TE Vwgh Erkenntnis 2004/6/30 2001/09/0029

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Veröffentlicht am 30.06.2004
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
43/01 Wehrrecht allgemein;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §63 Abs4;
BDG 1979 §94 Abs2 impl;
HDG 1994 §23;
HDG 1994 §3 Abs2 idF 1998/I/099;
HDG 1994 §3 Abs4 Z4 idF 1998/I/099;
HDG 1994 §35 Abs3;
HDG 1994 §50 Z3;
HDG 1994 §51 Abs2 idF 1998/I/099;
HDG 1994 §6 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des H in L, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung vom 31. August 2000, Zl. 9-DOKS/00, betreffend Verhängung der Disziplinarstrafe der Geldstrafe nach dem Heeresdisziplinargesetz 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seines Straf- und Kostenausspruches wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahr 1951 geborene Beschwerdeführer steht als Vizeleutnant (Unteroffizier im Präsenzstand des Bundesheeres) in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er war als Wirtschaftsunteroffizier in der H-Kaserne (L) von April 1994 bis Oktober 1996 mit der Verwaltung der Unteroffiziersmesse und ab Jänner 1995 auch mit der Führung des Offizierskasinos betraut.

Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung vom 31. März 2000 wurde der Beschwerdeführer der Begehung einer Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) iVm § 2 Abs. 1 Heeresdisziplinargesetz 1994 (HDG 1994) dahingehend für schuldig befunden, er habe (im Sinne des Punktes 4 des Verhandlungsbeschlusses) "in der Zeit vom Oktober 1995 bis 24. September 1996 als Verwalter der UO-Messe der H-Kaserne vorsätzlich Geld in der Höhe von ATS 80.000,-- aus der Messegebarung unerlaubt entnommen".

Wegen dieser Dienstpflichtverletzung verhängte die Disziplinarkommission gemäß § 50 Z 3 HDG 1954 über dem Beschwerdeführer die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in Höhe von S 47.000,-- (EUR 3.415,623).

Hingegen wurde der Beschwerdeführer von den weiteren Anschuldigungen im Sinne der (im einzelnen dargestellten) Punkte 1, 2 und 3 des Verhandlungsbeschlusses freigesprochen.

Dagegen erhob der Disziplinaranwalt im Umfang des Freispruches sowie des Straf- und Kostenausspruches Berufung. Er beantragte in diesem Rechtsmittel, die Disziplinarstrafe der Entlassung über den Beschwerdeführer zu verhängen.

Der Beschwerdeführer erhob - im Umfang des Schuld- und Strafausspruches - Berufung. Er beantragte, das Disziplinarerkenntnis hinsichtlich dieser angefochtenen Teile aufzuheben und das "Disziplinarverfahren zur Gänze einzustellen" oder (gemeint: in eventu) die Disziplinarstrafe entsprechend zu mildern.

Mit dem - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch die belangte Behörde - im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 31. August 2000 hat die belangte Behörde wie folgt zu Recht erkannt:

"Der Berufung des Disziplinaranwaltes gegen das Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung vom 31. 03.2000, GZ 01151- 11-DK-1999, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Berufung des Beschuldigten hinsichtlich des Schuldspruches wegen Gesetzwidrigkeit wird jeweils teilweise stattgegeben, und gem. § 35 Abs. 2 Heeresdisziplinargesetz 1994, BGBl. Nr. 522/1994 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 30/1998 und 99/1998 - HDG 1994, das Erkenntnis der 1. Instanz aufgehoben.

Vzlt H ist schuldig,

aus der Kasse der Unteroffiziersmesse der H-Kaserne 1996 bis zur Überprüfung der Kassa durch die Rechnungsprüfer am 26.09.1996 unerlaubt den Betrag von ATS 22.000,-- (EUR 1.598,80) entnommen zu haben.

Durch diese unerlaubte Geldentnahme hat Vzlt H vorsätzlich gegen die Bestimmungen des § 43 Abs. 2 des Besamtendienstrechtsgesetzes 1979-BDG 1979, 'der Beamte hat ...', verstoßen und daher eine Pflichtverletzung im Sinne des § 2 Abs. 1 HDG 1994 begangen.

Über den Beschuldigten wird gem. § 50 HDG 1994 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe von ATS 55.000,--

(EUR 3.997,00)

verhängt.

Gem. § 37 Abs. 1 HDG 1994 ist dem Bund ein Kostenbeitrag in

der Höhe von ATS 5.000,-- (EUR 363,36) zu leisten.

Hingegen hat die Disziplinaroberkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung festgestellt, dass gem. § 3 Abs. 2 HDG 1994 unter Einrechnung der Hemmungszeiträume des § 3 Abs. 4 Z 4 in den Beschuldigungspunkten

...

bereits seit 31.12. 1999 die Verjährung eingetreten ist.

Weiters wurde festgestellt, dass die Beschuldigung, durch unerlaubte Geldentnahmen aus der Kassa der UO-Messe der H-Kaserne durch den Beschuldigten sei ein Fehl (zu ergänzen: betrag) von ATS 80.055,82 (EUR 5.817,88) entstanden, nicht mehr Gegenstand des Disziplinarverfahrens ist, da nur der Betrag von ATS 22.000,-- (EUR 1.598,00) Sachverhalt und Gegenstand der Strafanzeige bzw. des Gerichtsverfahrens war, und auch dieser Betrag nunmehr Gegenstand des Disziplinarverfahrens ist.

Gem. § 3 Abs. 3 Z 4 HDG 1994 ist für den Betrag von ATS 80.055,82 (EUR 5.817,88) die Verjährung eingetreten."

In der Begründung des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensverlaufes unter anderem folgenden - aus der Sicht des Beschwerdefalles maßgebenden - Sachverhalt als erwiesen angenommen:

"Vom Militärkommando Oberösterreich wurde am 13.12.1996 Strafanzeige wegen Unterschlagung in der Höhe von ATS 22.000,-- erstattet. Die Disziplinaranzeige wurde mit gleichem Datum erstattet, ging jedoch in den Anschuldigungspunkten über die Strafanzeige hinaus. Am 17.03.1999 legte der Beschuldigte die Benachrichtigung des Angezeigten der StA Linz vom Unterbleiben der Verfolgung gemäß § 90 Abs. 1 StPO dem Militärkommando vor. Gemäß Mitteilung des Disziplinarreferenten beim MilKdo OÖ ist das Militärkommando von der Staatsanwaltschaft nicht verständigt worden und die Einstellung gelangte erst durch die Mitteilung des Beschuldigten zur Kenntnis."

Zur Strafbemessung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, nach Zurücklegung der Anzeige durch die Staatsanwaltschaft Linz (wegen Verdachtes der Untreue) liege ein dienstliches Interesse vor, die Dienstpflichtverletzung des Beschwerdeführers (nach § 43 Abs. 2 BDG 1979) wegen general- bzw. spezialpräventiver Gründe (um eine Beeinträchtigung des Dienstbetriebes zu vermeiden) zu ahnden. Als Wirtschaftsunteroffizier sei der Beschwerdeführer abgezogen und zu einer anderen Verwendung eingeteilt worden. Durch seine Tat sei ein Vertrauensverlust gegenüber dem Dienstgeber und den Kameraden, deren Kassa er verantwortlich geführt bzw. verwaltet habe, entstanden. Die belangte Behörde habe - angesichts dieses entstandenen Vertrauensverlustes - über den Weiterverbleib des Beschwerdeführers im Bundesheer zu befinden. Sein mehrmaliges Schuldeingeständnis, seine gezeigte Reue, die unmittelbare Schadensgutmachung und die (nachfolgend dargestellten) Milderungsgründe hätten die belangte Behörde jedoch dazu bewogen, von der strengsten Strafe (damit gemeint: Disziplinarstrafe der Entlassung) abzusehen und über den Beschwerdeführer aus spezialpräventiven Gründen eine Geldstrafe im mittleren Bereich des § 51 Abs. 1 HDG 1994 zu verhängen. Als "weitere Milderungsgründe" (damit gemeint: neben den bereits dargestellten Gesichtspunkten, die zum Absehen von einer Entlassung führten) seien der bisherige ordentliche Lebenswandel, der auffallende Widerspruch seiner Tat zum sonstigen Verhalten, die Schadensgutmachung bzw. unterbliebene Herbeiführung eines Schadens, die schon längere Zeit zurückliegende Begehung der Tat und das seither vorliegende Wohlverhalten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen. Als erschwerend sei zu werten, dass der Beschwerdeführer das Vertrauen als (ausgebildeter) Wirtschaftsunteroffizier missbraucht habe, weil "der Griff in die Kasse nach dem Geld, das Kameraden gehörte, erfolgte". Daher sei die Geldstrafe "aus generalpräventiven Gründen in dieser Höhe" zu verhängen gewesen. In der Strafbemessung sei berücksichtigt worden, dass der Beschwerdeführer seit 1972 ohne Beanstandung und seit 1988 mit ausgezeichnetem Verwendungserfolg beim Bundesheer Dienst versehe. Er sei Familienvater von drei Kindern und habe während des Tatzeitraumes gesundheitliche Probleme gehabt.

Über die gegen diesen Bescheid (im Umfang seines Schuld-, Straf- und Kostenausspruches) erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des HDG 1994 (BGBl. Nr. 522/1994 in der mit 1. Jänner 1999 in Kraft getretenen Fassung BGBl. I Nr. 99/1998) lauten:

"Verjährung

§ 3. (1) ...

(2) Ein Beschuldigter darf wegen einer Pflichtverletzung nur innerhalb von drei Jahren nach Einleitung des Verfahrens bestraft werden. Nach Ablauf dieser Frist gilt das Disziplinarverfahren als eingestellt.

...

(4) Der Lauf der Frist nach den in Abs. 1 bis 3 wird gehemmt

1. ...

...

4. für den Zeitraum zwischen dem Erstatten der Strafanzeige durch den Disziplinarvorgesetzten und dem Einlangen

a) der Mitteilung des Staatsanwaltes über die Zurücklegung der Strafanzeige oder

b) der Mitteilung über die Beendigung des bei Gericht anhängigen Strafverfahrens

beim Disziplinarvorgesetzten oder

...

wenn der der Pflichtverletzung zugrunde liegende Sachverhalt

in allen diesen Fällen Gegenstand einer solchen Anzeige oder eines

solchen Verfahrens ist.

...

Strafbemessung und Schuldspruch ohne Strafe

§ 6. (1) Das Ausmaß für die Höhe einer Disziplinarstrafe ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist unter Bedachtnahme auf frühere Pflichtverletzungen, die in einem Führungsblatt festgehalten sind, darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beschuldigten von der Begehung weiterer Pflichtverletzungen abzuhalten oder um Pflichtverletzungen anderer Personen entgegen zu wirken. Darüber hinaus sind zu berücksichtigen

1. die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Umstände und

2. die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beschuldigten.

...

Ordentliche Rechtsmittel

§ 35. (1) ...

...

(3) Auf Grund einer ausschließlich vom Beschuldigten oder zu seinen Gunsten erhobenen Berufung darf keine strengere Strafe verhängt werden als in der angefochtenen Entscheidung.

...

Arten der Strafen

§ 50. Disziplinarstrafen für Soldaten, die weder den Grundwehrdienst noch im Anschluss an diesen den Aufschub Präsensdienst leisten, sind

1.

der Verweis,

2.

die Geldbuße,

3.

die Geldstrafe und

4. a)

bei Soldaten, die dem Bundesheer auf Grund eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses angehören, die Entlassung und

              b)              bei anderen Soldaten die Unfähigkeit zur Beförderung und die Degradierung.

Geldbuße und Geldstrafe

§ 51.(1) Die Geldbuße ist höchstens mit 15 vH, die Geldstrafe mindestens mit einem höheren Betrag als 15 vH, höchstens mit 350 vH der Bemessungsgrundlage festzusetzen.

(2) Die Bemessungsgrundlage wird durch die Dienstbezüge des Beschuldigten im Monat der Erlassung der Disziplinarverfügung oder des Disziplinarerkenntnisses der ersten Instanz gebildet. Als Dienstbezüge gelten

1. ...

...

4. bei Soldaten, die einen sonstigen Präsenzdienst leisten, das Monatsgeld, die Dienstgradzulage und die Pauschalentschädigung nach dem Heeresgebührengesetz 1992."

Der Beschwerdeführer macht gegen den Schuldspruch geltend, es sei Strafbarkeitsverjährung gemäß § 3 Abs. 2 HDG 1994 eingetreten.

Die mit 26. September 1996 beendet gewesene Pflichtverletzung (wegen Unterschlagung eines Betrages in Höhe von S 22.000,--) war Gegenstand der gegen den Beschwerdeführer erstatteten Disziplinaranzeige vom 18. Dezember 1996 und der Strafanzeige vom 17. Dezember 1996. Die Staatsanwaltschaft Linz stellte zu dieser Strafanzeige am 27. März 1997 an das Bezirksgericht Linz den Antrag "auf Einstellung des Verfahrens gem. § 90/1 StPO gegen H". Eine Verständigung über die erfolgte Zurücklegung der Strafanzeige hat die Staatsanwaltschaft jedoch nur an die Unteroffizier-Messekommission (als Geschädigte) und an den Beschwerdeführer (als Angezeigten) zugestellt. An das Militärkommando Oberösterreich bzw. den Disziplinarvorgesetzten des Beschwerdeführers hat die Staatsanwaltschaft eine Mitteilung über die Zurücklegung der Anzeige nicht zugestellt. Der Beschwerdeführer legte die ihm zugestellte Verständigung dem Militärkommando Oberösterreich erst am 17. März 1999 vor. In weiterer Folge hat die Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung am 25. Februar 2000 einen Verhandlungsbeschluss gefasst, am 31. März 2000 eine mündliche Verhandlung durchgeführt und in dieser Verhandlung das Disziplinarerkenntnis verkündet.

Das gegenständliche, gegen den Beschwerdeführer anhängige Disziplinarverfahren war somit bis zum Ablauf des 31. Dezember 1998 noch nicht rechtskräftig abgeschlossen, und daher im Sinne der Übergangsbestimmung des § 90 Abs. 8 HDG 1994 (in der Fassung BGBl. I Nr. 99/1998) nach der ab 1. Jänner 1999 geltenden Rechtslage fortzuführen. Von daher war (unter anderem) die seit 1. Jänner 1999 in Geltung stehende Regelung des § 3 HDG 1994 anzuwenden; diese sieht in Abs. 2 eine dreijährige Strafbarkeitsverjährung vor.

Der Lauf der (dreijährigen) Strafbarkeitsverjährung wurde jedoch nach der im Beschwerdefall in Betracht zu ziehenden Bestimmung des § 3 Abs. 4 Z 4 HDG 1994 für den Zeitraum zwischen dem Erstatten der Strafanzeige und dem Einlangen der Mitteilung des Staatsanwaltes über die Zurücklegung der Strafanzeige beim Disziplinarvorgesetzten gehemmt. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers endet diese Hemmung nicht bereits aufgrund bzw. mit Zurücklegung der Strafanzeige oder mit Verständigung etwa des Angezeigten oder des Geschädigten, sondern - wie dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 3 Abs. 4 Z 4 HDG 1994 zu entnehmen ist - allein mit dem Einlangen der Mitteilung des Staatsanwaltes beim Disziplinarvorgesetzten (vgl. insoweit zudem Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, dritte Auflage 2003, Seite 56, zur vergleichbaren Bestimmung des § 94 Abs. 2 BDG 1979).

Eine Zweifelsregelung etwa "zugunsten des Disziplinarbeschuldigten" oder "zulasten der Disziplinarbehörde" - wie der Beschwerdeführer behauptet - ist bei Prüfung der Strafbarkeitsverjährung bzw. des Zeitraumes der Hemmung nicht anzuwenden. Das Vorliegen oder Nichtvorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen über Beginn und Ende der Hemmung betreffen nicht den Nachweis der schuldhaften Begehung einer Dienstpflichtverletzung und sind daher nicht nach dem Grundsatz der Unschuldsvermutung ("in dubio pro reo") zu lösen. Es ist auch nicht zu untersuchen, warum die für das Ende der Hemmung maßgebliche Mitteilung (hier: beim Disziplinarvorgesetzten) nicht einlangte oder nicht zugestellt wurde, bzw. wer und aus welchem Grund dafür verantwortlich ist, weil das HDG 1994 Beginn und Ende des Hemmungszeitraumes ausschließlich mit objektiven Tatbestandsmerkmalen umschrieben hat. Solange die Mitteilung nach § 3 Abs. 4 Z. 4 HDG 1994 - aus welchem Grunde auch immer - beim Disziplinarvorgesetzten nicht eingelangt ist, wurde die Hemmung des Fristlaufes (nach Abs. 1 bis 3 leg. cit.) nicht beendet.

Von daher war fallbezogen der Lauf der Frist der Strafbarkeitsverjährung (gemäß § 3 Abs. 2 HDG 1994) jedenfalls bis zu dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Zeitpunkt 17. März 1999 gehemmt, sodass die dreijährige Frist der Strafbarkeitsverjährung im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides am 8. September 2000 noch nicht verstrichen war. Dass selbst unter Berücksichtigung eines bis 17. März 1999 andauernden Hemmungszeitraumes dennoch Strafbarkeitsverjährung eingetreten sei, wird in der Beschwerde nicht behauptet.

Die Beschwerde war daher, soweit sie sich gegen den Schuldausspruch richtet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Hingegen ist die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Strafbemessung richtet, berechtigt.

Die Disziplinarkommission (erster Instanz) verhängte über den Beschwerdeführer die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in Höhe von S 47.000,--, und sie legte ihrem Schuldspruch einen vom Beschwerdeführer unerlaubt entnommenen Geldbetrag in Höhe von S 80.000,-- zugrunde. Die belangte Behörde verminderte nach dem Schuldspruch des angefochtenen Bescheides den vom Beschwerdeführer unerlaubt entnommenen Geldbetrag auf S 22.000,--, sie erhöhte aber - was der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde rügt - die über ihn verhängte Geldstrafe "in nicht unwesentlichen" Ausmaß (von S 47.000,--) auf S 55.000,--. Die Verminderung des vom Beschwerdeführer unerlaubt entnommenen Geldbetrages etwa auf ein Viertel des von der Disziplinarkommission erster Instanz angenommenen Betrages hat die belangte Behörde in ihren zur Strafbemessung dargelegten Erwägungen mit keinem Wort berücksichtigt. Sie hat aber auch nicht begründet, warum - bei gegenüber der Entscheidung der ersten Instanz im Übrigen unverändert gebliebenen Determinanten der Strafbemessung - die Nichtberücksichtigung dieser nicht unerheblichen Verminderung des unerlaubt entnommenen Geldbetrages im Rahmen der Strafbemessung keiner Begründung bedürftig sei bzw. auf die Strafbemessung keine Auswirkung haben soll. Schon von daher ist die Strafbemessung der belangten Behörde mit einem Begründungsmangel behaftet.

Die belangte Behörde hat bei der Erhöhung der Geldstrafe (von S 47.000,--) auf S 55.000,-- zudem das in § 35 Abs. 3 HDG 1994 vorgesehene Verschlechterungsverbot nicht berücksichtigt.

Aufgrund der vom Disziplinaranwalt erhobenen (schriftlichen) Berufung, mit der eine höhere Strafe gefordert wurde, bestand für die belangte Behörde zunächst zwar kein Verschlechterungsverbot. Der Disziplinaranwalt hat in seinem Schlussvortrag (in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde) jedoch seine Berufung im Ergebnis nicht aufrecht erhalten, hat er doch ausdrücklich vorgebracht, der Beschwerdeführer sei nur wegen der widerrechtlichen Entnahme eines Geldbetrages in Höhe von S 22.000,-

- für schuldig zu befinden, und es sei "die Strafhöhe von S 47.000,-- der ersten Instanz zu bestätigen". Der Disziplinaranwalt hat ausdrücklich erklärt, er "halte an der Entlassung nicht mehr fest".

Von daher lag aber ein (zufolge § 23 HDG 1994 iVm § 63 Abs. 4 AVG) zu berücksichtigender Berufungsverzicht - für den besondere Formvorschriften nicht bestehen - des Disziplinaranwaltes vor, der die belangte Behörde hinderte, eine höhere Strafe (als die Disziplinarkommission erster Instanz) über den Beschwerdeführer zu verhängen. Die Überlegung der belangten Behörde, warum von einer Entlassung des Beschwerdeführers abgesehen werden konnte, waren - im Hinblick auf den Berufungsverzicht des Disziplinaranwaltes - nicht anzustellen. Diese Erwägungen können daher auch nicht als Begründung bzw. Ausgangsbasis dafür dienen, um über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe "im mittleren Bereich" zu verhängen. Beide Disziplinarkommissionen haben zudem die bei Bemessung der Geldstrafe angewendete Bemessungsgrundlage nach § 51 Abs. 2 HDG 1994 nicht festgestellt und von daher nicht dargestellt, in welchem Verhältnis zur Bemessungsgrundlage sie eine Geldstrafe festgesetzt haben. Auch in dieser Hinsicht liegt ein Begründungsmangel vor.

Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang seines Strafausspruches und auch hinsichtlich seines gemäß § 37 Abs. 1 HDG 1994 auf der Strafhöhe aufbauenden Kostenausspruches gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden. Art. 6 Abs. 1 EMRK steht dem nicht entgegen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 2001, Zl. 2000/09/0144, und auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Fall Pellegrin gegen Frankreich, Zl. 28541/95).

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff, insbesondere auch § 50 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 30. Juni 2004

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001090029.X00

Im RIS seit

02.08.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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