TE Vwgh Erkenntnis 2004/7/8 2004/07/0046

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Veröffentlicht am 08.07.2004
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
14/01 Verwaltungsorganisation;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AVG §8;
AWG 2002 §75 Abs3;
MRK Art6;
VerpackV 1996 §12;
VerpackV 1996 §3;
VerpackV 1996;
VStG §24;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs7;
VStG §9;
VwGG §13 Abs1 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, über die Beschwerde der H & K KG in Wien, vertreten durch Dr. Susanna Fuchs-Weißkircher, Rechtsanwältin in Wien, Rudolfsplatz 1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 22. Jänner 2004, Zl. 66 3510/24-VI/6/04-Ra, betreffend Kostenvorschreibung nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Unternehmen der beschwerdeführenden Partei wurde von der belangten Behörde eine Kontrolle zur Einhaltung der sich aus der Verpackungsverordnung ergebenden Verpflichtungen durchgeführt. Für diese Kontrolle bediente sich die belangte Behörde nichtamtlicher Sachverständiger.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 22. Jänner 2004 verpflichtete die belangte Behörde die beschwerdeführende Partei gemäß § 75 Abs. 3 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 102/2002 (AWG 2002), die durch die Heranziehung von Sachverständigen zur Kontrolle der Einhaltung von in der Verpackungsverordnung festgelegten Verpflichtungen entstandenen Kosten in Höhe von insgesamt EUR 1.635,14 zu ersetzen.

In der Begründung dieses Bescheides heißt es, für die Durchführung von Kontrollen betreffend die Einhaltung der sich aus der Verpackungsverordnung ergebenden Verpflichtungen stünden der belangten Behörde geeignete Amtssachverständige nicht zur Verfügung. Es seien daher näher bezeichnete nichtamtliche Sachverständige beigezogen worden.

Die belangte Behörde habe mit Schreiben vom 10. Juli 2000 dem Landeshauptmann von Wien den durch die nichtamtlichen Sachverständigen verfassten Prüfbericht mit dem Ersuchen übermittelt, diesen der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde zur allfälligen Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens zur Verfügung zu stellen.

Mit Schreiben vom 14. Oktober 2003 habe der Landeshauptmann von Wien mitgeteilt, dass als Ergebnis des auf Grundlage des Prüfberichtes eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahrens gegen den verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen der beschwerdeführenden Partei wegen Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes in Verbindung mit der Verpackungsverordnung eine Geldstrafe verhängt worden sei. Das Straferkenntnis des magistratischen Bezirksamts für den 10. Bezirk vom 20. März 2003 sei rechtskräftig.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 4. Dezember 2003 seien die im Spruch des angefochtenen Bescheides angeführten Sachverständigenkosten samt dem zugrunde liegenden Sachverhalt der beschwerdeführenden Partei zur Kenntnis gebracht und ihr gemäß § 45 Abs. 3 AVG Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen gegeben worden.

Die beschwerdeführende Partei habe davon in der ihr eingeräumten Frist keinen Gebrauch gemacht.

Da die Voraussetzungen des § 75 AWG 2002 für die Vorschreibung der Überprüfungskosten vorlägen, sei die beschwerdeführende Partei zum Ersatz dieser Kosten zu verpflichten gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die beschwerdeführende Partei bringt vor, die belangte Behörde hätte Erhebungen darüber führen müssen, ob das Straferkenntnis des magistratischen Bezirksamtes für den

10. Bezirk vom 20. März 2003 gegen den verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen der beschwerdeführenden Partei tatsächlich in Rechtskraft erwachsen sei. Zum "Zeitpunkt der Verfügung laut Straferkenntnis" sei das Delikt verjährt gewesen. Anhand der Feststellungen im angefochtenen Bescheid sei nicht überprüfbar, ob sich das Straferkenntnis auf den Prüfungszeitraum beziehe, weil keine Geschäftszahl angeführt sei. Wenn aber die Prüfung 1999 stattgefunden habe, habe die Strafbarkeit des Deliktes gemäß § 39a AWG für denjenigen, der zum Zeitpunkt der Prüfung verantwortlich gewesen sei, spätestens im Juli 2000 geendet. Der verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche sei bereits am 23. März 1999 aus dem Unternehmen als Prokurist ausgeschieden. Die Zustellung des Straferkenntnisses an der Geschäftsstelle der beschwerdeführenden Partei im Jahr 2003 sei nicht wirksam, sodass das Straferkenntnis auch nicht in Rechtskraft erwachsen sei. Im angefochtenen Bescheid sei auch der Inhalt des Straferkenntnisses nicht wiedergegeben, sodass dieses in keinen Zusammenhang mit der Prüfung gebracht werden könne.

Ebenso hätte das Kostenverzeichnis des Sachverständigen der beschwerdeführenden Partei zur Äußerung zugestellt werden müssen. Aus der Honorarbestätigung sei keine Bemessungsgrundlage erkennbar, auch nicht, welche Leistungen erbracht worden seien. Sie enthalte auch kein Datum. Eine Prüfung der Höhe der Sachverständigenkosten durch die beschwerdeführende Partei sei nicht möglich. Der Anspruch des Sachverständigen sei darüber hinaus bereits verjährt. Der Bescheid enthalte keinerlei Angaben zum Datum der Rechnungslegung sowie zur Höhe des Anspruches.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 75 AWG 2002 lautet auszugsweise:

"Überprüfungspflichten und -befugnisse

§ 75. (1) Der Landeshauptmann hat Abfallersterzeuger von gefährlichen Abfällen, ausgenommen Problemstoffen, Abfallsammler und -behandler regelmäßig angemessen zu überprüfen. Abfallsammler und -behandler gemäß § 25 Abs. 1 und Behandlungsanlagen für gefährliche Abfälle sind längstens alle fünf Jahre zu überprüfen. Der Landeshauptmann kann mit der Durchführung der Überprüfung der Behandlungsanlagen die Bezirksverwaltungsbehörde betrauen und diese ermächtigen, in seinem Namen Anordnungen und Aufträge zu erteilen. Gesetzliche Mitwirkungs- und Anhörungsrechte werden dadurch nicht berührt.

(2) Die Überprüfung der Einhaltung von Verpflichtungen, die durch eine Verordnung gemäß § 14 Abs. 1 betreffend Verpackungen, Altfahrzeuge oder elektrische und elektronische Geräte festgelegt sind, obliegt dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.

(3) Entstehen bei der Überprüfung besondere Kosten, insbesondere durch Heranziehung von Sachverständigen, so können die durch dieses Bundesgesetz verpflichteten Personen durch Bescheid der Behörde, welche die Überprüfung vorgenommen hat, zum Ersatz dieser Kosten verpflichtet werden, wenn die Überwachung Anlass zur Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens gegeben und zu einer rechtskräftigen Bestrafung geführt hat.

..."

Was unter den im § 75 Abs. 3 AWG 2002 genannten "durch dieses Bundesgesetz verpflichteten Personen" gemeint ist, wird aus der Systematik und dem Zweck des § 75 leg. cit. deutlich. Im Beschwerdefall geht es um die Überprüfung der Einhaltung der Verpflichtungen aus der Verpack VO 1996. Die VerpackVO 1996 enthält Pflichten der Hersteller, Importeure, Abpacker und Vertreiber von Verpackungen (vgl. insbesondere die §§ 3 und 12 VerpackVO 1996). Hersteller, Importeur, Abpacker oder Vertreiber von Verpackungen kann sowohl eine natürliche als auch eine juristische Person oder eine Personengesellschaft des Handelsrechts sein. Die Verpflichtungen aus der VerpackVO 1996 treffen denjenigen - unabhängig von seiner juristischen Konstruktion -, der die Tätigkeiten eines Herstellers, Vertreibers etc. ausübt. Diese Personen sind auch die "durch dieses Bundesgesetz verpflichteten Personen" im Sinne des " 75 Abs. 3 AWG 2002. § 75 Abs. 3 AWG 2002 erfasst daher den Hersteller, Vertreiber etc., nicht jedoch den strafrechtlich für die Einhaltung der Vorschriften Verantwortlichen im Sinne des § 9 VStG. Dass Adressat der Kostentragung nicht der strafrechtlich Verantwortliche ist, sondern jene (physische oder juristische) Person, welche die Tätigkeit ausübt, die den Verpflichtungen der VerpackVO 1996 unterliegt, ergibt sich deutlich auch aus § 75 Abs. 1 AWG 2002, wo der Adressat der dort geregelten Überprüfungen genannt ist, nämlich Abfallersterzeuger von gefährlichen Abfällen, Abfallsammler und -behandler, also jene Personen, die eine bestimmte Tätigkeit ausüben. Abfallersterzeuger, Abfallsammler oder -behandler aber sind im Falle der Ausübung dieser Tätigkeiten durch juristische Personen oder Personengesellschaften des Handelsrechts diese selbst und nicht die strafrechtlich Verantwortlichen.

§ 75 Abs. 3 AWG 2002 verbindet eine rechtskräftige Bestrafung mit der Verpflichtung zum Ersatz der Kosten für die Überprüfung. Das wirft die Frage nach der Parteistellung des zur Kostentragung Verpflichteten im Verwaltungsstrafverfahren in jenen Fällen auf, in denen der zur Kostentragung Verpflichtete nicht identisch mit dem Beschuldigten ist und damit auch die Frage, wann eine "rechtskräftige Bestrafung" im Sinne des § 75 Abs. 3 AWG 2002 vorliegt.

Eine ausdrückliche Vorschrift, welche dem "Verpflichteten" Parteistellung im Verwaltungsstrafverfahren einräumt, besteht nicht.

Im Verwaltungsstrafverfahren gilt aber nach § 24 VStG § 8 AVG.

In § 8 AVG wird unter Verwendung der in der Rechtswissenschaft herausgebildeten abstrakten Begriffe "Rechtsanspruch" und "rechtliches Interesse" festgelegt, in welcher Beziehung an einem Verwaltungsverfahren Beteiligte zu diesem Verfahren stehen müssen, damit ihnen die Stellung einer Partei zukommt. Darüber, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, dass von einem Rechtsanspruch oder rechtlichen Interesse die Rede sein kann, enthält § 8 AVG keine Bestimmung. Es kann demnach die Frage, wer in einem konkreten Verwaltungsverfahren Parteistellung besitzt, anhand des AVG allein nicht gelöst werden. Die Parteistellung muss vielmehr aus den verwaltungsrechtlichen Vorschriften abgeleitet werden; auf dem Boden des materiellen Verwaltungsrechts muss sie nach dem Gegenstand des betreffenden Verwaltungsverfahrens und nach dem Inhalt der zur Anwendung kommenden Verwaltungsvorschriften beurteilt werden (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, 194, unter E 31 wiedergegebene Rechtsprechung).

Maßgebend für die Parteistellung ist, dass die Sachentscheidung in die Rechtssphäre des Betreffenden bestimmend eingreift und weiters, dass darin eine unmittelbare, nicht bloß abgeleitete und mittelbare Wirkung zum Ausdruck kommt (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, 197, unter E 46 wiedergegebene Rechtsprechung).

Als eine Vorschrift des materiellen Rechts, die von dem Verweis des § 8 AVG umfasst ist, kommt § 75 Abs. 3 AWG 2002 in Betracht.

Die Bestrafung des verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen hat unmittelbaren Einfluss auf die Rechtsstellung des Verpflichteten im Sinne des § 75 Abs. 3 AWG 2002. Sie führt dazu, dass er zum Kostenersatz verpflichtet wird. Dass die Verpflichtung zum Kostenersatz durch einen gesonderten Bescheid zu erfolgen hat, ändert daran nichts. Aus der im § 75 Abs. 3 AWG 2002 aus einer Bestrafung abgeleiteten Folge der Verpflichtung zum Kostenersatz folgt, dass der Ausgang des Verwaltungsstrafverfahrens gegen den verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen auch die Rechtssphäre des Unternehmers berührt, was gemäß § 8 AVG in Verbindung mit § 24 VStG dessen Parteistellung im Strafverfahren gegen den verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen zur Folge hat.

Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 9 Abs. 7 VStG. Diese Bestimmung lautet:

"(7) Juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts und eingetragene Erwerbsgesellschaften sowie die in Abs. 3 genannten natürlichen Personen haften für die über die zur Vertretung nach außen Berufenen oder über einen verantwortlichen Beauftragten verhängten Geldstrafen, sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand".

Im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 21. November 2000, 99/09/0002, VwSlgNF 15527/A, hat der Verwaltungsgerichtshof in Abkehr von der bisherigen Judikatur ausgesprochen, dass der nach § 9 Abs. 7 VStG Haftungspflichtige bereits im Verwaltungsstrafverfahren gegen das Organ Parteistellung hat. In der Begründung dieses Erkenntnisses wird dazu ausgeführt:

"Der Verwaltungsgerichtshof ist abweichend von der dargestellten älteren Rechtsprechung und Lehre der Auffassung, dass eine auch dem Art. 6 MRK gerecht werdende Lösung der dargestellten Problematik nur in der von der neueren Lehre geforderten Bejahung der Parteistellung des Haftungspflichtigen im Verwaltungsstrafverfahren gegen das Organ gefunden werden kann. Es ist daher in diesem Punkt der oben wiedergegebenen Rechtsauffassung von Walter/Mayer zu folgen und zu fordern, dass der Haftungspflichtige im Sinne der §§ 24 VStG, 8 AVG bereits dem Verwaltungsstrafverfahren als Partei beizuziehen ist und in diesem Verfahren auch alle Parteirechte einschließlich des Berufungsrechtes ausüben kann. Nur so ist es dem Haftungspflichtigen in einer rechtsstaatlich einwandfreien Weise möglich, einen Strafbescheid, der ihn im Wege der Haftung dem Grunde und der Höhe nach zu Geldzahlungen verpflichtet, zu bekämpfen und damit seine Haftung gegebenenfalls auszuschließen oder zu vermindern. Die bisherige Rechtsprechung, die eine etwaige Bekämpfungsmöglichkeit des Haftungspflichtigen ausschloss, widerstreitet jedenfalls dem Art. 6 MRK (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Oktober 1990, Slg. 12504, mit dem § 268 ZPO aufgehoben wurde), und begegnet somit rechtsstaatlichen Bedenken (vgl. auch Verfassungsgerichtshof Slg. 11934 und 13646).

Wer den Beweis und die Zurechnung einer für die Entscheidung über seine Ansprüche und Verpflichtungen wesentlichen Handlung nicht verfahrensrechtlich in Frage stellen kann, weil eine Bindung an eine andere Entscheidung aus einem Verfahren vorliegt, zu welchem er aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen keinen Zugang hatte, dessen rechtlicher Anspruch auf Gehör ist nicht erfüllt.

Gegen die Lösung der älteren Judikatur und Lehre spricht insbesondere, dass sie es dem Haftungspflichtigen nicht ermöglicht, gegen den Strafbescheid andere Gründe geltend zu machen als jene, "die die Haftung als solche ausschließen würden". Dem Haftungspflichtigen wäre es mangels rechtzeitiger Anhörung somit nicht möglich, den Nachweis zu führen, dass sein Organ (oder sein verantwortlicher Beauftragter) nicht oder nicht in einem bestimmten Ausmaß bestraft werden dürfe".

In diesen Begründungsausführungen wird mehrmals auf Art. 6 MRK Bezug genommen. Ob die Vorschreibung des Kostenersatzes nach § 75 AWG 2002 in den Anwendungsbereich des Art. 6 MRK fällt, braucht aber nicht untersucht werden, da der Hinweis auf Art. 6 MRK im Erkenntnis VwSlg 15527/A nicht das allein tragende Element der Begründung, sondern nur eine Abstützung des über § 24 VStG in Verbindung mit § 8 AVG gefundenen Ergebnisses ist. Dies ergibt sich deutlich daraus, dass der Verwaltungsgerichtshof sich ausdrücklich der Auffassung von Walter/Mayer (Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts7, Rz 780) und Walter/Thienel (Verwaltungsverfahrensgesetze II2, S 179, Anm. 32 zu § 9 VStG) angeschlossen hat. Die genannten Autoren begründen die Parteistellung des Unternehmers im Verfahren gegen das Organ mit dem Hinweis auf § 8 AVG in Verbindung mit § 24 VStG und ohne Rückgriff auf Art. 6 MRK.

Die in der Einleitung des Vorverfahrens zur Stellungnahme aufgeforderte belangte Behörde vertritt die Meinung, die beschwerdeführende Partei habe im Verwaltungsstrafverfahren ohnehin Parteistellung gehabt; dies deshalb, weil der Bestrafte selbständig vertretungsbefugtes Organ der beschwerdeführenden Partei sei und die beschwerdeführende Partei im Verwaltungsstrafverfahren durch ihn repräsentiert werde.

Mit dem Argument der Repräsentation des Unternehmers durch das Organ im Verwaltungsstrafverfahren hat sich der Verwaltungsgerichtshof im bereits zitierten Erkenntnis eines verstärkten Senates VwSlg 15527/A auseinander gesetzt und dieses Argument mit der Begründung verworfen, "dass es keinesfalls immer so ist, dass die juristische Person und ihr Organ im Strafverfahren gleichgerichtete Interessen verfolgen, was vor allem im Streitfall zwischen diesen beiden Personen nicht zutreffen wird. Die 'Doppelrolle' des Organs im Verwaltungsstrafverfahren ist daher entgegen Hellbling keineswegs unbedenklich".

Diese Überlegungen gelten auch für den vorliegenden Fall.

Denkbar wäre, statt einer Parteistellung des Unternehmers im Verwaltungsstrafverfahren gegen den verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen dem Unternehmer die Möglichkeit einzuräumen, ohne Bindung an die rechtskräftige Bestrafung im Verfahren zur Kostenersatzvorschreibung alles geltend zu machen, was gegen die Bestrafung des verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen spricht.

Diese Lösung scheidet jedoch schon deswegen aus, weil § 75 Abs. 3 AWG 2002 den Kostenersatz von einer rechtskräftigen Bestrafung abhängig macht und damit jene Behörde, die den Kostenersatz vorschreibt, an die Entscheidung der Verwaltungsstrafbehörde bindet.

§ 75 Abs. 3 AWG 2002 macht die Vorschreibung des Kostenersatzes von einer rechtskräftigen Bestrafung abhängig. Da der Verpflichtete im Verwaltungsstrafverfahren gegen den verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen Parteistellung hat, kann von einer rechtskräftigen Bestrafung erst dann die Rede sein, wenn das Straferkenntnis auch gegenüber dem Verpflichteten rechtskräftig ist. Das ist aber nicht der Fall, wenn diesem gegenüber das Straferkenntnis nicht ergangen ist.

Im Beschwerdefall wurde dem Verwaltungsstrafverfahren in beiden Instanzen nur der verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche der beschwerdeführenden Partei beigezogen und nur ihm wurde die Entscheidung zugestellt. Gegenüber der beschwerdeführenden Partei liegt daher keine "rechtskräftige Bestrafung" im Sinne des § 75 Abs. 3 AWG 2002 vor.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 8. Juli 2004

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Diverses Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger Zustellung Verfahrensrecht VStG Anzeiger

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004070046.X00

Im RIS seit

04.08.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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