TE Vwgh Erkenntnis 2004/7/1 2004/18/0164

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.07.2004
beobachten
merken

Index

E2D Assoziierung Türkei;
E2D E02401013;
E2D E05204000;
E2D E11401020;
E3L E05204020;
E6J;
19/05 Menschenrechte;
20/02 Familienrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art8;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art9;
61995CJ0285 Suat Kol VORAB;
61996CJ0036 Günaydin VORAB;
61996CJ0098 Kasim Ertanir VORAB;
61997CJ0001 Birden VORAB;
ARB1/80 Art6 Abs1;
EheG §23;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des D in W, geboren 1970, vertreten durch Dr. Gerfried Höfferer, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Franzensbrückenstraße 20/1/6b, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 10. Mai 2004, Zl. SD 563/02, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 10. Mai 2004 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Z. 9 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 24. Oktober 2000 unter Umgehung der Grenzkontrolle und unter Zuhilfenahme eines Schleppers nach Österreich eingereist und habe am darauf folgenden Tag einen Asylantrag bestellt, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17. Jänner 2001 unter gleichzeitiger Feststellung, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei gemäß § 8 Asylgesetz 1997 - AsylG zulässig sei, gemäß § 7 leg. cit. abgewiesen worden sei. Das auf Grund einer dagegen beim unabhängigen Bundesasylsenat eingebrachten Berufung anhängige Verfahren sei wegen Nichtbefolgung einer Ladung des Beschwerdeführers am 4. April 2001 gemäß § 30 leg. cit. eingestellt worden.

Über den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers sei zunächst nichts bekannt gewesen. Am 29. August 2001 habe er über seinen rechtsfreundlichen Vertreter bei der Erstbehörde (der Bundespolizeidirektion Wien) einen Antrag auf Ausstellung einer Erstniederlassungsbewilligung zu dem Zweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" eingebracht. Dem Antrag zufolge habe er am 27. Juli 2001 in Wien die österreichische Staatsbürgerin P. geheiratet. Diese habe zwar noch zunächst anlässlich einer Vernehmung am 25. Oktober 2001 bestritten, eine Scheinehe eingegangen zu sein, sie habe jedoch bei dieser Befragung weder den Familiennamen noch das Geburtsdatum ihres Ehegatten angeben können. Laut einem Bericht vom 10. November 2001 habe bei einer durchgeführten Hauserhebung in Erfahrung gebracht werden können, dass sie allein mit einem Hund an der angeblich gemeinsamen Wohnadresse lebte. Der Beschwerdeführer wäre den Wohnungsnachbarn völlig unbekannt. Daraufhin sei sie am 13. Dezember 2001 erneut bei der Erstbehörde vernommen worden. Diesmal habe sie angegeben, dass die Ehe durch einen Freund von ihr vermittelt worden wäre. Da sie sich in einer finanziellen Notsituation befunden hätte, hätte sie sich entschlossen, die Ehe mit einem Fremden einzugehen. Sie hätte ihren Ehemann vor der Eheschließung ein- bis zweimal gesehen und nach der Hochzeit S 40.000,-- erhalten. Es wären lediglich die Eheschließung und die polizeiliche Meldung an ihrer Wohnadresse vereinbart worden, ein gemeinsamer Haushalt hätte nie bestanden. Ihr Gatte wohnte bei einem Freund, sie wüsste jedoch nicht, wo.

Dem erstinstanzlichen Bescheid habe der Beschwerdeführer unter anderem entgegengehalten, die Aussage seiner Gattin wäre eine "Retourkutsche" für einen vorangegangenen Streit zwischen ihnen gewesen. Außerdem hätte er bei ihr gewohnt. Da es sich bei der Adresse seiner Ehegattin um einen riesigen Wohnkomplex handelte, wäre es nicht verwunderlich, dass ihn Nachbarn nicht kennen würden. Auch hätte er kein Geld für die Eheschließung bezahlt. Als Beweis dafür beantragte er seine Vernehmung sowie die neuerliche Vernehmung seiner Ehegattin und die eines Herrn M.

Nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides sei mit Urteil des Bezirksgerichtes Meidling vom 30. Mai 2003 (bestätigt mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 10. Dezember 2003) die zwischen dem Beschwerdeführer und der österreichischen Staatsbürgerin geschlossene Ehe gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt worden. Wie sich aus den Entscheidungsgründen dieser Urteile ergebe, sei die Ehe nur zum Zweck der Erlangung einer Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung und einer Anwartschaft zum Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft geschlossen worden. Das Eingehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft sei nicht beabsichtigt gewesen und auch nicht erfolgt.

Die beiden (der Beschwerdeführer und seine Ehegattin) hätten einander im Mai 2001 in einem Kaffeehaus (in Wien) über Vermittlung eines Bekannten der Österreicherin kennen gelernt. Diese sollte für die Eheschließung mit einem türkischen Staatsangehörigen S 40.000,-- erhalten. Von dieser Summe hätte sie einen Teil vor und den Restbetrag nach der Heirat bekommen. Vor der Eheschließung hätten sich beide nur bei für die Eheschließung zu erledigenden Behördenwegen gesehen und danach etwa zweimal Kontakt zueinander gehabt. Dieser Beweiswürdigung zufolge handelte es sich bei der Aussage des Beschwerdeführers im Ehenichtigkeitsverfahren - danach hätte er die österreichische Staatsbürgerin geheiratet, weil er sie liebte und mit ihr eine Familie gründen wollte - um eine bloße Schutzbehauptung, die äußerst unglaubwürdig wäre. Der Beschwerdeführer wäre um 28 Jahre jünger als die österreichische Staatsbürgerin, die zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits 59 Jahre alt gewesen wäre. Schon aus diesem Blickwinkel erschiene die Absicht einer Familiengründung (mit ihr) unwahrscheinlich. Zudem spräche der Beschwerdeführer kein Deutsch, und es wären auch für die Vernehmung Dolmetscher erforderlich gewesen. Schon aus tatsächlichen Gründen hätte es zu keiner Konversation zwischen den beiden kommen können.

Für die belangte Behörde bestehe sohin kein Anlass, an der Richtigkeit der Zeugenaussage der österreichischen Ex-Gattin zu zweifeln. Angesichts ihrer nachvollziehbaren und glaubwürdigen Aussagen und im Hinblick darauf, dass diese auch in dem Gerichtsverfahren zur Nichtigerklärung der Ehe ihre Deckung fänden, stehe fest, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf diese Ehe berufen habe, ohne mit ihr ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt zu haben. Vor diesem Hintergrund habe sich die neuerliche Vernehmung des Beschwerdeführers bzw. die seiner Ex-Gattin erübrigt. Ebenso habe keine Veranlassung für die Vernehmung des in der Berufung genannten Zeugen bestanden, zumal dazu jegliches Vorbringen, über welches konkrete Beweisthema dieser Zeuge zu befragen gewesen wäre, gefehlt habe. Die belangte Behörde habe daher davon ausgehen können, dass eine eheliche Lebens-, Vermögens- und Geschlechtsgemeinschaft zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehegattin nie geführt worden sei.

Diese habe sowohl bei der Erstbehörde am 13. Dezember 2001 als auch im Ehenichtigkeitsverfahren angegeben, für das Eingehen der Scheinehe insgesamt S 40.000,-- erhalten zu haben. Der Beschwerdeführer bestreite hingegen, eine Geldleistung an sie erbracht zu haben. Wie auch im Ehenichtigkeitsverfahren habe dem Beschwerdeführer auch diesbezüglich die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden müssen, vielmehr handle es sich dabei um eine offensichtliche Schutzbehauptung. So habe der Beschwerdeführer im Ehenichtigkeitsverfahren die Feststellung des Bezirksgerichtes Meidling bekämpft, dass er für die Eheschließung S 40.000,-- an die österreichische Staatsbürgerin bezahlt hätte. Dazu werde im Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien auf seine Angaben im Asylverfahren verwiesen, wonach er für die Schlepper, die ihn nach Österreich gebracht hätten, DM 6.000,-- bezahlt hätte. Danach wäre es ihm seinen Angaben zufolge durchaus möglich gewesen, einen Geldbetrag in dieser Höhe aufzutreiben. Abgesehen davon würde es keinen Unterschied machen, ob der Fremde den für die Eheschließung geleisteten Vermögensvorteil aus seinem eigenen Vermögen aufbringe oder ihm dafür Mittel von einer dritten Person (etwa schenkungsweise) zur Verfügung gestellt würden. Ebenso könne es keinen Unterschied machen, ob der Vermögensvorteil, der die Gegenleistung für die Eheschließung darstelle, vom Fremden selbst oder mit dessen Wissen von einer dritten Person geleistet werde. In all diesen Fällen schrecke der Fremde nicht davor zurück, eine gegen Bezahlung zu Stande gekommene Ehe ohne Führung eines gemeinsamen Familienlebens einzugehen und sich unter Berufung auf diese Ehe fremdenrechtlich relevante Vorteile zu verschaffen. Im vorliegenden Fall seien der österreichischen Staatsbürgerin für die Eheschließung S 40.000,-- bezahlt worden. Es widerspreche jedoch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass der Beschwerdeführer für den Fall, dass nicht er selbst, sondern vielmehr der Vermittler der Eheschließung den Geldbetrag bezahlt haben sollte, davon nichts gewusst hätte.

Der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG sei daher zur Gänze erfüllt. Das Fehlverhalten des Beschwerdeführers liege auch noch keinesfalls so lange zurück, dass wegen des seither verstrichenen Zeitraums die in § 36 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme nicht mehr begründet sein könnte, und es erweise sich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der §§ 37 und 38 leg. cit. - (auch) im Grund des § 36 leg. cit. als gerechtfertigt.

Der Beschwerdeführer sei für niemanden sorgepflichtig. Wenngleich er erst auf Grund des Eingehens der Scheinehe - das Asylverfahren sei zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits eingestellt worden - im Bundesgebiet habe Fuß fassen können, sei im Hinblick darauf, dass sein Bruder in Österreich lebe und der Beschwerdeführer laut einem Versicherungsdatenauszug seit 21. August 2001 durchgehend als Arbeiter beschäftigt sei, und auf Grund der bisher verstrichenen Aufenthaltsdauer zu seinen Gunsten von einem Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen gewesen. Dieser Eingriff sei jedoch zur Verteidigung eines geordneten Fremdenwesens, somit zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, dringend geboten. Wer nämlich, wie der Beschwerdeführer, grob missbräuchlich nur zu dem Zweck vorgehe, sich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes wesentliche Berechtigungen zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) notwendig erscheinen ließen.

Im Rahmen der nach § 37 Abs. 2 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung sei auf die aus der Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers und seiner Beschäftigung ableitbare Integration Bedacht zu nehmen gewesen. Diese sei jedoch in ihrem Gewicht dadurch wesentlich gemindert, dass sich sein inländischer Aufenthalt zunächst auf einen Asylantrag gegründet habe, der in der Folge mangels tatsächlichem Interesse (gemeint: des Beschwerdeführers) an dessen Erledigung habe eingestellt werden müssen. Dazu komme, dass ein Zugang zum Arbeitsmarkt auf das rechtsmissbräuchliche Eingehen einer Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin zurückzuführen sei. Den nicht besonders stark ausgeprägten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet stehe gegenüber, dass er durch das rechtsmissbräuchliche Eingehen der Ehe das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens erheblich beeinträchtigt habe. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung.

Dieser Maßnahme stünden auch keine aufenthaltsverfestigenden Bestimmungen entgegen.

Mangels Vorliegens besonders berücksichtigungswürdiger Umstände habe von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden können.

Die von der Erstbehörde vorgenommene Befristung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes sei gerechtfertigt. Im Hinblick auf das dargestellte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers könne - auch unter Berücksichtigung seiner privaten und beruflichen Situation - ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch seinen Aufenthalt im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen eine der in den Z. 1 und 2 umschriebenen Annahmen gerechtfertigt ist.

Gemäß § 36 Abs. 2 Z. 9 leg. cit. hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt und für die Eheschließung einen Vermögensvorteil geleistet hat.

2.1. Die Beschwerde wendet sich nicht gegen die Ausführungen der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer am 27. Juli 2001 die Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin P. nur zum Zweck der Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung und Arbeitsgenehmigung und einer Anwartschaft zum Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft geschlossen habe, das Eingehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft hingegen weder beabsichtigt gewesen noch erfolgt sei und er am 29. August 2001 einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zu dem Zweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" gestellt habe, worin er sich auf diese Ehe berufen habe, und diese Ehe mit Urteil des Bezirksgerichtes Meidling vom 30. Mai 2003 (bestätigt mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 10. Dezember 2003) gemäß § 23 Ehegesetz - wie die Beschwerde selbst vorbringt - rechtskräftig für nichtig erklärt worden sei. Die Beschwerde bestreitet jedoch die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung, dass - wie im Urteil des Bezirksgerichtes Meidling festgestellt worden sei - der Beschwerdeführer an P. für die Eheschließung S 40.000,-- bezahlt habe, und rügt als Verfahrensmangel, dass die belangte Behörde entgegen seinem in der Berufung zum Beweis dafür, dass er kein Geld gehabt und sich auch weder von seinem Bruder M. noch einem anderen Geld ausgeborgt hätte, gestellten Antrag seinen Bruder nicht vernommen habe. Dafür, dass für die Eheschließung kein Geldbetrag geflossen wäre, spreche auch, dass der Beschwerdeführer zuvor einen namhaften Betrag an einen Schlepper gezahlt habe. Der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG sei daher nicht verwirklicht.

2.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

Die belangte Behörde hat ihre Beweiswürdigung im Wesentlichen auf die im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Angaben der früheren Ehegattin des Beschwerdeführers vor der Erstbehörde, auf die Entscheidungsgründe des Ehenichtigkeitsurteils vom 30. Mai 2003 und auf den Bericht vom 10. November 2001 über eine Hauserhebung gestützt, wobei die Beschwerde nicht behauptet, dass diese Angaben bzw. Entscheidungsgründe im angefochtenen Bescheid unrichtig wiedergegeben worden seien. Danach habe die frühere Ehegattin des Beschwerdeführers bei ihrer ersten Vernehmung am 25. Oktober 2001, bei der sie noch den Abschluss einer Scheinehe geleugnet habe, weder den Familiennamen noch das Geburtsdatum des Beschwerdeführers angeben können. Bei ihrer weiteren Vernehmung am 13. Dezember 2001 habe sie zugegeben, wegen einer finanziellen Notsituation die Ehe mit dem Beschwerdeführer, den sie vor der Eheschließung lediglich ein- oder zweimal gesehen hätte, eingegangen zu sein und sodann S 40.000,-- erhalten zu haben, wobei lediglich die Eheschließung und die polizeiliche Meldung an ihrer Wohnadresse vereinbart worden wären und ein gemeinsamer Haushalt nie bestanden hätte. Auch aus den tragenden Gründen des Ehenichtigkeitsurteiles vom 30. Mai 2003 ergibt sich, dass die Ehe nur zum Zweck der Erlangung einer Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung und einer Anwartschaft zum Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft geschlossen wurde, das Eingehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft nicht beabsichtigt war und nicht erfolgte und P. für die Eheschließung S 40.000,-- erhielt. Ferner haben Erhebungen im Wohnhaus der P. ergeben, dass ihren Nachbarn der Beschwerdeführer völlig unbekannt war.

Die Beschwerde geht auf diese Erwägungen der belangten Behörde im Wesentlichen nur insoweit ein, als sie rügt, dass die belangte Behörde den Bruder des Beschwerdeführers hätte vernehmen müssen. Mit diesem Vorbringen zeigt sie jedoch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil die belangte Behörde es auch für möglich gehalten hat, dass der Beschwerdeführer den für die Eheschließung geleisteten Betrag von jemand anderem als seinem Bruder aufgetrieben habe oder ein anderer für den Beschwerdeführer mit dessen Wissen den genannten Betrag gezahlt habe. Dass der Bruder des Beschwerdeführers diesen rund um die Uhr im Blickfeld gehabt habe, sodass er aus eigener Wahrnehmung ausschließen könnte, dass sich der Beschwerdeführer den Geldbetrag von jemand anderem beschafft habe, wird von der Beschwerde nicht behauptet. Auch schließt - entgegen der Beschwerdeansicht - der Umstand, dass der Beschwerdeführer DM 6.000,-- an einen Schlepper bezahlt hatte, jedenfalls nicht aus, dass er über weitere Barmittel verfügt hat.

Im Hinblick darauf begegnet die Beweiswürdigung der belangten Behörde im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.

2.3. Auf dem Boden der auf Grund dieser unbedenklichen Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG verwirklicht sei, keinem Einwand.

2.4. Das rechtsmissbräuchliche Eingehen einer Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Vorteile gegen Entgelt beeinträchtigt das große öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens erheblich. Im vorliegenden Beschwerdefall ist der seit der rechtsmissbräuchlichen Eheschließung am 27. Juli 2001 verstrichene Zeitraum von nicht einmal drei Jahren zu kurz, um von einem Wegfall oder auch nur von einer erheblichen Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung öffentlicher Interessen ausgehen zu können. Im Hinblick darauf begegnet die weitere Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand.

3. Auch mit dem Vorbringen, dass der Beschwerdeführer als türkischer Staatsangehöriger dem regulären Arbeitsmarkt angehöre und für ihn das Assoziationsabkommen EWG-Türkei (vom 12. September 1963) zum Tragen komme, weshalb auf ihn die Rechtsschutzgarantien gemäß Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG anzuwenden seien - dieses Vorbringen hat offensichtlich das in den hg. Beschwerdesachen Zlen. 99/21/0018 und 2002/21/0067 an den EuGH gestellte Vorabentscheidungsersuchen im Auge und zielt darauf ab, dass dem Beschwerdeführer eine Rechtsstellung nach Art. 6 Abs. 1 des auf dem genannten Assoziierungsübereinkommen gründenden Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 (ARB) zukomme -, zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

     Nach Art. 6 Abs. 1 ARB hat ein türkischer Arbeitnehmer, der

dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, in

diesem Mitgliedstaat

     (-)        nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung

Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen

Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;

     (-)        nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung -

 vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorranges - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;

(-) nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung

freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.

Dabei ist die Ordnungsmäßigkeit einer während eines bestimmten Zeitraumes ausgeübten Beschäftigung anhand der Rechtsvorschriften des Aufnahmestaates zu prüfen, die die Voraussetzungen regeln, unter denen der türkische Staatsangehörige in das nationale Hoheitsgebiet gelangt ist und dort eine Beschäftigung ausübt; die Beschäftigung ist daher nur dann ordnungsgemäß, wenn sie in Einklang mit den arbeitserlaubnisrechtlichen und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaates steht. Nach der Judikatur des EuGH setzt die Ordnungsmäßigkeit der Beschäftigung i. S. des Art. 6 Abs. 1 ARB ferner eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates und damit das Bestehen eines nicht bestrittenen Aufenthaltsrechtes voraus. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 2004, Zl. 2004/18/0031, m.w.N.).

Hat somit der Fremde, wie im vorliegenden Fall der Beschwerdeführer, den Zugang zum Arbeitsmarkt im Weg einer Scheinehe rechtsmissbräuchlich erlangt, so ist bereits deshalb die Anwendung des Art. 6 Abs. 1 ARB ausgeschlossen. Von daher kommt auch eine Aussetzung des vorliegenden Beschwerdeverfahrens bis zur Vorabentscheidung durch den in den hg. Beschwerdesachen Zl. 99/21/0018 und 2002/21/0067 angerufenen EuGH nicht in Betracht.

4. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 24. Oktober 2000, seine Beschäftigung seit 21. August 2001 als Arbeiter und seine Bindung zu seinem in Österreich lebenden Bruder berücksichtigt und zutreffend einen mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben angenommen. Den genannten persönlichen Interessen steht die mit dem rechtsmissbräuchlichen Verhalten des Beschwerdeführers verbundene wesentliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. In Anbetracht dieses Fehlverhaltens begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot im Licht des § 37 Abs. 1 FrG - weil zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten - gerechtfertigt sei, keinen Bedenken. Gleichermaßen unbedenklich ist die Auffassung der belangten Behörde, dass die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von deren Erlassung und diese gemäß § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei, - und zwar selbst dann, wenn in Österreich, wie die Beschwerde vorbringt, noch zwei Brüder des Beschwerdeführers leben sollten und es sich bei seinen Brüdern um seine einzigen Verwandten handeln sollte.

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 1. Juli 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004180164.X00

Im RIS seit

04.08.2004

Zuletzt aktualisiert am

11.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten