TE Vwgh Beschluss 2004/7/5 98/17/0238

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.07.2004
beobachten
merken

Index

L34003 Abgabenordnung Niederösterreich;
L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Umgebungslärm Niederösterreich;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

BauO NÖ 1976 §117;
BauO NÖ 1976 §119;
BauO NÖ 1976 §14 Abs1;
BauO NÖ 1996 §77 Abs1;
BauO NÖ 1996 §9 Abs1;
B-VG Art132;
LAO NÖ 1977 §48;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Racek, in der Beschwerdesache 1.) der RH in Wien, 2.) des GH in Canada, 3.) der SH in I, und 4.) des RH in Wien, alle als Rechtsnachfolger im Eigentum am Grundstück EZ Y, Grundbuch X, Grundstücksnummer 2071/2, nach HH, die Beschwerde anwaltlich gefertigt durch Dr. Wolfgang Waldeck und Dr. Hubert Hasenauer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Doblhoffgasse 7/12, gegen den Gemeinderat der Marktgemeinde Eichgraben, vertreten durch Dr. Marlene Klein, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Quellenstraße 137/2/5/34, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit betreffend Aufschließungsabgaben, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

I.

1. Gegenstand des Abgabenverfahrens, auf welches sich die vorliegende Säumnisbeschwerde bezieht, ist die Vorschreibung einer Aufschließungsabgabe nach § 14 Abs. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung, LGBl. 8200, aus Anlass der erstmaligen Errichtung eines Gebäudes (zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides stand die NÖ Bauordnung 1976 in der Fassung LGBl. 8200- 1 in Kraft; nach § 14 Abs. 1 dritter Satz NÖ BauO in dieser Fassung war ein Aufschließungsbeitrag (auch) "anlässlich der erstmaligen Errichtung eines Gebäudes auf dem Bauplatz" vorzuschreiben, "wenn zuvor noch kein Aufschließungsbeitrag entrichtet wurde").

Der ursprüngliche Beschwerdeführer, der Rechtsvorgänger im Eigentum am beschwerdegegenständlichen Grundstück, hatte mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Eichgraben vom 20. Juni 1983 gemäß § 92 NÖ Bauordnung, LGBl. 8200-1, die Bewilligung zum Neubau eines Zweifamilienhauses auf den Grundstücken in X, Parzellennummer 2070/2, 2071/2, EZ Y, KG X, erhalten. Als Auflage enthielt dieser Bescheid die Anordnung, die genannten Grundstücke zu vereinen und die grundbücherliche Durchführung dieser Grundstückszusammenlegung bis spätestens zum Zeitpunkt der Einbringung des Ansuchens um Endbeschau der Baubehörde nachzuweisen.

Der ursprüngliche Beschwerdeführer begann am 4. Juli 1983 mit der Errichtung des Gebäudes.

Mit Bescheid vom 12. Jänner 1984 wurde dem ursprünglichen Beschwerdeführer über seinen Antrag die Bewilligung für die Errichtung eines abgeänderten Gebäudes erteilt. Die Baubehörden und die Niederösterreichische Landesregierung als Vorstellungsbehörde gingen in der Folge davon aus, dass die beiden Baubewilligungen eine Einheit bildeten. Mit (rechtskräftigem) Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Eichgraben vom 5. September 1989 wurde der Antrag des ursprünglichen Beschwerdeführers auf Erstreckung der Bauvollendungsfrist für das mit den genannten Baubewilligungen bewilligte Gebäude abgewiesen; die gegen die Abweisung dieses Antrags erhobene Vorstellung wurde mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 22. Dezember 1989 abgewiesen. Der ursprüngliche Beschwerdeführer suchte daraufhin mit Anbringen vom 8. August 1990 neuerlich um die Baubewilligung an.

Die Zusammenlegung der Grundstücke 2070/2 und 2071/2 war auf Grund des Beschlusses des Bezirksgerichtes Neulengbach vom 28. Mai 1984 erfolgt.

Die beiden Grundstücke 2070/2 und 2071/2 waren 1978 durch die Vereinigung der Grundstücke 2070/1 und 2070/2 einerseits, 2071/1 und 2071/2 andererseits entstanden. Diese Vorläufergrundstücke 2070/1 und 2070/2 bzw. 2071/1 und 2071/2 waren durch die Teilung des jeweiligen Grundstücks 2070 bzw. 2071 im Jahre 1955 gebildet worden. Zu dem im vorliegenden Beschwerdefall (für die Frage der Bebauung des Grundstücks des Beschwerdeführers) maßgeblichen Zeitpunkt 1. Jänner 1970 bestanden dem zu Folge auf dem Areal, welches das nunmehrige Grundstück 2071/2 einnimmt, die damaligen Grundstücke 2070/1 und 2070/2 sowie 2071/1 und 2071/2. Die 1955 bestandenen Grundstücke 2070 und 2071 (aus denen 1955 die vier genannten Grundstücke gebildet wurden) waren ihrerseits aus einer Grundteilung im Jahre 1931 hervorgegangen.

2. Die hier gegenständliche Abgabenvorschreibung erfolgte in erster Instanz mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Eichgraben vom 18. Juli 1984. Nach der Bescheidbegründung sei dem ursprünglichen Beschwerdeführer mit baubehördlichem Bescheid vom 12. Jänner 1984 die Errichtung eines Gebäudes auf den Grundstücken Nr. 2070/2 und 2071/2 ("nunmehr zusammengelegt laut Beschluss des Bezirksgerichts Neulengbach vom 28. Mai 1984"), EZ Y, KG X bewilligt worden. Nunmehr erfolge auf dem betreffenden Bauplatz die erstmalige Errichtung eines Gebäudes.

3. Auf Grund von Rechtsmitteln des ursprünglichen Beschwerdeführers gegen gemeindebehördliche Abgabenvorschreibungen betreffend das gegenständliche Grundstück ergingen (überwiegend auf Grund der Beschwerde der Marktgemeinde Eichgraben gegen die Aufhebung von Gemeindebescheiden durch die Vorstellungsbehörde) bereits die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Juli 1990, Zl. 88/17/0059, (ebenfalls) vom 6. Juli 1990, Zl. 88/17/0241, vom 14. Juli 1994, Zl. 90/17/0434, vom 15. Dezember 1995, Zl. 95/17/0150, und vom 24. November 1997, Zl. 97/17/0243.

Dabei bezog sich das Beschwerdeverfahren zur Zl. 88/17/0241 auf eine erstinstanzliche Abgabenvorschreibung vom 14. März 1988, die sich zwar ebenfalls auf § 14 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1976 stützte, aber den Abgabentatbestand im Hinblick darauf als erfüllt ansah, dass durch die Vereinigung der genannten Grundstücke eine Grundabteilung iSd § 14 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1976 vorgelegen sei. Der Verwaltungsgerichtshof teilte diese Auffassung nicht und bestätigte im Erkenntnis vom 6. Juli 1990, Zl. 88/17/0241, die von der Vorstellungsbehörde vorgenommene Aufhebung des Abgabenbescheides, weil der Abgabentatbestand ("Grundteilung") nicht erfüllt gewesen sei. In der Folge wurde daher der in jenem Verfahren zu Grunde gelegene erstinstanzliche Abgabenbescheid mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Eichgraben vom 9. November 1990 ersatzlos aufgehoben.

Im hier vorliegenden Beschwerdeverfahren auf Grund der Säumnisbeschwerde des ursprünglichen Beschwerdeführers geht es um die Abgabenvorschreibung auf Grund des Tatbestandes der "erstmaligen Errichtung eines Gebäudes auf dem Bauplatz" (Abgabenbescheid des Bürgermeisters vom 18. Juli 1984).

4. Die übrigen oben genannten verwaltungsgerichtlichen Verfahren betrafen alle das auch hier gegenständliche Abgabenverfahren, das seinen Ausgang vom erwähnten Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Eichgraben vom 18. Juli 1984 nahm.

Dabei betrafen die hg. Erkenntnisse vom 6. Juli 1990, Zl. 88/17/0059, vom 14. Juli 1994, Zl. 90/17/0434, und vom 15. Dezember 1995, Zl. 95/17/0150, Vorstellungsentscheidungen (nach Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof: den Ersatzbescheid in dem zu Grunde liegenden Vorstellungsverfahren) betreffend eine Vorstellung des ursprünglichen Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Eichgraben vom 12.  November 1987.

Das zuletzt ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. November 1997, Zl. 97/17/0243, betraf die Beschwerde der Marktgemeinde Eichgraben gegen die (neuerliche) Aufhebung des zweitinstanzlichen Bescheides in der vorliegenden Abgabensache durch die Niederösterreichische Landesregierung mit Bescheid vom 22. Mai 1997.

Der Verwaltungsgerichtshof wies die Beschwerde der Marktgemeinde Eichgraben als unbegründet ab. Das Abgabenverfahren befand sich damit entsprechend dem genannten Aufhebungsbescheid der Niederösterreichischen Landesregierung weiterhin im Stadium des Berufungsverfahrens. Der von der Niederösterreichischen Landesregierung aufgehobene Bescheid des Gemeinderates hatte über die Berufung des ursprünglichen Beschwerdeführers vom 3. August 1984 gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Eichgraben vom 18. Juli 1984 abgesprochen.

Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof insbesondere aus, die Vorstellungsbehörde sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Begründung für das Vorliegen der Bauplatzeigenschaft zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht ausreichend gewesen sei.

5. Da der Gemeinderat der Marktgemeinde Eichgraben nicht binnen sechs Monaten ab der Zustellung des Vorstellungsbescheides über die Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 18. Juli 1984, Zl. 92-920-10-1984, neuerlich entschied, erhob der ursprüngliche Beschwerdeführer die vorliegende Säumnisbeschwerde.

6. Der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde ersuchte im vorliegenden Verfahren zunächst um Erstreckung der mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. August 1998 eingeräumten Entscheidungsfrist, teilte jedoch in der Folge im Hinblick auf einen Schriftwechsel mit der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten mit, dass von der Erlassung eines Ersatzbescheides Abstand genommen werde.

7. Nachdem der ursprüngliche Beschwerdeführer am 26. August 2002 verstorben war, wurde der Nachlass den unbedingt erbserklärten Erben mit Einantwortungsurkunde BG Hernals eingeantwortet und das Eigentumsrecht der oben genannten, nunmehrigen Beschwerdeführer im Grundbuch ob der Liegenschaft EZ Y, Grundbuch X, einverleibt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Prozessvoraussetzungen erwogen:

1. Der mit "Dingliche Bescheidwirkung" überschriebene, zum Zeitpunkt der Erlassung des mit Berufung bekämpften Abgabenbescheides in Geltung gestandene § 119 NÖ BauO 1976 in der Fassung LGBl. 8200-1 hatte folgenden Wortlaut:

"Allen Bescheiden nach diesem Gesetz - ausgenommen jenen nach Abschnitt IX - kommt insoferne eine dingliche Wirkung zu, als daraus erwachsende Rechte auch vom Rechtsnachfolger im Grundeigentum geltend gemacht werden können und daraus erwachsende Pflichten auch vom Rechtsnachfolger im Grundeigentum zu erfüllen sind. Der Rechtsvorgänger ist verpflichtet, dem Rechtsnachfolger alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen und alle bezüglichen Unterlagen auszuhändigen. Bei einem Bescheid nach § 10 scheidet der Rechtsvorgänger im Grundeigentum als Abteilungswerber aus den Verpflichtungen gemäß §§ 13 bis 15 nicht aus, sondern haftet mit dem Rechtsnachfolger im Grundeigentum zur ungeteilten Hand. Rechtsansprüche nach § 15a gehen auf den Rechtsnachfolger im Grundeigentum über."

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. Dezember 1988, Zl. 85/17/0126, unter Bezugnahme auf das Erkenntnis vom 25. Mai 1984, Zl. 83/17/0241, zu dieser Bestimmung ausgesprochen hat, kann die dingliche Bescheidwirkung im Grunde des § 119 NÖ BauO 1976 nicht anders verstanden werden, als dass der dem Rechtsvorgänger im Grundeigentum erteilte Abgabenbescheid ab dem Eigentumsübergang dem Erwerber gegenüber unmittelbar Rechtswirkung entfaltet, ohne dass es hiezu der Erlassung eines Haftungsbescheides bedarf oder ein solcher zulässig wäre (vgl. in gleichem Sinne auch die hg. Erkenntnisse vom 14. Juli 1994, Zl. 92/17/0123, oder vom 20. September 1996, Zl. 93/17/0007).

An dieser Rechtslage hat sich auch durch das Inkrafttreten der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 nichts geändert. Gemäß § 77 Abs. 1 erster Satz NÖ Bauordnung 1996 sind am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängige Verfahren nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen. Nach § 77 Abs. 1 zweiter Satz NÖ Bauordnung 1996 bleiben "sämtliche baubehördlichen Bescheide" bestehen.

Im Beschwerdefall liegt im Hinblick auf die noch offene (im Jahr 1984 erhobene) Berufung ein zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 noch anhängiges Verfahren vor, welches gemäß § 77 Abs. 1 erster Satz NÖ Bauordnung 1996 nach den bis dahin geltenden Bestimmungen zu Ende zu führen ist. Daraus folgt, dass das gegenständliche Abgabenverfahren nach den Bestimmungen der NÖ Bauordnung 1976 zu Ende zu führen ist. Es ist daher auch § 119 NÖ Bauordnung 1976 im vorliegenden Verfahren weiter anzuwenden.

Im Übrigen enthält auch § 9 NÖ Bauordnung 1996 eine entsprechende Anordnung betreffend die dingliche Wirkung von Bescheiden nach der Bauordnung (die freilich dem Wortlaut nach nur auf Bescheide nach der NÖ Bauordnung 1996 zu beziehen ist, was im vorliegenden Zusammenhang jedoch wegen der ausdrücklich ausgesprochenen weiteren Anwendbarkeit der NÖ Bauordnung 1976 keine Auslegungsprobleme bewirkt).

Hinsichtlich der beschwerdegegenständlichen Abgabenvorschreibung sind somit durch den Rechtsübergang auf die nunmehrigen Eigentümer des Grundstückes gemäß § 119 NÖ Bauordnung 1976 auch die Rechte und Pflichten des ursprünglichen Beschwerdeführers im Zusammenhang mit dem verfahrensgegenständlichen Abgabenanspruch auf die Rechtsnachfolger übergegangen.

Die Rechtsnachfolger im Eigentum an der Liegenschaft, auf das sich die Abgabenschuld gründet, traten somit im Hinblick auf die dingliche Wirkung von Abgabenbescheiden nach der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 an Stelle des Rechtsvorgängers mit dessen Rechten und Pflichten in das Abgabenschuldverhältnis, das durch den Bescheid des Bürgermeisters vom 18. Juli 1984 begründet wurde, und somit in das gegenständliche Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ein. Die vom ursprünglichen Beschwerdeführer erhobene Berufung ist den Rechtsnachfolgern zuzurechnen.

2. Da der Gemeinderat der Marktgemeinde Eichgraben den versäumten Bescheid nicht nachgeholt hat, wäre der Verwaltungsgerichtshof an sich gemäß § 42 Abs. 4 VwGG zuständig, in der vorliegenden Abgabensache gemäß der Niederösterreichischen Landesabgabenordnung 1977, LGBl. 3400 (NÖ AO 1977), über die nunmehr den Beschwerdeführern zuzurechnende Berufung des ursprünglichen Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 18. Juli 1984 zu entscheiden (vgl. § 158a Abs. 1 iVm § 158 Abs. 3 NÖ AO 1977, LGBl. 3400).

3. Die Vorschreibung der Aufschließungsabgabe gemäß § 14 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1976 ist eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches (vgl. § 117 NÖ Bauordnung 1976, der die Angelegenheiten des Abschnitts III, in dem auch § 14 enthalten ist, in den eigenen Wirkungsbereich verweist). In Ermangelung ausdrücklicher Zuständigkeitsregelungen für diese Vorschreibung in der Bauordnung, bestimmt sich die Zuständigkeit zur Entscheidung in diesen Angelegenheiten nach § 48 NÖ AO 1977. Diesem zu Folge war für die Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide des Bürgermeisters in Angelegenheiten der Gemeindeabgaben der Gemeinderat zuständig.

Mit Novelle LGBl 3400-7, beschlossen am 18. November 1999 und ausgegeben am 31. Jänner 2000, wurde § 48 NÖ AO 1977 dahin gehend geändert, dass es an Stelle "Gemeinderat" zu lauten hat "Gemeindevorstand".

§ 48 NÖ AO 1977 lautet daher nunmehr:

"§ 48

Enthalten die im § 47 erwähnten Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit keine Bestimmungen, so sind in den Angelegenheiten der Landesabgaben in erster Instanz das Landesabgabenamt am Sitze des Amtes der niederösterreichischen Landesregierung, in zweiter Instanz die Landesregierung und in den Angelegenheiten der Gemeindeabgaben in erster Instanz der Bürgermeister, in zweiter Instanz der Gemeindevorstand sachlich zuständig."

Gemäß Art. II der Novelle 3400-7 ist § 48 NÖ AO 1977 in der Fassung dieser Novelle am Tag der Beschlussfassung über dieses Gesetz in Kraft getreten und findet auch auf davor entstandene Abgabeschuldverhältnisse Anwendung.

Daraus folgt, dass die Zuständigkeit des mit Säumnisbeschwerde belangten Gemeinderates zur Entscheidung über die vorliegende Berufung mit 18. November 1999 beseitigt wurde.

4. Gemäß § 27 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht (von hier nicht in Betracht kommenden Fällen abgesehen) binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Das Wesen einer Säumnisbeschwerde liegt darin, dass sie die Partei vor der Rechtsverweigerung durch die Verwaltungsbehörde schützt; das Ziel der Säumnisbeschwerde ist es, eine Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes an Stelle der säumigen Behörde herbeizuführen. Ist aber die Zuständigkeit der säumigen Behörde zur Entscheidung über ein Parteibegehren nach Einbringung der Säumnisbeschwerde infolge Gesetzesänderung weggefallen, so ist deren Entscheidungspflicht untergegangen und die Säumnisbeschwerde mangels Berechtigung des Beschwerdeführers zu deren Erhebung zurückzuweisen (vgl. den hg. Beschluss vom 22. Jänner 1969, Slg. Nr. 7492/A, sowie den Beschluss vom 16. September 1999, Zl. 97/20/0418). Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesen Beschlüssen bereits ausgeführt hat, kann nämlich der Gerichtshof seine Entscheidung nur an Stelle der belangten Behörde treffen, was rechtlich lediglich dann und nur solange möglich ist, als die belangte Behörde zuständig ist. Dies macht auch der Regelungszusammenhang mit § 42 Abs. 4 VwGG deutlich, wonach es der belangten Behörde obliegt, eine einem allfälligen Grundsatzbeschluss entsprechende Sachentscheidung zu treffen. Die Annahme der fortdauernden Entscheidungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes in der Sache selbst an Stelle der belangten Behörde würde es mit sich bringen, dass dem neu zuständig gewordenen Organ - im Besonderen auch im Fall des § 42 Abs. 4 VwGG - die Zuständigkeit genommen würde, wofür das Gesetz keine Grundlage bietet.

5. Aus dem Eintritt der Unzuständigkeit der belangten Behörde ergibt sich der Untergang der Entscheidungspflicht der vor dem Verwaltungsgerichtshof belangten Behörde. Die wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erhobene Beschwerde ist daher wegen des Verlustes der Berechtigung des Beschwerdeführers zu ihrer Erhebung gegen die belangte Behörde unzulässig geworden.

Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

6. Die belangte Behörde hat keinen Antrag auf Kostenersatz gestellt.

Wien, am 5. Juli 2004

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATIONIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:1998170238.X00

Im RIS seit

17.11.2004

Zuletzt aktualisiert am

08.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten