TE Vwgh Erkenntnis 2004/7/1 2001/18/0086

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.07.2004
beobachten
merken

Index

24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
StGB §105 Abs1;
StGB §106 Abs1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des G, geboren 1972, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 8. März 2001, Zl. III 4033-1/01, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 8. März 2001 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm den §§ 37 bis 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Über den Beschwerdeführer sei vom Landesgericht Innsbruck mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil vom 16. Mai 2000 wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach § 105 Abs. 1, § 106 Abs. 1 Z. 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten, wovon ein Teil von fünf Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei, verhängt worden.

Dieser Verurteilung liege folgender Schuldspruch zu Grunde:

     Die Beschuldigten C. Ö. und der Beschwerdeführer seien

schuldig, sie hätten am 23. Februar 2000 in Hall in Tirol

     andere durch Gewalt und Drohung mit dem Tode zu Handlungen,

Duldungen und Unterlassungen genötigt und zu nötigen versucht, und zwar:

1. C. Ö. die Bahar Ö. durch Reißen an den Haaren, Zu-Boden-Stoßen, Versetzen eines Faustschlages ins Gesicht und gewaltsames Zerren in einen PKW, weiters durch die Äußerungen, er würde sie umbringen, sie hätte Schande über die Familie gebracht und müsste eigentlich dafür sterben, sie möchte angeben, dass es ihr gut ginge, sonst würde sie umgebracht, dass es ihm egal wäre, wie lange er im Gefängnis wäre, wenn er heraus käme, würde er sie finden und sie umbringen und, wenn dies nicht gelänge, würden dies andere für ihn erledigen, zur Mitfahrt im PKW (vollendet), zur Rückkehr zur Familie (Versuch) und zur Ablegung einer für C. Ö. günstigen Aussage vor der Gendarmerie (vollendet), weiters zu der Erklärung gegenüber der Betreuerin im Frauenhaus und gegenüber ihren Freundinnen, mit denen sie habe telefonieren müssen, dass es ihr gut ginge (vollendet), und zur Zurückziehung des Obsorgeantrages (Versuch);

2. der Beschwerdeführer die I. und die A. durch Vorhalten eines Messers und die Äußerung, er würde sie umbringen, wenn sie sich nicht aus der Sache heraushielten, zur Unterlassung der Hilfeleistung für Bahar Ö.;

3. der Beschwerdeführer durch die zu Punkt 1. angeführte Tat und dadurch, dass er Bahar Ö. an den Füssen ergriffen, angehoben und zum PKW getragen habe, und durch die Äußerung, wenn sie nicht still wäre, würde er sie umbringen, zum Mitkommen im Fahrzeug.

Das dieser rechtskräftigen Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers zeige deutlich seine negative Einstellung zur Rechtsordnung, wodurch der Eindruck entstehe, dass er nicht gewillt sei, Rechtsvorschriften in erforderlicher Weise zu achten und sein Verhalten den Gesetzen anzupassen. Daraus ergebe sich, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle. Auch sei durch seine Verurteilung der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 zweiter Fall FrG erfüllt.

Ein relevanter Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG liege vor, er mache das Aufenthaltsverbot jedoch im Grund dieser Bestimmung nicht unzulässig. Die sich im Fehlverhalten des Beschwerdeführers manifestierende Neigung, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, mache die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) dringend geboten.

Der Beschwerdeführer halte sich seit 1991 erlaubt in Österreich auf und sei dementsprechend gut integriert. Er lebe von seiner Familie, seiner Ehegattin und seinen zwei Kindern im Alter von zwei bzw. drei Jahren, seit 1999 getrennt. Seine Kinder seien in einem näher genannten Kinderheim untergebracht, und er besuche diese jeden Sonntag. Die soziale Komponente seiner Integration werde jedoch durch seine schwere Straftat vom 23. Februar 2000 beeinträchtigt. Wenn auch die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet schwer wögen, so wögen diese - im Hinblick auf seine Neigung zu Straftaten - höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, weshalb diese Maßnahme auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei.

Ein Aufenthaltsverbot-Verbotsgrund gemäß den §§ 38, 35 FrG komme nicht zum Tragen.

Die Dauer des Aufenthaltsverbotes entspreche § 39 Abs. 1 FrG und den für seine Erlassung maßgeblichen Umständen.

Vor diesem Hintergrund und im Hinblick darauf, dass keine nicht bereits im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG berücksichtigten Umstände vorlägen, könne von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens gemäß § 36 Abs. 1 leg. cit. Abstand genommen werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bekämpft die von der belangten Behörde im Grund des § 37 FrG vorgenommene Interessenabwägung und bringt vor, es sei zwar richtig, dass der Beschwerdeführer von seiner Frau getrennt lebe, die Trennung habe jedoch einen medizinischen Grund, weil seine Frau auf Grund ihrer Erkrankung stationär in einer psychiatrischen Anstalt leben müsse. Auch das Getrenntsein von den Kindern, zu denen er, soweit möglich, ständig Kontakt pflege, habe einen notwendigen Grund, weil er arbeiten müsse. Auf Grund des Aufenthaltsverbotes könnte seine Frau von ihm nicht mehr besucht und unterstützt werden und wären seine Kinder, die in Österreich geboren und hier aufgewachsen seien, in Zukunft auf die Sozialhilfe angewiesen und müssten einer Pflegefamilie anvertraut werden. Das Aufenthaltsverbot hätte damit die Folge einer völligen Trennung zwischen Eltern und Kindern. Die belangte Behörde hätte auch auf die Lebenssituation seiner Familie abstellen müssen und habe insofern eine unrichtige Interessenabwägung durchgeführt.

2. Bei der Prüfung der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grund des § 37 Abs. 1 und 2 FrG hat die belangte Behörde zu Gunsten des Beschwerdeführers berücksichtigt, dass er sich seit 1991 erlaubt in Österreich aufhält, eine dementsprechend gute Integration und private Bindung aufweist und zwischen ihm und seinen in einem Kinderheim lebenden Kindern im Alter von zwei bzw. drei Jahren ein regelmäßiger Besuchskontakt herrscht.

Diesen sehr gewichtigen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers und auch seiner Kinder an seinem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht - auf dem Boden der im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen - gegenüber, dass er am 23. Februar 2000 in der im oben (I.1.) zitierten Urteil angeführten Weise andere genötigt hat, weshalb er zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt wurde. Wenn auch mit diesem strafbaren Verhalten des Beschwerdeführers eine wesentliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen und am Schutz der Rechte und Freiheiten anderer verbunden ist, so ist dieses öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers in Anbetracht seines langjährigen rechtmäßigen inländischen Aufenthaltes und der Bindung zwischen ihm und seinen Kindern doch nicht von solchem Gewicht, dass dem gegenüber seine persönlichen Interessen und die seiner Kinder in den Hintergrund träten oder lediglich gleich zu gewichten wären.

In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass die von der belangten Behörde in ihrem Schreiben vom 9. Juni 2004 ins Treffen geführten neuerlichen Straftaten bzw. Verwaltungsübertretungen des Beschwerdeführers im angefochtenen Bescheid nicht berücksichtigt wurden (diese wurden zum Teil erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides gesetzt), sodass dieses Fehlverhalten auch vom Verwaltungsgerichtshof nicht aufgegriffen werden konnte.

3. Da somit die belangte Behörde im Rahmen ihrer Beurteilung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG die Rechtlage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000, und der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 1. Juli 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001180086.X00

Im RIS seit

09.08.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten