, nämlich bei dieser einen Kühlvitrine nicht ausreichend für die Einhaltung der Temperatur gesorgt zu haben. Dem Beschwerdeführer hätte daher nur eine einzige Verwaltungsübertretung zum Vorwurf gemacht werden können.

Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerde aus folgenden Erwägungen im Recht:

Gemäß § 74 Abs. 4 Z. 1 LMG macht sich einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist wie nach Abs. 1 zu bestrafen, wer (unter anderem) den Bestimmungen einer aufgrund des § 10, der §§ 21 oder 29 erlassenen Verordnung zuwider handelt.

Bei der Verordnung der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz über allgemeine Lebensmittelhygiene, BGBl. II Nr. 31/1998 (Lebensmittelhygieneverordnung), handelt es sich um eine aufgrund der §§ 10 Abs. 1, 21 und 29 lit. b LMG erlassene Verordnung.

Nach § 4 Abs. 1 der Lebensmittelhygieneverordnung hat der Inhaber oder Geschäftsführer eines Lebensmittelunternehmens für die Einhaltung der im Anhang angeführten Hygienevorschriften zu sorgen.

Dabei gilt gemäß § 4 Abs. 1 Z. 6 lit. a für die Lagerung, Beförderung oder Anbieten zum Verkauf oder zur Lieferung an den Verbraucher der Abschnitt XI des Anhanges der Lebensmittelhygieneverordnung.

Der genannte Abschnitt sieht hinsichtlich der Temperaturbedingungen für die Lagerung, Beförderung oder Anbieten zum Verkauf oder zur Lieferung bestimmter Lebensmittel, die weder tiefgefroren noch gefroren sind, folgende Regelung vor:

Lebensmittel dürfen nicht bei höheren Temperaturen gelagert, befördert oder zum Verkauf oder zur Lieferung an den Verbraucher angeboten werden, als bei nachstehend angegebenen Temperaturen:

"Frisches Fleisch (einschließlich Faschiertes, Wild, Geflügel, Innereien, Knochen ...)

4 Grad Celsius"

Nach diesen Bestimmungen der Lebensmittelhygieneverordnung hat der Inhaber oder Geschäftsführer eines Lebensmittelunternehmens die Einhaltung der genannten Temperaturvorschriften zu gewährleisten. Wird - wie im Beschwerdefall - in ein und derselben Kühleinrichtung die vorgeschriebene Temperatur nicht eingehalten, so liegt lediglich ein einziger Verstoß gegen die Bestimmungen der Lebensmittelhygiene vor, unabhängig davon, wie viele (unterschiedliche) Fleischprodukte sich in der Kühleinrichtung befinden. Die belangte Behörde handelte daher rechtswidrig, wenn sie dem Beschwerdeführer im vorliegenden Fall zwei Verstöße gegen die zitierten Verwaltungsvorschriften angelastet hat.

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Kostenersatzverordnung 2003.

Wien, am 28. Juni 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001100043.X00

Im RIS seit

29.07.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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